Keine Versicherungspflicht von Promotionsstudenten in der Krankenversicherung der Studenten; Berücksichtigung von Einnahmen
aus einem Promotionsstipendium bei der Beitragsbemessung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Heranziehung eines Promotionsstipendiums sowie von Einkünften der Klägerin aus einer Tätigkeit
als Übungsleiterin zur Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
sowie zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) im Zeitraum 1. Juni 2010 bis 31. Januar 2011.
Die 1985 geborene Klägerin beantragte am 18. Mai 2010 bei der Beklagten zu 1. die Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung
und in der sPV ab 1. Juni 2010 wegen Beendigung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bei der J.
Dann erhalte sie ein Promotionsstipendium in Höhe von 1.400 EUR monatlich. Zudem übe sie eine Tätigkeit als Übungsleiterin
im Umfang von 2,5 Stunden wöchentlich aus und erziele hieraus einen Gewinn von ca. 120 EUR monatlich. Nach dem Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2008 hatte sie aus selbstständiger Tätigkeit ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 1.894 EUR erzielt. Laut
Förderzusage der vom 3. Juni 2010 verpflichtete sich die Klägerin, sich als Doktorandin mit voller Arbeitskraft auf das Promotionsvorhaben
zu konzentrieren.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2010 setzte die Beklagte zu 1. - zugleich für die Beklagte zu 2. - die Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung für die Zeit ab 1. Juni 2010 unter Berücksichtigung monatlicher Einkünfte in Höhe von 1.560,83 EUR (Beiträge
monatlich: 223,20 EUR bzw. 34,34 EUR) fest.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, ihre Einkünfte aus einer nebenberuflichen Tätigkeit als Übungsleiterin
könnten der Beitragsbemessung nicht zu Grunde gelegt werden. Auch das Stipendium sei nicht zu berücksichtigen. Die Beiträge
richteten sich zumindest über eine analoge Anwendung nach §
236 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V). Mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2010 wies die Beklagte zu 1. den Widerspruch auch im Namen der Beklagten zu 2.
zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin die Neufestsetzung des Krankenversicherungsbeitrages begehrt. Sie sei Promotionsstudentin
an der J. ohne in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu stehen. Als Übungsleiterin erhalte sie vom J. e.V. eine Aufwandsentschädigung.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2011 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Es hat den Antrag der Klägerin dahingehend ausgelegt, dass diese sowohl die festgesetzten Beiträge
zur GKV als auch zur sPV beanstandet.
Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, die Beklagte zu 1. habe den ihr nach §
240 Abs.
2 Satz 1
SGB V eingeräumten Ermessensspielraum nicht genutzt. Wenn der Gesetzgeber mit §
240 Abs.
1 Satz 2
SGB V tatsächlich beabsichtigt hätte, andere Einkünfte als die der Einkunftsart "Arbeitseinkommen" in die Beitragsbemessung einzubeziehen,
dann hätte er dies ausdrücklich klarstellen und nicht der Beliebigkeit der Richtlinien eines Spitzenverbandes der Krankenkassen
überlassen dürfen. Einkünfte aus Übungsleitertätigkeit seien damit nicht in die Beitragsbemessung einzubeziehen, denn es handele
sich weder um Arbeitseinkommen noch Arbeitsentgelt, wie sich ohne weiteres aus §
226 SGB V i.V.m. §
14 Abs.
1 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) i.V.m. §
3 Nr.
26 bzw. Nr. 26a des
Einkommensteuergesetzes (
EStG) ergebe. Nichts anderes gelte für Stipendien. Sie sei als Studentin i.S.v. §
5 Abs.
1 Nr.
9 EStG mit der Folge anzusehen, dass §
245 SGB V Anwendung finde. Zudem sei die Schlechterstellung gegenüber einer Promotionsstudentin mit Haushaltsstelle nicht zu rechtfertigen.
Den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Dezember 2013 (Az.: B 12 KR 3/12 und B 12 KR 8/12) lägen andere Sachverhalte zu Grunde. Auch lasse der Inhalt der
Förderzusage vermuten, dass das Stipendium nicht der Förderung ihres Lebensunterhaltes diene.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 20. Juni 2011 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni
2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2010 dahingehend abzuändern, dass sie ab dem 1. Juni 2010 bis
31. Januar 2011 Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 64,66 EUR monatlich
zu zahlen hat.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten zu 1. vom 8. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2010 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie war berechtigt, die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Promotionsstipendium
sowie die Einnahmen aus der Übungsleitertätigkeit der Beitragsbemessung in der GKV und im Namen der Beklagten zu 2. in der
sPV zu Grunde zu legen. Nach §
46 Abs.
1 Satz 4 und Satz 5 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen
haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Das Mitglied
ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht. Die Einnahmen
aus dem Promotionsstipendium und der Übungsleitertätigkeit gehören zu den Einnahmen, aus denen nach §
240 SGB V i.V.m. §
3 Abs.
1 der - grundsätzlich wirksamen - "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen
Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden
Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz)) Beiträge freiwilliger Mitglieder der GKV erhoben werden
dürfen, ohne dass es hierfür einer speziellen Regelung bedurfte oder die Verwendung einer Generalklausel in §
3 BeitrVerfGrsSz gegen höherrangiges Recht verstieße. Für die sPV gelten nach §
57 Abs.
4 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI) die gleichen Maßstäbe.
Die Klägerin war im streitigen Zeitraum bei der Beklagten zu 1 freiwillig krankenversichert. Eine Pflichtversicherung nach
§
5 Nr. 9
SGB V bestand nicht. Doktoranden oder sogenannte Promotionsstudenten, die nach Abschluss ihres Fachstudiums nur noch eingeschrieben
sind um zu promovieren, gehören nicht mehr zu den versicherungspflichtigen Studenten (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 - Az.: 12 RK 45/92, nach juris). Die §§
236,
245 SGB V sind daher ebenfalls nicht einschlägig. Die Klägerin erfüllt auch offensichtlich nicht die Voraussetzungen des §
240 Abs.
4 Satz 7
SGB V, wonach §
236 SGB V i.V.m. §
245 SGB V entsprechend gilt. Eine analoge Anwendung dieser Regelungen kommt mangels Lücke nicht in Betracht, weil eine ausdrückliche
gesetzliche Regelung existiert.
Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach §
240 SGB V in Verbindung mit den BeitrVerfGrsSz, die der Spitzenverband der Krankenkassen zur Erfüllung seines Regelungsauftrags aus
§
240 SGB V (in der hier maßgebenden Fassung vom 17. Juli 2009) erlassen hat. Dabei ist sicherzustellen, dass die gesamte wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt wird (§
240 Abs.
1 Satz 2
SGB V). Nach §
240 Abs.
2 SGB V sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen,
die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind (Satz 1).
Die BeitrVerfGrsSz vom 27. Oktober 2008, gültig seit 1. Januar 2009, sind als untergesetzliche Normen grundsätzlich eine hinreichende
Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - Az.: B 12 KR 20/11 R, nach juris). Nach § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen,
der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und
Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche
Behandlung zu Grunde zu legen.
Durch die Bezugnahme auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in §
240 Abs.
1 Satz 2
SGB V sollte erreicht werden, dass der Beitragspflicht "alle Einnahmen und Geldmittel" zu Grunde gelegt werden, "die das Mitglied
zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte", dies "ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung". Die Beitragspflicht
entsteht nach der Rechtsprechung des BSG unabhängig davon, ob die Einnahmen dem Arbeitsentgelt vergleichbar sind und ob mit einer Zuwendung ein bestimmter Zweck verfolgt
wird oder nicht. Nur zwei Gruppen von Einnahmen sind von der Beitragspflicht ausgenommen und zwar (Sozial-) Leistungen, die
gerade der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen"
nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern ihm ungekürzt erhalten bleiben sollen und
Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft
erlittenen Sonderopfers gewährt werden. Letztere gelten in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, aaO.).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann die Klägerin nicht verlangen, dass ihr Promotionsstipendium bei der Beitragsbemessung
unberücksichtigt bleibt, denn es steht ihr zum Verbrauch für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung und bestimmt daher
wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit i.S.d. §
240 Abs.
1 Satz 2
SGB V. Eine Zweckbestimmung - unabhängig davon, ob eine solche überhaupt zu berücksichtigen wäre - dahingehend, dass es nicht dem
Lebensunterhalt der Klägerin, sondern anderen Zwecken dienen soll, ist der Förderzusage nicht zu entnehmen. In den Bewilligungsbestimmungen
wird im Gegenteil darauf hingewiesen, dass eine Erwerbstätigkeit während des Stipendiums nur unter bestimmten Bedingungen
und auch insgesamt nur in einem Umfang von 40 Stunden pro Monat gestattet ist. Dies spricht deutlich gegen die Ansicht der
Klägerin.
Für die Berücksichtigung des Promotionsstipendiums bei der Beitragsbemessung bedurfte es über die in § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz enthaltende Generalklausel hinaus keiner speziellen Regelung. Diese war hinreichend bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, aaO.).
Auch die Einnahmen der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Übungsleiterin sind Einnahmen i.s.d. §
3 Abs.
1 BeitrVerfGrsSz und bestimmen ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach §
240 Abs.
1 SGB V. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 13. Oktober 2009 handelt es sich um Einkünfte aus selbstständiger
Arbeit. Unabhängig davon handelt es sich auch um Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden können. Soweit die Klägerin
vorträgt, es handele sich um eine Aufwandsentschädigung, widerspricht dies ihrem Einkommenssteuerbescheid und ist durch nichts
belegt.
Beitragsrechtlich bestehen auch Unterschiede zwischen einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit und einer geringfügigen
abhängigen Beschäftigung. Bei Letzterer trägt der Arbeitgeber nach §
249b SGB V einen Pauschalbeitrag. Es werden also Beiträge entrichtet, wenn auch nicht von dem Versicherten selbst. Bei einer freiwilligen
Versicherung gilt als beitragspflichtige Einnahme nach §
240 Abs.
4 SGB V mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Nach §
250 Abs.
2 SGB V tragen freiwillige Mitglieder den Beitrag allein. Eine entgeltgeringfügige selbstständige Tätigkeit führt also nicht zu einem
dementsprechenden niedrigeren Beitrag. Dass bei den freiwillig Versicherten der beitragsmäßigen Leistungsfähigkeit nach §
240 Abs.
1 Satz 2
SGB V nicht nur Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sondern daneben auch andere Einnahmen, wie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
sowie aus Kapitalvermögen, oder wie hier aus einem Promotionsstipendium berücksichtigt werden, entspricht dem die gesetzliche
Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
zu Beiträgen heranzuziehen. Dies ist von Verfassung wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 79, 223).
Für die sPV gelten die gleichen Grundsätze. Nach §
57 Abs.
4 Satz 1
SGB XI ist bei freiwilligen Mitgliedern der GKV - wie der Klägerin - für die Beitragsbemessung §
240 SGB V entsprechend anzuwenden, was auch dessen Konkretisierung durch die BeitrVerfGrsSz umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013, aaO.). Die Beklagte zu 1. war im Namen der Beklagten zu 2. nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz
berechtigt, die Einnahmen der Klägerin aus ihrem Grundstipendium der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Insofern gelten
die vorstehenden Ausführungen entsprechend. §
241 SGB V in der Fassung vom 26. März 2007 regelt Einzelheiten zur Festsetzung des Beitragssatzes. Zwischen den Beteiligten ist nicht
streitig, dass die Beklagte zu 1. den Beitragssatz zur Krankenversicherung ab dem 1. Juni 2010 in Höhe von 14,3 v.H. und im
Namen der Beklagten zu 2. zur Pflegeversicherung in Höhe von 2,2 v.H. der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.