Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für ambulant durchgeführte Magnetresonanztomographie(MRM bzw. MRT)-Untersuchungen
der Mamma in Höhe von 822,99 EUR streitig.
Am 24. November 2009 beantragte das Universitätsklinikum J. Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie (im
Folgenden: Universitätsklinikum J.) für die 1971 geborene Klägerin die Kostenübernahme für die Mamma-MRT unter Überreichung
eines Arztbriefes des Dipl.-Med. M. vom 23. November 2009 und einer Vereinbarung mit der. Dipl.-Med. M. empfahl eine Mamma-MRT.
Bei der Klägerin bestünden beidseits (links)rechts) schmerzlose tastbare Knoten in der Brust. Bei der Mammasonografie erschienen
diese Befunde beidseits suspekt für ein Mammakarzinom. In der Mammographie seien diese Tumore jedoch nicht darstellbar gewesen.
Für die Dignitätsbeurteilung bzw. für die zu erfolgende Therapieplanung wäre vor Durchführung einer Stanzbiopsie die Mamma-MRT
hilfreich. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Thüringen (MDK) e.V. am gleichen Tag
mit einer Begutachtung. In dem Gutachten vom 24. November 2009 wies der MDK darauf hin, dass die Mamma-MRT nur bei wenigen
Indikationen Bestandteil des Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) sei und diese Indikationen
bei der Klägerin nicht vorlägen. Es liege hier außerdem keine Erkrankung vor, die ohne die beantragte außervertragliche Diagnostik
in wenigen Wochen eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes mit Todesfolge oder eine vergleichbare Auswirkung habe. Außerdem
wäre die ultraschallgestützte Stanzbiopsie als vertragliche Leistung möglich. Am 24. November 2009 informierte die Beklagte
die Klägerin über das Ergebnis der Begutachtung und teilte ihr mit, die Kostenübernahme sei abzulehnen. Am 25. November 2009
ließ diese die Mamma-MRT durchführen.
Unter dem 4. Januar 2010 beantragte die Klägerin erneut die Kostenübernahme für die Mamma-MRT. Mit schriftlichem Bescheid
vom 12. Januar 2010 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung,
sie sei zur Mammographie überwiesen worden, durch die man ebenfalls nichts Genaues habe feststellen können. Durch die Mamma-MRT
habe festgestellt werden können, welcher von den zehn gefundenen Knoten einer Stanzbiopsie hätte zugeführt werden müssen.
Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK vom 8. März 2010 ein, wonach auch nach der S 3-Leitlinie "Diagnostik, Therapie
und Nachsorge des Mammakarzinoms", erste Aktualisierung 2008, Abschnitte B2. 2) eine Mamma-MRT nicht empfohlen werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Arztbriefe der Radiologischen Praxis Dr. T. vom 19. November 2009 und des Universitätsklinikums J. vom 25. November 2009
beigezogen. Anamnestisch gab die Klägerin dort an, ihre Mutter sei mit 40 Jahren an einem Mammakarzinom erkrankt. Dr. T. führte
am 19. November 2009 eine Mammographie beidseits durch. Es bestehe ein dichter großflächiger Drüsenkörper, der altersentsprechend
sei. Eine gewisse Asymmetrie mit Abgrenzung einer dichteren Struktur medial der linken Mamille von ca. 3 cm, erscheine primär
aber nicht suspekt. Es bestehe kein Anhalt für einen malignen Mammatumor, sie empfehle ein weiteres Vorgehen anhand des Sonografiebildes.
Sie habe die Klägerin zumindest über die Möglichkeit einer Mamma-MRT als Selbstzahlerleistung informiert. Im Bericht des Universitätsklinikums
Jena vom 25. November 2009 werden nach der MRT der Mamma dringend eine Stanzbiopsie und eine Exstirpation in dünnsten histopathologischen
Schichten empfohlen.
Mit Urteil vom 31. Januar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, bei der Mamma-MRT handele es sich um eine neue Untersuchungsmethode
nach §
135 Abs.
1 Satz 1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V). Sie sei im Rahmen der ambulanten Behandlung nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe. Dies sei nur bei
zwei Indikationen der Fall, die bei der Klägerin eindeutig nicht vorlägen.
Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, es läge ein Systemversagen vor. Dr. T. habe ihr eine MRT-Untersuchung
oder eine Stanzbiopsie empfohlen. Letztere stelle den schwerwiegenderen Eingriff dar. Es bestehe die Gefahr, dass gutartige
Mammatumore biopsiert würden. Dies könne durch ein Mamma-MRT vermieden werden. Ihre 1943 geborene Mutter sei im Jahr 2000
an Brustkrebs erkrankt, ihre 1943 geborene Tante väterlicherseits sei im Jahr 2009/2010 an Brustkrebs erkrankt und im Jahr
2012 verstorben, ihre 1920 geborene Großmutter väterlicherseits sei im Jahr 2001 an Unterleibskrebs erkrankt und im Jahr 2005
verstorben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 31. Januar 2012 und die Bescheide der Beklagten vom 24. November 2009 und 12.
Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die
entstandenen Kosten in Höhe von 822,99 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und eine weitere Stellungnahme des MDK
vom 22. Juni 2015.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch nach §
13 Abs.
3 SGB V in der der ab 1. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I Seite 378) auf Erstattung der Kosten für die Mamma-MRT. Die Beklagte hat die Kostenübernahme zu Recht mit dem (mündlichen) Bescheid
vom 24. November 2009 und dem (schriftlichen) Bescheid vom 12. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.
April 2010 abgelehnt. Nach §
13 Abs.
3 SGB V sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht
rechtzeitig erbringen kann (Fall 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Fall 2) und sich der Versicherte deshalb
die Leistung selbst beschafft. Die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 3 Fall 1 liegen offensichtlich nicht vor, sodass als Rechtsgrundlage
nur §
13 Abs.
3 Fall 2
SGB V in Betracht kommt.
Wie sich aus §
13 Abs.
1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb
nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen
als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§
2 Abs.
2 SGB V) trägt §
13 Abs.
3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen
müssen (vgl. §
1 Abs.
1 Satz 1
SGB V, §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V, §
70 Abs.
1 Satz 1
SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. §
76 Abs.
1 Satz 2
SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung
vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N).
Die Mamma-MRM war als nicht anerkannte Untersuchungsmethode nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung; eine Abrechnung
nach dem EBM-Ä war nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006 - Az.: B 1 KR 3/06 R m.w.N., nach juris). Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) sind nur dann Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung
nach §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V, wenn der GBA in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien
nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V i.V.m. mit §
135 Abs.
5 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer
(Ärzte, Zahnärzte usw.) NUB zulasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien
auch der Umfang der dem Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. Verwaltung
und Gerichte sind an die Entscheidungen des GBA über bestimmte Methoden im Grundsatz ebenso gebunden, wie wenn der Gesetzgeber
die Entscheidung selbst getroffen hätte (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006, aaO.). Die Magnetresonanztomographie der weiblichen Brust (MRM) ist seit dem 18. Oktober
2001 in der Anlage I der Richtlinie des damaligen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - eines Rechtsvorgängers des
GBA - zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung
(NUB-Richtlinie, vorher BUB-Richtlinie) in der Fassung vom 17. Januar 2006 (Bundesanzeiger 2006 Nr. 48, Seite 1523) in Kraft
getreten am 1. April 2006, nur bei folgenden Indikationen zugelassen: "Rezidivausschluss eines Mamma-Karzinoms nach brusterhaltender
Therapie (Operation und/oder Radiatio) oder nach primärem oder sekundärem Brustwiederaufbau, wenn Mammographie und Sonographie
nicht die Dignität des Rezidivverdachtes klären. - Primärtumorsuche bei histologisch gesicherter axillärer Lymphknotenmetastase
eines Mamma-Karzinoms, wenn ein Primärtumor weder klinisch noch mit den bildgebenden Verfahren Mammographie oder Sonographie
dargestellt werden konnte."
Darüber hinaus sind von Seiten der behandelnden Vertragsärzte bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten. In seiner zusammenfassenden
Beurteilung vom 18. Oktober 2001 führt der damalige Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte
und Krankenkassen u.a. aus, bei den beiden Indikationsstellungen könne die MRM einen relevanten Informationszugewinn ergänzend
zu den bisher etablierten, im Rahmen der Vertragsärztlichen Versorgung angewendeten, diagnostischen Verfahren (klinische Untersuchung,
Mammographie, Sonografie) leisten. Nur für die seltenen Fälle, wenn die bisher etablierten Verfahren keine hinreichend aufschlussreiche
Dignitätsbeurteilung des Rezidivverdachtes erlaubten, solle die MRM ergänzend als zusätzliches bildgebendes Verfahren eingesetzt
werden. Die MRM sei ausdrücklich nicht als routinemäßige Früherkennungsmethode im Rahmen der Nachsorgeuntersuchung, sondern
ausschließlich bei einzelnen, entsprechend dokumentierten und begründeten Zweifelsfällen einzusetzen.
Die genannten Indikationen lagen bei der Klägerin unstreitig nicht vor. Insoweit kann dahinstehen, ob die Qualitätsstandards
seitens des behandelnden Vertragsarztes eingehalten wurden. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausschluss der MRM der weiblichen
Brust bei anderen Indikationen auf einem Systemversagen beruht, sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.1997 - Az.: 1 RK 28/95, nach juris).
Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich schließlich auch nicht aus der Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts wegen des Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation. Das Bundesverfassungsgericht
hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 - Az.: 1 BvR 347/98 entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art.
2 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG nicht vereinbar ist, einem gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohlich oder regelmäßig tödliche Erkrankung
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung
einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Nach dieser Rechtsprechung ist für
das Vorliegen eines Leistungsanspruchs folgendes erforderlich: (1) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich
verlaufende Erkrankung vor, (2) bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende
Behandlung nicht zur Verfügung, (3) bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten)
Behandlungsmethode besteht eine auf Indizien gestützte "nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine
spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf". Um eine derartige Konstellation ging es hier nicht. Es lag weder
eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 7/05 R, nach juris) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 12/04 R, nach juris). Es bestand der Verdacht auf eine Krebserkrankung. Im Übrigen standen allgemein anerkannte, medizinischem Standard
entsprechende Untersuchungsmethoden zur Verfügung, wie die Stanzbiopsie. Diese bei der Klägerin auch zumutbar. Schließlich
wurde diese nach der Mama-MRT auch tatsächlich durchführt. Sollte die Klägerin zu den Hochrisikopatientinnen gehören, wäre
nach der Stufe-3-Leitlinie Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland (Stand: 2008, Fundstelle: www.uni-duesseldorf.de/AWMF/II/077-001I.pdf)
eine Vorstellung in einem zertifizierten hochspezialisierten Brustzentrum möglich gewesen. Für eine Ausdehnung der Rechtsgedanken
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf weitläufigere Bereiche, in denen der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen
den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung durch Schaffung besonderer Verfahren und mit besonderem Sachverstand
ausgestatteter Institutionen bewusst begrenzt hat, besteht kein Anlass (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006, aaO.). Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.