Vergütung Sachverständiger im sozialgerichtlichen Verfahren; Begutachtung einer somatoformen Schmerzstörung im Rentenverfahren
Gründe:
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche
Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen
worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG). Der Erinnerungsführer ist Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift.
Bei der Erinnerung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie
angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 1. Dezember 2011 - Az.: L 6 SF 1617/11 E und 8. September 2009 - Az.: L 6 SF 49/08).
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits
begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs.
1).
Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand
eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher
Arbeitsintensität orientiert (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98, beide nach juris). Zu berücksichtigen sind dabei die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung
der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss
vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig
sind (h.M., vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006, - L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung
anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.
Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen
Sachverständigen" in fünf Bereichen: a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, b) Erhebung der Vorgeschichte, c) notwendige
Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.
Für das Gutachten vom 4. Juni 2013 bestehen angesichts der übersandten Unterlagen und unter Berücksichtigung der üblichen
Erfahrungswerte keine Bedenken gegen den beantragten Zeitaufwand von 31 Stunden, die Kopien und die Umsatzsteuer. Dies ist
zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Keine Bedenken bestehen auch gegen die Vergütung in der Honorargruppe M3 (§ 9 Abs. 1 JVEG). Allerdings akzeptiert der Senat die Zuerkennung dieser Honorargruppe nicht allein wegen des Fachgebiets des Sachverständigen
(vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2008 - L 6 SF 48/08). Hier hatte der Erinnerungsführer jedoch eine die anhaltende somatoforme Schmerzstörung zu beurteilen. Die Begutachtung
chronischer nicht monokausal erklärbarer Schmerzen ist eine interdisziplinäre Aufgabe, die Kompetenz sowohl zur Beurteilung
körperlicher als auch psychischer Störungen erfordert (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2008 - L 6 SF 48/08; Widder, Schiltenwolf, Egle et al. Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen, AWMF-Register
Nr. 030/102, S2k) und zur Einschätzung der Beurteilung der körperlichen und psychischen Störungen, Funktionsbeeinträchtigungen
und prognostischen Bewertung umfassende und vielschichtige differentialdiagnostische Erwägungen erforderlich. Hier hatte der
Erinnerungsführerin fachübergreifend unter Berücksichtigung der Leitlinien den Anteil der erklärbaren Schmerzen durch körperliche
und psychische Störungen festzustellen und zu beurteilen. Dafür waren eingehende Kenntnisse der Erfassung und Bewertung chronischer
Schmerzen und eine Auseinandersetzung mit der herrschenden Lehre unter Berücksichtigung der psychometrischen Untersuchungen/Fragebogen
erforderlich. Dieser Fall ist nicht mit dem "Normalfall" vergleichbar, in dem sich ein Sachverständiger nur mit früheren Gutachten
aus seinem Fachgebiet auseinander zu setzen hat. In einem solchen Fall ist -zumindest bei einer fachgerechten Auseinandersetzung
mit der Leitlinie - auch in Rentenverfahren für ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad die Honorargruppe M3 zu akzeptieren
(vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2008 - L 6 SF 48/08).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).