Anspruch auf häusliche Krankenpflege aus der gesetzlichen Krankenversicherung bei einem Schwerstpflegebedürftigen; Verdrängung
der Sachleistungspflicht durch Maßnahmen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung
Gründe:
I
Es ist streitig, ob die beklagte Krankenkasse die häusliche Krankenpflege des Klägers täglich für 24 Stunden, jedenfalls aber
für mehr als die bisher bewilligten 19 Stunden zu erbringen hat.
Der 1956 geborene Kläger ist seit Oktober 2004 dauerhaft pflegebedürftig und rund um die Uhr beatmungspflichtig; er erhält
1,5 bis 2 Liter Sauerstoff pro Minute, wird über eine PEG-Sonde ernährt, benötigt eine spezielle Lagerung sowie Vibraxmassagen zur Pneumonieprophylaxe und muss regelmäßig oral und
nasal abgesaugt werden. Wegen der Beatmungspflege und des Risikos plötzlich auftretender Komplikationen ist die kontinuierliche
Anwesenheit einer qualifizierten Krankenpflege-Fachkraft erforderlich. Von der beigeladenen Pflegekasse ist der Kläger als
Schwerstpflegebedürftiger (Pflegestufe III) anerkannt, nachdem ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
(MDK) vom 12.12.2005 einen durchschnittlichen täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 246 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen
Versorgung von mindestens 60 Minuten ergeben hatte (Bescheid vom 13.12.2005). Seit dem 25.10.2005 wird der Kläger in seiner
Wohnung betreut und gepflegt. Sämtliche Maßnahmen der Krankenbeobachtung (täglich rund um die Uhr = 1440 Minuten), der sonstigen
medizinischen Behandlungspflege (täglich durchschnittlich 373 Minuten gemäß MDK-Gutachten vom 12.1.2006) und der Grundpflege
(täglich durchschnittlich 246 Minuten) werden von Fachkräften des Malteser Hilfsdienstes (MHD) im Dreischichtendienst durchgeführt.
Die hauswirtschaftliche Versorgung erfolgt durch die Ehefrau, die als Lehrerin berufstätig ist.
Der MHD berechnet einen - mit der Beklagten am 27.1.2006 vereinbarten - einheitlichen Stundensatz von 30,25 Euro (einschließlich
Fahrgeld, anderer Nebenkosten und etwaiger Mehrwertsteuer), also pro Tag 726 Euro. Davon übernimmt die Beklagte einen Anteil
von 19 Stunden, also täglich 574,75 Euro. Die Beigeladene steuert den monatlichen Höchstsatz für Sachleistungen der Pflegestufe
III bei, der sich anfangs auf 1432 Euro und seit dem 1.7.2008 auf 1470 Euro belief und zum 1.1.2010 auf 1510 Euro erhöht worden
ist. Seit November 2005 verbleibt dadurch ein monatlicher Rest von regelmäßig mehr als 3000 Euro, den der MHD dem Kläger in
Rechnung stellt. Bis März 2009 sind auf diese Weise Restbeträge von insgesamt 129 252,25 Euro aufgelaufen, die der Kläger
aus eigenen Mitteln beglichen hat.
Die Beklagte bewilligte die häusliche Krankenpflege, die von den behandelnden Vertragsärzten jeweils für täglich 24 Stunden
verordnet worden ist, stets nur für 19 Stunden, weil während der diversen Maßnahmen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen
Versorgung die zugleich immer notwendige Krankenbeobachtung als selbstständige Leistung in den Hintergrund trete und die Sachleistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach §
37 Abs
2 SGB V (Behandlungssicherungspflege) deshalb auf jene Zeiten beschränkt sei, in denen keine - in die Zuständigkeit der Pflegekassen
fallende - Pflege nach §
36 SGB XI geleistet werde. Da eine tägliche Grundpflege von 246 Minuten sowie eine hauswirtschaftliche Versorgung von mindestens 60
Minuten anfalle, könne die häusliche Krankenpflege nur im Umfang von 18 Stunden und 54 Minuten gewährt werden, wobei sie zur
Vereinfachung der Abrechnung eine Aufrundung auf 19 Stunden vorgenommen habe (Bescheid vom 30.1.2006, Widerspruchsbescheid
vom 21.9.2006).
Das SG hat die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Kläger ab 1.11.2005 von den Kosten der Behandlungspflege
in vollem Umfang, jedoch verringert um den jeweiligen Sachleistungsanteil der Beigeladenen, freizustellen (Urteil vom 28.8.2007).
Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, an den Kläger 129 252,25 Euro zu zahlen und die Kosten
der Behandlungssicherungspflege ab April 2009 in vollem Umfang - abzüglich des von der Beigeladenen zu tragenden Sachkostenanteils
gemäß §
36 Abs
3 Nr
3 SGB XI - zu übernehmen (Urteil vom 15.5.2009): Die Behandlungssicherungspflege nach §
37 Abs
2 SGB V sei von der Beklagten in dem verordneten Umfang von täglich 24 Stunden zu übernehmen, weil dieser krankenversicherungsrechtliche
Anspruch durch den gleichzeitig gegebenen pflegeversicherungsrechtlichen Anspruch nach §
36 SGB XI nicht verdrängt, sondern nur ergänzt werde. Die Krankenbeobachtung und die Beatmungskontrolle seien rund um die Uhr und auch
während der Maßnahmen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung notwendig. Sie überlappten sich zwar mit diesen
der Pflegeversicherung zuzurechnenden Maßnahmen, würden von diesen aber nicht zu einer untergeordneten "Nebenleistung" herabgestuft,
sondern seien mit diesen gleichrangig, weil sie erforderlich seien, um die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung
überhaupt ausführen zu können.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§
37 Abs
2 SGB V). Ihre Bescheide beruhten auf der Rechtsprechung des BSG, insbesondere auf dem Urteil des erkennenden Senats vom 28.1.1999
(B 3 KR 4/98 R - BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 §
37 Nr 1). Danach verdränge der Anspruch auf Pflegesachleistungen nach §
36 SGB XI im zeitlichen Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege
nach §
37 Abs
2 SGB V, wenn der Versicherte Sachleistungen der Krankenkasse und der Pflegekasse in Anspruch nehme und diese von jeweils derselben
Fachkraft durchgeführt würden.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 15. Mai 2009 und des SG Ulm vom 28. August 2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen konnte nicht abschließend darüber entschieden werden, in welchem Umfang
die täglichen Kosten der gesamten Pflege in Höhe von 726 Euro von der Beklagten im Rahmen des - der Höhe nach nicht begrenzten
- Sachleistungsanspruchs nach §
37 Abs
2 SGB V zu tragen sind. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es auch ab, ob die - der Höhe nach begrenzten - Sachleistungen der
Beigeladenen (§
36 Abs
3 Nr
3 SGB XI) ausreichen, den in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallenden Anteil an der Pflege vollständig abzudecken oder ob
ein Rest vom Kläger selbst zu finanzieren bleibt. Die bisherige Praxis, einen Anteil von 19 Stunden pro Tag (574,75 Euro)
von der Krankenversicherung tragen zu lassen und den Rest von 5 Stunden (151,25 Euro) dem Zuständigkeitsbereich der Pflegeversicherung
zuzuordnen, ist jedenfalls rechtswidrig. Der Einwand des Klägers, der in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallende
Anteil sei mit deutlich weniger als 5 Stunden zu veranschlagen, trifft zu. Es bedarf jedoch weiterer Ermittlungen zum zeitlichen
Aufwand für die einzelnen Pflegeleistungen im Bereich der Behandlungspflege (§
37 SGB V) und der Grundpflege (§
14 SGB XI) sowie zur Frage der "Verrichtungsbezogenheit" (§
14 Abs
4 Nr
1 bis
3 SGB XI) einzelner Maßnahmen der Behandlungspflege, um eine exakte zeit- und kostenmäßige Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen
der Krankenkasse und der Pflegekasse vornehmen zu können. Diese Feststellungen hat das LSG nachzuholen.
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Der Kläger verfolgt
sein Begehren zutreffend mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
4 SGG) und er hat das Zahlungsbegehren für die Vergangenheit im notwendigen Umfang beziffert. Ein Kostenerstattungsanspruch hat
stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Gegenstand und muss deshalb, wenn er sich - wie hier - auf laufend durchzuführende
Maßnahmen bezieht, für die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beziffert werden (BSGE 83,
254, 263 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 S 11). Da das LSG am 15.5.2009 mündlich verhandelt hat und die Kosten der Pflege vertragsgemäß
jeweils monatlich nachträglich abgerechnet werden, mussten die vom Kläger selbst getragenen Kosten bis zum letzten am 15.5.2009
bereits abgerechneten Leistungszeitraum beziffert werden. Das ist mit der Aufschlüsselung und Bezifferung der Kosten für die
Zeit bis zum 31.3.2009 auf 129 252,25 Euro geschehen. Die Pflegeleistungen für April 2009 waren zwar zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung
bereits erbracht, nach den Feststellungen des LSG aber noch nicht durch den MHD abgerechnet. Deshalb war es prozessual zulässig,
der Klage für die Zeit vom 1.4. bis zum 15.5.2009 einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die selbst beschaffte
Behandlungssicherungspflege zugrunde zu legen und für die Zukunft, also die Zeit ab 16.5.2009, einen Anspruch auf vierundzwanzigstündige
Behandlungssicherungspflege als Sachleistung der GKV zu erheben. Beide Formen der Leistungsklage sind durch die Formulierung
abgedeckt, die Beklagte werde verurteilt, die Kosten der Behandlungssicherungspflege ab April 2009 in vollem Umfang, aber
verringert um den von der Beigeladenen zu tragenden Pflegesachleistungsanteil nach §
36 Abs
3 Nr
3 SGB XI, zu übernehmen. Eine Bezifferung des Kostenerstattungsanspruchs bzw Freistellungsanspruchs für die Zeit ab April 2009 war
in der Revisionsinstanz entbehrlich, weil das Revisionsgericht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu dessen Höhe
nicht selbst treffen kann (§
163 SGG, vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl 2008, §
163 RdNr 1, 5d). Erst im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens obliegt es dem Kläger, die bis zu der neuen mündlichen
Verhandlung abgerechneten, von ihm selbst getragenen Pflegekosten aufzuschlüsseln und zu beziffern.
2. Rechtsgrundlage des Kostenerstattungsanspruchs für die Zeit von November 2005 bis März 2009 ist §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V, der durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) geschaffen worden und seit dem Inkrafttreten am 1.1.1989 unverändert geblieben ist. Der Kostenfreistellungsanspruch
für die Zeit vom 1.4. bis zum 15.5.2009 beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V (BSGE 80, 181, 182 = SozR 3-2500 §
13 Nr 14 S 68; stRspr). Der Anspruch auf Behandlungssicherungspflege als Sachleistung der GKV für die Zeit ab 16.5.2009 stützt
sich auf §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), das am 1.4.2007 in Kraft getreten ist. Dem Kostenerstattungsanspruch lag für die Zeit bis zum
31.3.2007 §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) zugrunde, das seit dem 1.1.2004 in Kraft
war. Der weitere Kostenerstattungsanspruch (1.4.2007 bis 31.3.2009) sowie der Kostenfreistellungsanspruch (1.4. bis 15.5.2009)
orientiert sich am Anspruch auf Behandlungssicherungspflege nach §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V in der Fassung des GKV-WSG.
3. Ausgangspunkt der den Bescheiden der Beklagten zugrunde liegenden rechtlichen Überlegungen ist der "Drachenflieger-Fall",
den der erkennende Senat durch Urteil vom 28.1.1999 (B 3 KR 4/98 R - BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1) entschieden hat und in dem es - ähnlich wie hier - um einen schwerstpflegebedürftigen Dauerbeatmungspatienten
ging, der im Schichtdienst rund um die Uhr von jeweils einer Pflegekraft betreut und gepflegt wurde, die zugleich die qualifizierte
Krankenbeobachtung, die sonstige medizinische Behandlungspflege sowie die Grundpflege durchführte und für deren Tätigkeit
ein einheitlicher Stundensatz berechnet wurde, während die hauswirtschaftliche Versorgung durch Angehörige erfolgte. Dem Begehren,
die Krankenkasse in solchen Fällen auch zur Übernahme der Grundpflege zu verpflichten, weil diese angesichts des einheitlichen
Stundensatzes im Vergleich zur Behandlungssicherungspflege keine Mehrkosten verursache, ist der erkennende Senat seinerzeit
entgegengetreten (aaO, juris RdNr 25): "Die Sicherstellung der Grundpflege bleibt auch in derartigen Konstellationen Aufgabe
der Pflegekasse, zumal die Krankenkasse hierfür nicht einmal aufgrund ihrer Satzung eintreten darf (§
37 Abs
2 Satz 2 bis
4 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 26.6.1990, BGBl I 1211). Die Erledigung beider Aufgaben durch ein und dieselbe Pflegekraft
entspricht zwar dem Gebot der Wirtschaftlichkeit (§
2 Abs
4 und §
12 SGB V, §
4 Abs
3 und §
29 Abs
1 SGB XI). Dies rechtfertigt es aber nicht, die Krankenkasse mit den gesamten Kosten zu belasten. Eine zweckmäßige und wirtschaftliche
Aufgabenerfüllung im Bereich der Behandlungspflege einerseits und im Bereich der Grundpflege nebst hauswirtschaftlicher Versorgung
andererseits lässt sich ohne Weiteres durch entsprechende Vereinbarungen zwischen Krankenkasse und Pflegekasse, die ohnehin
unter einem Dach angesiedelt sind (§
46 SGB XI), erreichen. Die Art der Hilfeleistungen lässt sich unterscheiden und dem jeweiligen Bereich zuordnen. Es kann ermittelt
werden, welchen täglichen Zeitbedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung der Pflegebedürftige hat und welche
Kosten hierfür anfielen, wenn die Pflegekasse eine gesonderte Kraft mit der Erledigung dieser Aufgaben beauftragen müsste.
Diese Kosten müssen von der Pflegekasse getragen werden, wobei sich diese Verpflichtung jedoch auf den dem Pflegebedürftigen
zustehenden Wert der Pflegesachleistungen (§
36 SGB XI) beschränkt. Soweit die monatlichen Pflegesachleistungen diesen Wert überschreiten, hat sie der Versicherte aus eigenen Mitteln
zu finanzieren; erforderlichenfalls ist die Sozialhilfe eintrittspflichtig. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Krankenkasse
entstünden durch die gleichzeitige Erledigung von Pflegeleistungen der sozialen Pflegeversicherung keine Mehrkosten, da sie
für die Bereitstellung der Behandlungspflege ohnehin den vereinbarten Stundensatz aufzubringen hätte. Während der Erbringung
der Hilfe bei der Grundpflege tritt die Behandlungspflege im Regelfall in den Hintergrund, sodass es gerechtfertigt ist, den
Kostenaufwand für diese Zeiten allein der sozialen Pflegeversicherung zuzurechnen. Es bleibt allerdings den Krankenkassen
und Pflegekassen überlassen, hierzu Abweichendes zu vereinbaren." Diese Rechtsauffassung findet sich auch im Urteil vom 10.11.2005
(B 3 KR 38/04 R - BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 6 RdNr 21, 22), in dem die qualifizierte Krankenbeobachtung eines schwerstpflegebedürftigen Versicherten
durch eine medizinische Fachkraft zur Vermeidung der Gefahr lebensbedrohlicher Komplikationen dem Leistungskatalog der GKV
bei der häuslichen Krankenpflege nach §
37 SGB V zugeordnet worden ist.
a) Diese Entscheidungen waren getragen von dem Bestreben, den getrennten Zuständigkeiten von Krankenkassen für Leistungen
nach dem
SGB V und Pflegekassen für Leistungen nach dem
SGB XI auch für diese Fälle "gemischter" bzw zeitgleicher Leistungserbringung durch dieselbe Pflegekraft bei einheitlichem Stundensatz
Rechnung zu tragen und Doppelleistungen bzw Doppelzuständigkeiten, die dem System der Sozialversicherung prinzipiell fremd
sind, zu vermeiden. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass die Entscheidung, den Anspruch aus §
37 Abs
2 SGB V bei gleichzeitiger Durchführung von Pflegesachleistungen nach §
36 SGB XI durch dieselbe Pflegekraft dem Umfang nach zu beschränken, eine krankenversicherungsrechtliche Schlechterstellung bedeutet
gegenüber jenen Fällen, in denen ein Versicherter nur die häusliche Krankenpflege rund um die Uhr als Sachleistung in Anspruch
nimmt und die Grundpflege sowie die hauswirtschaftliche Versorgung durch Angehörige erledigt werden (so zB der Sachverhalt
im Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 10.3.2008 - 1 BvR 2925/07 - PflR 2008, 347), weil dort der - in der Höhe nicht beschränkte - Anspruch aus §
37 Abs
2 SGB V ungeschmälert zu erfüllen ist und dem Versicherten zusätzlich das volle Pflegegeld nach §
37 SGB XI zusteht. Der Pflegebedürftige hat nämlich auch in solchen Fällen die freie Wahl zwischen Pflegesachleistungen (§
36 SGB XI) und dem Pflegegeld (§
37 SGB XI); er ist nicht verpflichtet, mit Rücksicht auf das Wirtschaftlichkeitsgebot Pflegesachleistungen in Anspruch zu nehmen, nur
weil er die gleichzeitig erforderliche Behandlungspflege (§
37 Abs
2 SGB V) als Sachleistung erhält und deshalb eine Fachkraft bereit steht, die auch die Pflegesachleistungen erbringen könnte.
b) Schon nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 28.1.1999 (BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1) erweisen sich die angefochtenen Bescheide insoweit als rechtswidrig, als für die Dauer der täglichen
hauswirtschaftlichen Versorgung des Klägers (§
14 Abs
4 Nr
4 SGB XI) der Anspruch auf die gleichzeitig erforderliche medizinische Behandlungspflege (§
37 Abs
2 SGB V) in Form der qualifizierten Krankenbeobachtung und Beatmungspflege versagt worden ist. Die Pflegesachleistungen nach §
36 SGB XI sind immer nur insoweit als gegenüber der Krankenbeobachtung als Sachleistung der GKV vorrangig eingestuft worden, als beide
Arten der Sachleistungen von derselben Pflegefachkraft zeitgleich erbracht werden. Ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis scheidet
naturgemäß aus, wenn die Maßnahmen nicht von derselben Kraft, sondern von zwei Personen durchgeführt werden, weil dann die
Ansprüche nach §
37 Abs
2 SGB V einerseits und §
36 SGB XI (bei Pflegesachleistungen) bzw §
37 SGB XI (bei Pflege durch Angehörige) andererseits nicht nur der Zuständigkeit nach, sondern auch der Leistungserbringung nach zu
trennen sind, beide Ansprüche also uneingeschränkt nebeneinander stehen.
Da im vorliegenden Fall die hauswirtschaftliche Versorgung des Klägers durch seine Ehefrau erfolgt, sich die gleichzeitige
Leistungserbringung durch die jeweils anwesende Fachkraft des MHD also auf die Behandlungssicherungspflege und die Grundpflege
beschränkt, durfte die Beklagte den Vorrang der Leistungserbringung nach §
36 SGB XI nur auf die Maßnahmen der Grundpflege (4 Stunden täglich), nicht aber auf die hauswirtschaftliche Versorgung (mindestens
1 Stunde täglich) beziehen. Demgemäß belief sich der Anspruch des Klägers auf Behandlungssicherungspflege nach §
37 Abs
2 SGB V schon nach der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats auf - gerundet - 20 und nicht nur auf 19 Stunden.
Aus den nachfolgenden Gründen erscheint es aber gut möglich, dass der Anspruch des Klägers aus §
37 Abs
2 SGB V aufgrund weiterer Umstände, die zu einer Reduzierung des Anteils an Grundpflege (§
36 SGB XI) führen könnten, deutlich mehr als 20 Stunden täglich umfasst. Dazu bedarf es jedoch noch weiterer Ermittlungen des LSG.
4. In der Folgezeit nach dem Urteil vom 28.1.1999 sind die Kranken- und Pflegekassen der Anregung des Senats, für Fälle der
vorliegenden Art ggf eine andere Kostenaufteilung zu vereinbaren, nicht gefolgt. Jedoch hat der Gesetzgeber durch mehrfache
Änderungen des Gesetzes seinen Willen zum Ausdruck gebracht, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach §
37 Abs
2 SGB V durch den gleichzeitigen Bezug von Leistungen nach dem
SGB XI grundsätzlich nicht einschränken zu lassen und dafür im Einzelfall auch Doppelansprüche bzw Doppelzuständigkeiten in Kauf
zu nehmen.
a) Es entsprach von Anfang an der Rechtsauffassung des erkennenden Senats, dass Maßnahmen der Behandlungspflege, die entweder
ein untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege nach §
14 Abs
4 Nr
1 bis
3 SGB XI sind oder mit einer solchen Verrichtung notwendigerweise in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen,
bei der Bemessung des Pflegebedarfs nach den §§
14,
15 SGB XI zu berücksichtigen sind. Eine auf diese Weise in die Pflegeversicherung einbezogene Maßnahme der Behandlungspflege begründete
die ausschließliche Zuständigkeit der Pflegekasse und konnte deshalb nicht mehr als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege
nach §
37 Abs
2 SGB V gegenüber der Krankenkasse beansprucht werden (stRspr, zuletzt Urteil des Senats vom 30.10.2001 - B 3 KR 2/01 R - SozR 3-2500 § 37 Nr 3). Häufigster Anwendungsfall dieser Rechtsprechung war die Behandlungspflege in Gestalt des An- und
Ausziehens von Kompressionsstrümpfen ab der Kompressionsklasse 2, das als Element des "An- und Auskleidens" zugleich eine
Verrichtung nach §
14 Abs
4 Nr
3 SGB XI darstellt. Die Einbeziehung dieser Maßnahme in die Grundpflege bot zwar den Vorteil, möglicherweise erst dadurch einen für
die angestrebte Pflegestufe erforderlichen Pflegebedarf zu erreichen, hatte aber den Nachteil, dass der in der Höhe begrenzte
Sachleistungsanspruch nach §
36 SGB XI vielfach nicht ausreichte, um die Kosten der Pflege abzudecken, sodass der Versicherte den Rest aus eigenen Mitteln aufbringen
musste. Diese Eigenbeteiligung des Versicherten entfiele, wenn der in der Höhe unbegrenzte Sachleistungsanspruch nach §
37 Abs
2 SGB V erhalten bliebe. Nur bei der Pflege durch Angehörige und dem daraus resultierenden Anspruch auf Pflegegeld (§
37 SGB XI) ergab sich für die Versicherten kein finanzieller Nachteil, weil ein Vorgehen nach §
37 Abs
2 SGB V in solchen Fällen entbehrlich war.
b) Der Gesetzgeber hat zum 1.1.2004 als Reaktion auf diese für die betroffenen Versicherten überwiegend ungünstige Rechtslage
dem §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V durch das GMG einen 2. Halbsatz angefügt: "Der Anspruch umfasst das Anziehen und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse
2 auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§
14 und
15 SGB XI zu berücksichtigen ist." Damit war eine Doppelzuständigkeit von Krankenkasse und Pflegekasse für diese Form der Hilfeleistung
im Gesetz angelegt. Um diese - an sich systemfremde - Folge für die sonstigen verrichtungsbezogenen Maßnahmen der Behandlungspflege
zu vermeiden und deren sachlich nicht zu rechtfertigender Ausklammerung aus der Neufassung des §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V zu beseitigen, hat der Senat durch Urteil vom 17.3.2005 (B 3 KR 9/04 R - BSGE 94, 192 = SozR 4-2500 § 37 Nr 3) in verfassungskonformer Auslegung der Rechtslage ein Wahlrecht der Versicherten begründet, ob sie
für eine bestimmte verrichtungsbezogene Maßnahme der Behandlungspflege die Zuordnung zur Grundpflege wünschen, was zur alleinigen
Zuständigkeit der Pflegekasse führt, oder ob sie dies nicht wünschen, was die Zuständigkeit der Krankenkasse fortbestehen
lässt.
c) Dieses Wahlrecht der Versicherten hat der Gesetzgeber jedoch zum 1.4.2007 durch das GKV-WSG wieder beseitigt und die bis dahin nur für das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse 2 geltende
Regelung auf sämtliche verrichtungsbezogenen Maßnahmen der Behandlungspflege ausgeweitet, (vgl dazu BT-Drucks 16/3100, insbesondere
zu Nr 22 b S 104 ff), wie der neue letzte Halbsatz des §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V zeigt: "Der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fallen, in denen dieser
Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§
14 und
15 SGB XI zu berücksichtigen ist." Zugleich hat er eine damit korrespondierende Regelung in §
15 Abs
3 Satz 2
SGB XI geschaffen: "Bei der Feststellung des Zeitaufwandes ist ein Zeitaufwand für erforderliche verrichtungsbezogene krankheitsspezifische
Pflegemaßnahmen zu berücksichtigen; dies gilt auch dann, wenn der Hilfebedarf zu Leistungen nach dem
SGB V führt." Die Definition der "verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen" entspricht der oben beschriebenen
langjährigen Rechtsprechung des erkennenden Senats; sie findet sich nun - insoweit nur als Klarstellung gedacht - im neuen
§
15 Abs
3 Satz 3
SGB XI. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss wurde die Aufgabe übertragen, in Richtlinien nach §
92 SGB V das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V zu bestimmen (§
37 Abs
6 Satz 2
SGB V).
d) Mit dieser Neuregelung durch das GKV-WSG hat der Gesetzgeber nunmehr für alle verrichtungsbezogenen Maßnahmen der Behandlungspflege eine Doppelzuständigkeit von Krankenkassen
und Pflegekassen geschaffen, die aber in der Praxis bei Sachleistungsansprüchen stets zu einer Inanspruchnahme der Krankenkassen
führen dürfte, weil - wie bereits ausgeführt - der Anspruch aus §
37 Abs
2 SGB V der Höhe nach nicht begrenzt ist. Die Doppelzuständigkeit betrifft auch nur die - hier interessierende - Behandlungssicherungspflege
nach §
37 Abs
2 SGB V, nicht aber die Krankenhausersatzpflege nach §
37 Abs
1 SGB V, wie die Ruhensregelung des §
34 Abs
2 Satz 1
SGB XI zeigt. Danach ruht ein Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege (§§
36,
37 SGB XI), soweit im Rahmen des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege (§
37 SGB V) auch Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung besteht. Dies ist nur bei der Krankenhausersatzpflege nach
§
37 Abs
1 SGB V der Fall, welche "die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung" umfasst
(§
37 Abs
1 Satz 3
SGB V). Bei der Behandlungssicherungspflege nach §
37 Abs
2 SGB V kann die Krankenkasse zwar in ihrer Satzung bestimmen, dass neben der Behandlungspflege auch Leistungen der Grundpflege und
der hauswirtschaftlichen Versorgung erbracht werden und in welcher Dauer und welchem Umfang dies der Fall ist (§
37 Abs
2 Satz 4 und 5
SGB V). Diese Zusatzleistungen sind nach der ausdrücklichen Anordnung in §
37 Abs
2 Satz 6
SGB V jedoch ausgeschlossen, wenn Pflegebedürftigkeit im Sinne des
SGB XI eingetreten ist.
Verstärkt wird die Doppelzuständigkeit durch den ebenfalls zum 1.4.2007 durch das GKV-WSG geschaffenen §
37 Abs
2 Satz 3
SGB V: "Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen
Pflegeeinrichtungen im Sinne des §
43 SGB XI, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege
haben." Dies betrifft insbesondere in Pflegeheimen lebende Wachkomapatienten und Dauerbeatmungspatienten (BT-Drucks 16/3100,
S 104, 105). Obgleich bereits die notwendige Krankenbeobachtung und sonstige Maßnahmen der Behandlungspflege der Versicherten
zu den Sachleistungen der Pflegekassen bei vollstationärer Pflege gehören (§
43 Abs
2 Satz 1
SGB XI), hat der Gesetzgeber zur Vermeidung zu hoher Eigenbeteiligungen der Versicherten bzw zur Verringerung der Gefahr der Sozialhilfebedürftigkeit
einen zusätzlichen Anspruch gegen die Krankenkassen nach §
37 Abs
2 SGB V - und damit eine weitere Doppelzuständigkeit - im stationären Bereich geschaffen.
e) Diese Rechtsentwicklung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber den Anspruch aus §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V auch bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von Leistungen nach dem
SGB XI möglichst ungeschmälert erhalten wissen will. Versicherte, die häuslicher Krankenpflege nach §
37 Abs
2 SGB V bedürfen, sollen diesen Anspruch auch dann in möglichst weitem Umfang wahrnehmen können, wenn sie pflegebedürftig sind und
deshalb Leistungen nach dem
SGB XI erhalten. Dies entspricht zum einen dem in §
31 SGB XI niedergelegten Grundsatz, dass die medizinische Rehabilitation gegenüber der Pflege Vorrang hat, und zum anderen dem Zweck
der Regelungen der sozialen Pflegeversicherung, die Leistungen der GKV zu ergänzen, sie aber prinzipiell nicht - ganz oder
teilweise - zu verdrängen, wie der erkennende Senat es für den Bereich der Hilfsmittel (§
33 SGB V) und Pflegehilfsmittel (§
40 SGB XI) bereits grundlegend ausgeführt hat (Urteil vom 15.11.2007 - B 3 A 1/07 R - BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16). Die Parallelität und Gleichrangigkeit der Ansprüche gegen die Krankenkasse und die Pflegekasse
kommt auch in der Vorschrift des §
13 Abs
2 SGB XI zum Ausdruck, wonach die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach §
37 SGB V unberührt bleiben.
5. Vor diesem Hintergrund muss die Entscheidung vom 28.1.1999 (BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1) jedenfalls für die Zeit ab 1.1.2004 als durch die Rechtsentwicklung überholt angesehen und deshalb
aufgegeben werden. Da der Anspruch aus §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V der gesetzlichen Konzeption nach durch den Anspruch nach §
36 SGB XI nicht überlagert oder verdrängt, sondern lediglich ergänzt werden soll, ist bei gleichzeitiger Erbringung der Leistungen
durch dieselbe Fachkraft eine Kostenaufteilung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse vorzunehmen, die dem Grundsatz der Parallelität
und Gleichrangigkeit beider Ansprüche Rechnung trägt.
a) Nicht gangbar ist dabei der von den Vorinstanzen gewählte Weg, die monatlichen Gesamtkosten der Pflege des Klägers (30
Tage x Tagessatz von 726 Euro = 21 780 Euro) in der Weise aufzuteilen, dass die Pflegekasse den monatlichen Sachleistungsanteil
der Pflegestufe III von derzeit 1510 Euro (§
36 Abs
3 Nr
3 SGB XI) übernimmt und die Krankenkasse den großen Rest von 20 270 Euro zahlt. Diese Kostenaufteilung hätte zwar den Vorteil, dass
ein Versicherter in solchen Fällen von jeder finanziellen Eigenbeteiligung frei wäre, wie es bei der häuslichen Krankenpflege
nach §
37 SGB V an sich auch vorgesehen ist. Dieses Modell ist jedoch rechtlich ausgeschlossen, weil es der mit Wirkung ab 1.4.1995 durch
das Pflege-Versicherungsgesetz vom 26.5.1994 (BGBl I 1014, seinerzeit §
37 Abs
2 Satz 4
SGB V) in das Gesetz eingefügten und bei allen Rechtsänderungen inhaltlich unverändert gebliebenen Anordnung des §
37 Abs
2 Satz 6
SGB V widerspricht, dass die Krankenkassen bei der Behandlungssicherungspflege (§
37 Abs
2 SGB V) nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit weder Grundpflege noch - hier nicht von Interesse - hauswirtschaftliche Versorgung
leisten dürfen. Dieses Verbot wäre zwar gewahrt, wenn bei einem Versicherten zB eine tägliche Grundpflege von nur einer Stunde
anfiele (30 Tage x Stundensatz von 30,25 Euro = 907,50 Euro, also weniger als 1510 Euro), es wäre aber verletzt, wenn die
Grundpflege den monatlichen Beitrag von 1510 Euro übersteigen würde, wie es zB bei einer täglichen Grundpflege von zwei Stunden
der Fall wäre (1815 Euro). Die Grundpflege des Klägers umfasst täglich vier Stunden; demgemäß würde das Modell von SG und LSG zu einer rechtswidrigen Leistung der beklagten Krankenkasse führen, weil sie für einen den Monatsbetrag von 1510
Euro übersteigenden Teil der Grundpflege eintreten müsste.
b) Mit Blick auf die dargestellten Rechtsänderungen des §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V durch das GMG und das GKV-WSG und unter Berücksichtigung des Leistungsverbots in §
37 Abs
2 Satz 6
SGB V ist vielmehr von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Der Kläger hat seit November 2005 einen umfassenden Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V, der auch alle verrichtungsbezogenen (§
14 Abs
4 Nr
1 bis
3 SGB XI) krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen umfasst, selbst wenn diese bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den
§§
14,
15 SGB XI zu berücksichtigen sind. Ergänzt wird dieser krankenversicherungsrechtliche Anspruch durch einen Sachleistungsanspruch nach
§
36 SGB XI gegenüber der Pflegekasse (vgl auch §
13 Abs
2 SGB XI), der aber nur die sogenannte "reine" Grundpflege, also die Grundpflegemaßnahmen des §
14 Abs
4 Nr
1 bis
3 SGB XI mit Ausnahme der schon von §
37 Abs
2 Satz 1
SGB V erfassten verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen, sowie die hauswirtschaftliche Versorgung beinhaltet - insoweit
ist die GKV nicht leistungsverpflichtet (vgl §
37 Abs
2 Satz 6
SGB V). Die Ansprüche aus der GKV nach §
37 Abs
2 SGB V und aus der Pflegeversicherung nach §
36 SGB XI stehen also gleichberechtigt nebeneinander. Die noch dem Drachenflieger-Urteil (BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1) zugrunde liegende Annahme, während der Erbringung der Hilfe bei der Grundpflege trete die Behandlungspflege
im Regelfall in den Hintergrund, sodass es gerechtfertigt sei, den Kostenaufwand für diese Zeiten allein der sozialen Pflegeversicherung
zuzurechnen, vertritt der Senat nicht mehr, weil die Änderungen des GMG und des GKV-WSG belegen, dass die GKV nach den Vorstellungen des Gesetzgebers an den pflegebedingten Aufwendungen insbesondere bei Fällen
der Rund-um-die-Uhr-Betreuung stärker beteiligt sein soll.
c) Zur Abgrenzung beider Bereiche ist wie folgt vorzugehen: Es ist zunächst von dem im MDK-Gutachten festgestellten Gesamtumfang
aller Hilfeleistungen bei der Grundpflege die von der Pflegekasse geschuldete "reine" Grundpflege zu trennen und zeitlich
zu erfassen; die hauswirtschaftliche Versorgung spielt in der Regel - und auch im vorliegenden Fall - keine Rolle, weil sie
nicht von der Pflegefachkraft, sondern von einem Dritten (hier: von der Ehefrau des Klägers) erbracht wird. Der so ermittelte
Zeitwert ist aber nicht vollständig, sondern nur zur Hälfte vom Anspruch auf die ärztlich verordnete, rund um die Uhr erforderliche
Behandlungspflege (einschließlich der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen) abzuziehen, weil während
der Durchführung der Grundpflege weiterhin Behandlungspflege - auch als Krankenbeobachtung - stattfindet und beide Leistungsbereiche
gleichrangig nebeneinander stehen. Aus der Differenz zwischen dem verordneten zeitlichen Umfang der häuslichen Krankenpflege
und der Hälfte des zeitlichen Umfangs der "reinen" Grundpflege ergibt sich der zeitliche Umfang der häuslichen Krankenpflege,
für den die Krankenkasse einzutreten hat. Die Pflegekasse hat die Kosten der Hälfte des Zeitaufwands der "reinen" Grundpflege
zu tragen, jedoch begrenzt auf den Höchstbetrag für die Sachleistungen der dem Versicherten zuerkannten Pflegestufe. Reicht
der Höchstbetrag zur Abdeckung dieser Kosten nicht aus, hat der Versicherte den verbleibenden Rest aus eigenen Mitteln aufzubringen;
notfalls ist die Sozialhilfe eintrittspflichtig.
d) Bezogen auf den vorliegenden Fall könnte sich daraus - beispielhaft - folgende Kostenverteilung ergeben:
aa) Wenn von dem im MDK-Gutachten vom 12.12.2005 festgestellten täglichen Grundpflegebedarf von 246 Minuten zB ein Anteil
von 126 auf verrichtungsbezogene Behandlungspflegemaßnahmen entfiele, verblieben an "reiner" Grundpflege noch 120 Minuten.
Davon wäre die Hälfte, also 60 Minuten, vom zeitlichen Umfang der verordneten häuslichen Krankenpflege von 1440 Minuten (24
Stunden) abzuziehen, woraus sich eine Differenz von 1380 Minuten (23 Stunden) ergibt. Die Krankenkasse hätte die Pflege demgemäß
für täglich 1380 Minuten zu übernehmen. Die Pflegekasse würde die Pflegekosten für täglich 60 Minuten tragen. Daraus errechnete
sich für die Pflegekasse ein Monatsbetrag von 907,50 Euro (30 Tage x 1 Stunde x Stundensatz von 30,25 Euro); der Versicherte
hätte keine Eigenbeteiligung zu tragen.
bb) Entfiele auf die verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen indes zB nur ein Anteil von 36 Minuten, verblieben an
"reiner" Grundpflege noch 210 Minuten. Die Hälfte davon, also 105 Minuten, wäre vom Tagesumfang von 1440 Minuten abzuziehen,
sodass für die Krankenkasse 1335 Minuten an Pflege zu finanzieren wären. Die Pflegekasse hätte die Pflegekosten für 105 Minuten
zu übernehmen, woraus sich ein Monatsbetrag von rund 1588 Euro ergibt. In diesem Falle greift aber die "Deckelung" des Sachleistungsanspruchs
nach §
36 Abs
3 Nr
3 SGB XI auf derzeit 1510 Euro in der Pflegestufe III; deshalb hätte der Versicherte einen monatlichen Eigenanteil von rund 78 Euro
aufzubringen.
cc) Ergänzend zum ersten Rechenbeispiel (oben aa) bleibt anzumerken, dass die Pflegekasse zwar nur einen Monatsbetrag von
907,50 Euro an Pflegesachleistungen erbringen müsste, in der Vergangenheit aber immer der Höchstbetrag geleistet worden ist.
Den sich daraus ergebenden Differenzbetrag hätte die Krankenkasse leisten müssen. Der Pflegekasse stünde insoweit ein Erstattungsanspruch
gegen die Krankenkasse nach § 105 SGB X zu, während der Leistungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse in Höhe dieses Differenzbetrages als erfüllt gälte
(§ 107 SGB X). Der Versicherte könnte gegen die Pflegekasse wegen der hauswirtschaftlichen Versorgung durch die Ehefrau einen restlichen
Pflegegeldanspruch nach §
38 SGB XI geltend machen.
dd) Ergänzend zum zweiten Rechenbeispiel (oben bb) bleibt anzumerken, dass der Versicherte die Eigenbeteiligung nicht dadurch
vermeiden könnte, dass er auf die Beantragung der Pflegesachleistungen bei der Pflegekasse verzichtet oder den entsprechenden
Leistungsantrag wieder zurücknimmt, um sich auf diese Weise alle von der Fachkraft ohnehin zum Einheitspreis erbrachten Pflegeleistungen
allein auf Kosten der Krankenkasse zu verschaffen. Dieser Weg steht einem Versicherten nicht offen, weil das Verbot, bei der
Behandlungssicherungspflege für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung aufzukommen (§
37 Abs
2 Satz 6
SGB V), nicht an den Bezug von Leistungen nach dem
SGB XI, sondern ausdrücklich nur an den "Eintritt von Pflegebedürftigkeit" anknüpft.
e) Der erkennende Senat konnte die Berechnung der Kostenaufteilung nicht selbst durchführen, da das Gutachten des MDK vom
12.12.2005 nicht eindeutig erkennen lässt, in welchem Umfang bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit mit 246 Minuten
täglicher Grundpflege verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen bzw "reine" Grundpflegemaßnahmen berücksichtigt
worden sind; diese Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben. So ist zB bei den Verrichtungen "Ankleiden" und "Auskleiden"
ein Hilfebedarf von 16 und 9 Minuten angegeben, zugleich aber vermerkt, darin sei das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe
einbezogen. Für diese behandlungspflegerische Maßnahme ist nunmehr ein gesonderter Zeitwert zu ermitteln. Ferner ist zB bei
der Verrichtung "Zahnpflege" ein Hilfebedarf von 15 Minuten aufgeführt, in den das Säubern der Tracheostomakanüle einbezogen
ist. Auch dafür ist ein anteiliger Zeitwert zu ermitteln. Die Zeitwerte für die einzelnen verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen,
zu denen zB auch die mit 35 Minuten veranschlagte Hilfe bei der Zuführung der Sondennahrung über die PEG-Sonde gehört (BSGE 28, 199, 201 = SozR Nr 22 zu § 1531
RVO A a 17; Höfler in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand August 2008, §
37 SGB V RdNr 23b zum Stichwort Sondenernährung), sind anschließend vom festgestellten Grundpflegebedarf von 246 Minuten abzuziehen,
um so den Hilfebedarf für die "reine" Grundpflege abzugrenzen, der hier mit einem Anteil von 50 % in die Zuständigkeit der
sozialen Pflegeversicherung fällt.
6. Die Zuzahlung des Versicherten von 10 % der Kosten für die ersten 28 Kalendertage der häuslichen Krankenpflege je Kalenderjahr
sowie die Zuzahlung von 10 Euro für jede Verordnung dieser Sachleistung nach §
37 Abs
5 iVm §
61 Satz 3
SGB V ist jeweils im Rahmen der in §
62 SGB V definierten Belastungsgrenze zu leisten. Ob und in welchem Umfang der Kläger diese Zuzahlungen zu tragen hat und ob sie gegebenenfalls
bereits erbracht worden sind, wird das LSG ebenfalls zu ermitteln haben.
. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.