LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.07.2019 - 7 SO 1686/17
Vorinstanzen: SG Mannheim 10.03.2017 S 8 SO 1981/14
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. März 2017 hinsichtlich des Tenors Ziff.
1 (Leistungen in Höhe von monatlich 585,97 EUR für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015) aufgehoben und die Klage
auch insoweit abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Beklagte trägt 1/5
der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in erster Instanz.
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Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der bewilligten Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes
Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) in Form eines pauschalierten Pflegegeldes für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015 streitig.
Die Klägerin wurde 1997 in Berlin geboren und nach der Entlassung aus der Geburtsklinik am 16. April 1997 in die seinerzeit
noch in Berlin wohnhafte Pflegefamilie S. (im Folgenden Pflegefamilie) aufgenommen. Die Pflegefamilie verzog gemeinsam mit
der Klägerin nach ...W (Landkreis ...-Kreis). Bereits in den ersten Lebensjahren waren bei der Klägerin eine schwere psychomotorische
Retardierung, eine zentrale Tonus- und Koordinationsstörung, eine Kontakt- bzw. Kommunikationsstörung, Stereotypien, Wahrnehmungsstörungen,
eine starke Sprachentwicklungsverzögerung sowie eine Mikrozephalie festzustellen. Im weiteren Verlauf wurden bei der Klägerin
u.a. eine fokale Epilepsie, die mehrere epilepsiechirurgische Eingriffe erforderlich machte, eine mittelgradige Intelligenzstörung
sowie ein frühkindlicher Autismus diagnostiziert. Nach dem Besuch des Sonderschulkindergartens S. H. der J.-Anstalten M. besuchte
sie ab September 2004 verschiedene Förderschulen der J.-Anstalten M. (S. H.). Das beklagte Land erbrachte an die Klägerin
Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, u.a. in der hier streitigen Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015 durch Übernahme der Kosten für den Besuch der Förderschule
(Bescheide vom 11. September 2013 und 30. September 2014), der Kosten eines Integrationshelfers in der Schule im Umfang von
bis zu 37 Wochenstunden (Bescheide vom 11. September 2013 und vom 9. September 2014) sowie von Betreuungskosten außerhalb
der Schule im Umfang von bis zu sieben Wochenstunden (Bescheid vom 11. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 27. November 2013, Bescheid vom 16. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2014). Weiterhin
bezog sie Pflegeleistungen seitens der Pflegekasse nach Pflegestufe III.
Das Land Berlin erbrachte hinsichtlich der Vollzeitpflege in der Pflegefamilie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB)
Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII). Der Landkreis ...-Kreis übernahm den Jugendhilfefall ab 1. Januar 2000 in eigener örtlicher Zuständigkeit gegen Kostenerstattung
nach § 89a SGB VIII. Der N.-Kreis ging für die Zeit ab September 2000 wegen der Behinderung der Klägerin von einem erhöhten Erziehungsaufwand
aus und berücksichtigte bei der Gewährung des Pflegegeldes einen Erziehungszuschlag in Höhe von 300,00 DM (154,00 EUR). Hintergrund
bildete ein Antrag der Pflegemutter vom 14. Februar 2001 auf ein "höheres Erziehungsgeld", der mit der "anerkannten Behinderung"
der Klägerin begründet wurde. Ausweislich des Aktenvermerks des Dipl.-Sozialarbeiter H., Mitarbeiter des Jugendamtes des N.-Kreises,
vom 5. April 2001 sah er aufgrund eines Hausbesuchs wegen der geistigen Behinderung der Klägerin einen erhöhten Erziehungsaufwand
ab September 2000 und bewertete diesen mit monatlich 300,00 DM. Eine zunächst in Aussicht gestellte Überprüfung des Erziehungszuschlages
veranlassten die Pflegeeltern nicht. Zuletzt gewährte der Landkreis ...-Kreis ab 1. Januar 2014 entsprechend den Empfehlungen
des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 892,00 EUR (671,00
EUR Kosten für Sachaufwand ohne Zuschuss für Alterssicherung + 267,00 EUR Kosten der Pflege und Erziehung - 46,00 EUR Kindergeldanteil
nach § 39 Abs. 6 SGB VIII) zuzüglich eines monatlichen Zuschlages wegen eines erhöhten Erziehungsbedarfs in Höhe von 154,00 EUR. Der N.-Kreis stellte
die Jugendhilfe mit Wirkung zum 1. März 2014 ein (Bescheid vom 14. Februar 2014, Bl. 1037 der Verwaltungsakten des N.-Kreises).
Den Überprüfungsantrag der Pflegemutter, gerichtet auf ein höheres Pflegegeld ab 1. Januar 2010 lehnte der N.-Kreis ab (Bescheide
vom 19. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2015). In dem sich anschließenden Klageverfahren (8 K 3024/15) verurteilte das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) durch Urteil vom 29. Mai 2018 den N.-Kreis, an die Pflegemutter für die
Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2014 ein weiteres Pflegegeld in Höhe von insgesamt 26.900,00 EUR zu zahlen. Über
die vom N.-Kreis gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg bisher nicht entschieden (12 S 1502/18).
Am 7. Juni 2013 beantragte die Klägerin - anstelle der Jugendhilfeleistungen seitens des N.-Kreises - Leistungen der Eingliederungshilfe
in Form der Familienpflege nach § 54 Abs. 3 SGB XII durch den Beklagten. Auf Anfrage des Beklagten teilte der N.-Kreis im Oktober 2013 mit, dass nach § 44 SGB VIII keine Erlaubnis zur Vollzeitpflege erforderlich sei, wenn ein Kind durch das Jugendamt im Rahmen von Hilfen zur Erziehung
untergebracht worden sei. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Ihm liege keine Pflegeerlaubnis vor. Die Pflegefamilie der Klägerin
werde nach wie vor als geeignete Pflegestelle für das Mädchen angesehen. Der Zuschuss für die Alterssicherung werde nicht
ausgezahlt, da die Pflegefamilie nie einen Nachweis über deren Alterssicherung vorgelegt habe.
Durch Bescheid vom 7. Februar 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 28. Februar
2015 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer Pflegefamilie nach § 54 Abs. 3 SGBXII in Höhe von monatlich 1.046,00
EUR. Die Gewährung der Hilfe werde eng an die Bestimmungen des SGB VIII hinsichtlich der Betreuung von Pflegekindern angelehnt. Demzufolge sei in Bezug auf die Höhe der Leistungen auch die Regelung
des § 39 Abs. 4 Satz 5 SGB VIII maßgeblich, nach der die örtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landkreises für die Höhe des Pflegegeldes maßgeblich seien.
Insofern würden Leistungen analog der im Landkreis ...-Kreis gewährten Leistungen erbracht. Den Widerspruch der Klägerin (Schriftsatz
ihrer Bevollmächtigten vom 4. März 2014) wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2014 zurück. Da mit dem
im September 2009 eingefügten Leistungstatbestand des § 54 Abs. 3 SGB XII eine Gleichbehandlung aller behinderten Kinder erreicht werden solle und der Umfang dieser Hilfe nicht gesondert normiert
worden sei, erfolge die Hilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII in analoger Anwendung zu Hilfen für seelisch behinderte Kinder nach dem 4. Abschnitt des SGB VIII. Werde ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamtes untergebracht, so solle sich die Höhe des zu gewährenden
Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten (§ 39 Abs. 4 Satz 5 SGB VIII). Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, unterschiedliche Leistungen aufgrund der Herkunft für Kinder und Jugendliche an
derselben Stelle zu vermeiden. Maßgeblich seien nicht die Sätze, die im Bereich des Jugendamtes gelten, das für die Leistung
zuständig ist, sondern diejenigen Sätze des Jugendamtes, in dem die Pflegestelle gelegen sei. Die Klägerin erhalte entsprechend
der im N.-Kreis geltenden Leistungssätze einen Betrag von monatlich 1.046,00 EUR.
Dagegen hat die Klägerin am 1. Juli 2014 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) (S 8 SO 1981/14) erhoben und die Gewährung eines Pflegegeldes in Höhe von monatlich 1.724,57 EUR geltend gemacht. Die Pflegeeltern
der Klägerin hätten es gegenüber dem N.-Kreis durchgesetzt, für ihren besonderen erzieherischen Aufwand ein um 300,00 DM (154,00
EUR) erhöhtes Pflegegeld ab 2001 zu erhalten. Eine eingehende Bedarfsprüfung bezüglich des konkreten erzieherischen und Teilhabebedarfs
der Klägerin sei durch den N.-Kreis nicht erfolgt. Das begehrte Pflegegeld setze sich wie folgt zusammen: Notwendiger Unterhalt
670,00 EUR, Kosten der Erziehung und der Teilhabe 959,00 EUR, pauschale Beihilfe für sonstige persönliche Ausstattung 48,97
EUR, pauschale Unfall- und Altersversicherung 46,60 EUR. Dieser Betrag entstamme den Ausführungsvorschriften der Berliner
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die Leistung zum Unterhalt des Kindes und des Jugendlichen nach
§ 39 SGB VIII für Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) (AV-Vollzeitpflegegeld vom 1. Januar 2012). Es bestehe Einigkeit, dass sich für die Ermittlung der konkreten Finanzierung
einer Familienpflege nach § 54 Abs. 3 SGB XII eine analoge Anwendung der Empfehlung zur Höhe des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII anbiete. Der erzieherische Bedarf der Klägerin sei aufgrund ihrer vielfältigen geistigen, körperlichen und auch seelischen
Beeinträchtigungen erheblich erhöht. Der reguläre Betrag für ihren notwendigen Unterhalt, der gemäß § 39 Abs. 1 SGB VIII auch die Kosten ihrer Erziehung umfasse, sei vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, um den erzieherischen Aufwand der
Pflegeeltern auch finanziell angemessen anzuerkennen. Soweit der bisher zuständige N.-Kreis die Kosten der Erziehung um einen
Pauschalbetrag in Höhe von 154,00 EUR erhöht habe, liege dem kein nachvollziehbares Konzept zur Bedarfsermittlung zugrunde.
Vielmehr werde nach den Empfehlungen des KVJS vom 18. Mai 2009 zu Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für Kinder und Jugendliche
in Vollzeitpflege nach dem SGB VIII auf eine individuelle Bedarfsermittlung im Einzelfall abgestellt. Ein angemessenes örtliches Konzept zur Ermittlung und Deckung
spezifischer behinderungsbedingter Teilhabebedarfe habe der N.-Kreis nicht zu bieten. Es sei in der Vergangenheit auch keine
adäquate Bedarfsprüfung erfolgt. Eine konkrete Bedarfsprüfung entspreche auch der Rechtsprechung zum sogenannten Territorialprinzip.
Entscheidend sei nicht die Frage der örtlichen Empfehlungen, sondern der konkrete Bedarf eines Pflegekindes, wenn - wie im
Fall der Klägerin - eine Konkretisierung des Bedarfs vor Ort nicht stattgefunden habe, sondern eine Erhöhung des Pflegegeldes
ohne Bezug zu den deckenden Bedarfen gewährt werde. So sei nicht ersichtlich, wieso eine solche mangelnde Fallverantwortung
einen später in die Zuständigkeit tretenden Träger binden und zu Lasten des anspruchsberechtigten Kindes berücksichtigt werden
solle. Vielmehr habe vorliegend entweder eine konkrete Bedarfsermittlung zu erfolgen, mit der der Teilhabebedarf und der erforderliche
erzieherische Aufwand zugunsten des Kindes festzustellen und dementsprechend zu decken sei, oder es werde auf die differenzierte
Richtlinie des Beklagten zurückgegriffen. Mit der letzten Lösung habe sich die Klägerin wiederholt einverstanden erklärt.
Nach Abzug der Pflegeleistungen sowie der Betreuung innerhalb und außerhalb der Schule würden durch die Eltern 43 Wochenstunden
aktive Betreuung, Beaufsichtigung und Förderung geleistet. Auch müsse die Klägerin aufgrund der Epilepsie jede Nacht mehrmals
kontrolliert werden.
Auf den Antrag der Klägerin vom 27. Februar 2015, ihr weiterhin Pflegegeld in Höhe von 1.046,00 EUR monatlich zu gewähren,
bewilligte der Beklagte durch Bescheid vom 2. März 2015 für die Zeit vom 1. März 2015 bis zum 31. Mai 2015 antragsgemäß ein
monatliches Pflegegeld nach § 54 Abs. 3 SGB XII in Höhe von 1.046,00 EUR. Den Widerspruch der Klägerin vom 11. März 2015, mit dem die Klägerin nun ein höheres Pflegegeld
begehrt hat, hat der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 1. April 2015 zurückgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am 11.
Mai 2015 Klage zum SG erhoben (S 2 SO 1394/15) und für die Zeit vom 1. März 2015 bis zum 31. Mai 2015 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 1.724,57
EUR begehrt. Das SG hat die beiden Rechtsstreitigkeiten durch Beschluss vom 24. September 2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Das SG hat mit den Beteiligten am 31. März 2016 einen Erörterungstermin durchgeführt; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die
Niederschrift des SG vom 31. März 2016 (Bl. 117/118 der SG-Akten) Bezug genommen.
Das SG hat durch Urteil vom 10. März 2017 den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Bescheids vom 7. Februar 2014 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014 und des Bescheids vom 2. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.
April 2015 verurteilt, der Klägerin im Zeitraum März 2014 bis 3. April 2015 weitere Leistungen in Höhe von monatlich 587,97
EUR zu gewähren (Ziff. 1). Weiterhin hat das SG den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 2. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. April
2015 verurteilt, über den Antrag der Klägerin auf Zahlung eines höheren monatlichen Betreuungsentgeltes im Zeitraum ab 4.
April 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Ziff. 2), und die weitergehenden Klagen abgewiesen
(Ziff. 3). Es hat dem Beklagten 8/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt (Ziff. 4). Zur Begründung hat das
SG u.a. ausgeführt, dass die Höhe der Leistungen nach § 54 Abs. 3 SGB XII sich aus einer analogen Anwendung des § 39 SGB VIII ergebe. Nach § 39 Abs. 4 Satz 5 SGB VIII solle sich die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten,
wenn ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamtes untergebracht werde. Die Klägerin sei im Bereich
des Jugendamtes im N.-Kreis und nicht im Bereich des Jugendamtes des Beklagten untergebracht. Grundsätzlich richte sich die
Höhe der Leistung daher nach den Verhältnissen im N.-Kreis. Etwas Anderes könne sich nur in einem atypischen Fall ergeben.
Ein solcher atypischer Fall liege im Fall der Klägerin vor. Die Pflegeeltern hätten die Klägerin am zehnten Tag nach ihrer
Geburt in Unkenntnis ihrer Behinderung aufgenommen. Dennoch hätten sie sich nach Kenntniserlangung hiervon dazu entschlossen,
die Pflege fortzusetzen, und, insbesondere die Pflegemutter, sich für das Wohl der Klägerin aufgeopfert. Im Laufe der Zeit
sei die Pflegemutter wohl zunehmend durch die notwendige Pflege der Klägerin in den vergangenen Jahren über Gebühr in Anspruch
genommen worden. Es sei für das Gericht nicht selbstverständlich, dass sie die Klägerin nicht in stationäre Pflege gegeben
habe, die unter Umständen durch den Beklagten in Berlin hätte organisiert und finanziell getragen werden müssen. Hinzu komme,
dass eine individuelle Bemessung des notwendigen Betreuungs-, Pflege- und Erziehungsaufwandes durch die Pflegeeltern nach
Auffassung des Gerichts nicht möglich erscheine. Genau hierauf stelle die Empfehlung des KVJS ab, die gerade eine individuelle
Bemessung in den Vordergrund stelle. Angesichts der geographischen Distanz zwischen dem Aufenthaltsort der Klägerin und dem
Sitz des Beklagten gestalte sich die Aufklärung des Pflegebedarfs der Klägerin schwierig. Da im Gegensatz zu den Empfehlungen
des KVJS die Ausführungsvorschriften des Beklagten zur Bemessung der Leistungen zum Unterhalt und für die Hilfe zur Erziehung
in Vollzeitpflege pauschalierte Leistungssätze vorsähen, könnten diese zugrunde gelegt werden. Danach erhielten Personen in
Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf, der bei der Klägerin unstreitig vorliege, zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr
eine Pauschale zum Lebensunterhalt bei Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf in Höhe von 670,00 EUR. Hierzu komme eine
monatliche Beihilfe in Höhe von 48,97 EUR für sonstige persönliche Ausstattung, Schulfahrten, Reisekostenzuschuss und Weihnachtsbeihilfe.
Für die Kosten der Pflege und Erziehung sähen die Ausführungsvorschriften des Beklagten einen Betrag in Höhe von 959,00 EUR
bei Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf vor. Die geltend gemachten Beträge wegen einer Unfallversicherung bzw. Alterssicherung
in Höhe von insgesamt 46,60 EUR könnten dagegen nicht berücksichtigt werden, da keine entsprechenden Aufwendungen nachgewiesen
worden seien. Insgesamt ergebe sich somit ein Betrag in Höhe von 1.677,97 EUR. Hiervon müsse jedoch noch ein Betrag in analoger
Anwendung des § 39 Abs. 6 SGB VIII abgezogen werden. Nach dieser Vorschrift gelte, werde das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienlastenausgleichs
nach § 31 des Einkommenssteuergesetzes bei der Pflegeperson berücksichtigt, so sei ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages,
der nach § 66 Einkommenssteuergesetz für ein erstes Kind zu zahlen sei, auf die laufenden Leistungen anzurechnen. Sei das
Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßige sich der Anrechnungsbetrag für dieses Kind
oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen sei. Die Klägerin sei nicht das älteste
Kind, da sie zusammen mit ihrem älteren Bruder bei ihren Pflegeeltern lebe. Daher sei ein Betrag in Höhe von 46,00 EUR in
Abzug zu bringen. Somit ergebe sich ein monatlicher Anspruch der Klägerin in Höhe von 1.631,37 EUR.
Gegen das ihm am 30. März 2017 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 27. April 2017 beim Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegten "Teilberufung", soweit das SG ihn verurteilt hat, an die Klägerin für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015 weiteres Pflegegeld in Höhe von monatlich
585,97 EUR zu erbringen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz durch die Anlehnung an Pauschalen sei sinnvoll und möglich, da jederzeit
- wie auch im hiesigen Fall - ergänzende Eingliederungshilfe bei vorliegenden Bedarfen beantragt werden könne. Die Pauschalen
könnten nicht willkürlich, mal nach dem Wohnort des Hilfeempfängers, mal nach dem Ort des Sozialhilfeträgers, angewendet werden.
Der Beklagte habe die gesetzliche Regelung des § 39 Abs. 4 Satz 5 SGB VIII im Fall der Klägerin korrekt herangezogen. Die längste Zeit hätten die Pflegeeltern Leistungen nach § 33 SGB VIII erhalten, weil im Zeitpunkt der Inpflegegabe und des Umzugs nach Baden-Württemberg noch kein gesetzlicher Anspruch nach §
54 Abs. 3 SGB XII bestanden habe. Mit dieser Gesetzesänderung solle bewirkt werden, dass auch für behinderte Kinder vermehrt Angebote in Pflegefamilien
zur Verfügung stünden und diese Kinder nicht ausschließlich in Heimeinrichtungen untergebracht werden müssten. Ausführungsvorschriften
zu dieser Leistung habe es bundesweit nicht gegeben, zumal es sich um eine Übergangsregelung handele. Die Pflegeeltern hätten
im Falle der Klägerin monatlich 728,00 EUR Pflegegeld und zur Entlastung bei Urlaub 3.224,00 EUR im Jahr als Verhinderungs-
und Kurzzeitpflegeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung - ( SGB XI). Hiermit werde der individuelle Mehraufwand im Vergleich zu nichtbehinderten Kindern ausgeglichen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. März 2017 hinsichtlich des Tenors Ziff. 1 (Leistungen in Höhe von monatlich
585,97 EUR für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015) aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Berufung des Beklagten entgegengetreten und hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.
Mit Verfügung vom 15. März 2019 hat der Berichterstatter die Klägerseite im Hinblick auf die Regelung der §§ 19 Abs. 3, 82 ff., 90 ff. SGB XII (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R -) gemäß § 106a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) aufgefordert, binnen sechs Wochen unter Vorlage vollständiger Nachweise (Kontoauszüge, Bewilligungsbescheide, Versicherungs-/Anlageverträge
etc.) für die streitige Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015 monatsweise alle Einnahmen (Kindergeld, Pflegeleistungen,
sonstige geldwertige Zuflüsse etc.) sowie alle in diesem Zeitraum vorhandenen Vermögenswerte darzulegen. Die Klägerseite wurde
darauf hingewiesen, dass der Senat Erklärungen und Beweismittel, die nach Ablauf der oben genannten Frist vorgebracht werden,
nach Maßgabe des § 106a Abs. 3 SGG zurückweisen und ohne weitere Ermittlung entscheiden kann. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. Juli 2019 hat die
Klägerin ergänzend vorgetragen, dass neben Kindergeld und Pflegegeld seitens der Pflegekasse die Klägerin nur das Pflegegeld
nach § 54 Abs. 3 SGB XII bezogen habe. Ansparungen seien nicht getätigt worden. Über ein eigenes Konto habe sie bis zu ihrer Volljährigkeit nicht
verfügt; ebenso wenig über Vermögen (z.B. Versicherungs- und Anlageverträge).
Der Senat hat die Akten des VG (8 K 3024/15) und des VGH Baden-Württemberg (12 S 1502/18) einschließlich der Verwaltungskaten des N.-Kreises beigezogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten
des Beklagten (Band 1 bis 8) sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und Abs. 2 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens bilden der Bescheid vom 7. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014
(§ 95 SGG) und der Bescheid vom 2. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. April 2015, mit denen der Beklagte als örtlicher
und überörtlicher Sozialhilfeträger (vgl. §§ 97 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 98 Abs. 2 Satz 1, 107 SGB XII i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 1a Ausführungsgesetz des Landes Berlin zum SGB XII) für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 31. Mai 2015 Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Gestalt eines Betreuungsgeldes in Höhe von monatlich 1.046,00 EUR bewilligt hatte. Hiergegen hat sich die Klägerin statthaft
mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 56 SGG) gewandt. Das SG hat durch Urteil vom 10. März 2017 den Beklagten u.a. unter teilweiser Abänderung des Bescheids vom 7. Februar 2014 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2014 und des Bescheids vom 2. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.
April 2015 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2014 bis 3. April 2015 weitere Leistungen in Höhe von monatlich
587,97 EUR zu gewähren. Nur dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner "Teilberufung". Die Verurteilung zur Neubescheidung
des Antrages der Klägerin auf Zahlung eines höheren monatlichen Betreuungsgeldes für die Zeit vom 4. April 2015 bis zum 31.
Mai 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des SG (Ziff. 2) hat der Beklagte ausdrücklich nicht mit seiner Berufung angefochten. Die Klägerin hat gegen die Entscheidung des
SG kein Rechtsmittel eingelegt, sodass der Senat allein darüber zu entscheiden hat, ob die Klägerin gegen den Beklagten über
das bewilligte Betreuungsgeld hinaus einen Anspruch auf monatlich weitere 587,97 EUR hat.
3. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Gestalt eines Betreuungsgeldes für die hier streitige Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015 zu.
a. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch bilden §§ 19 Abs. 3, 53 Abs. 1 Satz 1 und 3, 54 Abs. 3 SGB XII. Gem. § 19 Abs. 3 SGB XII wird u.a. Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten,
ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren
Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels
dieses Buches (§§ 82 ff. SGB XII) nicht zuzumuten ist. Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes
Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - ( SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere
nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren
Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, wobei dazu insbesondere
gehört, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die
Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich
unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Gem. § 54 Abs. 3 SGB XII gehört auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie, soweit eine geeignete Pflegeperson Kinder und Jugendliche
über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe
vermieden wird, zu den Leistungen der Eingliederungshilfe.
b. Die Beteiligten gehen dabei zutreffend davon aus, dass die begehrte Hilfe ihre Grundlage in der sozialhilferechtlichen
Eingliederungshilfe und nicht im Jugendhilferecht findet. Das Verhältnis des Jugendhilferechts zum Sozialhilferecht wird in
§ 10 Abs. 4 SGB VIII bestimmt. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII vor. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sieht von diesem Grundsatz eine Ausnahme vor. Danach gehen u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII: wer noch nicht 27 Jahre alt ist), die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind,
Leistungen nach dem SGB VIII vor. Daraus ergibt sich bei Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen - wie die Klägerin - die Notwendigkeit
der Abgrenzung von seelischer und geistiger Behinderung. Eine Kollision mit Leistungen anderer Verpflichteter i.S. des § 10 Abs. 4 SGB VIII besteht nur im Verhältnis zu Leistungen, die miteinander konkurrieren (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 9. Februar
2012 - 5 C 3/11 - BVerwGE 142, 18 - juris Rdnr. 30; Urteil vom 19. Oktober 2011 - 5 C 6/11 - juris Rdnr. 16; Urteil vom 22. Oktober 2009 - 5 C 19/08 - BVerwGE 135, 159 - juris Rdnr. 18, 27). Die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII stellt für die Abgrenzung zwischen Jugendhilfe und Sozialhilfe - nach der von der Rechtsprechung favorisierten formalen Betrachtungsweise
- allein auf die Art der Leistung bzw. die hieraus folgende Leistungspflicht ab (BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - BSGE 117, 53 - juris Rdnr. 26; Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - BSGE 110, 301 - juris Rdnr. 15; Urteil vom 24. März 2009 - B 8 SO 29/07 - BSGE 103, 39 - juris Rdnr. 17; BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2011, a.a.O. Rdnr. 18; Urteil vom 22. Oktober 2009, a.a.O. Rdnr. 32). Die
vom Beklagten erbrachten Leistungen der Eingliederungshilfe "für Behinderte in einer Pflegefamilie" nach § 54 Abs. 3 SGB XII überschneiden sich nach Aufgabe, Ziel und Inhalt der Leistung mit den in Betracht kommenden jugendhilferechtlichen Leistungen
nach §§ 35a, 39 SGB VIII. Die Leistungen des Beklagten waren auf die wesentliche geistige und seelische Behinderung der Klägerin sowie die dadurch
bedingten Entwicklungsstörungen ausgerichtet und dienten der Ermöglichung eines Mindestmaßes an Teilhabe in der Gemeinschaft.
Dabei ist der Senat - in Einklang mit der Ärztin des Gesundheitsamtes des N.-Kreises S. (Schreiben vom 23. Februar 2007),
dem Arzt für Kinder und Jugendliche Dr. B. (Befundbericht vom 19. März 2007), der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Dr. P. (Bericht vom 9. Januar 2014), der Fachärztin für Neurologie Dr. A. (Befundbericht vom 20. Mai 2015), Dr. S-B (Befundbericht
vom 6. August 2008), Privatdozent Dr. B. (Befundberichte vom 7. Februar 2009, 17. Mai 2011, 19. Juni 2012, 27. Juni 2013),
Prof. Dr. Dr. S. (Gutachten vom 14. Mai 2009), Dr. S. (Befundbericht vom 2. August 2010) und dem Facharzt für Kinder- und
Jugendpsychiatrie Dr. G. (Gutachten vom 14. Juli 2016) - davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine fokale Epilepsie, eine
mittelgradige bis schwerere Intelligenzstörung sowie ein frühkindlicher Autismus mit daraus resultierenden Beeinträchtigungen
u.a. in den Bereichen Sprache, Sprachverständnis, Kontakt- und Kommunikationsverhalten, Aufmerksamkeit, Konzentration, Denken,
Feinmotorik und (Sozial )Verhalten vorliegen. Der Senat wertet die bei der Klägerin vorliegenden Störungen und die daraus
resultierenden gravierenden Beeinträchtigungen ihrer Teilhabemöglichkeiten als wesentliche geistige und seelische Behinderung
(vgl. §§ 2, 3 Eingliederungshilfe-VO; vgl. ferner BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R - BSGE 112, 196 - juris Rdnr. 14). Bei autistischen Behinderungen (frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Asperger-Syndrom) handelt
es sich um tiefgreifende Entwicklungsstörungen, denen komplexe Störungen des zentralen Nervensystems, insbesondere im Bereich
der Wahrnehmungsverarbeitung, zugrunde liegen (RemS./Frese, Aktuelle Entwicklungen bei der sozialrechtlichen Zuordnung autistischer
Störungen, SGb 2006, S. 410). Deren Auswirkungen beeinträchtigen auf vielfältige Weise die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme in der Gemeinschaft
und die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft. Von dieser Behinderung sind oftmals sowohl kognitive als auch sprachliche,
motorische, emotionale und interaktionale Funktionen betroffen. Weiterhin sind die Komorbiditäten und deren Auswirkungen zu
berücksichtigen. Autistische Menschen sind in der Regel mehrfachbehindert (RemS./Frese, a.a.O., S. 410). Autistische Menschen,
insbesondere bei frühkindlichem und atypischem Autismus, leiden oftmals an einer Intelligenzminderung, die eine wesentliche
geistige Behinderung begründen kann. In der Praxis wird der frühkindliche Autismus im Regelfall (auch) als geistige Behinderung
angesehen (mit der Folge der Zuordnung zum SGB XII) und das Asperger-Syndrom (ohne Intelligenzminderung und Komorbidität) als seelische Behinderung (mit der Folge der Zuordnung
zum SGB VIII) (vgl. z.B. Senatsurteil vom 27. April 2017 - L 7 SO 2669/15 - juris Rdnr. 42; RemS./Frese, a.a.O., S. 410/412 f.; KVJS Baden-Württemberg,
Orientierungshilfe zu Leistungen nach SGB XII und SGB VIII für junge Menschen mit seelischer, körperlicher und geistiger Behinderung vom 22. Juli 2011, Ziff. 2.4.2; Bundesarbeitsgemeinschaft
der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS), Der Behindertenbegriff nach SGB IX und SGB XII und die Umsetzung in der Sozialhilfe vom 24. November 2009, Ziff. 5.4). Im vorliegenden Sachverhalt ist im Hinblick auf das
Bestehen einer mittelgradigen bis schweren Intelligenzminderung (vgl. ICD 10 F70) eine geistige Behinderung anzunehmen, die
nicht lediglich die Folge einer seelischen Behinderung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 8 SO 12/16 R - juris Rdnr. 20; Urteil vom 30. Juni 2016 - B 8 SO 7/15 R - juris Rdnrn. 2,
13 betreffend eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung) darstellt.
c. Die Klägerin ist hilfebedürftig. Da die hier streitigen Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII nicht im Hinblick auf den Einsatz von Einkommen und Vermögen nach § 92 SGB XII privilegiert sind, sind Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Klägerin erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 8 SO 12/16 R - juris Rdnr. 39; Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - juris Rdnr.
33). Zwar ist eine Prüfung der Hilfebedürftigkeit für die hier streitige Zeit weder durch den Beklagten noch durch das SG erfolgt. Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere Bände V bis VII, hat die Klägerin keinerlei Angaben zu
ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere ihrem Einkommen und Vermögen, gemacht oder entsprechende Unterlagen vorgelegt.
Auch das SG hat keinerlei Feststellungen zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen getroffen. Im vorliegenden Berufungsverfahren hat die
Klägerin erst auf die Mitwirkungsaufforderung und den Hinweis auf die Präklusionsvorschrift des § 106a Abs. 3 SGG in der richterlichen Verfügung vom 15. März 2019 mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. Juli 2019 ihre wirtschaftlichen
Verhältnisse in der Zeit vom 1. März 2014 bis zum 3. April 2015 näher dargelegt. Sie hat vorgebracht, dass ihre Pflegeeltern
für sie Kindegeld beziehen würden und sie über kein Einkommen neben den Pflegeleistungen der Pflegekasse und dem Anteil des
Pflegegeldes nach § 54 Abs. 3 SGB XII für ihren Lebensunterhalt verfüge. Auch habe sie im streitigen Zeitraum kein Vermögen gehabt. Zwar ist dieser Sachvortrag
erst nach Ablauf der durch richterliche Verfügung vom 15. März 2019 gesetzten Frist erfolgt und die Klägerin hat die Verspätung
nicht genügend entschuldigt, jedoch verzögert die Zulassung des Vortrages der Klägerin nach der freien Überzeugung des Senats
die Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits nicht (vgl. nur Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 106a Rdnr. 21). Denn der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nun davon überzeugt, dass die Klägerin mangels Einkommens
und Vermögens im streitigen Zeitraum hilfebedürftig war. Der Senat stützt sich dabei das Vorbringen der Klägerin, die im streitigen
Zeitraum minderjährig war und unter einer Mehrfachbehinderung gelitten hat. Die Klägerin ist zudem in einer Pflegefamilie
aufgewachsen und hat - ausweislich der beigezogenen Akten des N.-Kreises - zu keinem Zeitpunkt eine finanzielle Unterstützung
seitens ihrer Herkunftsfamilie erfahren. Ihre leiblichen Eltern standen selbst im Bezug von existenzsichernden Leistungen.
Vor diesem Hintergrund entspricht es der Lebensrealität, dass kein weiteres Einkommen und Vermögen vorhanden war. Auch lassen
sich den umfangreichen Verwaltungsakten des Beklagten keine Hinweise entnehmen, dass die Klägerin über anderweitiges Einkommen
und Vermögen verfügt hat. Unter diesen Umständen hat der verspätete Vortrag der Klägerin zu ihrer Hilfebedürftigkeit zu keiner
Verzögerung des Rechtsstreits geführt.
d. Jedoch hat die Klägerin keinen Anspruch auf höhere als die bewilligten Leistungen. Sie hat gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe im streitgegenständlichen Zeitraum. Insbesondere hat
die Klägerin die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung erfüllt. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen der Eingliederungshilfe nur an Personen erbracht,
die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt und von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung,
Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit oder seelische
Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und
daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei der Klägerin hat eine Behinderung im bezeichneten
Sinne vorgelegen, nämlich eine geistige und seelische Behinderung mit Einschränkungen u.a. in den Bereichen Sprache, Sprachverständnis,
Kontakt- und Kommunikationsverhalten, Aufmerksamkeit, Konzentration, Denken, Feinmotorik und (Sozial-)Verhalten. Diese geistige
und seelische Behinderung ist auch wesentlich. Die Unterbringung der Klägerin in der Pflegefamilie ist geeignet und erforderlich
gewesen, um diese in die Gesellschaft einzugliedern. So ist der Dipl.-Sozialarbeiter H. auf Grundlage seiner Kontakte zu der
Pflegefamilie u.a. im Juni 2012 und im Oktober 2013 zu der Einschätzung gelangt, dass bei der Klägerin zwar ein großer Hilfebedarf
bestehe, eine adäquate Betreuung, Versorgung und Förderung durch die Pflegeeltern aber sichergestellt sei (vgl. auch Bericht
der Frau S. vom 26. Januar 2012). Der Beklagte ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Betreuung der Klägerin in
der Pflegefamilie geeignet und erforderlich war, ihren Eingliederungsbedarf zu decken. Auch die Voraussetzungen für die ambulanten
Leistungen (BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - juris Rdnr. 30) der Betreuung in einer Pflegefamilie nach § 54 Abs. 3 SGB XII waren im hier streitigen Zeitraum gegeben. Die Pflegeeltern haben über "Tag und Nacht" die Klägerin in ihrem Haushalt betreut
und damit eine Aufnahme und Unterbringung in einer vollstationären Behinderteneinrichtung vermieden. Einer Pflegeerlaubnis
i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bedurften die Pflegeeltern nicht, weil sie die Klägerin bereits am 16. April 1997 auf Vermittlung des Jugendamtes des Beklagten
im Rahmen der Vollzeitpflege aufgenommen haben (§ 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII; ferner BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 8 SO 12/16 R - juris Rdnr. 35). Auch waren keine Vereinbarungen nach §§ 75 ff. SGB XII mit den Pflegeeltern erforderlich, da es sich bei ihnen nicht um einen ambulanten Dienst handelt (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 8 SO 12/16 R - juris Rdnr. 40; Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - juris Rdnr.
32).
Über Art und Höhe der Leistung enthält § 54 Abs. 3 SGB XII keine nähere Regelung, sodass diese gem. § 17 Abs. 2 SGB XII ins Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt sind (BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - juris Rdnr. 34). Hierbei ist eine Orientierung an § 39 SGB VIII geboten (BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - juris Rdnr. 34; vgl. Senatsurteil vom 23. April 2015 - L 7 SO 308/14 - juris
Rdnrn. 41 ff. zur Bemessung der Leistung bei Vollzeitpflege eines Erwachsenen). Dabei umfassen die Leistungen nach § 54 Abs. 3 SGB XII auch die mit der Unterbringung verbundenen Kosten zum Lebensunterhalt als integraler Bestandteil der Hilfemaßnahme (BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - juris Rdnr. 38). Mit dem zum 5. August 2009 neu eingefügten Leistungstatbestand
des § 54 Abs. 3 SGB XII sollte ermöglicht werden, dass auch Hilfe für die Betreuung in einer Familie als Alternative zur vollstationären Betreuung
in Anspruch genommen wird, wenn dies dem Wohle des Kindes dient. Außerdem sollte eine Gleichbehandlung geistig und körperlich
behinderter Kinder und Jugendlicher mit seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen erreicht werden und zugleich die üblicherweise
aus den unterschiedlichen Leistungszielen resultierende gespaltene Trägerschaft (Sozialhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe)
beendet werden (BT-Drs 16/13417, S. 6). Unter Beachtung dieser Zielsetzung ist eine Anwendung der jugendhilferechtlichen Bestimmung
des § 39 SGB VIII bei der Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher gerechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 5 C 30/12 - juris Rdnr. 42). Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist u.a. bei einer Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb
des Elternhauses sicherzustellen. Der notwendige Unterhalt umfasst nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen. Der gesamte regelmäßig wiederkehrende
Bedarf soll gem. § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch laufende Leistungen gedeckt werden. Die laufenden Leistungen im Rahmen der Vollzeitpflege bemessen sich nach § 39 Abs. 4 bis 6 SGB VIII. Gem. § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII sollen die laufenden Leistungen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen
Umfang nicht übersteigen. Die laufenden Leistungen umfassen auch die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu
einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der
Pflegeperson (§ 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII). Sie sollen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende
Leistungen geboten sind (§ 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII). Wird ein Kind oder ein Jugendlicher im Bereich eines anderen Jugendamts untergebracht, so soll sich die Höhe des zu gewährenden
Pauschalbetrages nach den Verhältnissen richten, die am Ort der Pflegestelle gelten (§ 39 Abs. 4 Satz 5 SGB VIII). Nach § 39 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII sollen die Pauschalbeträge für laufende Leistungen zum Unterhalt von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt
werden. Dabei ist dem altersbedingt unterschiedlichen Unterhaltsbedarf von Kindern und Jugendlichen durch eine Staffelung
der Beträge nach Altersgruppen Rechnung zu tragen (§ 39 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII). Wird das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach § 31 des Einkommensteuergesetzes ( EStG) bei der Pflegeperson berücksichtigt, so ist ein Betrag in Höhe der Hälfte des Betrages, der nach § 66 EStG für ein erstes Kind zu zahlen ist, auf die laufenden Leistungen anzurechnen (§ 39 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII). Ist das Kind oder der Jugendliche nicht das älteste Kind in der Pflegefamilie, so ermäßigt sich der Anrechnungsbetrag für
dieses Kind oder diesen Jugendlichen auf ein Viertel des Betrages, der für ein erstes Kind zu zahlen ist (§ 39 Abs. 6 Satz 2 SGB VIII).
Ausgangspunkt bilden nach § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII die tatsächlichen Kosten, die weder die Klägerin noch deren Pflegeeltern beziffert haben. Demnach ist das Pflegegeld in einem
monatlichen Pauschalbetrag zu gewähren, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten
sind (§ 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII). Dabei richtet sich gem. § 39 Abs. 4 Satz 5 SGB VIII die Höhe des zu gewährenden Pauschalbetrages nach den Verhältnissen, die am Ort der Pflegestelle, vorliegend dem N.-Kreis,
gelten (BVerwG, Urteil vom 24. November 2017 - 5 C 15/16 - juris Rdnr. 28). Das Jugendamt des N.-Kreises richtet sich in ständiger Verwaltungspraxis nach den Empfehlungen des KVJS.
Nach den zum 1. Juli 2009 in Kraft getretenen "Empfehlungen zu Leistungen zum Unterhalt (Pflegegeld) für Kinder und Jugendliche
in Vollzeitpflege nach dem SGB VIII", die auch auf behinderte Kinder und Jugendliche Anwendung finden, decken die Kosten für den Sachaufwand den gesamten regelmäßigen
wiederkehrenden Lebensbedarf des Kindes oder Jugendlichen unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Anteils am Lebensstandard
der Pflegefamilie ab. Darin enthalten sind der Aufwand für Unterkunft, Ernährung, Bekleidung und Dinge des persönlichen Bedarfs.
Die Kosten der Pflege und Erziehung umfassen sowohl die Anerkennung immaterieller Werte der Erziehung (z.B. Beziehungsangebot
der Pflegeperson) als auch die Abgeltung anfallender Erziehungskosten (z.B. Ausgaben für die Begleitung des Pflegekindes für
Therapiestunden). Die monatlichen Pauschalen haben nach entsprechender Fortschreibung für die Altersgruppe der Klägerin (12
bis 18) ab 1. Januar 2014 938,00 EUR (671,00 EUR Kosten für den Sachaufwand + 267,00 EUR Kosten der Pflege und Erziehung)
und ab 1. Januar 2015 945,00 EUR (676,00 EUR Kosten für den Sachaufwand + 269,00 EUR Kosten der Pflege und Erziehung) betragen,
soweit nicht nach den Besonderheiten des Einzelfalls abweichende Leistungen gewährt werden. Diese Beträge übersteigen die
vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. empfohlenen Pauschalbeträge jedenfalls für die Kosten der Erziehung
(vgl. Weiterentwickelte Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Bemessung der monatlichen Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege
(§§ 33, 39 SGB VIII) vom 26. September 2007 und Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege
(§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2015), die auf empirischer Basis ermittelt wurden. Vorliegend hat der vormals zuständige Jugendhilfeträger
(N.-Kreis) im Jahr 2001 auf Antrag der Pflegeeltern einen wegen der Behinderung der Klägerin erhöhten Erziehungsaufwand festgestellt
und diesen - im Übrigen von den Pflegeeltern der Klägerin akzeptiert - mit monatlich 300,00 DM (154,00 EUR) bemessen. Diesen
Betrag hat der Beklagte übernommen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn die Pflegeeltern der Klägerin bzw. die
Klägerin haben zu keinem Zeitpunkt belastbare Angaben zu höheren Aufwendungen bzgl. des regelmäßig wiederkehrenden Lebensbedarfs
der Klägerin und erhöhten Erziehungskosten gemacht. Dass wegen der Behinderung der Klägerin von dem Pauschalbetrag (671,00
EUR bzw. 676,00 EUR) nicht gedeckte Aufwendungen für Unterkunft, Ernährung, Bekleidung und Dinge des persönlichen Bedarfs
angefallen sind, ist weder ersichtlich noch vorgetragen (vgl. z.B. VG Aachen, Urteil vom 29. November 2012 - 1 K 2185/11 - juris zu einem erhöhten Unterkunftsbedarf). Hinsichtlich der Kosten der Pflege und Erziehung sind keine Anhaltspunkte für
höhere, durch die Behinderung bedingte Aufwendungen für die Erziehung ersichtlich, die den monatlichen Zuschlag überschreiten.
In der Sache macht die Klägerin insofern einen höheren Betrag zur Anerkennung des immateriellen Werts der Erziehung geltend,
den sie pauschal entsprechend den Ausführungsvorschriften über die Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen nach
§ 39 SGB VIII der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Berlin vom 6. Januar 2012 mit monatlich 959,00 EUR beziffert. Dieser
Pauschalbetrag spiegelt aber die örtlichen Verhältnisse in Berlin wider, nicht jedoch die Verhältnisse am maßgeblichen Ort
der Pflegestelle. Dass das Pflegegeld in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet ist, ist bereits in § 39 Abs. 5 SGB VIII angelegt und begegnet keinen Bedenken (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 16. April 2018 - 6 A 144/17 - juris Rdnr. 38)
Mit dem Pauschalbetrag für Pflege und Erziehung sind die üblicherweise mit der Erziehung von Kindern, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie
aufwachsen und dort erzogen werden können, verbundenen Belastungen abgegolten. Dies schließt nicht aus, dass in besonders
gelagerten Einzelfällen mit einem besonderen Erziehungsbedarf eine Erhöhung dieser Komponente des Pauschalbetrages verlangt
werden kann. Ein zusätzlich bestehender besonderer Bedarf muss in der Person des Kindes oder Jugendlichen begründet sein;
die finanzielle Situation der Pflegeeltern ist für die Pflegegeldfestsetzung unerheblich (VG Saarland, Gerichtsbescheid vom
5. Mai 2014 - 3 K 682/12 - juris Rdnr. 38). Wann nach den Besonderheiten des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind, unterliegt der vollen
gerichtlichen Kontrolle, denn es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff und nicht etwa um eine nur einer eingeschränkten
gerichtlichen Kontrolle unterliegende Ermessenentscheidung (VG Saarland, Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2014 - 3 K 682/12 - juris Rdnr. 39). Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass Kinder, die vom Jugendamt in einer Pflegefamilie untergebracht
werden, verglichen mit den Kindern, die in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, meist einen erhöhten erzieherischen Bedarf haben
(VG Saarland, Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2014 - 3 K 682/12 - juris Rdnr. 49). Dieser insoweit schon erhöhte erzieherische Bedarf, der auch durch eine Behinderung bedingt sein kann
(vgl. § 35a Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII), ist somit der Regelfall, der mit dem regelmäßig zu zahlenden Pauschalbetrag abgedeckt ist (VG Saarland, Gerichtsbescheid
vom 5. Mai 2014 - 3 K 682/12 - juris Rdnr. 40). Es müssen deshalb weitere Besonderheiten im Einzelfall hinzutreten, um eine vom Pauschalbetrag abweichende
Festsetzung des Pflegegeldes zu rechtfertigen. Ein derartiger Sonderbedarf, der zu einem anzuerkennenden erhöhten Pflege-
und Betreuungsaufwand führen kann, ist zum Beispiel anzunehmen, wenn besonders schwere Erziehungsdefizite bzw. Verhaltensauffälligkeiten
vorliegen, schwere Erkrankungen, schwere Formen von Behinderungen, gleich ob körperlicher, geistiger oder seelischer Art bestehen,
die gegenüber der normalen Pflege und Erziehung besonders beanspruchende Anforderungen an Betreuung und Erziehung des Kindes
oder Jugendlichen stellen (VG Saarland, Gerichtsbescheid vom 5. Mai 2014 - 3 K 682/12 - juris Rdnr. 40; Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. April 2014 - OVG - 6 N 17.13 - juris Rdnr. 4).
Auch unter Berücksichtigung der wesentlichen geistigen und seelischen Behinderung der Klägerin mit den daraus resultierenden
Beeinträchtigungen und dem deshalb erhöhten Aufwand der Pflegeeltern in zeitlicher Hinsicht bietet der vorliegende Einzelfall
keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Anspruch auf Gewährung eines um mehr als das Dreifache erhöhten Erziehungsanteils
im Pflegegeld. Dabei ist zu beachten, dass die Klägerin - finanziert durch den Beklagten - regelmäßig mit Hilfe eines Integrationshelfers
die Förderschule besuchte und ihre Betreuung außerhalb der Schule im Umfang von sieben Wochenstunden durch Assistenzkräfte
gewährleistet war. Zwar war außerhalb dieser schulischen und außerschulischen Betreuung eine Betreuung durch die Pflegeeltern
erforderlich, die jedoch nicht mit einer Rund-um-die-Uhr Betreuung vergleichbar ist. Auch ist nicht ersichtlich, dass die
Pflegeeltern wegen der Erziehung und Betreuung der Klägerin auf eine Erwerbstätigkeit (ggf. teilweise) verzichtet haben und
deshalb Einkommenseinbußen zu verzeichnen hatten (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 2. September 2016 - J 4.400 Bm - JAmt 2016,
545). Weiterhin ist zu beachten, dass eine abweichende Leistungsfestsetzung eine substantiierte Darlegung der besonderen Umstände
und eines weit überdurchschnittlichen Erziehungsaufwandes erfordert (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. März 2016
- 12 A 1049/15 - juris Rdnr. 9; Kunkel/Pattar in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 39 Rdnr. 22), an der es vorliegend aber fehlt. Denn die Pflegeeltern der Klägerin haben in Einklang mit dem N.-Kreis den zusätzlichen
behinderungsbedingten Erziehungsaufwand mit 300,00 DM (154,00 EUR) beziffert, ohne in der Folgezeit diesen Betrag zu beanstanden
oder einen erhöhten Aufwand substantiiert zu begründen. Erst im Oktober 2014 haben sie ein höheres Pflegegeld geltend gemacht,
ohne wiederum dies substantiiert zu begründen. Unter diesen Umständen begegnet die Entscheidung des Beklagten, insgesamt den
Erziehungsanteil im Pflegegeld um 154,00 EUR, mithin auf insgesamt 421,00 EUR (ca. 150% des Pauschalbetrages) zu erhöhen,
keinen rechtlichen Bedenken. Schließlich haben der Beklagte und das SG zu Recht Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung nicht berücksichtigt, weil die Pflegeltern entsprechende Aufwendungen
nicht nachgewiesen haben, und das Kindergeld nach Maßgabe des § 39 Abs. 6 SGB VIII anteilig abgesetzt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; die Kostenentscheidung des SG war im Hinblick auf den Erfolg der Berufung des Beklagten und die entsprechende Klageabweisung unter Berücksichtigung des
teilweisen Obsiegens der Klägerin zu korrigieren.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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