Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach SGB VI
Prüfung von Anhaltspunkten für eine rentenrelevante psychische Erkrankung und der Einsatzfähigkeit des Versicherten
Voraussetzungen für das Vorliegen von Berufsunfähigkeit
Verweisung eines Lagerarbeiters (Agrotechniker und Agraringenieur in der ehemaligen DDR) auf eine Tätigkeit eines Pförtners
an der Nebenpforte
Tatbestand:
Der am ... 1952 geborene Kläger absolvierte nach der Zehnten Schulklasse von September 1967 bis zum August 1970 eine Ausbildung
zum Agrotechniker und von November 1972 bis August 1975 ein Fachschulstudium mit dem Abschluss als Agraringenieur. Er war
von 1975 bis 1995 als Genossenschaftsmitglied in LPG'en versicherungspflichtig tätig. Der Kläger war anschließend arbeitslos und absolvierte vom 6. Juni 1995 bis zum 5. Juni
1996 eine Fortbildung für Landwirte "Ausbildung zum/zur BetriebshelferIn". Von 1996 bis 1998 war er als Arbeiter in einem
Agrargenossenschafts-Betrieb tätig. Der Kläger war ab dem 18. Mai 1998 als kaufmännischer Mitarbeiter für das Lagerhaus Sch.
der R. Hauptgenossenschaft Nord Aktiengesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 1. Januar 2001 wurde er ausweislich
des entsprechenden Arbeitsvertrages bei der B. Lagerhaus GmbH & Co. KG als Kraftfahrer/Lagerarbeiter mit einem monatlichen
Arbeitsentgelt in Höhe von 1.522,13 EUR eingestellt, wo er bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit am 20. April 2006 2006 tätig war.
Der Kläger bezog dann Krankengeld, später Leistungen der Arbeitsverwaltung. Er verfügt über einen Sachkundenachweis vom 8.
November 1990 über den sachgerechten Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und über eine Teilnahmebestätigung an einem betriebsinternen
theoretischen Fortbildungskurs am 2. März 1999 mit praktischen Fahrübungen für Fahrer von Flurförderfahrzeugen.
Nach den Angaben des Klägers ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt.
Der Kläger beantragte erstmals am 12. Januar 2007 bei der Beklagten erfolglos die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung.
In seinem zweiten Antrag auf Bewilligung dieser Rente vom 17. März 2008 machte er geltend, seit dem 20. April 2006 wegen eines
Diabetes mellitus Typ II, eines Bluthochdrucks sowie Gefäß- und nervlichen Problemen in Füßen und Händen, wegen eines Herzinfarkts
am 12. Juli 2006, eines Bandscheibenvorfalls am 5. Dezember 2005 und wegen Nieren- und Prostataproblemen sowie eines Augenleidens
keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können.
Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus den vorangegangenen Rehabilitations- und Rentenverfahren bei. In
dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik E.-S. vom 19. Juni 2006 anlässlich der vom Kläger vom 16. Mai bis zum 13.
Juni 2006 durchgeführten Anschlussheilbehandlung wegen eines Ende April 2006 neu entdeckten insulinpflichten Diabetes mellitus
Typ IIb wird der Kläger als in der Lage erachtet, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung
zusätzlicher qualitativer Leistungseinschränkungen sowie seine bisherige Tätigkeit als Angestellter eines Landhandels vollschichtig
zu verrichten. In dem Entlassungsbericht des M. Klinikums F. vom 25. August 2006 über die vom 1. bis zum 22. August 2006 durchgeführte
Anschlussheilbehandlung nach einem NSTEMI (Myokardinfarkt) bei koronarer 3-Gefäßerkrankung am 12. Juli 2006 mit PTCA und Stentimplantation
des RCX am 13. Juli 2006 wurde dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Angestellter eines Landhandels
sowie für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung zusätzlicher qualitativer
Leistungseinschränkungen bescheinigt. Dem von Dipl.-Med. J. unter dem 12. Februar 2007 für den MDK Sachsen-Anhalt erstellten
Gutachten ist eine vollschichtige Belastbarkeit des Klägers für die Tätigkeit als Lager- und Transportarbeiter ohne Heben
und Tragen von Lasten von über zehn kg und für leichte körperliche Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen in überwiegend
sitzender Tätigkeit - wegen der eingeschränkten Gehstrecke - zu entnehmen. In dem auf Veranlassung der Beklagten von dem Facharzt
für Neurologie Dr. M. unter dem 2. Mai 2007 erstatteten Gutachten, auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers
an diesem Tag, wird unter Berücksichtigung der neurologischen Diagnosen einer diabetischen Polyneuropathie und eines Karpaltunnelsyndroms
rechts mehr als links der Kläger für in der Lage erachtet, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit weiteren zusätzlichen
qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Im Ankreuzverfahren bejahte Dr. M. die Fähigkeit
des Klägers, mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten viermal täglich zu Fuß zurückzulegen.
Ausweislich des Berichtes des Klinikums W. vom 15. Februar 2007 erfolgte bei der Herzkatheder-Kontrolle an diesem Tag eine
weitere Stentversorgung. In dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik L. in B. S. vom 20. Dezember 2007 über die stationäre
Rehabilitationsmaßnahme des Klägers vom 19. November bis zum 20. Dezember 2007 wird dieser für leichte bis "teils leicht"
mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung zusätzlicher qualitativer Einschränkungen im Umfang von sechs Stunden und
mehr täglich für leistungsfähig erachtet. Für seine letzte berufliche Tätigkeit als Lagerarbeiter im Landhandel sei er unter
drei Stunden täglich einsetzbar. Zu berücksichtigen sei u.a. die Hypaesthesie im Bereich der Hände und Füße mit entsprechender
Beeinträchtigung der Fingerfeinfunktion.
In den dem Streitverfahren zugrundeliegenden Rentenverfahren ließ die Beklagte nach Einholung eines Befundberichtes der Ärztin
Dipl.-Med. S. vom 21. März 2008 die Gutachterärztin Dipl.-Med. S. das Gutachten vom 24. Juni 2008 auf der Grundlage einer
ambulanten Untersuchung des Klägers am 19. Juni 2008 erstatten. Dipl.-Med. S. führte als Diagnosen einen mäßig eingestellten,
sekundär insulinbedürftigen Diabetes mellitus mit diabetischer Retinopathie und Polyneuropathie, eine chronisch-ischämische
Herzkrankheit - mit Zustand nach Herzinfarkt im Juli 2006 sowie PTCA und Stent-Implantation - Herzleistungs-Stadium NYHA II,
eine gut eingestellte arterielle Hypertonie, eine Hüftgelenkserkrankung beidseits mit mäßigen Funktionseinschränkungen und
ein chronisches Wirbelsäulenleiden ohne wesentliche Funktionsminderung auf. Der Kläger könne die letzte Tätigkeit als Angestellter
in einem Landhandelsbetrieb mit mittelschweren bis schweren Hebe- und Trageleistungen nicht mehr verrichten. Für leichte bis
mittelschwere Tätigkeiten bestehe eine tägliche über sechsstündige Eignung. Im Ankreuzverfahren bejahte auch sie die Fähigkeit
des Klägers, mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten viermal täglich zu Fuß zurückzulegen.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab (Bescheid vom 30. Juni 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober
2008). Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei durch eine Zuckerkrankheit mit Folgeschäden an den Augen und Nerven, eine Herzerkrankung
mit Zustand nach Infarkt und Gefäßaufweitung mit Stentimplantation, ein Hüftleiden beidseits und ein chronisches Wirbelsäulenleiden
beeinträchtigt. Gleichwohl bestehe beim Kläger ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere
Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Klettern, Absturzgefahr und Zeitdruck in Früh- und Spätschicht. Der Kläger sei
zudem nicht berufsunfähig. Es sei von einem Hauptberuf als Lagerarbeiter auszugehen. Der Kläger sei in die Gruppe der Ungelernten
im Mehrstufenschema einzuordnen. Er sei auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der zusätzlichen
qualitativen Leistungseinschränkungen verweisbar.
Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 13. November 2008 bei dem ehemaligen Sozialgericht Stendal erhobenen Klage gewandt
und den Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt. Wegen Schwindelattacken, Gleichgewichtsstörungen,
einer Sehschwäche und Schmerzen, insbesondere an Händen und Füßen, könne er nicht mehr mindestens drei Stunden täglich unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein. Er habe als Lagerarbeiter auch Tätigkeiten als gelernter
Landwirt und Agraringenieur ausgeführt. Sein Fachwissen sei insbesondere im Zusammenhang mit der Einlagerung und Anlieferung
von Pflanzengift, Düngermitteln und Saatgut und auch bei Fragen des Feldanbaus und Maschineneinsatzes erforderlich gewesen.
Er habe zudem die Landwirte im Umgang mit Gift sowie über die in der Landwirtschaft einzusetzenden Produkte beraten und sei
auch für die Lagerlogistik verantwortlich gewesen.
Das Sozialgericht hat zunächst eine Auskunft der B. Lagerhaus GmbH & Co. KG vom 20. März 2009 eingeholt. Als Lagerarbeiter
habe der Kläger seit dem 18. Mai 1998 Tätigkeiten in der Warenannahme und -ausgabe, in der Getreide- und Düngerverladung und
Einlagerung sowie beim Kommissionieren und Ausfahren von Waren verrichtet. Für die Warenbewegung seien der Staplerschein und
für das Kommissionieren bzw. die Annahme und Ausgabe der Ware landwirtschaftliche Fachkenntnisse erforderlich gewesen. Es
habe sich um eine mittelschwere und schwere gewerbliche Lagerarbeit mit Heben und Tragen von Lasten ab 15 kg unter witterungsbedingten
Einflüssen und starker Getreidestaubentwicklung gehandelt. Der Kläger habe ab Januar 2002 einen Stundenlohn in Höhe von 8,75
EUR erhalten.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Dipl.-Med. S. hat in ihrem Befundbericht vom 16. März 2009
mitgeteilt, die koronare Herzerkrankung sei stabil und der Diabetes gut geführt. Die neu hinzugekommenen Folgeerkrankungen
wie Polyneuropathie, Retinopathie und chronische Arthritis bereiteten dem Kläger Probleme. Die Fachärztin für Orthopädie und
Chirotherapie Dr. W. hat unter dem 2. Juli 2009 eine Verschlechterung der Gesundheitssituation seit Mai 2009 mitgeteilt.
Die Beklagte hat den Entlassungsbericht der Rehaklinik B. S. vom 2. Juli 2009 über die stationäre pulmologische Anschlussheilbehandlung
des Klägers vom 28. Mai bis zum 25. Juni 2009 vorgelegt. Der Kläger habe sich zuvor im April 2009 in stationärer Behandlung
wegen einer Pneumonie mit respiratorischer Partialinsuffizienz im linken Mittel- und Unterfeld mit septisch gestreuten pneumonischen
Herden befunden. Im Rahmen der Spirometrieuntersuchung am 23. Juni 2009 sei im Vergleich zur Altersnorm eine ausreichend gute
körperliche Belastbarkeit des Klägers festzustellen gewesen. Manifeste kardiopulmonale Dekompensationszeichen seien nicht
nachweisbar gewesen. Als Diagnosen werden eine Pneumonie im April 2009, eine Persönlichkeitsstörung, ein Diabetes mellitus
Typ II - insulinpflichtig mit Komplikationen - und eine koronare Herzkrankheit (KHK) genannt. Aufgrund der pulmologischen
Erkrankung sei der Kläger in absehbarer Zeit für leichte körperliche Tätigkeiten unter Vermeidung von extrem klimatischen
Verhältnissen und inhalativen Noxen wieder arbeitsfähig. Erschwerend hinzugetreten sei eine durch psychiatrische Diagnostik
abzuklärende psychische Störung, welche auch einer Psychotherapie zugeführt werden müsse. Aus diesem Grund sei der Kläger
derzeit unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in seinem zuletzt ausgeübten Beruf einsatzfähig.
Das Sozialgericht hat sodann den Chefarzt der Medizinischen Klinik II des St. E. und St. B. Krankenhauses Prof. Dr. W. das
Gutachten vom 1. März 2011 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 26. November 2010 erstatten lassen.
Der Kläger habe angegeben, an einer Antriebsarmut verbunden mit dem Gefühl von Kraftlosigkeit zu leiden, weshalb er sich körperlich
schone. Insgesamt sei sein Gesundheitszustand aber seit ca. 2008 stabil. Er habe über taube Füße und ein Einschlafen des rechten
Beines im Sitzen sowie über kalte Füße und Hände geklagt. Nach zwei Etagen trete beim Gehen Luftnot auf. Er könne Fahrrad
fahren, leide jedoch gelegentlich beim Abwärtsfahren unter Schwindel. Längere Spaziergänge seien ihm möglich. An Gewicht habe
er in den letzten Jahren bis auf 110 kg zugenommen. Als Diagnosen hat Prof. Dr. W. eine koronare Dreigefäßerkrankung, einen
Zustand nach Nicht-ST-Hebungsinfarkt Juli 2006 mit PCI der RCX, einen Zustand nach Restenose RCX mit Re-PCI Februar 2007,
einen Zustand nach PCI R. intermedius Februar 2007, eine leicht eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion, eine linksventrikuläre
diastolische Compliancestörung, eine Aortenstenose Grad I - II, eine periphere Angiosklerose, Diabetes mellitus Typ II - insulintherapiert
-, eine diabetische Polyneuropathie, eine chronische Niereninsuffizienz, eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipidämie,
eine Adipositas, ein Lumbalsyndrom, eine Coxarthrose beidseits, ein Karpaltunnelsyndrom, einen Zustand nach Schilddrüsenresektion
Februar 2008, einen Zustand nach Pneumonie April 2009 und eine Prostatahypertrophie benannt. Hinweise auf eindeutige psychische
Abweichungen bestünden nicht. Die koronare Herzerkrankung sei derzeit stabil, gut therapiert und ohne wesentlichen Einfluss
auf das Leistungsvermögen des Klägers. Die in Bezug auf die Polyneuropathie vorgebrachten Beschwerden seien nach Intensität
und Art glaubhaft und hätten bei der Untersuchung sowie in den Befunden objektiviert werden können. Die insgesamt beschriebene
körperliche Schwäche sei aufgrund der hier erhobenen Befunde (Gesamteindruck bei den durchgeführten Untersuchungen sowie bei
der ergometrischen Belastung) und der detaillierten anamnestischen Befragung (längere Spaziergänge und Radfahrten seien möglich)
so nicht glaubhaft und nachvollziehbar. An beiden Armen und Beinen habe eine normale Muskelmasse ohne Hinweis auf Muskelathrophien
festgestellt werden können. Bei den beobachteten Bewegungen und Gängen habe sich kein Hinweis auf eine Schonhaltung oder einen
atypischen Bewegungsablauf ergeben. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von
schwereren Lasten, überwiegend im Sitzen und Stehen verrichten. Eine vorwiegend gehende Tätigkeit sei nicht zumutbar. Der
Kläger sollte überwiegend in geschlossenen Räumen und nur kurzzeitig im Freien arbeiten. Eine Tätigkeit in Nachtschicht und
unter hohem Leistungsdruck (z.B. Akkord- und Fließbandarbeit) könne der Kläger nicht bewältigen. Arbeiten in Früh- und Spätschicht
seien möglich. Er sei Tätigkeiten mit einfacher bis gehobener Verantwortung und geistiger Beanspruchung gewachsen. Arbeiten
in Zwangshaltungen, auf Leitern und Gerüsten, mit besonderer Verletzungsgefahr sowie solche, die eine erhöhte Einsatzfähigkeit
der Beine erforderten, seien nicht zumutbar. Aufgrund des Karpaltunnelsyndroms und neuropathischer Veränderungen seien Tätigkeiten
mit hohen feinmotorischen Anforderungen an die Hände nicht möglich. Nach einer Eingewöhnungs- und Trainingsphase von voraussichtlich
wenigen Monaten sei dem Kläger eine vollschichtige Arbeit möglich. Im Hinblick auf die mehrjährige fehlende Berufstätigkeit
sei in den ersten Monaten vermehrt die Einlegung von Pausen in einem Umfang von anfangs ca. 30 Minuten alle zwei Stunden einzuplanen.
Eine Tätigkeit als Sortierer oder Verpacker kleiner Teile erscheine aufgrund der Limitation der Gebrauchsfähigkeit der Hände,
insbesondere für feinmotorische Aufgaben, nicht zumutbar. Die Tätigkeit als Lagerarbeiter sei wegen der vorwiegend stehenden
Arbeiten ausgeschlossen. Eine Tätigkeit als Pförtner - auch in der öffentlichen Verwaltung - sei möglich. Die kardiovaskuläre
und körperliche Belastbarkeit des Klägers habe sich in den letzten Jahren nicht erkennbar verändert. Die Leistungsfähigkeit
habe sich lediglich im Hinblick auf die diabethoische Neuropathie und die orthopädischen Beschwerden (Coxarthrose) verschlechtert.
Bis auf den Entlassungsbericht der Rehaklinik B. S. vom 2. Juli 2009 ergebe sich keine Diskrepanz zu vorangegangenen Gutachten.
Es sei jedoch davon auszugehen, dass die im Entlassungsbericht beschriebenen psychischen Störungen im Hinblick auf die vorliegenden
Arztbriefe und Gutachten sowie das Begutachtungsergebnis nur vorübergehend aufgetreten seien und weder vor noch nach der Rehabilitationsmaßnahme
eine wesentliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bewirkt hätten. Der bei der Begutachtung festgestellte Zustand
bestehe voraussichtlich dauerhaft. Der Kläger sei in der Lage, mindestens 500 m zu Fuß viermal täglich zurückzulegen. Er sei
zudem in der Lage, einen Pkw zu führen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Auf dem feststehenden Ergometer habe der
Kläger bei der Untersuchung geübt und sicher gewirkt. Er sei zur Untersuchung nach H. ca. 2,5 Stunden je Weg mit dem Auto
gefahren.
Die Beklagte hat den Kläger hilfsweise auf die Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte verwiesen und berufskundliche Unterlagen
(u.a. die Anfragen des erkennenden Senats vom 15. April 2011 und 13. Oktober 2011 an des Bundesverband Deutscher Wach- und
Sicherheitsunternehmen (BDWS) und dessen Antwortschreiben vom 1. Juni 2011 und 26. Oktober 2011) überreicht. Wegen der Einzelheiten
wird auf Bl. 330 bis 342 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Gerichtsbescheid vom 2. April 2012 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht berufsunfähig.
Maßgeblicher Beruf sei die zuletzt langjährig ausgeübte Tätigkeit als Lagerarbeiter bei der Firma B. Lagerhaus GmbH & Co.
KG. Eine solche Tätigkeit könne der Kläger nach seinen gesundheitlichen und beruflichen Kräften und Fähigkeiten nicht mehr
ausführen. Er könne nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen sechs Stunden
und mehr täglich verrichten. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen
Prof. Dr. W. vom 1. März 2011. Der vom Kläger geschilderte Tätigkeitsbereich bei der Firma B. Lagerhaus GmbH & Co. KG im Kontext
mit seinen Arbeitsverträgen und beruflichen Qualifikationen lasse höchstens eine Eingruppierung als oberer Angelernter zu.
Der Kläger genieße keinen erhöhten Berufsschutz. Der Tätigkeitsbereich als Lagerarbeiter habe nur einen Teilbereich des Aufgabenfeldes
umfasst, welches einem Agrartechniker/Agraringenieur zukomme. Die Arbeiten des Klägers als Lagerarbeiter stellten sich jedoch
als Tätigkeit dar, die auch von ungelernten Kräften oder Landarbeitern ohne weitere Ausbildung hätten verrichtet werden können.
Im Übrigen habe sich der Kläger nach den Qualifizierungsnachweisen nach 1989 die für seine Tätigkeit als Lagerarbeiter grundlegend
notwendigen Kenntnisse erst erneut aneignen müssen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausginge, dass er auf Grund
seiner gewonnenen Berufserfahrung der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters im oberen Bereich zugeordnet werde,
sei er in jedem Fall auf die von der Beklagten benannte Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte zumutbar verweisbar.
Ebenfalls liege in Anbetracht der Einsatzfähigkeit des Klägers im Umfang von sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung vor.
Gegen den ihm am 13. April 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. Mai 2012 Berufung beim Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt und einen Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter geltend gemacht. Er sei
auf Grund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch nur drei Stunden täglich
tätig zu sein. Er sei zudem im Hinblick auf seine Tätigkeit bei der B. Lagerhaus GmbH & Co. KG als Facharbeiter einzuordnen.
Die Bezeichnung "Lagerarbeiter" sei zwar dem Arbeitsvertrag zu entnehmen, entspreche aber nicht seiner tatsächlichen Tätigkeit.
Der absolute Schwerpunkt seiner Tätigkeit sei "geistiger Natur" gewesen. Er habe die Landwirte fachkundig über die in der
Landwirtschaft einzusetzenden Produkte und den Einsatz von Chemikalien, Gift usw. beraten. Er sei gerade wegen seines Fachschulstudiums
eingestellt worden. Ferner verfüge er über besondere Kenntnisse, die im Zusammenhang mit der Einlagerung von Getreide und
Düngern erforderlich gewesen seien. Wegen seines eingeschränkten Sehvermögens und der psychischen Störung sei die Tätigkeit
als Pförtner an der Nebenpforte medizinisch nicht zumutbar.
Er beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. April 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2008 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. März 2008
Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, zu
bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihren Bescheid für zutreffend.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Der Facharzt für Augenheilkunde Dr. H. hat unter dem 10. Februar
2013 einen relativ stabilen Zustand nach beidseitiger Laserkoagulation bei einer nichtproliferativen diabetischen Retinopathie
und einer beginnenden Maculopathie beidseits sowie einen Cataracta (grauen Star) senilis beidseits mit einem Visus beidseits
von 0,6 aufgezeigt. Dipl.-Med. S. hat unter dem 12. Februar 2013 eine Zunahme der Beschwerden im Sinne einer Polyneuropathie,
eine zunehmende Depressivität, ein Karpaltunnelsyndrom, eine Gicht und eine Retinopathie sowie eine Verschlechterung der Nierenfunktion
mitgeteilt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. hat unter dem 16. Februar 2013 rezidivierende, bei einer
letztmaligen Behandlung des Klägers am 22. August 2012 remittierte, depressive Episoden bei einer stabilen Psyche des Klägers
ohne zusätzliche Medikation beschrieben. Die symmetrische sensomotorische Polyneuropathie bei Diabetes mellitus sei stabil,
das ausgeprägte Karpaltunnelsyndrom unverändert. Der Facharzt für Innere Medizin/Nephrologie Dr. K. hat unter dem 21. Februar
2013 unter Bezugnahme auf einen Arztbrief vom 12. Februar 2013, in welchem als Diagnosen eine chronische Niereninsuffizienz
Stadium III und eine arterielle Hypertonie mit hypertensiver Nierenkrankheit aufgeführt sind, eine Befundkonstanz seit 2007
aufgezeigt. Dr. W. hat unter dem 11. Februar 2013 auf einen hinzugekommenen Ellenbogenschmerz links sowie auf eine Schmerzzunahme
mit Chronifizierung des Cervical- und Lumbalsyndroms verwiesen. In dem beigefügten Bericht vom 11. März 2013 hat er als Diagnosen
ein Lumbalsyndrom, eine Osteochondrose/Spondylose DL-Übergang sowie L3 bis S1, einen Morbus Baastrup L3-S1, eine Coxarthrose
beidseits, eine Gon- und Retropatellararthrose beidseits sowie eine Arthrose des linken Ellenbogens angegeben.
Die B. Lagerhaus GmbH & Co. KG hat mit Schreiben vom 21. Februar 2013 auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, mit Wirkung zum
1. Januar 2001 das Lager in Sch. von der R. Hauptgenossenschaft N. AG übernommen zu haben. Nach Aussage des Lagerverantwortlichen
H. Sch. sei der Kläger zu keinem Zeitpunkt als kaufmännischer Angestellter in Sch. tätig gewesen. Nach der Übernahme sei mit
dem Kläger ein Arbeitsvertrag gemäß den tatsächlichen Gegebenheiten als Kraftfahrer/Lagerarbeiter vereinbart worden. Bei dem
Hauptaufgabengebiet des Klägers - der Wareneingangskontrolle, Kommissionierung der Ware sowie sachgerechten Warenausgabe,
-verladung und -auslieferung - seien landwirtschaftliche Fachkenntnisse überwiegend in Bezug auf die Produkte in den Bereichen
Pflanzenschutz, Saatgut, Futter und Dünger sowie in Bezug auf die Lagerung von Getreide im Hinblick auf Temperatur, Lüftung
und Gesunderhaltung nicht Voraussetzung, allerdings sehr von Nutzen gewesen. Im Notfall wäre auch jemand ohne diese Kenntnisse
eingestellt worden. Allerdings wäre eine Anlernzeit von ca. einem Jahr inklusive Produktschulungen für Pflanzenschutz- und
Düngemittel sowie Schulungen für Getreidelagerung und Gesunderhaltung erforderlich gewesen. Der Beruf des Agrotechnikers der
ehemaligen DDR sei durch Führen und Fahren von landwirtschaftlichen Maschinen (Traktoren, Roder etc.) gekennzeichnet gewesen.
Diese Tätigkeiten seien bei der B. Lagerhaus GmbH & Co. KG nicht ausgeübt worden. Tätigkeiten seien für die Bereiche Pflanzenschutz/Saatgut/Futter/Dünger
bei der Wareneingangskontrolle/Warenannahme (10 %), Kommissionierung (15 %), Warenausgabe (15 %), Warenauslieferung (10 %)
und Lagerung von Dünger (10 %), bei der Ein- und Auslagerung von Getreide und Gesunderhaltung von Getreide (25 %) und bei
der Pflege und Wartung der Technik - Radlader, Teleskoplader, Gabelstapler - (5 %) angefallen. Lediglich für die Ordnung und
Sauberkeit im Hof- und Lagerbereich (5 %) und kleinere Reparaturen (5 %) seien landwirtschaftliche Fachkenntnisse nicht von
Nutzen gewesen.
Auf Veranlassung des Senats hat die Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. das Gutachten
vom 22. Januar 2014 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 9. Dezember 2013 erstattet. Sie hat folgende
Diagnosen benannt:
Herzleistungsminderung NYHA II bei koronarer Dreigefäß-Erkrankung:
echokardiografisch leichtgradig reduzierte Pumpfunktion (EF 47 %) und diastolische Funktionsstörung, bekannte Aortenklappenstenose,
Myokard-Infarkt (Nicht-ST-Hebungsinfarkt) 07/2006 mit Stent/PTCA an RCX (Ast der linken Koronararterie),
PTCA/Stent-Implantation 02/2007 an RCX wegen Re-Stenose und am Ramus intermedius,
zusätzlich kardiovaskuläres Risikoprofil durch Langzeit-Diabetes mellitus mit familiärer Veranlagung, Hypertonie und Ex-Nikotinabusus.
Langzeit Diabetes mellitus (Erstdiagnose 2006):
periphere Neuropathie, Nephro- und Retinopathie,
sekundär insulinpflichtig und gut kompensiert,
selten Hypoglykämie-Neigung.
Peripher-arterielle Durchblutungsstörung beider Beine Fontaine-Stadium II a.
Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule mit muskulären Dysbalancen im Schultergürtelbereich und leichter Funktionsstörung ohne
neurologische Ausfälle.
Minderbelastbarkeit der Hüftgelenke mit leichten Funktionsstörungen durch Arthrose.
Minderbelastbarkeit der Kniegelenke mit leichten Funktionsstörungen durch kniescheibenrückseitige Arthrose.
Karpaltunnel-Syndrom und schnellender Mittelfinger beidseits ohne relevante Beeinträchtigung der Handfunktionen.
Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit Tragen von Lasten von ca. 10 bis 15 kg wechselweise
im Gehen, Stehen und/oder Sitzen mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Arbeiten mit ständigen, längeren bzw. häufigen
einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken oder Bücken, mit monotonen Körperhaltungen sowie
auf Leitern und Gerüsten seien ausgeschlossen. Gelegentliche einseitige körperliche Belastungen bzw. Zwangshaltungen seien
zumutbar. Einschränkungen hinsichtlich der Handbewegungen des Alltags- oder Berufslebens bestünden nicht. Arbeiten mit überwiegend
feinmotorischen Tätigkeiten sollten nicht abverlangt werden. Zur Begutachtung sei die Kraftentwicklung der Hände nur gering
eingeschränkt und ausreichend für mittelschwere Lasten gewesen. Der Kläger solle Arbeiten im Freien, bei Kälte, Nässe und
Zugluft meiden. Die Arbeiten sollten ausschließlich in geschlossenen, heizbaren Räumen durchgeführt werden. Aufgrund der mäßigen
Sehbehinderung von jeweils 0,6 Sehleistung an beiden Augen könnten keine besonderen Anforderungen an das Sehvermögen mehr
abverlangt werden. Hinsichtlich Genauigkeit und Präzision seien nur einfache Anforderungen an das Sehvermögen zu stellen.
Das Hörvermögen habe sich unbeeinträchtigt gezeigt. Der Kläger sei Arbeiten mit geistig mittelschwierigen Anforderungen gewachsen.
Der psychische Befund sei hinsichtlich kognitiver Leistungen, Affekt, Stimmungslage und Antrieb unauffällig gewesen. Im Umstellungsvermögen
und der Ausdauerleistung habe der Kläger keine Einschränkungen aufgewiesen. Auch die wiederkehrenden Stimmungsstörungen beeinträchtigten
die geistige Belastbarkeit nicht. Der Kläger sei durchschnittlichen Anforderungen an mnestische Anforderungen gewachsen. Arbeiten
in Wechsel- und Nachtschicht sowie mit besonderem Zeitdruck (Akkord, Fließbandarbeit) seien nicht möglich. Häufiger Publikumsverkehr
sei zumutbar. Arbeiten mit Eigen- und Fremdgefährdung (auf Gerüsten, Leitern, Treppen, an routierenden Maschinenteilen) seien
ausgeschlossen. Arbeiten mit leichten körperlichen Verrichtungen, wie Zureichen, Abnehmen, Verpacken, Transportieren, Reinigen,
Bedienen von Maschinen, Kleben und Sortieren, seien durchführbar. Das Zusammensetzen von Teilen sei wegen des Karpaltunnelsyndroms
nicht über sechs Stunden täglich möglich. Das Zusammensetzen von Kleinteilen sei wegen der mäßigen Sehbehinderung eher nicht
ausführbar. Der Kläger sei in der Lage, regelmäßig Fußwege von knapp mehr als 500 m binnen 20 Minuten viermal täglich zurückzulegen.
Er habe den Belastungstest auf leichter bis mittelschwerer Laststufe 9 Minuten ohne Claudicatio-Symptomatik bewältigt. In
Anbetracht der objektiven Befunde und der Schilderung des Klägers über seine Alltagsgewohnheiten ergebe sich keine relevant
eingeschränkte Gehfähigkeit. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sei seit der Rentenantragstellung
am 17. März 2008 nicht eingetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat
vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger weder ein Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller
Erwerbsminderung noch von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, zusteht. Der angefochtene
Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§
153 Abs.
1,
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG)).
Nach §
43 Abs.
1, Abs.
2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung,
wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben.
Der Kläger ist aber weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach
§
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert
ist nach §
43 Abs.
3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens
sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger kann noch leichte
bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit Tragen von Lasten von ca. 10 bis 15 kg wechselweise im Gehen, Stehen und/oder Sitzen
sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Arbeiten mit ständigen, längeren bzw. häufigen einseitigen körperlichen Belastungen
bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken oder Bücken, mit monotonen Körperhaltungen sowie auf Leitern und Gerüsten sind ausgeschlossen.
Gelegentliche einseitige körperliche Belastungen bzw. Zwangshaltungen sind zumutbar. Es besteht eine Gebrauchsfähigkeit der
Hände für leichte bis mittelschwere Arbeiten. Überwiegend feinmotorischen Tätigkeiten sind zu vermeiden. Der Kläger kann ausschließlich
nur in geschlossenen, heizbaren Räumen - ohne Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft - arbeiten. Arbeiten mit besonderen Anforderungen
an das Sehvermögen können nicht abverlangt werden. Hinsichtlich Genauigkeit und Präzision sind nur einfache Anforderungen
an das Sehvermögen zu stellen. Das Hörvermögen ist nicht eingeschränkt. Der Kläger ist Arbeiten mit geistig mittelschwierigen
Anforderungen und durchschnittlichen Anforderungen an mnestische Anforderungen gewachsen. Arbeiten in Wechsel- und Nachtschicht,
mit besonderem Zeitdruck (Akkord, Fließbandarbeit) sowie mit Eigen- und Fremdgefährdung (auf Gerüsten, Leitern, Treppen, an
routierenden Maschinenteilen) sind ausgeschlossen. Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr sind möglich.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren,
insbesondere aus den überzeugenden und weitgehend übereinstimmenden Gutachten von Dr. H. vom 22. Januar 2014, von Prof. Dr.
W. vom 1. März 2011 und von Dipl.-Med. S. vom 19. Juni 2008 sowie den Entlassungsberichten der Rehabilitationsklinik L. vom
20. Dezember 2007, des M. Klinikums F. vom 25. August 2006 und der Rehabilitationsklinik E.-S. vom 19. Juni 2006. Ferner stützt
sich der Senat auf die Gutachter von Dr. M. vom 2. Mai 2007 und von Dr. J. vom 12. Februar 2007.
Bei dem Kläger liegen eine koronare Dreigefäß-Erkrankung mit einem Zustand nach einem Myokard-Infarkt im Juli 2006 mit Stentimplantation
und eine Bluthochdruckerkrankung vor. Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers bei den Begutachtungen
sowie der körperlichen und apparativen Befunde besteht eine stabile kardiale Situation ohne eine wesentliche Verschlechterung
der Herzleistung seit der Rentenantragsstellung. Bei Dr. H. zeigte sich eine ergometrische Belastbarkeit des Klägers bei 50
W für sechs Minuten und bei 75 W für drei Minuten. Im EKG ergab sich kein Hinweis auf eine myokardiale Minderdurchblutung.
Nach der Lungenfunktionsprüfung konnte eine restriktive oder obstruktive Lungenfunktionsstörung ausgeschlossen werden. Echokardiografisch
war die linksventrikuläre Pumpfunktion links mit einer linksventrikulären Auswurffraktion von 47 % nur leicht eingeschränkt.
Die vom Kläger bei Dr. H. dargestellte subjektive Symptomatik entspricht nach der Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen
dem Herzleistungs-Stadium NYHA II und steht einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für körperlich leichte bis mittelschwere
Arbeiten unter Berücksichtigung der o.g. qualitativen Einschränkungen nicht entgegen. Auch in der Zeit vor der Begutachtung
bei Dr. H. hat sich die koronare Herzerkrankung ausweislich der Kontrollkoronarangiografie ohne erneute Einengungen der Koronargefäße
sowie der ergometrischen Belastungstests stabil dargestellt. Bei Prof. Dr. W. ist der Kläger bis 150 W ergometrisch ohne Zeichen
einer koronaren Minderdurchblutung belastbar gewesen.
Ferner leidet der Kläger an einem erstmals 2006 diagnostizierten Diabetes mellitus, der durch die Insulintherapie gut kompensiert
ist. Darüber hinaus bestehen diabetische Folgeerscheinungen mit peripherer Neuropathie, Nephro- und Retinopathie. Dr. H. hat
für den Senat überzeugend dargestellt, dass die diabetische Nephropathie die Missempfindungen an Händen und Füßen des Klägers
erklärt. Die Greiffunktion der Hände ist zeitweise eingeschränkt. Ferner bestehen Gleichgewichtsstörungen beim Bergabgehen,
die mit der gestörten Tiefensensibilität zu begründen sind. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sind dem Kläger
überwiegende feinmotorische Arbeiten - auch wegen des Karpaltunnelsyndroms und des schnellenden Fingers - nicht mehr möglich.
Die diabetische Nephropathie schränkt die Nierenfunktion nicht relevant ein. Die Netzhautschädigung beider Augen wurde mit
einer Laserkoagulation therapiert. Das korrigierte Sehvermögen beider Augen liegt bei 0,6 Dioptrien und entspricht einer mäßigen
Sehbehinderung. Eine präzise Ausführung manueller Feinarbeiten ist dem Kläger deshalb nicht mehr möglich. Auf Grund des Diabetes
mellitus und der daraus resultierenden Folgeerkrankungen sind dem Kläger Arbeiten mit Eigen- und Fremdgefährdung, Nacht-und
Wechselschicht und manuelle Feinarbeiten nicht mehr zumutbar.
Beim Kläger liege zudem an eine peripher-arterielle Durchblutungsstörung beider Beine nach dem Fontaine-Stadium IIa vor. Eine
Verschlechterung dieser Erkrankung wird durch seine Angaben des Klägers zur Beweglichkeit im Alltag und die körperlich-apparativen
Befunde bei Dr. H. nicht bestätigt. Der Kläger selbst hat angegeben, 30 Minuten zu gehen und auch Fahrrad zu fahren. Er kann
keine Arbeiten unter Einfluss von Nässe und Kälte ausüben.
Ferner besteht eine Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, eine Arthrose der Hüft- und der Kniegelenke beidseits mit nur leichten
Funktionseinschränkungen. Insoweit ist der Kläger Arbeiten mit häufigen Zwangshaltungen, monotonen Körperhaltungen, mit Besteigen
von Leitern und Gerüsten und mit längerer Exposition gegenüber Kälte und Nässe sowie mit häufigem Bücken, Hocken und Knien
nicht gewachsen. Eine quantitative Leistungsminderung resultiert daraus jedoch nicht.
Die Einschätzung der Rehabilitationsklinik S. im Entlassungsbericht vom 2. Juli 2009 im Sinne eines unter dreistündigen täglichen
Leistungsvermögens, insbesondere im Hinblick auf eine psychische Störung und Persönlichkeitsstörung des Klägers, ist für den
Senat nicht nachvollziehbar. Die Beurteilung erfolgte auf der Basis psychologischer Gespräche und eines Fragebogens, ohne
dass eine psychiatrische Diagnostik durchgeführt worden ist. Für eine psychische Störung besteht jedoch unter Berücksichtigung
der dem Senat vorliegenden medizinischen Befunde kein Anhalt. Bei sämtlichen Begutachtungen haben sich keine Hinweise für
eine rentenrelevante psychische Erkrankung ergeben. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. hat in dem von Dipl.-Med.
S. unter dem 16. März 2009 mit übersandten Arztbrief vom 25. August 2008 einen unauffälligen psychiatrischen Status des Klägers
mitgeteilt. In ihrem Befundbericht vom 16. Februar 2013 hat sie bei einer letztmaligen Behandlung des Klägers am 22. August
2012 auf dessen stabile Psyche ohne zusätzliche Medikation verwiesen. Zuvor aufgetretene rezidivierende depressive Episoden
haben sich zurückgebildet. Insoweit ist der Kläger noch Arbeiten mit geistig mittelschwierigen Anforderungen und durchschnittlichen
Anforderungen an mnestische Anforderungen gewachsen.
Es liegen beim Kläger auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
vor, die trotz der sechsstündigen Einsetzbarkeit zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führten. Die Beklagte
ist daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Denn das Restleistungsvermögen des Klägers reicht
noch für leichte bis mittelschwere körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne
Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren und Verpacken aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44
SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -). Es besteht eine Gebrauchsfähigkeit beider Hände für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne überwiegend feinmotorische
Tätigkeiten. Typische Symptome mit einer Dysästhesie der Finger 1 bis 3 hat der Kläger bei Dr. H. nicht angegeben. Eine Atrophie
des Daumenballens ist nicht festzustellen gewesen. Die Kraftentwicklung der Hände hat sich nur gering eingeschränkt dargestellt.
Faustschluss und differenzierte Griffformen sind uneingeschränkt demonstriert worden; die Feinmotorik der Hände ist nicht
behindert gewesen.
Auch ist für den Kläger der Arbeitsmarkt nicht verschlossen, weil es ihm an der so genannten Wegefähigkeit fehlen würde. Darüber
hinaus kann der Kläger nicht nur unter betriebsunüblichen Bedingungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.
Für die Verabreichung der Insulinspritzen zur Einstellung des Diabetes kann der Kläger neben den nach dem Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Pausen die sogenannten Verteilzeiten nutzen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Nach
§
240 Abs.
1 SGB VI haben Anspruch auf eine solche Rente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Versicherte, die vor dem 2. Januar
1961 geboren und berufsunfähig sind.
Der Kläger ist vor dem 2. Januar 1961, nämlich am ... 1952, geboren.
Er ist nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach §
240 Abs.
2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Berufsunfähig ist nach §
240 Abs.
2 Satz 4
SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage
nicht zu berücksichtigen.
Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgeblich. Wenn er diesen aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr ausüben kann, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des §
240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese
muss also mit dem Ziel verrichtet werden, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls
dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (KassKomm-Niesel §
240 SGB VI RdNr 21 m.w.N).
Bisheriger Beruf des Klägers ist die Tätigkeit als Lagerarbeiter, welche er von Januar 2001 zuletzt bis 2006 bei der B. Lagerhaus
Gmbh & Co. KG verrichtet hat. Diese mittelschwere bis schwere körperliche Tätigkeit, die mit schwerem Heben und Tragen und
Arbeiten im Freien verbunden ist, kann der Kläger nicht mehr gesundheitlich zumutbar verrichten.
Damit ist der Kläger aber noch nicht berufsunfähig. Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und
gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema, das auch der Senat seinen Entscheidungen zugrunde legt. Dieses gliedert
die Berufe hierarchisch in vier Gruppen mit verschiedenen Leitberufen. An oberster Stelle steht die Gruppe der Facharbeiter
mit Vorgesetztenfunktion und der besonders qualifizierten Facharbeiter. Es folgen die Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf
mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei bis drei Jahren, danach die angelernten Arbeiter mit einer Ausbildungszeit von
bis zu zwei Jahren. Zuletzt folgen die so genannten Ungelernten, auch mit einer erforderlichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit
von bis zu drei Monaten. Eine von dem Versicherten sechsstündig ausübbare Tätigkeit ist ihm zumutbar im Sinne des §
240 Abs.
2 SGB VI, wenn er irgendwelche Tätigkeiten der eigenen Qualifikationsstufe oder aber der nächst niedrigeren Stufe spätestens nach
einer Einarbeitung und Einweisung von drei Monaten zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vollwertig ausüben
kann. Dabei muss dem Versicherten allerdings grundsätzlich ein konkreter Verweisungsberuf benannt und zugeordnet werden können,
anhand dessen sich die Zumutbarkeit seiner Ausübung beurteilen lässt. Kann ein anderer Beruf nicht konkret in Betracht gezogen
werden, liegt bei der Unfähigkeit der Ausübung des bisherigen Berufs Berufsunfähigkeit vor.
Eine Ausnahme vom Erfordernis der konkreten Benennung eines Verweisungsberufs besteht aber dann, wenn dem Versicherten fachlich-qualitativ
ungelernte Tätigkeiten und jedenfalls leichte körperliche, seelische und geistige Belastungen zumutbar sind. Es gibt eine
Vielzahl von ungelernten Berufen im inländischen Erwerbsleben; sie stellen gerade keine besonderen Anforderungen an Kenntnisse,
fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung. Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit
grundsätzlich zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten Arbeiters oder dem des ungelernten
Arbeiters zuzuordnen ist. Allerdings ist bei den angelernten Arbeitern weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit
von bis zu einem Jahr (so genannte untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Dem gegenüber können
Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (so genannte obere Angelernte) nur auf
ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen. Daher sind für Angelernte
des oberen Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (KassKomm-Niesel §
240 SGB VI RdNr 101 m.w.N).
Der bisherige Beruf des Klägers als Lagerarbeiter ist allenfalls der Gruppe der oberen Angelernten zuzuordnen. Eine Einstufung
in den Bereich der Facharbeiter kommt hier entgegen dem klägerischen Vorbringen nicht in Betracht. Der Kläger hat keine Arbeiten
verrichtet, die eine dreijährige Ausbildung oder eine mindestens zweijährige Ausbildung im Beitrittsgebiet vorausgesetzt haben.
Vielmehr hat es sich bei den Arbeiten des Klägers als Lagerarbeiter nach den Auskünften der B. Lagerhaus GmbH & Co um solche
gehandelt, die Ungelernte mit einer Anlernzeit von ca. einem Jahr inklusive Produktschulungen zum Erwerb landwirtschaftlicher
Fachkenntnisse ausführen konnten. Ausweislich des Arbeitsvertrages mit der der B. Lagerhaus GmbH & Co. KG ist der Kläger ab
dem 1. Januar 2001 als Lagerarbeiter/Kraftfahrer eingestellt worden und hat auch nur insoweit eine Arbeitsleistung geschuldet,
also keine qualifizierte Tätigkeit mit einem landwirtschaftlichen Spezialwissen. Nach den Auskünften der B. Lagerhaus GmbH
& Co. KG war der Kläger zu 85 % bei der Wareneingangskontrolle/-annahme, Kommissionierung, Warenausgabe, -auslieferung, Lagerung
von Dünger, Ein- und Auslagerung von Getreide und Gesunderhaltung von Getreide und zu 5 % für die Pflege und Wartung der Technik
- Radlader, Teleskoplader, Gabelstapler - eingesetzt. Für diesen Tätigkeitsbereich waren die o.g. landwirtschaftlichen Fachkenntnisse
lediglich von Nutzen. Der darüber hinausgehende Arbeitsbereich des Klägers im Umfang von 10 % betraf die Ordnung und Sauberkeit
im Hof- und Lagerbereich und die Erledigung kleinerer Reparaturen. Die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zum
1. Januar 2001 von der B. Lagerhaus GmbH & Co. KG entsprechend dessen tatsächlicher Tätigkeit als Lagerarbeiter und nicht,
wie zuvor bei der R. Hauptgenossenschaft N. Aktiengesellschaft, als kaufmännischer Mitarbeiter geführt wurde, belegt den Schwerpunkt
der Tätigkeit des Klägers im Bereich der körperlichen Arbeit. Unter Berücksichtigung der Auskünfte der B. Lagerhaus GmbH &
Co. KG und der Angaben des Klägers zu seinem letzten Arbeitsplatz ausweislich der Rehabilitationsentlassungsberichte des M.
Klinikums F. vom 25. August 2006 und der Rehabilitationsklinik L. in B. S. vom 20. Dezember 2007 sowie des Selbstauskunftsbogens
des Klägers zum Rentenantrag vom 2. Oktober 2007 hat der Kläger vordergründig eine mittelschwere bis schwere Lagerarbeit mit
Heben und Tragen von Lasten ab 15 kg überwiegend im Gehen und Stehen und im Freien verrichtet. Entgegen dem späteren klägerischen
Vorbringen hat es sich gerade nicht überwiegend um Arbeiten "geistiger Natur". Insoweit ist für den Senat die Aussage der
B. Lagerhaus GmbH & Co. KG nachvollziehbar, dass die landwirtschaftlichen Fachkenntnisse "lediglich von Nutzen gewesen sind",
d.h. nicht vordergründig bei der Verrichtung der Arbeit als Lagerarbeiter gewesen sind.
Auf die im Rahmen der von 1967 bis 1970 dauernden Ausbildung zum Agrotechniker erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten konnte
der Kläger dabei nicht zurückgreifen. Schwerpunkte und Inhalte der regulären zweijährigen Ausbildung zum Agrotechniker nach
dem Recht der ehemaligen DDR waren Grundlagen der Instandhaltung, Maschinenelemente und Baugruppen der Landtechnik, biologische
und agrotechnische Grundlagen (DDR-Ausbildungsberufe - vergleichbare und verwandte Berufe in der Bundesrepublik Deutschland
- herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit 1990). Die B. Lagerhaus GmbH & Co. KG hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der
Kläger keine landwirtschaftlichen Maschinen gefahren ist. Die im Rahmen der Ausbildung zum Agrotechniker erlangten technischen
Fachkenntnisse konnte der Kläger insoweit für seine Tätigkeit als Lagerarbeiter nicht einbringen.
Soweit der Kläger über landwirtschaftliche Fachkenntnisse aufgrund seines Agraringenieursstudium und der langjährigen Tätigkeit
in der Landwirtschaft verfügte, ist zu beachten, dass der Kläger als Lagerarbeiter überwiegend körperliche Tätigkeiten verrichtet
hat und nur zu einem geringen Teil bei der Bewältigung der Lagerarbeiten die landwirtschaftliche Fachkenntnisse auf dem Niveau
seiner akademischen Ausbildung nützlich waren.
Ferner lassen sich aus der Entlohnung des Klägers bei der B. Lagerhaus GmbH & Co. KG keine Rückschlüsse auf einen höheren
Wert der Tätigkeit für den Arbeitgeber ziehen. Schließlich ist der Kläger nicht nach Tarif entlohnt worden.
Ausgehend von der Einstufung des Klägers als Angelernter des oberen Bereichs ist der Kläger auf die von der Beklagten benannte
Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte gesundheitlich und sozial zumutbar verweisbar.
Die Tätigkeit des so genannten Pförtners an der Nebenpforte besteht hauptsächlich darin, überwiegend für den Verkehr der Betriebsangehörigen
bei Bedarf von der Pförtnerloge aus Einlass z. B. durch Öffnen einer Schranke oder Pforte mittels Knopfdrucks zu gewähren.
Der Arbeitsplatz ist in der Regel mit einem Schreibtisch und häufig mit Monitorwänden zur Videoüberwachung des Betriebsgeländes
ausgestattet. Schwerpunktmäßig wird eine sitzende Tätigkeit verbunden mit stehenden und gehenden Tätigkeiten ausgeübt (Auskunft
des BDWS vom 20. Dezember 2007 und 1. Juni 2011). Die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte ist nicht mit dem Heben und
Tragen von Lasten verbunden. Darüber hinaus stellt die Pförtnertätigkeit an die Funktionstüchtigkeit der Arme und Beine keine
besonderen Anforderungen. Die Tätigkeit erlaubt einen beliebigen Haltungswechsel sowie ein Hin- und Hergehen in der Pförtnerloge.
Der Pförtner an der Nebenpforte muss durchschnittlichen Anforderungen an Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein
und Übersicht gewachsen sein und über ein normales Hör- und Sehvermögen verfügen. Schließlich sind Pförtner an der Nebenpforte
keinen besonderen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen ausgesetzt, da sie lediglich gelegentlich Kontakt mit Mitarbeitern
und nur ausnahmsweise mit Publikum haben. Der Pförtner an der Nebenpforte arbeitet zudem im Regelfall in zwei Tagesschichten.
Nach den vorliegenden medizinischen Gutachten kann der Kläger die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte ausüben. Der
Kläger ist zu körperlich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten in Wechselhaltung in geschlossenen Räumen in der Lage. Insoweit
kann er eine Schranke zum Einlass von Fahrzeugen oder Mitarbeitern bedienen sowie die Pförtnerloge verlassen und ein Geschehen
in der näheren Umgebung kontrollieren. Kontrollgänge wären möglich. Denn wegen des Wirbelsäulensyndroms, der Hüft- und Kniegelenksarthrose
und der peripher-arteriellen Durchblutungsstörung sind lediglich länger währende Einflüsse von Nässe und Kälte ausgeschlossen.
Kurze Aufenthalte im Freien mit entsprechender Kleidung, wie sie im Alltag des Klägers ebenfalls vorkommen, sind ihm zumutbar.
Darüber hinaus findet die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte nach den Auskünften des BDWS ohnehin überwiegend in geschlossenen
Räumen statt, sodass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch ständige Witterungseinflüsse zu erwarten sind. Den geistigen
Anforderungen für eine Geländekontrolle mit technischen Mitteln (Videoüberwachung) ist der Kläger ebenfalls gewachsen. Zudem
liegt eine ausreichende Belastbarkeit des Klägers in psychiatrischer Hinsicht vor. Auch ist der Kläger in Anbetracht des nur
mäßig beeinträchtigten Sehvermögens mit einer Sehleistung von 0,6 Dioptrien ohne Gesichtsfeldeinschränkung nicht in der Wahrnehmung
seines gesamten Umfeldes in der Pförtnerloge oder bei Kontrollgängen beeinträchtigt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass
der Kläger noch in der Lage ist, einen Pkw zu fahren. Darüber hinaus ist der Kläger in der Lage, in zwei Tagschichten - unter
Ausschluss von Wechsel- und Nachtschicht - zu arbeiten.
Der gesundheitlichen Zumutbarkeit steht auch nicht entgegen, dass der Pförtner an der Nebenpforte regelmäßig in 12-Stundenschichten
arbeitet, wobei allerdings insoweit lediglich eine 12-stündige Arbeitsbereitschaft, nicht eine ununterbrochene Arbeitsleistung
typisch ist. Maßgebend ist im Rahmen der hier zu prüfenden gesetzlichen Regelungen lediglich, ob ein Versicherter noch mindestens
sechs Stunden täglich arbeiten kann. Der Umstand, dass in der Arbeitswirklichkeit regelmäßig länger als sechs Stunden täglich
gearbeitet wird, hat dabei außer Betracht zu bleiben, da nach dem Willen des Gesetzgebers der Versicherte das Risiko, nicht
mehr als mindestens sechs Stunden regelmäßig arbeiten zu können, selbst trägt.
Insgesamt gesehen bestehen deshalb keine durchgreifenden Zweifel, dass der Kläger eine auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich
noch vorhandene Pförtnertätigkeit an der Nebenpforte wettbewerbsfähig ausüben könnte, wenn er Zugang zu einer solchen Beschäftigung
hätte und diese auch ernsthaft ausüben wollte.
Der Kläger ist auch in der Lage, sich innerhalb von drei Monaten auf eine für seine Bildung und seine körperlichen Fähigkeiten
entsprechende Tätigkeit umzustellen und diese vollwertig zu verrichten. Hierzu muss der Kläger eine Unterrichtung bei der
zuständigen Industrie- und Handelskammer mit einer Mindestdauer von drei Tagen bzw. 24 Unterrichtsstunden und eine objektbezogene
Einweisung durchlaufen.
Schließlich geht der Senat davon aus, dass auch nach einem aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage erfolgten Abbau der
Arbeitsplätze bundesweit alleine im Bereich der Wach- und Sicherheitsunternehmen noch mehrere hundert Arbeitsplätze für Pförtner
an der Nebenpforte vorhanden sind (Auskunft des BDWS vom 20. Dezember 2007 und 1. Juni 2011).
Ob Arbeitsplätze als Pförtner an der Nebenpforte frei oder besetzt sind, ist nicht zu ermitteln, denn das Risiko, dass der
Kläger möglicherweise keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz finden könnte, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen
Rentenversicherung (BSG, Urteile vom 25. Januar 1994 - 4 RA 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41, vom 27. Mai 1997 - 5 RJ 28/76 - BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 19; vom 23. März 1993 - 4 BA 121/92 - NZS 1993, 403, 404 und vom 21. Juli 1992 - 4 RA 13/91 - juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von
einer Entscheidung der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte abweicht.