Abrechnung von Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung; Prüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung
im Wege der Amtsermittlungspflicht
Gründe:
I
Streitig ist die Vergütung einer Krankenhausleistung.
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses, in dem vom 5. bis 7.9.2007 bei einem 1929 geborenen Versicherten der beklagten
Krankenkasse aufgrund vertragsärztlicher Verordnung eine kardiorespiratorische Schlaflabordiagnostik (Polysomnographie) durchgeführt
worden ist. In der Aufnahmeanzeige wurde als Aufnahmediagnose angegeben "Schlafstörung, nicht näher bezeichnet" (G47.9); in
der Entlassungsanzeige sind als Nebendiagnosen zusätzlich angeführt "Adipositas, nicht näher bezeichnet" (E66.9), "Benigne
essentielle Hypertonie" (I10.00), "Vorhofflimmern: Chronisch" (I48.11), "Dauertherapie (gegenwärtig) mit Antikoagulanzien
in der Eigenanamnese" (Z92.1) und "Vorhandensein eines anderen Herzklappenersatzes" (Z95.4). Für diese Versorgung beanspruchte
die Klägerin mit Schlussrechnung vom 13.9.2007 auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis Related Groups (DRG)
E63Z eine Vergütung in Höhe von 830,35 Euro. Die Beklagte ist der Auffassung, die Polysomnographie sei gemäß der Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie
"Methoden vertragsärztliche Versorgung", hier idF vom 17.1.2006, BAnz 2006, Nr 48, S 1523, zuletzt geändert am 18.1.2007,
BAnz 2007, Nr 79, S 4362; früher BUB-Richtlinie) schon seit dem 11.11.2004 Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und
seitdem nur noch in begründeten Ausnahmefällen stationär durchzuführen. Sie habe der Klägerin deshalb bereits Ende 2005 mitgeteilt,
dass sie die Kosten einer vollstationären Polysomnographie mit Beginn des Jahres 2006 nicht mehr übernehmen werde. In der
Folgezeit hat die Beklagte weder die Schlussrechnung der Klägerin bezahlt noch innerhalb der Sechs-Wochen-Frist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V eine Abrechnungsprüfung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V veranlasst.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.9.2010), weil die auf gerichtliche Verfügung von der Beklagten vorgelegte Krankenakte
eine Notwendigkeit für eine stationäre Polysomnographie nicht erkennen lasse und die Gerichte an der Überprüfung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
durch die Versäumung der Sechs-Wochen-Frist nicht gehindert seien; dem stehe die Rechtsprechung des Großen Senats des BSG entgegen (Hinweis auf Beschluss vom 25.9.2007, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10). Das LSG hat dieses Urteil des SG geändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 13.7.2011): Das SG habe zwar zutreffend entschieden, dass die stationäre Krankenhausbehandlung medizinisch nicht erforderlich gewesen sei. Der
Beklagten sei dieser Einwand aber versagt, weil sie eine Prüfung der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung nicht gemäß
§
275 Abs
1c SGB V spätestens sechs Wochen nach Eingang der Rechnung eingeleitet habe. Dabei handele es sich um eine auch im Gerichtsverfahren
zu beachtende Ausschlussfrist, nach deren Ablauf eine Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungserbringung
sowie der Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nicht mehr eingeleitet werden dürfe.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Im Abrechnungsstreit sei die
Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nach der Rechtsprechung des BSG von den Gerichten uneingeschränkt zu überprüfen. Diese Amtsermittlungspflicht werde durch §
275 SGB V nicht eingeschränkt. Versäume eine Krankenkasse die rechtzeitige Einschaltung des MDK, habe das für sie nur den Nachteil,
dass sie im Streitfall die Erfolgsaussichten nicht mehr medizinisch anhand der Krankenakte überprüfen könne. Jedoch habe die
Regelung des §
275 Abs
1c SGB V nicht zur Folge, dass sie nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist überhaupt keine Einwendungen mehr geltend machen dürfe. Sie
selbst dürfe zwar keine Untersuchung mehr durch den MDK einleiten, die Sozialgerichte jedoch seien an einer Prüfung von Amts
wegen nicht gehindert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. Juli 2011 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das
Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 7. September 2010 zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat LSG der Klägerin einen Vergütungsanspruch für eine Leistung zuerkannt,
deren stationäre Erbringung nicht erforderlich war.
1. Rechtsgrundlage des zulässig mit der (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs
5 SGG verfolgten Vergütungsanspruchs (stRspr, vgl zB BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 §
109 Nr
13, RdNr
9) ist §
109 Abs
4 S 3
SGB V iVm § 7 S 1 Nr 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) - (hier anzuwenden idF von Art 2 Nr 5 Buchst a Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr
2007 sowie dem am 1.11.1992 in Kraft getretenen Vertrag zu den Bereichen des §
112 Abs
2 Ziff 1, 2, 4 und 5
SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den zuständigen Verbänden der Krankenkassen (nachfolgend: Landesvertrag).
Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von §
39 Abs
1 S 2
SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser iS des §
109 Abs
4 S 2
SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16 und 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20).
2. Eine im Sinne dieser Vergütungsvoraussetzungen nach Maßgabe von §
39 Abs
1 S 2
SGB V "erforderliche" Leistung hat die Klägerin nicht erbracht. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung
in einem zugelassenen Krankenhaus (§
108 SGB V) nur, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre,
vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die von der
Klägerin durchgeführte vollstationäre Polysomnographie hätte der Versicherte deshalb nur beanspruchen können und wäre von
der Beklagten als solche zu bezahlen, wenn die Versorgungsziele des §
27 Abs
1 S 1
SGB V mit ambulanter Diagnostik nicht zu erreichen gewesen wären. Dafür besteht nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen
und deshalb für den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG kein Anhaltspunkt; dies steht zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren auch nicht mehr im Streit.
Seit der Ergänzung der Richtlinie "Methoden vertragsärztliche Versorgung" durch den am 11.11.2004 in Kraft getretenen Beschluss
des G-BA vom 15.6.2004 ist die Polysomnographie in der Regel Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und daher ambulant
durchzuführen. Als stationäre Leistung hätte die Schlaflabordiagnostik deshalb hier nur erbracht und abgerechnet werden können,
wenn entweder der Versicherte an weiteren gravierenden gesundheitlichen Beschwerden gelitten hätte, die nur mit den spezifischen
Möglichkeiten des Krankenhauses zu bewältigen gewesen wären, oder wenn - im Hinblick auf die noch nicht so lange zurückliegende
Freigabe für den niedergelassenen Bereich - eine ambulante Versorgung für den Versicherten nicht in dem notwendigen Maße zur
Verfügung gestanden hätte. Beides ist nach den unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen vorliegend nicht der Fall;
darauf beruft sich auch die Klägerin selbst nicht.
3. Der vorstehenden rechtlichen Würdigung steht nicht entgegen, dass die Beklagte nach Abrechnung durch die Klägerin nicht
innerhalb der Sechs-Wochen-Frist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V eine MDK-Prüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V eingeleitet hat; diese Schlussfolgerung hat das LSG zu Unrecht gezogen. Zwar dürfen Behandlungsunterlagen des Krankenhauses
oder andere seinem Verantwortungsbereich zuzurechnende Beweismittel auch im gerichtlichen Verfahren nur noch herangezogen
und verwertet werden, wenn zuvor bereits das Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V in einer den Anforderungen des §
275 Abs
1c S 1 und 2
SGB V genügenden Weise eingeleitet und durchgeführt worden ist (dazu unter 4. bis 9.). Das gilt allerdings nur, wenn das Krankenhaus
seinerseits bis zur Erteilung der Schlussrechnung allen gesetzlichen oder vertraglichen Informationspflichten im Hinblick
auf die abgerechnete Versorgung vollständig nachgekommen ist, woran es hier fehlt (dazu unter 10.). Deshalb ist die Abrechnung
der Klägerin ohne diese Angaben rechtlich nicht schlüssig und vermag so keinen Zahlungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse
auszulösen.
4. Nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung
oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von
Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche
Stellungnahme des MDK einzuholen. In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach §
39 SGB V ist diese Prüfung nach der durch Art 1 Nr 185 Buchst a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
[GKV-WSG]) vom 26.3.2007 mit Wirkung zum 1.4.2007 eingeführten Regelung des §
275 Abs
1c S 1 des §
275 SGB V "zeitnah" durchzuführen. Dies wird in §
275 Abs
1c S 2
SGB V dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten
und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist. Daran anknüpfend bestimmt §
275 Abs
1c S 3
SGB V sodann: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine
Aufwandspauschale in Höhe von 100 (ab dem 25.3.2009: 300) Euro zu entrichten."
5. Diese gesetzlichen Vorgaben mitsamt der durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) vom 17.3.2009 (BGBl I 534)
nochmals geänderten Fassung - Erhöhung der Pauschale von 100 auf 300 Euro - sind Teil eines Bündels von Regelungen, mit dem
auf verschiedenen Ebenen eine möglichst beschleunigte Abwicklung der Krankenhausabrechnungen und - wo nötig - eine effiziente
Klärung medizinischer Zweifelsfragen bezweckt ist:
a) Ausgangspunkt dieses Beschleunigungsauftrags ist zunächst § 8 Abs 7 KHEntgG. Danach hat das Krankenhaus ab dem achten Tag
des Krankenhausaufenthalts auf gesetzlicher Grundlage jedenfalls Anspruch auf "eine angemessene Abschlagszahlung", deren Höhe
sich an den bisher erbrachten Leistungen in Verbindung mit der Höhe der voraussichtlich zu zahlenden Entgelte zu orientieren
hat (§ 8 Abs 7 S 2 KHEntgG). Hiervon können die Vertragsparteien ua in den Verträgen nach §
112 SGB V abweichende Modalitäten der Zahlungsabwicklung vereinbaren, soweit sie hierdurch "andere Regelungen über eine zeitnahe Vergütung
der allgemeinen Krankenhausleistungen in für das Krankenhaus verbindlichen Regelungen" treffen (§ 8 Abs 7 S 3 KHEntgG). Ebenso
müssen auch Vereinbarungen nach § 11 Abs 1 S 3 KHEntgG für das einzelne Krankenhaus "Bestimmungen enthalten, die eine zeitnahe
Zahlung der Entgelte an das Krankenhaus gewährleisten; hierzu sollen insbesondere Regelungen über angemessene monatliche Teilzahlungen
und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung getroffen werden".
b) Anknüpfend hieran haben die Verbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen mit den Landeskrankenhausgesellschaften bzw
den Vereinigungen der Krankenhausträger auf Landesebene in den Verträgen über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung
und die Überprüfung ihrer Notwendigkeit nach §
112 SGB V zumeist eigenständige Vereinbarungen getroffen, die auf eine beschleunigte Abwicklung der Krankenhausabrechnungen und eine
zügige Klärung medizinischer Zweifelsfragen bei gleichzeitiger Reduzierung der Begutachtungsverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V zielen. Regelmäßig ist danach vorgesehen, dass das Krankenhaus innerhalb kurzer Zeit nach Beendigung der stationären Versorgung
die abschließende Rechnung stellt und diese von der Krankenkasse innerhalb einer ebenfalls knappen Frist von regelmäßig nicht
mehr als 14 Tagen zu begleichen ist, auch wenn sie sich eine Überprüfung der Abrechnung vorbehält. Demgemäß steht selbst die
vollständige Entrichtung des Rechnungsbetrages der Einleitung eines nachträglichen Überprüfungsverfahrens nicht entgegen.
Entsprechend ist auch in dem hier maßgeblichen niedersächsischen Landesvertrag bestimmt, dass die Krankenkasse nach Beendigung
der Krankenhausbehandlung in der Regel innerhalb von 14 Tagen eine Schlussrechnung erhält, die von ihr "unverzüglich, spätestens
innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsdatum" zu bezahlen ist (§ 13 Abs 1 S 1 und Abs 6 S 1 Landesvertrag). Ebenso soll die
Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung durch einen Arzt des MDK nach §
276 Abs
4 SGB V nur "in Einzelfällen" erfolgen (vgl §
7 Abs
1 S 1 Halbs 1 Landesvertrag).
c) An diese Vertragspraxis hat der Gesetzgeber schließlich zum 1.4.2007 durch die Einführung des §
275 Abs
1c SGB V angeschlossen. Leitend hierfür war seine Einschätzung, im Krankenhausbereich bestehe Handlungsbedarf im Hinblick auf die
Vielzahl gutachtlicher Stellungnahmen des MDK: Von einzelnen Krankenkassen werde die Prüfmöglichkeit nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V in unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Weise zur Einzelfallsteuerung genutzt. Dies führe zu unnötiger Bürokratie;
für einzelne Kassenarten lägen Hinweise zu Prüfquoten im Rahmen der Einzelfallprüfung in Höhe von 45 % der Krankenhausfälle
vor. Die Neuregelung setze deshalb Anreize, um Einzelfallprüfungen künftig zielorientierter und zügiger einzusetzen. In Verbindung
insbesondere mit der Pauschale nach §
275 Abs
1c S 3
SGB V könne so zwar keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleistet werden. Jedoch könnten Krankenkassen bei gezielter
Durchführung ihrer Einzelfallprüfung Mehrausgaben weitgehend vermeiden. Würden systematische Mängel bei der Abrechnung vermutet,
könne das im Rahmen der verdachtsunabhängigen Stichprobenprüfung nach § 17c des KHG geprüft und aufgedeckt werden (vgl BT-Drucks 16/3100 S 171). Dieses Szenario hat der Gesetzgeber nur zwei Jahre später mit
dem KHRG durch Anhebung der Aufwandspauschale §
275 Abs
1c S 3
SGB V von 100 auf 300 Euro nochmals verschärft, weil der ursprüngliche Betrag "nicht in dem erhofften Umfang zu einer Reduzierung
der Prüfquote geführt" habe. Mit der Anhebung der von den Krankenkassen bei erfolglosen Einzelfallprüfungen zu zahlenden Aufwandspauschale
auf 300 Euro solle deshalb der "Anreiz erhöht werden, von ohne konkrete Verdachtsmomente initiierten Einzelfallprüfungen abzusehen"
(vgl BT-Drucks 16/11429 S 47).
d) Ergänzt worden sind diese Regelungen zur Reduzierung von Einzelfallprüfungen nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V schließlich durch eine gleichzeitig erfolgte Aufwertung der Stichprobenprüfung nach § 17c KHG - eine Vorschrift, die schon durch Art 2 Nr 5 des Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) eingeführt worden war. Hiernach können die Krankenkassen über
den MDK durch Stichproben prüfen, ob von einem Krankenhaus ua Patienten aufgenommen werden, die nicht der stationären Krankenhausbehandlung
bedürfen, ob eine vorzeitige Verlegung oder Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen unterblieben oder ob die Abrechnung der
nach § 17b vergüteten Krankenhausfälle ordnungsgemäß erfolgt ist (§ 17c Abs 2 S 1 Halbs 1 iVm Abs 1 KHG). Der MDK ist befugt, Stichproben von akuten und abgeschlossenen Fällen zu erheben und zu verarbeiten (§ 17c Abs 2 S 2 KHG). Stellen Krankenkassen auf der Grundlage solcher Stichproben fest, dass bereits bezahlte Krankenhausleistungen fehlerhaft
abgerechnet wurden, sind Ursachen und Umfang der Fehlabrechnungen festzustellen und es ist weiterhin zu prüfen, inwieweit
neben überhöhten auch zu niedrige Abrechnungen aufgetreten sind (§ 17c Abs 3 S 1 und 2 KHG). Für den Ausgleich solcher Fehler soll ein pauschaliertes Ausgleichsverfahren vereinbart werden, um eine Erstattung oder
Nachzahlung in jedem Einzelfall zu vermeiden (§ 17c Abs 3 S 3 Halbs 1 KHG). Durch das KHRG ist zudem bestimmt worden, dass anstelle dieses pauschalierten Ausgleichs überhöhte oder zu niedrige Abrechnungen
jeweils gegenüber der zahlungspflichtigen Krankenkasse berichtigt werden können (§ 17c Abs 3 S 3 Halbs 2 idF von Art 1 Nr
4a KHRG). Hintergrund ist, dass im Zuge der Begrenzung der Einzelfallprüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V zugleich die Abrechnungskontrolle durch die Stichprobenprüfung nach § 17c KHG und deren Akzeptanz unter den Vertragspartnern gefördert wird (vgl BT-Drucks 16/3100 S 171 und 193 einerseits sowie BT-Drucks
16/11429 S 47 und 41 andererseits).
6. Infolge dieser Neuordnung darf der MDK seither (vgl BSG SozR 4-2500 §
275 Nr 4) für Einzelfallprüfungen nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V Sozialdaten beim Krankenhaus nur noch erheben, wenn die Fristvoraussetzungen des §
275 Abs
1c S 2
SGB V gewahrt sind. Das hat zur Folge, dass Krankenkasse und MDK bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen nach Ablauf der Ausschlussfrist
des §
275 Abs
1c S 2
SGB V auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme
und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt hat. Die Regelung des §
275 Abs
1c S 2
SGB V hindert jedoch nicht, die Abrechnung des Krankenhauses auf dieser Grundlage überhaupt sachlich und rechnerisch zu prüfen;
insoweit bewirkt §
275 Abs
1c S 2
SGB V keinen Einwendungsausschluss, wie das LSG unzutreffender Weise meint.
a) Wie der Senat bereits entschieden hat, bestehen im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und dem MDK Auskunfts-
und Prüfpflichten auf drei Ebenen. So ist das Krankenhaus auf der Grundlage von § 100 Abs 1 S 3 SGB X (hier idF des zum 1.1.2001 in Kraft getretenen 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21.12.2000, BGBl I 1983) verpflichtet, der
Krankenkasse im Einzelfall auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit es für die Durchführung von dessen Aufgaben nach diesem
Gesetzbuch erforderlich ist und entweder der Betroffene eingewilligt hat (§ 100 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB X) oder dies gesetzlich zugelassen ist (§ 100 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB X); ausgenommen hiervon sind nach § 100 Abs 2 SGB X nur Angaben, die den Arzt oder ihm nahe stehende Personen der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit
verfolgt zu werden. Danach ist die Erhebung von Sozialdaten bei den Krankenhäusern für die Zwecke der GKV zugelassen, soweit
sie nach Maßgabe der Prüfaufträge von Krankenkasse und MDK ua für die "Prüfung der Leistungspflicht und die Erbringung von
Leistungen an Versicherte" und für die "Beteiligung des Medizinischen Dienstes" (vgl §
284 Abs
1 S 1 Nr
4 und 7
SGB V) erforderlich sind. Demgemäß bestehen im Rahmen eines bis zu dreistufigen Prüfverfahrens Auskunfts- und Mitwirkungspflichten
wie folgt:
b) Zwingend sind auf der ersten Stufe der Sachverhaltserhebung zunächst die Angaben nach §
301 Abs
1 SGB V (hier anwendbar in der insoweit unveränderten Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626).
Danach besteht die Pflicht des Krankenhauses, der Krankenkasse bei Krankenhausbehandlung die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten
zu übermitteln. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse
bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind (vgl BT-Drucks 12/3608 S 124). Dazu
zählen nach §
301 Abs
1 S 1 Nr
3 SGB V vor allem die Stammdaten des Versicherten sowie Detailangaben über Aufnahme, Verlegung, Art der Behandlung und Entlassung
einschließlich der Angabe des einweisenden Arztes mit Einweisungs- und Aufnahmediagnose, aber auch die medizinische Begründung
für eine Verlängerung der Verweildauer sowie Datum und Art der durchgeführten Operationen und Prozeduren. Nach der zu Grunde
liegenden Vorstellung des Gesetzgebers sind damit die Mindestangaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen
Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung benötigt (vgl BT-Drucks 12/3608 S 124). Genügt
die Anzeige des Krankenhauses diesen (Mindest-)Anforderungen nicht, fehlt es bereits an der Fälligkeit der Vergütungsforderung
(BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 12). Deshalb dürfen die Krankenkassen bei Zweifeln oder Unklarheiten in Bezug auf die gemäß §
301 SGB V übermittelten Daten durch nicht-medizinische Nachfragen selbst beim Krankenhaus klären, ob die jeweiligen Voraussetzungen
der Zahlungspflicht im Einzelfall gegeben sind - wenn etwa wie hier - keine ausreichenden Angaben zum Grund der Krankenhausaufnahme
ersichtlich sind (§
301 Abs
1 S 1 Nr
3 SGB V).
c) Erschließen sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den - medizinisch
in der Regel nicht besonders ausgebildeten - Mitarbeitern der Krankenkasse aufgrund der Angaben nach §
301 SGB V oder eines Kurzberichts nicht selbst, ist auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V einzuleiten. Danach ist beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, wenn die vom Krankenhaus erteilten und ansonsten
zur Verfügung stehenden Informationen zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art und Umfang der Krankenhausbehandlung
nicht ausreichen. Dazu hat die Krankenkasse dem MDK nach §
276 Abs
1 S 1
SGB V jedenfalls diejenigen zur Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, die ihr vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt
worden sind, also insbesondere die Angaben nach §
301 SGB V; vom Versicherten überlassene Unterlagen sind bei dessen Zustimmung ebenfalls zur Verfügung zu stellen (§
276 Abs
1 S 2
SGB V). Der erkennende Senat hat daraus abgeleitet, dass den Krankenkassen kein Recht zusteht, selbst in die ärztlichen Behandlungsunterlagen
Einsicht zu nehmen (BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3). Ebenso dürfen die Krankenkassen keine medizinischen Unterlagen "zur Vorprüfung des Vergütungsanspruchs"
anfordern - es sei denn, es handele sich um eine medizinische Begründung bei Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der
Krankenhausbehandlung (vgl §
301 Abs
1 S 1 Nr
3 SGB V) oder der maßgebliche Landesvertrag nach §
112 SGB V sieht dies ausdrücklich vor (sog Kurzbericht). Hieraus folgt aber nicht, dass die Krankenkassen nach Bundesrecht verpflichtet
wären, Krankenhausrechnungen auch dann in voller Höhe zu begleichen, wenn sie innerhalb angemessener Frist substantiierte
und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend machen (BSG SozR 4-2500 §
112 Nr 3). Vielmehr erlegt §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V den Krankenkassen gerade die Pflicht auf, bei Zweifeln über die Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen,
Art und Umfang, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK
einzuholen (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 18; ebenso BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 32).
d) Im Rahmen einer nach diesen Voraussetzungen ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfung hat das Krankenhaus schließlich auf der
dritten Stufe der Sachverhaltserhebung - wenn sich also unter Auswertung der auf der ersten und zweiten Stufe verfügbaren
Sozialdaten kein abschließendes Ergebnis finden lässt - dem MDK auch über die Anzeige nach §
301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht hinaus alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur
Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden. Rechtsgrundlage hierfür ist §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V (hier idF des GKV-WSG). Danach gilt: "Haben die Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 bis 3 eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den Medizinischen Dienst veranlasst, sind die Leistungserbringer
verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für
die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist." Auf dieser Grundlage ist der MDK ermächtigt, die erforderlichen
Sozialdaten beim Krankenhaus anzufordern (vgl BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3); das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet, weil allein durch die Angaben gemäß §
301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder anderer Fragen
der Abrechnung nicht möglich ist.
e) Die Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V besitzt nur für die dritte Ebene der Sachverhaltsermittlung Bedeutung, also für die Erhebung von Sozialdaten beim Krankenhaus
gemäß §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V. "Prüfung" iS von §
275 Abs
1c S 2
SGB V ist demnach nicht jede Befassung des MDK mit medizinischen Fragen aus Anlass der den Krankenkassen zwingend aufgetragenen
Kontrolle von Krankenhausabrechnungen (vgl dazu eingehend BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 19; ebenso BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 12/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 10). Prüfungstätigkeit im Sinne dieser Norm entfaltet der MDK vielmehr erst dann,
wenn auch von ihm die Ordnungsgemäßheit einer Abrechnung nicht allein anhand der vom Krankenhaus bei der Aufnahme oder der
Abrechnung überlassenen Daten beurteilbar ist und deshalb gemäß §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V beim Krankenhaus selbst zusätzliche Sozialdaten erhoben werden müssen - wenn also der Sachverhalt nur anhand zusätzlicher
medizinischer Unterlagen und Angaben des Krankenhauses und/oder seiner Mitarbeiter zu klären ist, also insbesondere die Krankenbehandlungsakte
oder Teile davon eingesehen werden müssen. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit der Aufwandspauschale des §
275 Abs
1c S 3
SGB V. Dieser kommt, wie das BSG bereits entschieden hat, kein Straf- oder Sanktionscharakter zu, sondern sie dient - wie schon die Bezeichnung "Aufwandspauschale"
zum Ausdruck bringt - dem Ausgleich eines besonderen Zusatzaufwandes infolge der nochmaligen und zeitaufwändigen Befassung
mit einem bereits abgeschlossenen Versorgungsvorgang. Zahlungsansprüche nach §
275 Abs
1c S 3
SGB V können deshalb nur entstehen, wenn dem Krankenhaus auf den Prüfantrag hin überhaupt ein tatsächlicher Aufwand entstanden
ist, der über die Erfüllung der üblichen Mitteilungs- und Abrechnungsobliegenheiten hinaus reicht (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr
16 f). Demgemäß kann die Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V für die Prüftätigkeit des MDK auch nur dann von Bedeutung sein, wenn sie über eine Beratung der Krankenkasse auf der Grundlage
der dieser vom Krankenhaus bereits überlassenen Daten hinausreicht und - auf der Basis von §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V - eine eigenständige Erhebung von Sozialdaten zum Gegenstand hat.
f) Erfasst demzufolge die Ausschlusswirkung des §
275 Abs
1c S 2
SGB V nur MDK-Prüfaufträge auf der 3. Stufe der Abrechnungsprüfung, so folgt daraus im Umkehrschluss, dass die Rechnungskontrolle
auf den beiden ersten Prüfebenen unabhängig hiervon erfolgt. Die Wahrnehmung der dabei anfallenden Prüftätigkeit ist den Krankenkassen
indes nicht freigestellt; sie sind - ebenso wie die Krankenhäuser - grundsätzlich zur beschleunigten Rechnungsabwicklung verpflichtet
(vgl dazu insbesondere BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 37 f; BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20, RdNr
13). Daran hat sich durch die Einführung des §
275 Abs
1c SGB V nichts geändert. Die Abrechnungsprüfung ist weiterhin eine elementare Aufgabe zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung
und obliegt den Krankenkassen (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3 RdNr 19; ebenso BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 12/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 10). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers gilt die Ausschlusswirkung der Sechs-Wochen-Frist
des §
275 Abs
1c S 2
SGB V aber nicht für den gesamten Prüfvorgang der Krankenkassen, sondern ausschließlich auf der Ebene der Sachverhaltserhebung
durch den MDK unter Einbeziehung des Krankenhauses. Auf den beiden vorgeschalteten Prüfebenen verbleibt es hingegen bei der
allgemeinen Verpflichtung der Krankenkassen, die von den Krankenhäusern vorgelegten Abrechnungen zügig auf ihre sachliche
und rechnerische Richtigkeit zu überprüfen. Beschränkt sind sie hierbei nach Ablauf der Frist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V aber insoweit, dass der medizinische Sachverhalt nicht mehr durch Ermittlungen des MDK gemäß §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V überprüft oder weiter aufgeklärt werden kann. Entsprechende Prüfaufträge an den MDK sind unzulässig und die Krankenhäuser
nicht mehr zur Übermittlung von Sozialdaten verpflichtet.
7. Diese Begrenzung der Sachverhaltsermittlung wirkt auch im Gerichtsverfahren fort; davon ist das LSG im Grundsatz zutreffend
ausgegangen.
a) Schon nach allgemeinem Prozessrecht kann für die Sozialgerichte ein reduzierter Untersuchungsauftrag gelten, wenn ein Versicherungsträger
von der ihm obliegenden Sachverhaltsaufklärung vollständig abgesehen hat. Insoweit stehen die Amtsermittlungspflicht der Gerichte
nach §
103 SGG und der Prüfauftrag des MDK nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V nicht beziehungslos nebeneinander, sondern in einem Ergänzungsverhältnis. Die Prüfung durch den MDK ist eine gesonderte Form
der den Behörden nach § 20 Abs 1 S 1 SGB X verpflichtend aufgegebenen Sachverhaltsaufklärung schon im Verwaltungsverfahren. Die Auslagerung auf den rechtlich verselbstständigten
MDK (vgl §
278 Abs
1 SGB V) war anfangs vor allem von Gründen der Verwaltungseffizienz bestimmt (vgl BT-Drucks 11/2237 S 231) und soll zwischenzeitlich
wesentlich auch dem Sozialdatenschutz dienen (vgl hierzu BSGE 90, 1, 4 ff = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 23 ff). Für die allgemein den Sozialversicherungsträgern auferlegte Pflicht zur möglichst
vollständigen Sachverhaltsermittlung ist dies aber nicht von Bedeutung (vgl § 20 Abs 2 SGB X). Verstoßen Versicherungsträger gegen diesen Auftrag, kann allein dies schon zur Begrenzung der gerichtlichen Amtsermittlung
führen - "Zurückverweisung an die Verwaltung" (§
131 Abs
5 SGG); zudem besteht keine Amtsermittlungspflicht ohne entsprechenden Anlass, wenn ein Gericht etwa mangels entsprechenden Vortrags
keinen Bedarf für zusätzliche Ermittlungen sieht (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
103 RdNr 7a mwN).
b) Umso mehr besteht Anlass für eine Beschränkung der gerichtlichen Amtsaufklärungspflicht, soweit der Gesetzgeber die behördliche
Sachverhaltsermittlung durch eine bereichsspezifische Sonderregelung - wie hier mit §
275 Abs
1c S 2
SGB V - unter ein besonderes Beschleunigungsgebot gestellt hat und damit die Interessen der davon Betroffenen in einen angemessen
Ausgleich zu bringen sucht.
So hat der erkennende Senat bereits früher aus einem vertraglichen Regelwerk zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung
nach §
112 Abs
2 Nr
2 SGB V abgeleitet, dass nachgeschobene Einwendungen einer Krankenkasse weitere gerichtliche Ermittlungen nicht veranlassen, wenn
sich diese zuvor geweigert hatte, die landesvertraglich vereinbarten Formen der zeitnahen Überprüfung einzuhalten (BSGE 89,
104, 109 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 16 f). Vergleichbar sind der erkennende 3. Senat ebenso wie der 1. Senat des BSG übereinstimmend davon ausgegangen, dass Verstöße gegen verfahrensrechtliche Mitwirkungspflichten auf Seiten des Krankenhauses
die gerichtliche Amtsermittlungspflicht zu dessen Lasten beschränken können (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 35; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 ff).
Diese Grundsätze gelten in verstärktem Maße für die gesetzliche Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V. Sie ist, wie in der Rechtsprechung des BSG bereits hervorgehoben worden ist, ein spezifischer Ausdruck der besonderen Verantwortungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern
und Krankenkassen im Rahmen ihres Auftrags zur stationären Versorgung der Versicherten (vgl BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20, RdNr 10 ff). Die hieran Beteiligten sind in besonderer Weise einerseits auf das Vertrauen in die
Ordnungsgemäßheit von Leistungserbringung und Abrechnung (vgl BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 41 ff) und andererseits auf die beschleunigte Abwicklung der in großer Zahl anfallenden Krankenhausabrechnungen
angewiesen. Hieraus hat die Rechtsprechung - Prinzip der Waffengleichheit - Grenzen für die nachträgliche Abrechnungskorrektur
abgeleitet, weil die Beteiligten auf den zügigen Abschluss der Leistungsabrechnung vertrauen können müssen (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19; BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20). Dem Schutz dieses Vertrauens dient ebenfalls die Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V. Mit ihrem Schutzzweck wäre es unvereinbar, wenn anstelle des nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V zur Prüfung berufenen, wegen Ablaufs der Sechs-Wochen-Frist aber nicht mehr befugten MDK nunmehr die Sozialgerichte an dessen
Stelle erstmals den von einer Krankenkasse aufgeworfenen medizinischen Zweifelsfragen nachgehen und in aller Regel umfangreich
Beweis erheben müssten. Sie würden hierdurch nachhaltig in die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen
eingreifen und im vorgerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässige Einzelfallprüfungen im Sozialgerichtsprozess durchführen,
obwohl der Gesetzgeber mit der Einführung von §
275 Abs
1c S 2
SGB V bewusst derartige Einzelfallprüfungen beschränken und statt dessen die Stichprobenprüfung nach § 17c Abs 2 KHG aufwerten wollte. Deshalb ist, wie das LSG mit Recht angenommen hat, eine Begrenzung der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht
nach §
103 SGG geboten, soweit das Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V verspätet eingeleitet worden und deshalb eine Prüfung durch den MDK nach §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V ausgeschlossen ist.
8. Das gilt, anders als vom erkennenden Senat noch mit Urteil vom 28.9.2006 angenommen, auch für solche rechtserhebliche Mängel
des Prüfverfahrens nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V, die der Sphäre des MDK zuzurechnen sind. In jener Entscheidung ist der Senat davon ausgegangen, dass der MDK als Körperschaft
des öffentlichen Rechts mit eigenem Pflichtenkreis weder Organ noch Vertreter oder Erfüllungsgehilfe der Krankenkassen ist
und diese deshalb für dessen Fehler nicht haftbar sind. Daraus hat der Senat geschlussfolgert: Etwaige Verstöße des MDK gegen
das Beschleunigungsgebot lassen den Vergütungsanspruch der Krankenkasse unberührt (BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 17 f). Jene Entscheidung ist zu einer Zeit getroffen, als es §
275 Abs
1c SGB V (in Kraft getreten am 1.4.2007) noch nicht gab. In Anbetracht der engen Beziehung, die §
275 Abs
1c SGB V zwischen der MDK-Tätigkeit und einem möglichen Rechtsverlust der Krankenkasse bzw ihrer Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale
herstellt, hält der Senat an der oa früheren Rechtsfolgenbewertung nicht weiter fest. Im Rahmen der öffentlich-rechtlich geordneten
Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen sind dem MDK durch Gesetz und ggf zusätzlich im Rahmen vertraglicher
Konkretisierung - Landesverträge nach §
112 SGB V - Aufgaben zugewiesen, die ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind und deren Beachtung oder Verletzung deshalb auch
Auswirkungen im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern haben können. Ohne Bedeutung hierfür ist es, ob der MDK
insoweit als Vertreter der Krankenkassen anzusehen ist oder als deren Erfüllungsgehilfe. Wesentlich ist vielmehr, ob er seinen
öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen hinreichend nachgekommen ist und ob - was vorliegend nicht zu entscheiden ist - etwaige
Fehler des MDK bei der Einleitung oder Durchführung des Prüfverfahrens zur Folge haben, dass eine Krankenkasse im Vergütungsstreit
mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Krankenhausabrechnung ausgeschlossen ist (zu dieser Fragestellung vgl Bayerisches
LSG Urteil vom 4.10.2011 - L 5 KR 14/11 - GesR 2012, 108; Revision anhängig unter B 1 KR 24/11 R).
9. Haben die Gerichte den hieraus sich ergebenden Grenzen der Amtsermittlung zuwider gleichwohl Behandlungsunterlagen des
Krankenhauses beigezogen oder ansonsten Sozialdaten iS von §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V erhoben, so dürfen im Prozess weder diese Unterlagen oder Angaben noch darauf gestützte weitere Beweisergebnisse verwertet
werden, wie etwa hier die erstmals im gerichtlichen Verfahren vor dem SG unter Auswertung der dort beigezogenen Krankenbehandlungsakte der Beklagten abgegebene Stellungnahme des MDK zur Notwendigkeit
der stationären Behandlung des Versicherten. Zwar sind weder im
SGG noch in der
ZPO oder der
VwGO ausdrückliche Regelungen zu Beweisverwertungsverboten für unzulässig erlangten Beweismittel getroffen. Jedoch ist in Rechtsprechung
und Literatur anerkannt, dass die Verwertung unzulässig erlangter Beweismittel verboten sein kann. Demnach zieht die Rechtswidrigkeit
der Beweiserhebung nicht automatisch ein Verwertungsverbot nach sich, sondern es sind ausgehend von der verletzten Rechtsnorm
die Folgen des jeweiligen Verstoßes zu beurteilen (vgl BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 52 mwN). Diese wiegen hier zwar nicht so schwer wie etwa die Verletzung von allgemeinen Persönlichkeitsrechten
(so etwa bei BVerfGE 113, 29, 61). Andererseits ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des §
275 Abs
1c SGB V das Interesse der Krankenkassen an der Einzelfallprüfung der Krankenhausvergütung dem Ziel der beschleunigten Abwicklung
der Krankenhausabrechnung untergeordnet hat, soweit dazu Prüfungen nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V erforderlich sind (in diesem Sinne explizit BT-Drucks 16/3100 S 171). Entscheidend ist deshalb, dass nach der gesetzlichen
Wertung mit Ablauf der Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V für weitergehende medizinische Ermittlungen schlechthin kein Anlass mehr besteht, selbst wenn sich die fragliche Vergütungsforderung
im Einzelfall möglicherweise als fehlerhaft erweisen könnte. Dem kann nur Rechnung getragen werden, indem auch im Rechtsstreit
von der Verwertung jedenfalls solcher Beweismittel abgesehen wird, die - wie hier - vom Krankenhaus nur auf besondere gerichtliche
Aufforderung zur Verfügung gestellt worden sind.
10. In solcher Weise beschränkt ist der gerichtliche Untersuchungsauftrag - und infolge dessen die Verwertung gleichwohl erhobener
Beweise verboten - allerdings nur, wenn das Krankenhaus seinerseits die ihm obliegenden Mitteilungspflichten im Verhältnis
zur Krankenkasse über Anlass und Verlauf der abgerechneten Krankenhausversorgung bis zur Vorlage der Abrechnung ordnungsgemäß
erfüllt und damit den Lauf der Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V überhaupt in Gang gesetzt hat, woran es hier fehlt.
a) Verfahrensrechtliches Gegenstück zur Verantwortung der Krankenkassen für die beschleunigte Prüfung und Bezahlung der Krankenhausrechnungen
ist auf Seite der Krankenhäuser die ordnungsgemäße Information der Krankenkassen über die von ihnen abgerechneten Versorgungen
nach Maßgabe der Mitwirkungsobliegenheiten insbesondere aus §
301 SGB V sowie ggf ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen. In diesen Vorschriften ist abschließend aufgezählt, welche Angaben
die Krankenhäuser den Krankenkassen bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten unmittelbar zu übermitteln haben (vgl
dazu oben unter 6.b). Fehlt es an einer dieser Angaben, so tritt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats mangels
formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (vgl BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 12).
b) Nicht anders verhält es sich mit der Ausschlussfrist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V. Unterrichtet das Krankenhaus die Krankenkasse nicht vollständig über die Umstände der Krankenhausbehandlung, die nach der
Wertung des §
301 SGB V den Krankenkassen direkt zu übermitteln sind, dann fehlt der Abrechnungsprüfung die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Tatsachengrundlage.
Das beeinträchtigt nicht nur die Durchführung der Prüfung selbst. Vor allem ist bei unzureichenden Informationen die Erwartung
des Gesetzgebers nicht berechtigt, dass die Krankenkasse innerhalb der Sechs-Wochen-Frist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V sachgerecht über die Einleitung eines Prüfverfahrens nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V entscheiden kann. Dabei kann offen bleiben, ob die Krankenkasse das Krankenhaus unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben
auf die unzureichenden Angaben hinzuweisen hat, wie es hier nach Angaben der Beklagten erfolgt und der Klägerin nach deren
Bekunden nicht bekannt geworden ist. Denn jedenfalls vor vollständiger und ordnungsgemäßer Erfüllung der Informationsobliegenheiten
insbesondere nach §
301 Abs
1 Nr
3 SGB V fehlt es an der notwendigen Grundlage für die Abrechnungsprüfung und damit an einer Voraussetzung für den Lauf der Ausschlussfrist
des §
275 Abs
1c S 2
SGB V.
c) Die Klägerin hat auf der 1. Stufe der Sachverhaltsermittlung keine ausreichenden Angaben gemacht. Sie hat zwar im Sinne
von §
301 Abs
1 Nr
3 SGB V mit der Angabe "Schlafstörung, nicht näher bezeichnet" eine Aufnahmediagnose benannt, die eine Schlaflabordiagnostik rechtfertigen
kann. Sie hat aber nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG keine Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen
Gründen gemacht, die Anlass für die stationäre Versorgung des Versicherten hätten geben können. Denn die kardiorespiratorische
Polysomnographie ist der vertragsärztlichen - ambulanten - Versorgung zugewiesen und nur im begründeten Ausnahmefall stationär
zu erbringen. In derartigen Fällen ist über die Angabe der Krankheit hinaus auch eine Mitteilung darüber erforderlich, warum
ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich ist. Im Sinne von §
301 Abs
1 Nr
3 SGB V fehlen daher Informationen über den "Grund der Aufnahme" und damit eine der zentralen Angaben, die eine Krankenkasse für
die ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung benötigt.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm §
154 Abs
1 und
2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.