Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten im sozialgerichtlichen Verfahren
Unzulässigkeit der Anfechtungsklage eines Klägers gegen den an den Prozessbevollmächtigten gerichteten Zurückweisungsbescheid
Tatbestand
Streitgegenständlich ist die Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (künftig Prozessbevollmächtigter) als
Verfahrensbevollmächtigter im Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.
Bei der Klägerin wurde zuletzt mit Bescheid vom 07.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2011 ein GdB von
40 festgestellt. Der Erhöhungsantrag der Klägerin vom Februar 2014 wurde mit Bescheid vom 28.04.2014 abgelehnt und der hiergegen
erhobene Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2014 als unzulässig, weil verfristet, zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 12.11.2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte beim Beklagten die Überprüfung des Bescheides vom 07.09.2010
gemäß § 44 SGB X. Die Klägerin teilte dem Beklagten auf dessen telefonische Anfrage mit, dass sie bereits berentet sei. Daraufhin hörte der
Beklagte den Prozessbevollmächtigten in Hinblick auf dessen beabsichtigte Zurückweisung als Bevollmächtigter an und leitete
eine Mehrfertigung dieses Schreibens der Klägerin zur Kenntnisnahme zu. Mit Bescheid vom 14.01.2016, gerichtet an den Prozessbevollmächtigten,
wies der Beklagte diesen als Bevollmächtigten nach § 13 Abs. 5 SGB X zurück. Der Prozessbevollmächtigte sei als Rentenberater in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts nur dann befugt,
aufzutreten, wenn ein konkreter Zusammenhang mit Rentenfragen bestehe. Die Klägerin beziehe aber bereits eine Altersrente.
Mit weiterem Bescheid vom 14.01.2016, adressiert an die Klägerin, lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides
gemäß § 44 SGB X ab.
Der Prozessbevollmächtigte legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein, die trotz Aufforderung des Beklagten nicht begründet
wurden. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2016, wiederum ausdrücklich an den Prozessbevollmächtigten gerichtet, wies der
Beklagte dessen Widerspruch im Zurückverweisungsverfahren nach § 13 Abs. 5 SGB X zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 22.08.2016, gerichtet an die Klägerin, wies der Beklagte den Widerspruch gegen
den eine Rücknahme gemäß § 44 SGB X ablehnenden Bescheid vom 14.01.2016 zurück.
Am 23.09.2016 hat der Prozessbevollmächtigte im Namen der Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage gegen den Bescheid vom 14.01.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2016, ihm zugegangen am 23.08.2016,
erhoben und im Nachgang eine Vollmacht der Klägerin nachgereicht. Er hat zur Begründung vorgetragen, dass die Klägerin zwar
nicht Adressatin des Zurückweisungsbescheides sei, aber es sich um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung handle, der sie in
ihren subjektiven Rechten verletze, weshalb §
56a SGG nicht anwendbar sei. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klage sei wegen fehlender Klagebefugnis bereits unzulässig.
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten entfalte der Zurückweisungsbescheid gegenüber der Klägerin keine Drittwirkung.
Nach §
56a Abs.
1 Satz 1
SGG könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen
Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Ein selbständiges Anfechtungsrecht der Klägerin bestehe nicht. Im Übrigen wäre die
Klage auch unbegründet, weil die Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten als Bevollmächtigter rechtmäßig gewesen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2019 hat das SG nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage sei nach §
56a SGG unzulässig. Bei der mit Bescheid vom 14.01.2016 verfügten Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten handle es sich um eine
Verfahrenshandlung des Beklagten im in Sachen der Klägerin anhängigen Verwaltungsverfahren. Die Rechtswidrigkeit der Zurückweisung
könne deshalb ausschließlich mit dem gegen die Sachentscheidung im Verwaltungsverfahren gegebenen Rechtsbehelf geltend gemacht
werden. Hiervon unbenommen sei ein Widerspruch bzw. eine Klage des Prozessbevollmächtigten selbst gegen die zurückweisende
Entscheidung. Der Prozessbevollmächtigte habe die Klage, wie auch bereits den Widerspruch, aber ausdrücklich im Namen der
Klägerin und nicht im eigenen Namen erhoben.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten am 22.10.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 22.11.2019 im Namen der Klägerin
Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, das SG würde einfach behaupten, dass der Zurückweisungsbescheid sich nicht gegen einen Unbeteiligten richten würde. Wer Beteiligter
am Verfahren sei, sei aber im §
69 SGG abschließend geregelt. Von einem Bevollmächtigten würde dort nichts stehen, weshalb §
56a SGG nicht greife. Die erstinstanzliche Entscheidung leide daher an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel.
Die Klägerin stellt, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, folgenden Antrag:
Es wird beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Freiburg aufzuheben und an das Sozialgericht im Rahmen des §
159 SGG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er schließt sich vollumfänglich den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides des SG an.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.04.2020 und der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.05.2020
einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte
des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§
143 f.
SGG statthafte und gem. §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung nach §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Für die von der Klägerin im Berufungsverfahren ausschließlich noch beantragte Zurückverweisung nach §
159 SGG liegen die Voraussetzungen nicht vor.
Das LSG kann nach Absatz 1 dieser Vorschrift durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, oder 2. das Verfahren
an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig
ist. Beides ist hier nicht der Fall.
Es liegen zunächst keinerlei Anhaltspunkte für einen wesentlichen Mangel im Sinne des §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG vor; in gleicher Weise ist vorliegend die Annahme einer noch erforderlichen, umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme
fernliegend.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine fakultative Zurückweisung gem. §
159 Abs.
1 Nr.
1 SGG sind erfüllt, wenn das SG zu Unrecht nicht in der Sache entschieden hat, also dann, wenn es ein Prozessurteil gefällt hat. Einer Zurückverweisung an
das SG gem. §
159 Abs.
1 Nr.
1 SGG steht danach entgegen, dass die auf Aufhebung des Zurückweisungsbescheides vom 14.01.2016 in Gestalt des Widerspruchbescheides
vom 19.08.2016 gerichtete Klage - selbst wenn man davon ausgeht, dass trotz Abschluss des Verwaltungsverfahrens keine Erledigung
dieser Bescheide eingetreten ist - bereits unzulässig ist und das SG somit zu Recht ein Prozessurteil gefällt hat, was zur Folge hat, dass die Berufung in vollem Umfang unbegründet ist.
Zunächst ist festzuhalten, dass sowohl die Klage, so zu Recht bereits das SG, wie auch die Berufung ausschließlich im Namen der Klägerin, dabei vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, erhoben
bzw. eingelegt worden sind und nicht etwa (auch) im Namen des Prozessbevollmächtigten in eigener Sache. Dies ergibt sich unmissverständlich
aus den jeweiligen Anträgen im Klage- und Berufungsverfahren sowie aus den jeweiligen hierzu vorgetragenen Begründungen und
wird im Übrigen vom Prozessbevollmächtigten auch nicht bestritten.
Die danach von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage gegen den Zurückweisungsbescheid vom 14.01.2016, gerichtet an den Prozessbevollmächtigten,
ist unzulässig.
Gemäß § 13 Abs. 5 SGB X sind Bevollmächtigte und Beistände in einem Verwaltungsverfahren durch die Behörde zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3
des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen. Hierauf gestützt hat der Beklagte den Prozessbevollmächtigten
mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 14.01.2016 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19.08.2016 zurückgewiesen.
Die Zurückverweisung stellt gegenüber dem Zurückgewiesenen einen selbständigen Verwaltungsakt dar, der von diesem mit dem
entsprechenden Rechtsbehelf (Widerspruch, Klage) angefochten werden kann (Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB, 06/09, § 13 SGB X Rn. 44).
Der Vertretene kann die Zurückweisung dagegen nicht isoliert, also unabhängig von der Sachentscheidung, anfechten; denn der
Bescheid über die Zurückweisung richtet sich unmittelbar an den Bevollmächtigten oder Beistand und kann damit nur von diesem
selbst isoliert angefochten werden (Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. [Stand: 13.08.2018], § 13 SGB X, Rn. 27; Vogelgesang, a.a.O.; Roller, von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 13 Rn. 17). Dies verdeutlicht auch die Regelung in § 13 Abs. 7 Satz 1 SGB X, wonach die Zurückweisung dem Vertretenen (lediglich) schriftlich mitzuteilen ist. Diese Mitteilung stellt nach dem Willen
des Gesetzgebers gerade keinen isoliert anfechtbaren Verwaltungsakt dar (Pitz, a.a.O.; Vogelgesang, a.a.O.; Roller, a.a.O.).
Damit ist die Anfechtungsklage der Klägerin, gerichtet gegen den Bescheid über die Zurückweisung ihres Prozessbevollmächtigten,
von vornherein nicht statthaft.
Dieses Ergebnis, wie aber auch die Unzulässigkeit sonstiger in Betracht kommender Klagen, insbesondere einer (Fortsetzungs-)Feststellungsklage,
wird durch §
56a SGG bestätigt bzw. begründet. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen
die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1). Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht,
wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen. Verfahrenshandlungen
im Sinne der Vorschrift sind diejenigen behördlichen Maßnahmen, die Teil eines Verwaltungsverfahrens sind - wobei der Begriff
weit, über § 8 SGB X hinaus, auszulegen ist - und keine Sachentscheidung darstellen, sondern diese vorbereiten (Axer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl. [Stand: 15.07.2017], §
56a Rn. 8 f., auch zum Nachfolgenden). Erfasst werden somit vorbereitende Handlungen, die auf eine mit Rechtsbehelfen kontrollierbare,
das konkrete Verfahren abschließende Sachentscheidung gerichtet sind und das Ziel verfolgen, diese Entscheidung zu fördern.
Keine Verfahrenshandlungen im Sinne des §
56a SGG sind dagegen Handlungen, die über das jeweilige Verwaltungsverfahren hinaus unmittelbare Rechtswirkungen zeitigen und eine
eigenständige Entscheidung darstellen, selbst wenn sie als Zwischenschritte hin zu einer späteren Sachentscheidung erscheinen.
Danach gilt hier folgendes: Die Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten als Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren zeitigt
für die Klägerin keine, über das Verwaltungsverfahren hinausgehende, unmittelbare Rechtswirkung und stellt deshalb keine eigenständige
Entscheidung im Sinne des §
56a Satz 2
SGG dar; die Zurückweisung ist auch nicht selbstständig vollstreckbar. Damit ist §
56a Satz 1
SGG vorliegend einschlägig. Die Zurückweisung ist deshalb für die Klägerin zulässigerweise erst mit der Sachentscheidung anfechtbar
(Mutschler in Kasseler Kommentar, Werkstand: 108. EL März 2020, § 13 Rn. 26, m.w.N.; ebenso Pitz, a.a.O.; Vogelgesang, a.a.O.,
§ 13 Rn. 45; Roller, a.a.O.).
Kann die Klägerin somit zulässigerweise nicht im Wege einer isolierten Klage gegen die Zurückweisung ihres damaligen Bevollmächtigten
vorgehen, scheidet aber nicht nur die ausschließlich begehrte Zurückverweisung aus. Die Unzulässigkeit der Klage führt vielmehr
dazu, dass auch ein auf eine Entscheidung in der Sache gerichtetes Berufungsbegehren ohne Erfolg bleibt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.