Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Nadel- bzw. Elektroepilation als Sachleistung bzw. die Übernahme der dadurch entstehenden
Kosten.
Die 1955 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Aufgrund rechtskräftigen Beschlusses des Amtsgerichts
(AG) Dortmund vom 25.03.2008 (302 lll 00/00 T) gehört sie nach § 8 Transsexuellengesetz (TSG) dem weiblichen Geschlecht an. Anfang August 2007 beantragte sie die Übernahme von Kosten der Epilation von Barthaaren. In
einem Attest vom 25.06.2007 wies der behandelnde (Haut-) Arzt Q darauf hin, dass eine Hormontherapie bereits eingeleitet worden
sei und eine dauerhafte Laser-/BIitzlampenepilation empfohlen werde.
Die Beklagte erklärte daraufhin, vor einer Entscheidung ihrerseits sei zunächst das Ergebnis des beim AG anhängigen Gerichtsverfahrens
zur Änderung des Vornamens abzuwarten. Nach Vorlage des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 25.03.2008 (a.a.O.), dem zwei Sachverständigengutachten
zu Grunde lagen, erklärte sie in einem Schreiben vom 02.05.2008, eine Iasergestützte Barthaar-Epilation zu finanzieren, wenn
aus sozialmedizinischer Sicht die Annahme eines "Versicherungsfalls von Krankheit" begründet werden könne. Hierzu würden weitere
medizinische Unterlagen benötigt (u.a. formloser Bericht eines Endokrinologen, formloser Bericht eines Psychotherapeuten,
das Original des Attests des Hautarztes Q).
Mit einem Schreiben vom 07.05.2008 mahnte die Klägerin eine schnellstmögliche Bewilligung an, weil die Barthaare tagtäglich
grauer würden, graue Barthaare nicht mittels Laser entfernt werden könnten und dann eine Nachbehandlung im Wege der Nadelepilation
erfolgen müsse, die kaum noch jemand ausübe. Ein dementsprechender Antrag werde nachgereicht, wenn er nötig werden sollte.
Nach Eingang des Befundberichts eines Endokrinologen am 06.06.2008 teilte die Beklagte der Klägerin erst unter dem 24.09.2008
mit, zwischenzeitlich sei eine Grundsatzprüfung erfolgt. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.02.1993 (1 RK 14/92), wonach nicht alle Erscheinungsformen der Transsexualität als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne verstanden werden
könnten, komme nur dann eine Geschlechtsangleichung bzw. Laserepilation der Barthaare in Betracht komme, wenn psychiatrische
und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis zwischen dem körperlichen Geschlecht und der seelischen Identifizierung
mit dem anderen Geschlecht nicht lindern oder zu beseitigen könnten. Die Klägerin habe entsprechende Nachweise noch nicht
erbracht.
Der behandelnde Facharzt für Psychotherapie Dr. T vermochte dies in einem Schreiben vom 06.10.2008 nicht nachzuvollziehen
und wies auf die bereits von ihm vorgelegten Unterlagen hin. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte trotz eines Schreibens des
Bevollmächtigten der Klägerin vom 24.10.2008 nicht.
Anfang Dezember 2008 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten einer geschlechtsangleichenden Operation. Nach neuerlicher
anwaltlicher Intervention beauftragte die Beklagte Ende Januar 2009 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)
mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens zur Frage des Vorliegens eines ihre Leistungspflicht auslösenden Versicherungsfalles.
Mit Gutachten vom 10.06.2009 gelangte der MDK zu dem Ergebnis, es liege eine manifeste Transsexualität Mann-zu-Frau vor. Gegengeschlechtlich-hormonärztIiche
und psychotherapeutisch-psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Sowohl die geschlechtsangleichende Operation
als auch die Epilation der Barthaare seien medizinisch begründet. Hinsichtlich der Operation bedürfe es einer weiteren Begutachtung.
Mit Schreiben vom 06.07.2009 erbat der Kläger Mitteilung, zu welchem Ergebnis der MDK gekommen sei und beantragte die Erstattung
der ihr durch eine Laserepilation bereits entstandenen Kosten in Höhe von 846,02 EUR. Mit Bescheid vom 30.07.2009 bewilligte
die Beklagte eine entsprechende Kostenerstattung.
Am 10.03.2010 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Nadelepilation, weil mittels Laser nur schwarze Haare
entfernt werden könnten. Die Beklagte verlangte daraufhin einen Kostenvoranschlag. Die Klägerin wiederum teilte mit sie habe
keinen Arzt gefunden, der die Behandlung durchführen wolle.
Sie überreichte sodann ein Schreiben des Hautarztes Dr. C vom 07.06.2010, ausweislich dessen das virile Erscheinungsbild durch
eine kombinierte Lasertherapie aus Rubin/Dioden/ Nd-Yag-Lasertherapie verbessert werden könne.
Die Beklagte wandte sich daraufhin an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein und erbat Mitteilung, auf welche Leistungserbringer
die Klägerin verwiesen werden könne. Nach Weiterleitung der Anfrage an die KV Westfalen-Lippe teilte diese unter Verweis auf
ein Schreiben aus Juli 2007 an eine andere Versicherte mit, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Epilationsbehandlungen
bei transsexuellen Patienten in der Vergangenheit im Einzelfall auch von Kollegen als vertragsärztliche Leistungen durchgeführt
und mit der Ziffer 10340 EBM abgerechnet worden seien. Regelhaft sei die Therapie jedoch nach dortiger Information von den
Krankenkassen im Rahmen von Kostenerstattungen bezahlt worden. Dabei hätten die Patienten die Epilation in speziell hierauf
ausgerichteten Institutionen durchführen lassen. Dies auch, da die Behandlung aufgrund ihres Umfanges in einer hautärztlichen
Praxis aus Kapazitätsgründen in der Regel schwerlich zu erbringen sei. Das Verhalten der Hautärzte sei nicht zu beanstanden,
weil es sich bei der Epilationsbehandlung nicht um eine als GKV-Leistung abrechenbare Kerngebietsleistung des hautärztlichen
Fachgebiets handele. Es sei Entscheidung der Krankenkasse, ob die Kosten einer Behandlung durch eine Kosmetikerin erstattet
würden.
Ohne die Klägerin von dem Inhalt dieser Auskunft zu informieren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.08.2010 die Übernahme
der Kosten für eine Laserepilation mit der Begründung ab, es liege eine sogenannte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
vor, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine Empfehlung nicht abgegeben habe. Zur zunächst beantragten Nadelepilation
verhält sich das Schreiben der Beklagten nicht.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin, die u.a. darauf hinwies, dass bereits Kosten für eine Laserepilationsbehandlung
übernommen worden seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2010 zurück. Die Beklagte führte in Ergänzung
des Ablehnungsbescheides aus, die Kostenübernahme durch Bescheid vom 30.07.2009 habe sich auf eine Nadelepilation bezogen.
Für eine solche (nach dem EBM abrechenbare Behandlung) könne eine Bewilligung ausgesprochen werden.
Mit ihrer am 22.10.2010 beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Übernahme der Kosten
für eine Laserepilation entsprechend dem Vorschlag des Dr. C begehrt. Eine Nadelepilation komme mangels zur Behandlung bereiter
Vertragsärzte, des Risikos einer Narbenbildung und der Langwierigkeit der Behandlung nicht in Betracht. Durch die Laserepilation
könne ein langfristiger Behandlungserfolg erzielt werden. Der MDK habe seinerseits eine Fortführung der Laserepilation befürwortet.
Die Beklagte hat zunächst an ihrer Auffassung festgehalten, es liege eine nicht anerkannte Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
vor. In der Begutachtungsanleitung "Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität" werde betont, dass die Epilation
mit Laser und artverwandte Verfahren keine langfristig besseren Behandlungserfolge erziele. Die Beklagte sei selbstverständlich
bereit, Kosten einer Barthaarentfernung mittels Nadelepilation zu tragen. Dabei sei ihr bekannt, dass die zur vertragsärztlichen
Behandlung zugelassenen Ärzte oftmals nicht bereit seien, Nadelepilationen bei größerem Behandlungsbedarf über die Krankenversichertenkarte
abzurechnen. Falls es insoweit zu Problemen kommen sollte, werde empfohlen, gegebenenfalls die Dienste eines geeigneten Kosmetikstudios
in Anspruch zu nehmen und vor Behandlungsbeginn einen aktuellen und spezifizierten Kostenvoranschlag bei der Beklagten einzureichen.
Nachfolgend hat die Beklagte mitgeteilt, zur Behandlung bereite Ärzte im Umkreis des Wohnorts der Klägerin könnten nicht benannt
werden. Auch zwei Fachverbände für Nadelepilation, denen Elektrologisten angehörten, würden auf ihrer Homepage keine Anbieter
in unmitelbarer Nähe des Wohnortes der Klägerin aufführen. Mögliche Anbieter befänden sich beispielsweise in Dortmund, Münster,
Raesfeld. Die Nadelepilation werde auch vom Haut-, Allergie- und Venenzentrum Professor Dr. med. A in S als individuelle Gesundheitsleistung
angeboten. Selbstverständlich würde die Beklagte auch insoweit die Möglichkeit zur Kostenübernahme der privatärztlichen Behandlung
nach Vorlage eines entsprechend spezifizierten Kostenvoranschlags prüfen.
In einem Erörterungstermin vom 17.11.2011 hat die Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass die Beklagte verpflichtet sein
dürfte, der Klägerin die vertragsärztliche Versorgung anzubieten. Die Beklagte gehe selbst davon aus, dass grundsätzlich ein
Anspruch auf Nadelepilation bestehe. Die Klägerin möge kurzfristig einen Kostenvoranschlag einer ihr bekannten Kosmetikerin
vorlegen. Soweit sich die Beklagte sodann mit diesem Kostenvoranschlag nicht einverstanden erkläre, sei sie verpflichtet,
dem Gericht bzw. der Klägerin einen Vertragsarzt zu benennen, der bereit sei, die beanspruchte Leistung zur Verfügung zu stellen.
Soweit ein solcher Vertragsarzt nicht benannt werden könne, dürfte sich die Verpflichtung der Beklagten ergeben, die Behandlung
der Berücksichtigung des Sachleistungsprinzips über ein Kosmetikinstitut zur Verfügung zu stellen.
Die Klägerin hat daraufhin ein Schreiben des Hautzentrums I (F) vom 01.12.2011 vorgelegt, in dem für die Bartentfernung der
Klägerin bei einem Stundensatz von 70 EUR 250 bis 300 Stunden veranschlagt wurden. Nach den dortigen Erfahrungen mit transidentischen
Patienten komme es zu sehr unterschiedlichen Behandlungszeiträumen. Durch die bisherige Behandlung mit einem Laser sei es
zwar zu einer zeitweisen Haarreduktion gekommen, Haarfollikel könnten sich allerdings Jahre später wieder erholen und neue
Haare ausbilden.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer erneuten Stellungnahme der Grundsatzabteilung ausgeführt, eine Epilationsbehandlung durch
eine Kosmetikerin zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung komme nicht in Betracht. Die KV Westfalen-Lippe sei mit der
Bitte um Stellungnahme unter Berücksichtigung ihres Sicherstellungsauftrages erneut angeschrieben worden. In der Stellungnahme
der Grundsatzabteilung wird darauf hingewiesen, dass eine Berücksichtigung der anfallenden Kosten bei der Ermittlung der gesetzlichen
Finanzzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds bzw. bei dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich ausgeschlossen wäre,
weil die Leistung außerhalb des gesetzlichen Sachleistungssystems im Erstattungsverfahren finanziert werden solle. Es werde
daher empfohlen, den Kostenantrag zunächst weiterhin zurückzuweisen. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urteil
vom 27.01.2009 - L 11 KR 3126/08) habe ausgeführt, eine Epilationsbehandlung bei einer Transsexuellen durch eine Kosmetikerin dürfe nicht zulasten der gesetzlichen
Krankenversicherung erbracht werden, weil diese Behandlung sowohl im EBM als auch in der GOÄ aufgeführt sei und somit dem Bereich der ärztlichen Behandlung im Sinne von §
27 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung (
SGB V) zugeordnet werden müsse. Wegen des Arztvorbehaltes sei eine Delegation der Leistung an andere Leistungserbringer unzulässig.
Eine besondere Dringlichkeit dafür, dem Kostenerstattungsantrag der Klägerin zur Barthaarentfernung bei der Elektrologistin
F zu entsprechen, sei bei der gegebenen Sachlage nicht zu erkennen.
Die KV Westfalen-Lippe hat mit Schreiben vom 28.02.2012 diverser Ärzte aus dem Kreis S benannt, die nach den Gebührenordnungspositionen
(GOP) 02300 sowie 10340 abgerechnet hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Leistung nach GOP 02300 im Kreis von Chirurgen, Gynäkologen, Hausärzten, HNO-Ärzten, Kinderärzten, Orthopäden und Urologen abgerechnet werde.
Die Klägerin hat sodann mitgeteilt, sie habe 16 von insgesamt 17 durch die Beklagte angegebenen Ärzte angerufen. Ein Arzt
sei wegen Urlaubs nicht erreichbar gewesen. Alle erreichten Ärzte hätten angegeben, keine Nadelepilation vorzunehmen.
In einem weiteren Erörterungstermin vom 20.05.2012 - nach einem Wechsel im Kammervorsitz - hat das Sozialgericht die Beklagte
erneut aufgefordert, einen konkreten Vertragsarzt zu benennen, der unter Angabe möglicher Behandlungstermine bereit sei, bei
der Klägerin zeit- und wohnortnah eine Nadelepilation durchzuführen.
Die Beklagte hat daraufhin eine erneute Stellungnahme der KV Westfalen-Lippe vom 12.06.2012 vorgelegt. Darin wird ausgeführt,
sichere Information zu Vertragsärzten, die die begehrte Behandlung in Ihrer Praxis noch anböten, seien nicht verfügbar. Für
die Leistung gebe es seit Einführung des EBM 2000plus zum 01.04.2005 keine separate Gebührenziffer mehr. Vertragsärzte könnten
demnach nicht mehr anhand der Abrechnungsdaten ermittelt werden. Es werde allerdings davon ausgegangen, dass es kaum noch
hautärztliche Praxen in Westfalen-Lippe gebe, die die Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung anböten. Die
Leistungslegenden der GOP 02300 und 10340 seien erst später ergänzt worden. Der Schluss, dass die Nadelepilation in Westfalen-Lippe überhaupt nicht
mehr erbracht werde, könne allerdings daraus nicht geschlossen werden.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 25.06.2012 mit, die KV habe nunmehr einen konkreten Vertragsarzt benannt, bei dem die
begehrte Behandlung durchgeführt werden könne. Es handele sich um die Drs. M und U in E.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 26.06.2012 ohne mündliche Verhandlung verpflichtet, die Kosten einer Barthaarepilation
nach Maßgabe des Kostenvoranschlages des Hautzentrums I vom 01.12.2011 zu übernehmen. Dabei hat es die im vorhergegangenen
Erörterungstermin protokollierten Anträge wie folgt zu Grund gelegt:
"Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
die Kosten der Barthaarnadelepilation bei der Klägerin zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt weiterhin,
die Klage abzuweisen."
Zwar bestehe grundsätzlich nur ein Anspruch auf Erbringung der Leistung durch einen Vertragsarzt. Im vorliegenden Fall bestehe
jedoch eine Versorgungslücke dergestalt, dass die Klägerin einen grundsätzlich bestehenden Sachleistungsanspruch auf Durchführung
einer Epilation durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Hautarzt nicht realisieren könne, da kein zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassener Hautarzt gefunden werden könne, der die Behandlung durchzuführen gewillt sei. Die von der Beklagten
zuletzt benannte Praxis Dres. M und U habe nach telefonischer Rücksprache durch die Kammervorsitzende sogar mitgeteilt, dass
eine kassenärztliche Erbringung einer wie auch immer gearteten Epilation nicht erfolge, da sich dies wirtschaftlich überhaupt
nicht rechne; durch den neuen EBM 2000plus stehe der Aufwand einer solchen Behandlung in keinem Verhältnis mehr zu dem Ertrag.
Die Epilation werde immer und ausnahmslos als Privatleistung abgerechnet. Zur Schließung der Versorgungslücke biete §
13 Abs.
2 SGB V die Möglichkeit, dass nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in
Anspruch genommen werden dürften. Voraussetzung hierfür sei, dass Qualität und Sicherung der Leistung vergleichbar sei mit
derjenigen eines entsprechenden Vertragsbehandlers. Hiervon sei bei dem Hautzentrum I auszugehen. Die Beklagte hätte die insoweit
erforderliche Zustimmung erteilen müssen.
Gegen das der Beklagten am 13.07.2012 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 10.08.2012. Die Entscheidung des
Sozialgerichts beruhe auf schweren Verfahrensfehlern und einer fehlerhaften Anwendung des §
27 Abs.
1 i.V.m. §
13 Abs.
3 SGB V. Es werde gerügt, dass die Entscheidungsgründe weitestgehend wörtlich den Entscheidungsgründen aus dem Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 11.12.2007 (S 4 KR 78/07) entsprechen, also das Urteil nicht mit Gründen versehen sei. Insoweit liege ein absoluter Revisionsgrund im Sinne von §
202 SGG i.V.m. §
547 Nr. 6
ZPO vor. Zudem sei der Beklagten zu dem Ermittlungsergebnis der Kammervorsitzenden, dem Telefonat mit der Praxis Dres. M und
U, kein rechtliches Gehör gewährt worden. Weiterhin werde dem Sozialgericht mangelnde Sachverhaltsaufklärung vorgeworfen.
Es werde bestritten, dass keiner der von der KV Westfalen-Lippe benannten Ärzte zur Durchführung der streitgegenständlichen
Epilation bereit sei.
Darüber hinaus handele es sich um eine Klageänderung, die zu einer Abweisung der Klage führen müsse, denn das Verwaltungsverfahren
nebst Widerspruchverfahren sei dem Antrag entsprechend auf eine Laserepilation durchgeführt worden. Der ursprüngliche Antrag
sei durch die Klägerin unter Vorlage des Schreibens von Dr. C vom 07.06.2010 geändert worden. Erst nach Klageerhebung sei
erstmals mit Einreichung des Kostenvoranschlags vom 01.12.2011 die Übernahme der Kosten einer Nadelepilation beantragt worden.
Die Sachurteilsvoraussetzungen für den geänderten Klagegegenstand lägen nicht vor, die Klage sei als unzulässig abzuweisen.
Das Sozialgericht habe wegen Übernahme der Entscheidungsgründe aus dem Urteil vom 11.12.2007 (a.a.O.) weitere Rechtsprechung
des Themenkreises ignoriert. Insbesondere sei das schon angeführte Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 27.01.2009 (a.a.O.)
nicht berücksichtigt worden. Das LSG Baden-Württemberg habe eingeräumt, dass es im Einzelfall schwierig sein könne, einen
ärztlichen Behandler für die begehrte Epilation. Das müsse aber ebenso hingenommen werden, wie der Umstand, dass für die Behandlung
bei einem Arzt ein längerer Zeitraum als bei einer Kosmetikerin anzusetzen sei. Bestätigt werde der Arztvorbehalt durch das
Urteil des Bayerischen LSG vom 07.05.2009 (L 4 KR 465/07). Darin werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Kosmetikpraxen zur Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
nicht zugelassen seien. In diesem Sinne sei auch der Beschluss des erkennenden Senats vom 08.10.2009 (L 16 B 57/09 KR) zu verstehen. Die vermeintliche Versorgungslücke könne über §
13 Abs.
2 SGB V nicht geschlossen werden, da die Behandlung durch ein Kosmetikstudio nicht zustimmungsfähig im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 7
S GB V sei (Verweis auf BT-Drs. 15/1525 Seite 80 zu Heilpraktikern). Im Übrigen sei diese Regelung ohnehin nur auf Versicherte
anwendbar, die Kostenerstattung nach §
13 Abs.
2 S. 1 und S. 5
SGB V gewählt hätten. Abschließend wird auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.07.2012 (S 2 KA 172/11) hingewiesen, wonach eine Anrechnung von Kosten für Epilation durch nichtärztliche Kosmetiker auf die Gesamtvergütung ausscheide,
da derartige Leistungen im vertragsärztlichen Versorgungssystem nicht vorgesehen seien. Zur Begründung werde auf die vorgenannte
Rechtsprechung zum so genannten Arztvorbehalt hingewiesen. Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften des
SGB V komme nicht in Betracht. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit liege nicht vor. Eine notstandsähnliche
Situation liege nicht vor. Es treffe sie angesichts des in §
75 Abs.
1 S. 1
SGB V geregelten Sicherstellungsauftrages keine Verpflichtung, einen zur Verhandlung bereiten Vertragsarzt zu benennen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.06.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin weist darauf hin, dass sich durch das gesamte Verfahren wie ein roter Faden ziehe, dass die Beklagte ihr gerichtlich
gesetzte Fristen nicht eingehalten habe, stets verspätet und dann auch noch unzutreffend vorgetragen habe, so dass letztlich
das Sozialgericht unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes entschieden habe. Eine Klageänderung liege nicht vor.
Die Klägerin habe lediglich ihren Vortrag dargestellt. Es bleibe der Beklagten unbenommen, diesen Antrag anzuerkennen, unzulässig
werde die Klage damit jedenfalls nicht, abgesehen davon, dass dieser vorgetragene Einwand erst in der Berufungsinstanz unbeachtlich
sein dürfte, nachdem sich die Beklagte auf den Streitgegenstand in erster Instanz eingelassen habe. Zuerkannt und beantragt
worden sei die Übernahme der Kosten einer Barthaarepilation. Tatsache sei, dass - nicht zuletzt wegen des von der Beklagten
verschuldeten Zeitablaufs - nunmehr allein einen Nadelepilation in Betracht komme.
Der Senat hat bei dem Hautzentrum Prof. I in E angefragt, ob mittels des Rubin-Lasers auch helle/graue Haare entfernt werden
könnten. Dies hat die Praxis unter dem 08.07.2013 verneint. Die Hautärztin Dr. L aus E hat unter dem 14.03.2013 mitgeteilt,
sie biete keine Nadelepilation an. Auf Anfrage teilte die KV Westfalen-Lippe unter dem 19.03.2013 mit, es lägen zwar keine
Informationen dazu vor, ob und ggf. welche Vertragsärzte die Nadelepilation anböten. Es sei jedoch davon auszugehen, dass
diese Leistung kaum noch angeboten werde, weil sie durch die "moderne" Lasertherapie, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen
Versorgung sei, verdrängt worden sei. Die KV Nordrhein hat unter dem 24.04.2013 mitgeteilt, es erscheine angesichts der kalkulierten
Kalkulations- bzw. Prüfzeit für den von den GOP 10340 bzw. 02300 erfassten kleinchirurgischen Eingriff fraglich, ob die komplette Entfernung der Barthaare mittels Nadelepilation
im Rahmen dieser GOP'en überhaupt erfolgen könne.
Die Beklagte hat mitgeteilt, die Klinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum W könne mangels entsprechender apparativer
Ausstattung keine Nadelepilationen mehr durchführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie
der Prozessakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist auch begründet.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit dem Urteil vom 26.06.2012 zu Unrecht unter Aufhebung des Bescheides vom 13.08.2010
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2010 verurteilt, die Kosten einer Barthaarepilation nach Maßgabe des Kostenvoranschlages
des Hautzentrums I vom 01.12.2011 zu übernehmen.
Die Klägerin hat es - anders als die Beklagte meint - auch nicht hinzunehmen, dass im System der gesetzlichen Krankenversicherung
eine Entfernung ihrer Barthaare nicht gewährleistet ist. Die Argumentation der Beklagten vernachlässigt die auch von ihr hinzunehmenden
Wertungen des TSG. Das Bundessozialgericht hat in der Vergangenheit bereits einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und
geschlechtsangleichende Operationen in schwerwiegenden Fällen der Transsexualität bejaht (vgl. zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 Rn. 15 - Zisidentität), die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind nach dieser höchstrichterlichen
Rechtsprechung (lediglich) zwar beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche
Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (BSG, a.a.O. unter Hinweis u.a. auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG). Bei Transsexuellen kann demnach eine andere Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild
des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BSG, Urteil vom 11.09.2012 - B 1 KR 3/12 R m.w.N. - Mammaaugmentation). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dabei jedoch nicht auf das Erscheinungsbild
des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits Genüge getan ist, wenn die
Behandlung nicht zu einer Entstellung führt. Es ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck
der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht
dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen, ohne dass ein Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden
operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das
Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegebenen allgemeinen Grenzen besteht. Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller
auf geschlechtsangleichende Operationen ist es nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der
bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt (vgl. zu alledem
BSG, Urteil vom 11.09.2012, a.a.O.).