Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Anl. 1 Nr. 2102 BKV für einen Berufshandballspieler
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Meniskusschäden am rechten Kniegelenk des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2102
der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) festzustellen sind.
Der 1980 geborene Kläger spielte eigenen Angaben zufolge ab 1987 Handball, zunächst in den Jugendmannschaften des T. R. und
H. K., sodann ab 01.07.2000 mit Aufstieg des H. K. in die 2. Bundesliga als Berufshandballspieler. Bis 30.06.2004 war der
Kläger Spieler in Mannschaften der ersten und zweiten Bundesliga in den Vereinen H. K., S. K./Ö. und S. W.-M.. Danach spielte
er beim T. L.-O. bis 30.06.2006.
Am 04.01.1997 wurde der Kläger im Unfallkrankenhaus L. wegen einer Epiphysenfraktur am proximalen Schienbeinende am rechten
Knie operiert und die Fraktur mit Schrauben stabilisiert.
Am 02.09.2004 prallte der Kläger während eines Handballspiels mit einem Gegenspieler zusammen und stürzte. Hierbei verdrehte
er sich das rechte Knie. Im Durchgangsarztbericht von Dr. A. vom 07.09.2004 wird der Verdacht auf eine Innenmeniskusläsion
des rechten Kniegelenks angegeben. Die am 07.09.2004 durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) ergab nach Beurteilung
von Dr. P. (Arztbrief vom 07.09.2004) einen Längsriss des Innenmeniskushinterhorns und einen Längsriss des Außenmeniskusvorderhorns,
was in der nach folgenden arthroskopischen Operation am 14.09.2004 nicht voll bestätigt werden konnte. Der intraoperative
Befund ergab einen intakten Außenmeniskus. Der Innenmeniskus wurde teilreseziert (Operationsberich von Dr. R. vom 14.09.2004).
In seinem Gutachten vom 10.03.2005 beurteilte Dr. D. den Restriss/die Reruptur im Innenmeniskus rechts als Folge des angeschuldigten
Unfallereignisses. Inwieweit durch die ehemalige Tibiakopffraktur Mikroverletzungen am Außen- oder Innenmeniskus bestanden
haben, lasse sich nur spekulativ beantworten, eine Gelegenheitsursache sei für das Unfallereignis abzulehnen. In der beratungsärztlichen
Stellungnahme von Dr. S. vom 24.03.2005 wurde ausgeführt, ein isolierter Meniskusschaden als Folge eines Unfalls sei die Ausnahme
und nur unter bestimmten Voraussetzungen als Unfallfolge denkbar. Vorliegend sei kein Schaden an den primären Stabilisatoren
des Kniegelenks vorhanden. Mit Bescheid vom 24.11.2004/Widerspruchsbescheid vom 17.05.2005 hatte die Beklagte als Folge des
Versicherungsfalls vom 02.09.2004 nur eine ausgeheilte Zerrung des rechten Kniegelenks anerkannt und Entschädigungsleistungen
abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage S 10 U 1515/05 vor dem Sozialgericht Mannheim ruht.
Am 12.10.2005 beantragte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten wegen der degenerative Veränderungen der Menisken
des rechten Kniegelenks bei der Beklagten die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102. Die Kniegelenksschädigungen
seien beruflich bedingt, da er bereits seit seiner Jugendzeit ununterbrochen dem Beruf als Handballspieler nachgehe. Der Kläger
machte unter dem 07.11.2005 im Vordruck der Beklagten Angaben zum beruflichen und sportlichen Werdegang und zu seinen Kniegelenkbeschwerden.
In der hierzu eingeholten arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 09.12.2005 legte Dr. R. dar, bei der Berufskrankheit nach
Nr. 2102 handele es sich um Meniskusschäden im Sinne einer primären Schädigung, das heißt ohne vorausgehende Traumen oder
Mikrotraumen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien durch Bewegungsbeanspruchungen beim Laufen oder Springen mit häufigem
Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grober unebener Unterlagen sowie reflektorisch unkoordinierte Bewegungsabläufe wie
Laufen auf unebenem lockerem Untergrund mit Scherbewegung, wie dies typischerweise bei Tätigkeiten des Steigers unter Tage
oder des Rangierarbeiters auf Schotter und Geröll vorkomme, erfüllt. Im Profisport seien vergleichbare dynamische Belastungen
anzunehmen, zum Beispiel beim Fußballspieler aufgrund der Stollen behafteten Sportschuhe und daraus resultierender fixierter
Zwangshaltung. Für Handballer seien die Voraussetzungen einer Zwangshaltung und entsprechender Bodenverhältnisse in der Regel
nicht gegeben. Es fehlten außerdem gesicherte medizinische Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen nicht-traumatischen
Meniskopathien und der Sportart Handball. Nach Vorlage der Akten an den staatlichen Gewerbearzt regte Gewerbeärztin Dr. H.
die gutachtliche Untersuchung des Klägers an, denn in der arbeitsmedizinischen Literatur werde das Handballspielen zu den
belastenden Tätigkeiten für Meniskusschädigungen beschrieben (Stellungnahme vom 09.01.2006). Mit Bescheid vom 02.02.2006 lehnte
die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur
BKV ab. Ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen bestehe nicht.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und bezog sich zur Begründung auf die gewerbeärztliche Stellungnahme vom 09.01.2006
und deren Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (7. Aufl., Seite 708), die weiter
vertieft wurde. Die Beklagte holte eine ergänzende Äußerung von Dr. R. vom 13.06.2006 ein, wonach die physiologischen Belastungen
wie Laufen oder Springen auf ebener Grundlage beim Handballspiel keine besondere Belastung i.S. einer geforderten überdurchschnittlichen
Belastung der Kniegelenke darstelle. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 28.07.2006 Klage beim Sozialgericht Mannheim.
Das Sozialgericht holte von Privatdozent (PD) Dr. S. das orthopädische Gutachten nach Aktenlage vom 21.05.2007 ein. Danach
seien bei professionellen Handballspielern Kniegelenksbelastungen sowohl in axialer Richtung, d.h. mit Druck von oben, als
auch darüber hinaus sehr häufig durch zusätzliche Scher- und Drehbewegungen mit verstärkter Belastung der hinteren Abschnitte
des medialen Meniskus anzutreffen. Auch ohne dass es zu einer Makroverletzung komme, seien diese Belastungen geeignet, im
Bereich des Innenmeniskushinterhorns Mikroverletzungen zu verursachen. Auch beim Hallenhandball komme es in ähnlicher Weise
wie beim Fußballspieler mit den Stollenschuhen zu Situationen, in denen rotierende Einflüsse vom Boden auf den Fuß nicht ausgeglichen
werden könnten, weshalb sie sich ins Kniegelenk fortsetzten und hiermit zu einer Belastungspitze führten. In einer aktuellen
Studie werde dieses so genannte "Feststellen" des Fußes als sportartspezifisch beschrieben. Die Intensität der sportartspezifischen
Belastung sei nach der äquivalenten Übertragung der Forderung von Rompe, Erlenkämper (2004) nach einer mindestens zweijährigen
Belastungsdauer während ca. 30 % der Arbeitsschicht zu bestimmen, was gerade der Abgrenzung ungerechtfertigter Anerkennung,
hier von Sportschäden bei Hobbysportlern diene. Zusammenfassend könne davon ausgegangen werden, dass beim Kläger eine mehrjährige,
andauernde und auch häufig wiederkehrende, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeit vorgelegen habe. Die
vorliegenden aktenkundigen medizinischen Dokumente seien für die Beurteilung eines berufsbedingten Meniskusschadens nicht
hilfreich, denn eine histologische Aufarbeitung des Meniskusresektates liege nicht vor. Die vorliegenden Befundberichte sprächen
weder für noch gegen die Tatsache einer belastungsbedingten Meniskusschädigung.
Mit Urteil vom 02.04.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es unter Bezugnahme auf
das Gutachten vom PD Dr. S. aus, nach der Fachliteratur sei in der Regel eine Exposition gegenüber gefährdenden Einflüssen
für die Dauer von mindestens zwei Jahren während ca. 30 % der Arbeitsschicht zu fordern, weil bei einer geringeren zeitlichen
Belastungen die Menisken ausreichend Zeit hätten, sich von der Belastung zu erholen. Unter Berücksichtigung des Hinweises
des Sachverständigen, dass Krafttraining und Ausdauertraining kein überdurchschnittliches Schädigungsrisiko für die Kniegelenke
beinhalte, sei nach den Angaben des Klägers die sportartspezifische Belastung nicht gegeben gewesen. Mit 9 bis 12 Stunden
Training pro Woche und ein bis zwei Spielen wöchentlich habe der Kläger in 30 % seiner Gesamttrainingsbelastung nur 4,5 Stunden
wöchentlich die Menisken spezifisch belastet. Diese Belastung sei erheblich geringer als die zeitliche Belastung von einem
Drittel einer Schicht mit 8 Stunden täglich, weshalb eine relevante Gefährdung nicht wahrscheinlich sei.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 27.04.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.05.2009 beim Landessozialgericht
Berufung eingelegt. Er macht geltend, die von Sozialgericht angeführte 30%-Grenze sei in der
BKV nicht enthalten. Von Dezember 1997 bis 30.06.2006 habe er als Berufshandballspieler eine versicherte Tätigkeit ausgeübt.
Damit habe er mehrjährig eine kniegelenkbelastende Tätigkeit ausgeübt. Ein Grenzwert von Belastungen während eines Drittels
der täglichen Arbeitszeit, wie teilweise in der Literatur gefordert, sei wissenschaftlich nicht belegt. Der Sachverständige
PD Dr. S. habe auch eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke hinreichend begründet. In Erfüllung einer richterlichen
Auflage hat der Kläger Art und zeitlichen Umfang seiner Spielertätigkeit näher ausgeführt (Schriftsatz des Klägervertreters
vom 26.03.2010).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 02.04.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 29.06.2006 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, Meniskusschäden am rechten Kniegelenk als Folgen einer Berufskrankheit
Nr. 2102 der Anlage 1 zur
BKV anzuerkennen und Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Für Handballspieler seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben.
Entgegen der Auffassung des Klägers sei die 30%-Grenze nicht willkürlich. Zu beachten sei die Entstehungsgeschichte der Berufskrankheit,
die ursprünglich nur für einen bestimmten Personenkreis vorgesehen gewesen sei, nämlich für die im Untertagebergbau tätigen
Arbeitnehmer und Ofenmaurer, Fliesen- oder Parkettleger unter besonders beengten Raumverhältnissen. Selbst für diese die Menisken
schwer belastenden Tätigkeiten sei die Prämisse eingeführt worden, dass eine andauernde Belastung nicht unter einem Drittel
der Arbeitsschicht auszumachen sei.
Der Senat hat von Prof. Dr. B., Chefarzt der Sportklinik S., das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten vom 17.09.2010
mit Ergänzung vom 04.03.2011 eingeholt. Darin ist ausgeführt, eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 sei nicht gegeben. Beim Kläger
liege eine Rissbildung im Bereich des Innenmeniskushinterhorns bei vorbestehender I.- bis II.-gradiger Binnendegeneration
des Innenmeniskus sowie eine Zerrung (Grad I Läsion) des medialen Kollateralbandes des rechten Kniegelenks vor. Dies sei Folge
des Unfalls vom 02.09.2004. Eine sekundäre Meniskopathie könne als Folge dieser Rissbildung ausgeschlossen werden. Eine ausgeprägte
degenerative Veränderung im Sinne einer Meniskopathie mit mucoider Degeneration sei nicht nachweisbar. Die Magnetresonanztomographie-Diagnostik
habe zwar ein diskret vermehrtes Binnensignal des Innenmeniskus gezeigt, was einer über die altersentsprechende Norm hinausgehenden
Degeneration entspreche. Das Ausmaß dieser intramensicalen Signalerhöhung entspreche aber nicht dem klassischen Bild einer
ausgeprägten Meniskopathie mit deutlicher mucinöser Degeneration und intramensicaler Verfettung, sondern sei als lediglich
leichtgradiges diskretes degeneratives Anzeichen zu werten. Eine primäre oder sekundäre Meniskopathie habe nicht vorgelegen.
Im intraoperativen Befund vom 14.09.2009 habe im Bereich des medialen Kompartimentes weder femoral noch tibial ein Knorpelschaden
beschrieben werden können, der Auslöser einer sekundären Meniskopathie hätte sein können. Auch der Beschwerdeverlauf spreche
gegen eine Meniskopathie, denn der Kläger habe nach prolongiertem Behandlungsverlauf im Jahr 2005 seine Tätigkeit als Profi-Handballer
in der zweiten Bundesliga wieder beschwerdefrei aufnehmen können (und danach in der vierten Handballliga und im Freizeitsport
beschwerdefrei fortgesetzt). Diese spreche gegen eine ausgeprägte Meniskopathie.
Der Kläger hat gegen das Gutachten und seine Ergänzung Einwände erhoben (Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 14.01.2011
und 05.04.2011). Danach sei die Schlussfolgerung des Sachverständigen, der die Voraussetzungen einer Tätigkeit nach der Berufskrankheit
Nr. 2102 bei Berufshandballern als erfüllt ansehe, nicht nachvollziehbar, wenn er eine vor dem Unfallereignis bestehende Binnendegeneration
des Innenmeniskus attestiere und andererseits die Berufskrankheit verneine. Im Gutachten werde ausgeführt, dass für die vom
Sachverständigen genannte Gesundheitsstörung einer Rissbildung im Bereich des Innenmeniskushinterhorns mit vorbestehender
Binnendegeneration des Innenmeniskus mit Wahrscheinlichkeit den schädigenden Einwirkungen der beruflichen Tätigkeit als Profihandballspieler
überragende Bedeutung zukomme. Dies sei widersprüchlich. Außerdem sei der Innenmeniskusschaden als Unfallfolge vom Beklagten
explizit nicht anerkannt worden, was ebenfalls im Widerspruch zur Beurteilung des Sachverständigen stehe.
Das Urteil des 1. Senats des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 05.05.2008 - L 1 U 3824/06 - ist zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden (richterliche Verfügung vom 23.11.2009), wonach eine ausreichende kniebelastende
Exposition im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2102 auch angenommen werden könne für Tätigkeiten im Umfang von weniger als einem
Drittel einer Arbeitsschicht. Mit Verfügung vom 14.03.2011 ist den Beteiligten mitgeteilt worden, dass aufgrund der Ausführungen
des Sachverständigen zum Fehlen einer belastungsbedingten Meniskopathie mit "fettiger Binnendegeneration des Meniskusgewebes"
der Rechtsstreit für entscheidungsreif erachtet werde.
Mit Schriftsatz vom 09.05.2011 hat der Kläger nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beantragt, ein Gutachten von Dr. S., M., einzuholen. Der Antrag rechtfertige sich daraus, dass das Gutachten von Prof. Dr.
B. auch nach der eingeholten ergänzenden Stellungnahme nicht schlüssiger geworden sei. Prof. Dr. B. halte eine Berufskrankheit
dann für wahrscheinlich, wenn kein unfallbedingter Meniskusriss vorliege; eine solche unfallbedingte Schädigung sei aber durch
Bescheid der Beklagten vom 17.05.2005 unwahrscheinlich. Die Aussage von Prof. Dr. B., der von PD Dr. S. angenommenen geringen
Aussagekraft eines MRT könne er nicht folgen, werde relativiert, wenn nach der einschlägigen Literatur die Aussagekraft eines
MRT-Befundes bei knapp über 90 % liege.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Mannheim beigezogen. Auf diese Unterlagen
und auf die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist statthaft. Berufungsausschlussgründe gemäß §§
143,
144 SGG liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§
151 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte
hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 02.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2006 rechtsfehlerfrei
die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur
BKV abgelehnt. Der Kläger hat daher auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen wegen eines Versicherungsfalls Berufskrankheit.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§
7 Abs.
1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten
bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten
zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen
bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt
sind. Aufgrund der Ermächtigung in §
9 Abs.
1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (
BKV) vom 31.10.1997 (BGBl I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen,
Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit
verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen"
und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG
Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R -, veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt
die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität
zwischen Gesundheits(-erst)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der
berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen
führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 aaO.).
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen
Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch wissenschaftlichen
Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Perlebach, Die
Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E §
9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur
möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies
nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen,
der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet
(BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Der Tatbestand der Berufskrankheit Nr. 2102 der Anlage 1 zur
BKV lautet: Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden
Tätigkeiten.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung der begehrten Berufskrankheit nach Nr. 2102,
denn die haftungsbegründende Kausalität ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt.
Der Senat hält zwar aufgrund der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen PD Dr. S. und Prof. Dr. B. die Einwirkungskausalität
der Berufskrankheit für gegeben. PD Dr. S. hat für Handballspieler mit Training und Spielen in der Halle entgegen der Auffassung
von Dr. R. kniebelastende Tätigkeiten angenommen, was Prof. Dr. B. in seinem Gutachten bestätigt hat. Diese Ausführungen der
Sachverständigen sind nachvollziehbar auf die sportmedizinische Erkenntnis gestützt, dass die erhebliche Bewegungsbeanspruchung
der Kniegelenke beim Handballspieler mit schnellen Richtungsänderungen bei hohem Tempo, häufig auch mit unkontrolliertem Aufkommen
auf dem Hallenboden bei Sprungwürfen, zu Mikroverletzungen führt. Dies hatte bereits Gewerbeärztin Dr. H. mit Hinweis auf
die unfallmedizinische Literatur ebenfalls dargelegt. Die Einwirkungskausalität ist vorliegend auch nicht deshalb zu verneinen,
weil die Tätigkeiten nicht mindestens im Umfang von 30% einer (acht-stündigen) Arbeitsschicht ausgeübt wurde. Es kann dahinstehen,
ob diese zeitliche Begrenzung als Abschneidekriterium überhaupt arbeitsmedizinisch empirisch begründbar ist, was in der Rechtsprechung
einiger Landessozialgerichte - gestützt auf Sachverständigengutachten, wie im Urteil des 1. Senats des LSG Baden-Württemberg
(Urteil vom 05.05.2008 - L 1 U 3824/06 -) - verneint wird. Jedenfalls ist eine solche Zeitgrenze, die aus der statischen Belastung durch Kniezwangshaltung bei stark
abgewinkeltem Knien entwickelt wurde, sportmedizinisch auf die dynamische Bewegungsbeanspruchung des Kniegelenks nicht übertragbar,
wie Prof. Dr. B. unter Hinweis auf die unterschiedliche Schadwirkung überzeugend ausgeführt hat. Danach führen die Mikrotraumen
- klinisch stumme, noch ohne Krankheitswert verursachte Meniskusläsionen - in ihrer Summierung der Rezidive zur verfrühten
- pathologischen - Degeneration des Meniskusgewebes, wohingegen eine durch Kniezwangshaltung verursachte phasenweise "Ernährungsstörung"
bei ausreichenden Erholungsphasen erst gar nicht eintritt.
Dagegen ist das Entstehen eines auf der umschriebenen Einwirkung des Handballsports beruhenden Meniskusschadens (haftungsbegründende
Kausalität) nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu begründen. Prof. Dr. B. hat überzeugend dargelegt, dass eine
Meniskopathie nicht zu diagnostizieren ist. Für das Schadensbild einer hohen Kniegelenksbelastung im Handballsport ist eine
degenerative fettige Umbildung des Meniskusgewebes (mucinöse Degeneration und intramensicale Verfettung) zu erwarten, wie
Prof. Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04.03.2011 vertiefend ausgeführt hat. Dies gilt zur Überzeugung des Senats
insbesondere dann, wenn aus der beruflich bedingten Meniskusdegeneration heraus ein bereits spontan entstandener Meniskusriss,
d.h. ohne traumatische Einwirkung, geltend gemacht wird, wie es das vorliegende Klagebegehren unterstellt. Vorliegend hat
Prof. Dr. B. einen auf dem Boden einer Meniskopathie entstandenen Meniskusriss ausgeschlossen. Er stützt seine Bewertung auf
die MRT-Aufnahme vom 07.09.2004 und den intraoperativen Befund vom 14.09.2004. Der Sachverständige hat schlüssig dargelegt,
dass in Auswertung der unterschiedlichen Signalgebung der MRT-Aufnahme sich sowohl in der T1 als auch T2 Wichtung nur eine
I.-gradige Binnendegeneration für den Innen- und Außenmeniskus des rechten Kniegelenkes ergibt, wobei für den Außenmeniskus
in der coronaren fettsuprimierten Aufnahme sogar diesbezüglich ein unauffälliger Befund vorliegt. Diese Degeneration liegt
zwar über der altersentsprechenden Norm, ist jedoch noch als lediglich leichtgradig einzustufen. Ausgeprägte degenerative
Veränderungen einer Meniskopathie mit den zu fordernden mucoiden Degenerationserscheinungen ergeben sich hieraus nicht. Entgegen
der Auffassung von PD Dr. S. ist der MRT-Befund auch eine ausreichende Bewertungsgrundlage, wie Prof. Dr. B. mit überzeugender
Begründung unter Hinweis auf das unterschiedliche Signalverhalten von Gewebe auf die verschiedenen Sequenzen einer MRT, wie
T1, T2, Gradientenecho oder fettunterdrückte Sequenzen, darlegt. Diese Einschätzung wird durch die Behauptung des Klägers,
die Aussagekraft einer MRT-Aufnahme liege bei knapp über 90%, nicht widerlegt. Außerdem wird die Bewertung des MRT-Befunds
durch den intraoperativen Befund bestätigt, der inspektorisch neben dem Innenmeniskushinterhorneinriss keine auffälligen Veränderungen
des Meniskusgewebes beschreibt. Auf einen aussagekräftigen histologischen Befund konnte Prof. Dr. B. nicht abstellen, da eine
Gewebeprobe nicht (mehr) zur Verfügung stand. Eine Meniskopathie ist nicht nachgewiesen.
Zur Überzeugung des Senats ist daher nach der 2-stufigen Kausalitätsprüfung bereits auf der naturwissenschaftlich-philosophischen
Bedingungstheorie als Ausgangsbasis eine positive Kausalität nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Auf
dieser Prüfungsstufe ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
entfiele (conditio-sine-qua-non; vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006, SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Jedenfalls wäre aber auch bei unterstellter
Kausalität nach der Bedingungstheorie für die wertende Entscheidung in der zweiten Prüfungsstufe die Wesentlichkeit der Ursache
vorliegend nicht gegeben. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob
das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen
mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig
niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende
Bedeutung hat (haben). Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006, aaO., m.w.H.). Diese Voraussetzungen
sind nach den plausiblen gutachterlichen Darlegungen von Prof. Dr. B. nicht erfüllt, denn die allein nachgewiesene Erkrankung
"Meniskusriss" ist weder als (primäre oder sekundäre) Meniskopathie noch als Folge einer Meniskopathie belegbar. Durch welche
Alternativursache der Meniskusriss verursacht wurde, ist im vorliegenden Rechtsstreit um die Berufskrankheit Nr. 2102 vom
Senat nicht aufzuklären. Es kann daher dahinstehen, ob Prof. Dr. B. den Meniskusriss zutreffend auf den Unfall des Klägers
vom 02.09.2004 bezogen hat. Letztlich wäre entgegen der Ansicht des Klägers der Senat an der Einbeziehung dieser Überlegungen
in seine Begründung aber rechtlich nicht gehindert, denn eine die Prozessbeteiligten bindende Wirkung durch bestandskräftigen
Verwaltungsakt liegt wegen des noch anhängigen, ruhenden Klageverfahrens S 10 U 1515/05 nicht vor.
Die gegen das Gutachten von Prof. Dr. B. erhobenen Einwände des Klägers geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Missverständliche Äußerungen im Gutachten sind auf die richterlichen Ergänzungsfragen vom Sachverständigen mit Äußerung vom
04.03.2011 überzeugend klargestellt worden. Widersprüche ergeben sich aus der gutachterlichen Darlegung nicht. Zum einen hält
Prof. Dr. B. eine Berufskrankheit nicht dann für wahrscheinlich, wenn der Meniskusriss keine Unfallfolge wäre. Dies lässt
sich seinen oben wiedergegebenen gutachterlichen Überlegungen nicht entnehmen. Zum anderen sind die zuletzt im Schriftsatz
vom 09.05.2011 wiederholt gerügten angeblich widersprüchlichen Äußerungen dem Gutachten nicht zu entnehmen. In seiner gutachterlichen
Ergänzung vom 04.03.2011 führt der Sachverständige aus (Seite 4), die Beschwerdefreiheit des Klägers nach Behandlungsende
mit Wiederaufnahme des kniebelastenden Handballsports spreche auch gegen eine Meniskopathie. Aus dem Zusammenhang hiermit
ist der unmittelbar anschließende Satz "Aufgrund der ausgeprägten degenerativen Veränderungen mit fettiger Binnendegeneration
des Meniscusgewebes resultiert eine deutlich verminderte Widerstandsfähigkeit des Gewebes..." nicht als Befundbeschreibung
der Kniegelenkverhältnisse des Klägers zu verstehen, wie der Kläger moniert und was tatsächlich im Widerspruch zu den auf
richterliche Nachfrage erfolgten Erläuterungen des Sachverständigen zum Ausschluss einer Meniskopathie beim Kläger stünde,
sondern ist die Begründung dafür, dass die Ausübung des Handballsports dem Kläger bei einer tatsächlich bestehenden Meniskopathie
nicht mehr möglich gewesen wäre. Hinsichtlich der im Tatbestand aufgeführten übrigen Rügen des Klägers wird auf die Ausführungen
oben verwiesen.
Bei dieser Sachlage sah der Senat keinen Anlass, von Amts wegen weitere Ermittlungen aufzunehmen. Dem Antrag im Schriftsatz
des Klägerbevollmächtigten vom 09.05.2011, nach §
109 SGG ein Gutachten einzuholen, war nicht stattzugeben.
Der Antrag war nach §
109 Abs.
2 SGG abzulehnen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits
verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen,
oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Durch die Einholung des Gutachtens hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, denn der Senat hätte nicht in der
zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits terminierten mündlichen Verhandlung über die Berufung entscheiden können.
Der Antrag ist nicht innerhalb angemessener Frist gestellt worden, was auf grober Nachlässigkeit beruht. Eine grobe Nachlässigkeit
ist anzunehmen, wenn die für eine ordnungsgemäße Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und nicht
getan wird, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
109 Anm. 11). Es entspricht keiner ordnungsgemäßen Prozessführung, wenn ein Beteiligter erkennen muss, dass vom Gericht keine
weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt werden, er gleichwohl nicht innerhalb einer Frist von einem Monat, was in
der Regel als angemessene Überlegungsfrist anzusehen ist (vgl. Keller, aaO. §
109 Rdnr. 11), einen ordnungsgemäßen Antrag nach §
109 SGG stellt. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers war mit richterlicher Verfügung vom 14.03.2011 unter Anregung der Prüfung
der Berufungsrücknahme mitgeteilt worden, dass nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 04.03.2011
der Rechtsstreit als entscheidungsreif beurteilt wird, d.h. jetzt kein Anlass für weitere Ermittlungen mehr besteht, und die
Sache für eine Terminierung vorgemerkt ist. Bei dieser Ausgangslage hätte sich dem Bevollmächtigten des Klägers aufdrängen
müssen, dass ein Antrag nach §
109 SGG in angemessener Frist bis spätestens Mitte April 2011 erfolgen muss. Der Antrag wurde jedoch erst am 12.05.2011 und damit
nach Ablauf einer angemessenen Frist gestellt. Zwar hatte sich der Kläger am 06.04.2011 einen Antrag nach §
109 SGG vorbehalten (Schriftsatz vom 05.04.2011) und eine Anfrage beim Sachverständigen und der Beklagten wegen des Meniskusschäden
als Unfallfolge ablehnenden Bescheides der Beklagten angeregt. Ein Antragsvorbehalt wahrt aber die Frist nicht. Eine grobe
Nachlässigkeit ist damit nicht auszuschließen. Letztere Anregung betrifft eine juristisch zu beurteilende Frage, die eine
erneute Befragung des medizinischen Sachverständigen nicht zu begründen vermag, weshalb eine nochmalige Anfrage von dem anwaltlich
vertretenen Kläger auch vor dem Hintergrund der richterlichen Mitteilung vom 14.03.2011 nicht zu erwarten gewesen wäre; zumal
dem Kläger mit richterlicher Verfügung vom 07.04.2011 umgehend mitgeteilt worden war, dass es bei der Gerichtsverfügung vom
14.03.2011 bleibt. Der auch nach dieser Verfügung erst nach Monatsfrist am 12.05.2011 eingegangene Antrag hätte aber zumindest
jetzt unverzüglich, also ohne - weiteres - schuldhaftes Zögern, gestellt werden müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.