Anspruch eines Arbeitgebers auf Akteneinsicht in die Unfallakten in einem Rechtsstreit um einen erhobenen Beitragszuschlag
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des von der Beklagten festgesetzten Beitrags der Klägerin zur gesetzlichen Unfallversicherung
und der Anspruch der Klägerin auf Einsicht in Aktenunterlagen der Beklagten streitig.
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), ist ein Mitgliedsunternehmen der Beklagten und wendet sich
gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 25.04.2008 für das Beitragsjahr 2007, mit dem ein Gesamtbeitrag von 56.604,49
€ festgesetzt wurde. Anteilig enthält der Beitrag ein aus den Lohnnachweisen für das Jahr 2007 errechneter Umlagebeitrag in
Höhe von 42.106,36 € und einen Beitragszuschlag in Höhe von 12.631,91 €, neben Umlagen für Insolvenzgeldzahlung an die Bundesagentur
für Arbeit und betriebsärztlichen/arbeitsmedi-zinischen Dienst (865,22 € + 1001,00 €).
Gegen den Beitragsbescheid legte die Klägerin am 13.05.2008 Widerspruch ein, denn der im Beitrag enthaltene Beitragszuschlag
lasse sich nicht nachvollziehen. Die Beklagte übermittelte mit Aufklärungsschreiben vom 20.05.2008 mit Hinweis auf die Satzungsbestimmung
eine Aufstellung der für das Beitragsausgleichsverfahren herangezogenen Kosten. Darin war unter anderem ein Kostenaufwand
in Höhe von 18.934,15 € für den bei der Klägerin beschäftigten Versicherten B. (B) wegen des Unfalls am 17.11.2006 enthalten.
Die Klägerin begehrte eine Kostenaufstellung über die Behandlungskosten des Versicherten B (Schreiben vom 19.06.2008 und 04.07.2008).
Die in Ansatz gebrachten Kosten dieses Versicherungsfalls seien nicht allein unfallursächlich, sondern seien auch durch das
Verhalten des Versicherten B bestimmt, der nicht die naheliegende nächste unfallchirurgische Praxis, sondern das Krankenhaus
in Ü. aufgesucht habe.
Mit Schreiben vom 17.07.2008 und 29.07.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie könne die Unfallkosten nicht detailliert
darlegen, weil die Übermittlung von Sozialdaten nur bei bestehender Übermittlungsbefugnis zulässig sei. Die Klägerin bot die
Vorlage der Einwilligung des Versicherten B in die Übermittlung seiner Sozialdaten an und verwies darauf, dass die Beklagte
die Rechtmäßigkeit ihrer Forderung begründen müsse (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 31.07.2008).
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Beitragsbescheid sei rechnerisch zutreffend
und daher rechtmäßig. Substantiierte Einwendungen gegen den erhobenen Beitragszuschlag habe die Klägerin nicht vorgetragen.
Dem Versicherten stehe es zu, ein Krankenhaus anstelle einer unfallchirurgischen Praxis aufzusuchen. Ein Informationsrecht
der Klägerin bestehe nicht. Nach Auffassung des Bundesdatenschutzbeauftragten gebe es hierfür keine Rechtsgrundlage. Die Klägerin
habe kein Recht auf Akteneinsicht oder entsprechende Detailinformationen, denn an dem Feststellungsverfahren zwischen Berufsgenossenschaft
und Versicherten sei sie nicht beteiligt. Selbst mit Vorlage einer Einverständniserklärung des Versicherten B sei keine Akteneinsicht
zu gewähren. Der Versicherte sei nicht befugt, über die Interessen derjenigen Ärzte zu disponieren, die seine Behandlung durchgeführt
hätten. Die Ärzte besäßen ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, dass ihre Leistungserbringung an den Versicherten
und die hierfür in Rechnung gestellten Beträge nicht anderen Personen offenbart würden.
Die Klägerin erhob am 17.09.2008 beim Sozialgericht Konstanz Klage mit der Begründung, es habe sich bei dem Unfall des Versicherten
B nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt und es seien vermeidbare Kosten dadurch entstanden, dass der Versicherte im Krankenhaus
nicht richtig behandelt worden sei. Die Forderung der Beklagten sei unsubstantiiert, da sie keine nachprüfbaren Unterlagen
aus der Leistungsakte vorlege. Datenschutzrechtliche Gründe stünden nicht entgegen. Sie legte die Einwilligung des Versicherten
B vom 22.07.2008 zur Einsichtnahme in seiner Sozialdaten betreffend die Aufwendungen für den Unfall vom 17.11.2006 vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Sie legte den Durchgangsarztbericht
vom 17.11.2006 sowie die Unfallanzeige der Klägerin vom November 2006 vor und verwies darauf, dass der Versicherte vom 17.11.2006
bis 22.04.2007 arbeitsunfähig und 23 Tage in stationärer Behandlung in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. gewesen
sei. Ein Leistungsbescheid sei dem Versicherten nicht erteilt worden.
Das mit Beschluss vom 12.11.2008 für ruhend erklärte Verfahren (S 2 U 2762/08) wurde am 20.01.2010 wieder angerufen und unter dem neuen Aktenzeichen S 11 U 337/10 fortgeführt.
Mit Urteil vom 22.06.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Das in § 30 der Satzung der Beklagten (Satzung) geregelte Beitragszuschlagverfahren
sei rechtlich zulässig. Der angeforderte Beitragszuschlag sei auch zutreffend errechnet worden. Die Beklagte habe alle von
ihr verauslagten Aufwendungen für den Arbeitsunfall des Versicherten B berücksichtigen dürfen. Ausweislich der vorgelegten
Unfallanzeige des Unternehmens und des Durchgangsarztberichts habe es sich nicht um einen vom Beitragszuschlagverfahren ausgenommen
Unfall gehandelt. Der Versicherte B sei bei seiner Tätigkeit als Zimmermann von der Ladefläche eines Lkw abgesprungen, am
Bordstein abgerutscht und mit dem rechten oberen Sprunggelenks umgeknickt. Dies erfülle die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls.
Ein unwirtschaftliches Verhalten des Versicherten B berechtige nicht dazu, etwaige Aufwendungen der Beklagten unberücksichtigt
zu lassen. Den Mitgliedsunternehmen seien innerhalb des Beitragsverfahrens nicht jede Rüge der Höhe entstandener Aufwendungen
möglich. Ein unwirtschaftliches Verhalten des Beschäftigten berechtige den Unfallversicherungsträger weder dazu, dem Arzt
die Erstattung der Aufwendungen zu verweigern noch einen Rückgriff gegen den Versicherten vorzunehmen. Daher seien diese Aufwendungen
auch durch den Arbeitsunfall verursacht. Ein Akteneinsichtsrecht in die den Versicherten B betreffende Leistungsakte bestehen
nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Die Klägerin sei nicht Beteiligte desjenigen Verwaltungsverfahrens, welches den Arbeitsunfall zum Gegenstand gehabt
habe. Eine Rüge des beitragspflichtigen Unternehmens zur fehlerhaften Berechnung der Eigenbelastung dürfe nicht ins Blaue
hinein erhoben werden. Eine solche Rüge löse keine Amtsermittlungspflicht des Unfallversicherungsträgers aus. Diese Auffassung
werde auch gestützt durch die Ausführung des Bundesdatenschutzbeauftragten, der selbst bei Vorlage der Einwilligung des Arbeitnehmers
die Einsichtnahme des Arbeitgebers und die damit verbundene Offenbarung von Sozialdaten nicht für gerechtfertigt erachte,
da die Gefahr einer faktischen Zwangssituation bestehe, die eine freiwillige Einwilligungsentscheidung ausschließe. Ein Anspruch
auf Übermittlung der Daten folge auch nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetzt (IFG), über den das Sozialgericht
trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte kraft des sozialrechtlichen Zusammenhangs der vorliegenden
Rechtsfrage zu entscheiden habe. Dem Anspruch stehe § 3 Nr. 4 und Nr. 6 IFG (Schutz des Sozialgeheimnisses und eine Weitergabe
von Abrechnungsdaten) entgegen.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 24.06.2010 zugestellte Urteil hat er am Montag, dem 26.07.2010
Berufung beim Sozialgericht eingelegt. Die Klägerin macht geltend, ihr werde zu Unrecht Behandlungskosten in Höhe von 18.934,15
€ zugerechnet, weil es sich bei dem Unfall des Versicherten B nicht um einen Arbeitsunfall handele und dieser nicht richtig
im Krankenhaus Ü. behandelt worden sei. Außerdem sei der Bescheid rechtswidrig, da keine nachprüfbaren Unterlagen aus der
Leistungsakte vorgelegt wurden und die Forderung daher unsubstantiiert sei. Das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 11.11.2003
dargelegt, dass das Verfahren dem Zweck diene, mit Mitteln des Beitragsrechts positive Anreize über eine verstärkte Unfallverhütung
durch den Unternehmer in seinem Betrieb zu bewirken. Daraus sei zu folgern, dass die Höhe der dem Zuschlag zugrunde gelegten
Aufwendungen auch dem Arbeitgeber zuzurechnen sei und nicht auf Umständen basiere, die dieser nicht zu vertreten habe. Entgegen
der Auffassung des Sozialgerichts sei das Übermaßverbot nicht verfassungskonform berücksichtigt. Das Abspringen des Versicherten
von der Ladefläche des Lkw sei durchaus der betrieblichen Gefahrenlage zuzuordnen, dagegen sei dies für das Abrutschen am
Bordsteinrand auszuschließen. Der Verlauf ab dem Abrutschen von der Bordsteinkante sei nicht mehr der Definition des Unfalls
in §
8 Abs.
1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) zuzurechnen. Außerdem sei ihr als Betroffene ein Akteneinsichtsrecht zuzugestehen. Grundsätzlich könne dem Zahlungspflichtigen,
gegen den auch zwangsweise die Zahlung durchgesetzt werden könne, nicht verwehrt werden, eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit
auszuüben. Eine Zwangssituation bei Erteilung der Einwilligung in die Offenlegung seiner Sozialdaten liege beim Versicherten
B nicht vor. Die Ausführungen des Sozialgerichts zu § 3 Nr. 6 IFG seien nicht überzeugend. Wenn Leistungsanforderungen der
Sozialversicherungen unzutreffend und überhöht seien, könnten Abrechnungsdaten nicht dem Schutz wirtschaftlicher Interessen
der Sozialversicherungen unterliegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22.06.2010 aufzuheben und im Wege der Stufenklage
1. die Bescheide der Beklagten vom 17.07.2008 und 29.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14.08.2008 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, durch Überlassung von Fotokopien aus der den Arbeitsunfall vom 17.11.2006 des Versicherten
B. betreffenden Unfallakte Auskunft über die unfallbedingten Leistungspositionen, die dem Beitragszuschlag zugrundeliegen,
zu erteilen
2. den Beitragsbescheid der Beklagten vom 25.04.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.08.2008 insoweit abzuändern,
dass kein Beitragszuschlag in Höhe von 12.631,91 € erhoben wird, und die Beklagte zu verurteilen, den abgebuchten Beitragszuschlag,
soweit er den Mitarbeiter M. B. betrifft, zurückzuerstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Klägerin Aufwendungen für
den Unfall vom 17.11.2006 nicht zuzurechnen seien. Es sei nicht klar dargelegt, welche Aufwendungen abzutrennen sein. Die
Aufspaltung des Unfallablaufs und eventuell daraus resultierende unterschiedliche Verletzungsfolgen sei nicht möglich. Der
Begriff des Arbeitsunfalls werde verkannt.
Der Senat hat von der Beklagten die Beitragsakte der Klägerin und vom Sozialgericht die Gerichtsakten beigezogen. Auf diese
Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§
143,
144 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - statthaft. Berufungsausschlussgründe liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zutreffend die Klage abgewiesen.
Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder einen Anspruch
auf Akteneinsicht durch Überlassung von Fotokopien aus der den Versicherten B betreffenden Unfallakte noch auf Abänderung
des angefochtenen Beitragsbescheids für das Beitragsjahr 2007. Der Senat hat daher, nach dem klarstellend ergänzten Antrag
in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat über die als Stufenklage gemäß §
202 SGG i.V.m. §
254 ZPO geltend gemachten prozessualen Ansprüche (vgl. Reichold in Thomas/Putzo,
ZPO, 32. Aufl., §
254 Rn. 5) insgesamt, ohne Teilurteil entscheiden können.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen
Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung
zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe
des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil Bezug (§
153 Abs.
2 SGG).
Aus Sicht des Senats ist zur Vertiefung noch ergänzend auszuführen, dass das Begehren auf Akteneinsicht als Verpflichtungsklage
zulässig ist, wie es vom Sozialgericht auch zutreffend angenommen wird. In der Verweigerung einer Akteneinsicht gem. § 25 SGB X liegt ein Verwaltungsakt (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 31 Rn. 60 a mit Hinweis auf BVerwGE 119, 11). Als solche sind die Schreiben der Beklagten vom 17.07.2008 und 29.07.2000, mit denen die Einsichtnahme in die Leistungsunterlagen
des Versicherten B abgelehnt wurde, auch materiell zu qualifizieren. Die Schreiben verfügen nach Wortlaut und Zusammenhang
über den über eine bloße Auskunftserteilung hinausgehenden Regelungsgehalt, dass das von der Klägerin in Anspruch genommene
Recht auf Akteneinsicht abgelehnt wird, und erfüllen den Tatbestand des § 31 SGB X, wobei die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen: Entscheidung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen vorliegen. Soweit die Schreiben ihrer äußeren Form nach nicht
als Verwaltungsakt zu erkennen sind, u.a. fehlt eine Rechtsbehelfsbelehrung, ist dies für die rechtliche Zuordnung unerheblich.
Diese Verwaltungsakte sind mangels Abänderung des Beitragsbescheids nicht nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Beitragsbescheid geworden. Es ist aber mit den Einwendungen gegen die verweigerte
Akteneinsicht in den Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18.07.2008 und 31.07.2008 rechtzeitig Widerspruch
eingelegt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2008 ist bei sinnentsprechender Auslegung auch der Widerspruch gegen
die verweigerte Akteneinsicht zurückgewiesen worden. Im Entscheidungssatz des Widerspruchsbescheids wird zwar nur der Widerspruch
gegen den Beitragsbescheid vom 25.04.2008 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist aber ausführlich ausgeführt, dass
die Einwendungen gegen die abgelehnte Akteneinsicht auch aus Sicht des Widerspruchsausschusses keinen Erfolg haben. Die Zulässigkeitsvoraussetzung
des Vorverfahrens einer Verpflichtungsklage ist somit gegeben, wovon das Sozialgericht ausgehen konnte.
Das Vorbringen im Berufungsverfahren zwingt zu keiner anderen Beurteilung.
Zum Begehren der Klägerin auf Akteneinsicht sieht der Senat ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts
Gründe dafür gegeben, die zur Verweigerung der Akteneinsicht im berechtigten Interesse dritter Personen eines bestimmbaren
Personenkreises nach § 25 Abs. 3 SGB X berechtigen.
Nach § 20 Abs. 1 SGB X haben die Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens ein Akteneinsichtsrecht, soweit die Kenntnis des Akteninhalts zur Geltendmachung
oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Das Recht auf Akteneinsicht beinhaltet den Anspruch, die
Gesamtheit der Schriftstücke, die im Verfahren des um Akteneinsicht ersuchenden Betroffenen von der Behörde angefertigt oder
beigezogen wurden, einzusehen. Die Klägerin ist als Beitragsschuldnerin Beteiligte im Verwaltungsverfahren um die Festsetzung
des Beitrags und hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf Akteneinsicht in alle Schriftstücke, die im Beitragsverfahren
herangezogen wurden (vgl. von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 25 Rn. 4). Das betrifft auch Schriftstücke, die nicht in der von der Beklagten geführten Beitragsakte abgelegt wurden, sondern
bei der Beitragserhebung berücksichtigt wurden, indem sie - auch verwaltungsintern von anderen Fachabteilungen - beigezogen
oder in Kopien in Beiakten abgelegt wurden. Der Senat musste nicht die Frage vertiefen, ob das Akteneinsichtsrecht daher sich
auch auf Verwaltungsvorgänge erstreckt, die nicht im Beitragserhebungsverfahren angefallen sind und auch von der Sachbearbeitung
nicht zur Kenntnis genommen wurden, weil man sich mit einer bloßen Kostenaufstellung der für die Entschädigung zuständigen
Fachabteilung begnügte, ohne die Einzelposten und den ihnen zu Grunde liegenden Verwendungszweck zu prüfen. Faktisch wurden
Verwaltungsvorgänge berücksichtigt, die in der Entschädigungsakte des Versicherten B enthalten sind, weshalb das Akteneinsichtsrecht
der Klägerin sich grundsätzlich auch auf diese Schriftstücke der Behörde bezieht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
hat der Klägervertreter auch klargestellt, dass seinem Akteneinsichtsgesuch nicht damit Rechnung getragen ist, wenn mit Fotokopien
nur über die Höhe der entstandenen Kosten der für den Versicherten B erbrachten Aufwendungen Auskunft gegeben wird, ohne dass
die zu Grunde liegende Diagnose oder therapeutische Maßnahme der entsprechenden Leistungserbringer erkennbar wäre. Die Klägerin
möchte prüfen können, ob hinreichend zwischen unfallfremden und unfallbedingten Leistungen im Sinne der vom Sozialgericht
zitierten Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.06.2008 - L 1 U 3792/7 -) differenziert wurde. Damit ist
auch ein hinreichendes Interesse der Klägerin an der Einsicht in die Unfallakte des Versicherten B dargelegt.
Gemäß § 25 Abs. 3 SGB X durfte auch nach Auffassung des Senats die Beklagte die Einsichtnahme wegen berechtigter Interessen Dritter verweigern. Der
Versicherte B ist am Beitragsverfahren nicht beteiligt. Der Versicherte B hat auch ein Geheimhaltungsinteresse, denn ärztliche
Unterlagen über den Gesundheitszustand und die körperliche Verfassung unterliegen dem Schutz der Persönlichkeit und der Versicherte
B ist als Beschäftigter auch gegenüber dem Arbeitgeber nicht zur Offenlegung von Erkrankungen - von besonderen Fällen abgesehen
- nicht verpflichtet. Vielmehr besteht ein besonderer Schutzbedarf der Beschäftigten im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und
Arbeitgeber, denn der Arbeitnehmer wird etwaige Erkrankungen, die längere oder immer wieder auftretende Ausfallzeiten wegen
Arbeitsunfähigkeit erwarten lassen oder eine künftige Umsetzung an einen leidensgerechten Arbeitsplatz bedingen könnten, seinem
Arbeitgeber nicht offenbaren wollen.
Soweit der Versicherte B im vorliegenden Rechtsstreit sich mit der Einsichtnahme seines Arbeitgebers in die ihn betreffenden
Arztunterlagen einverstanden erklärt hat, ist dies auch nach Auffassung des Senats aus den im angefochtenen Urteil zutreffend
ausgeführten Gründen unbeachtlich, weil eine faktische Zwangssituation zu unterstellen ist, die eine freiwillige Einwilligung
ausschließt. Darüber hinaus sieht der Senat aber auch berechtigte Interessen der Versicherten betroffen, die künftig Entschädigungsleistungen
beziehen, welche Grundlage eines Beitragszuschlags werden können. Der Sozialdatenschutz beinhaltet in diesen Fällen die Vermeidung
des Loyalitätskonflikts der Beschäftigten, den eigenen Gesundheitszustand zu offenbaren oder dem Arbeitgeber die Mitwirkung
zu verweigern. Die berechtigten Interessen eines nach diesen Kriterien bestimmbaren Personenkreises sind darauf gerichtet,
dass eine Einwilligung zur Einsichtnahme des Arbeitgebers in Arztunterlagen des Beschäftigten rechtlich unbeachtlich ist und
einer Akteneinsicht des Arbeitgebers entgegensteht. Müsste der Versicherungsträger im Einzelfall die Einwilligung eines Beschäftigten
als wirksam akzeptieren und dem Arbeitgeber Akteneinsicht gewähren, würde die zur Vermeidung des Loyalitätskonflikts mit dem
Arbeitgeber und zur Sicherung persönlicher Daten des Beschäftigten grundsätzlich angenommene Schutzbedürftigkeit leerlaufen.
Der Arbeitgeber hätte Handhabe, zur Einwilligungserklärung zu drängen und könnte aus der Verweigerung für den Arbeitnehmer
nachteilige Schlüsse ziehen. Die Beklagte kann deshalb auch berechtigte Interessen dritter Personen an der Geheimhaltung i.S.
von § 25 Abs. 3 SGB X aus generalpräventiven Gesichtspunkten dem Akteneinsichtsgesuch der Klägerin entgegenhalten. Der vom Klägerbevollmächtigten
in der mündlichen Verhandlung wiederholten Anregung, den Versicherten B als Zeugen über die Freiwilligkeit seiner Einwilligungserklärung
zu vernehmen, musste der Senat daher nicht folgen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, die Einwilligung des Versicherten
B zur Einsichtnahme in die ihn betreffenden Unfallakte durch den Arbeitgeber sei freiwillig abgegeben worden, kann als wahr
unterstellt werden. Die Beklagte hat fortbestehende Interessen Dritter zu berücksichtigen, die das Individualinteresse der
Klägerin übersteigen und ihrem Akteneinsichtsrecht entgegenstehen.
Insoweit ist der Einwand der Klägerin, das Sozialgericht habe den Anwendungsbereich von § 3 Nr. 6 IFG verkannt, unbeachtlich.
Selbst wenn dies vorliegen würde, hat die Klägerin den Tatbestand des selbstständigen Ausschlussgrundes nach § 3 Nr. 4 IFG
damit nicht widerlegt. Ihr Berufungsvorbringen enthält diesbezüglich keine Ausführungen. Der Verweis des Sozialgerichts auf
den Schutz des Sozialgeheimnisses, der nach § 3 Nr. 4 IFG einschlägig ist, ist zutreffend und auch nach den obigen Ausführungen
nicht zu beanstanden.
Besteht demnach kein Erfordernis zum Erlass des mit der Stufenklage verfolgten Teilurteils, konnte der Senat auch abschließend
über die Anfechtung des Beitragsbescheids entscheiden.
Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des 1. Senats des Landessozialgerichts in dem vom Sozialgericht zitierten Urteil
vom 30.06.2008 - L 1 U 3732/07 - (veröffentlicht in Juris) an, in dessen Rechtsstreit die Regelung des § 28 der bis zum April 2005 gültigen Vorgängersatzung
der Beklagten zugrundelag und die wortgleich zu der hier streitgegenständlichen Regelung in § 30 der (Fusions-)Satzung der
Beklagten ist. Die Regelung über das Beitragszuschlagverfahren ist mit der Ermächtigungsnorm in §
162 Abs.
1 SGB VII vereinbar und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts
oder gegen Zielvorstellungen und Wertentscheidungen des Gesetzgebers.
Zum teilweise wiederholenden Vortrag der Klägerin, der Beitragsbescheid sei mangels Arbeitsunfall rechtswidrig, ist auszuführen,
dass die versicherte Verrichtung wesentliche Ursache des Gesundheitsschadens des Versicherten B war, weil er sich durch den
Sprung von der Ladefläche des LKW beim Aufkommen und Abrutschen von der Bordsteinkante verletzt hat, was ein untrennbarer
Unfallhergang ist. Ein Arbeitsunfall würde aber selbst dann vorliegen, wenn der Schwung des Absprungs vom LKW beim Abrutschen
vom Bordstein nicht mehr mitgewirkt haben sollte, was sich aber der Unfallanzeige der Klägerin gerade nicht entnehmen lässt.
Denn die versicherte Verrichtung führte den Versicherten B gerade zu dieser Zeit an diesen Ort, was für einen wesentlichen
Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ausreicht.
Dass an dem Unfallgeschehen nach Auffassung der Klägerin von ihr nicht beeinflussbare Umgebungsbedingungen mitwirkten, ist
unerheblich. Eine solche Differenzierung ist in den das Beitragszuschlagsverfahren regelnden Bestimmungen nicht vorgesehen.
Nach § 30 Abs. 1, Abs. 7 der Satzung sind alle Aufwendungen aus den entschädigungspflichtigen Arbeitsunfällen für die Berechnung
der für den Zuschlag maßgebenden Eigenbelastung heranzuziehen. Ausgenommen sind nur die dort genannten Versicherungsfälle.
Das steht im Einklang mit der Ermächtigungsnorm des §
162 Abs.
1 SGB VII, wonach (nur) Versicherungsfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden nicht zum Unternehmen gehörender
Personen eintreten, oder Versicherungsfälle auf Betriebswegen oder Berufskrankheiten ausgenommen werden können.
Vorliegend handelte es sich unstreitig nicht um einen Unfall auf einem Betriebsweg außerhalb der Betriebsstätte im Sinne von
§ 30 Abs. 7 der Satzung, der solche Unfälle vom Beitragszuschlagverfahren ausnimmt. Nach der Unfallanzeige der Klägerin geschah
der Unfall des Versicherten B zwar außerhalb des Firmensitzes auf einer Baustelle, aber nicht auf der Fahrt dorthin. Vorliegend
ist der Begriff Betriebsstätte nicht mit dem Firmensitz des Arbeitgebers identisch, sondern ist funktionsbezogen zu bestimmen
(vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, §
106 SGB VII Rn. 10 a), worauf der Satzungsgeber auch erkennbar abstellt. Der Unfall auf der Baustelle geschah somit auf der Betriebsstätte
und ist nach der Satzung nicht vom Beitragszuschlagverfahren auszunehmen.
Eine weitergehende Regelung in der Satzung ist nach den gesetzlichen Vorschriften nicht zwingend vorgesehen. Die gesetzliche
Ermächtigung stellt es in das weite Gestaltungsermessen des Satzungsgebers, ob die dort konkret gesetzlich bestimmten Versicherungsfälle
von dem Beitragszuschlagsverfahren überhaupt ausgenommen werden. Es ist deshalb fraglich, ob der Satzungsgeber darüber hinaus
weitere Ausnahmefälle bestimmen kann. Jedenfalls gebieten weder der Gesetzeszweck des Beitragszuschlags als eine Anreizfunktion
zur Unfallverhütung noch übergeordnete verfassungsrechtliche Grundsätze, wie das Übermaßverbot oder eine aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz
abzuleitende Beitragsgerechtigkeit, über die pauschalisierende gesetzliche Regelung hinaus weitere Ausnahmen zu bestimmen.
Eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität erforderliche Pauschalisierung darf der Gesetzgeber und auch der Satzungsgeber
vornehmen und ist auch grundsätzlich hinzunehmen. Es ist mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht und den
Zielvorstellungen des Unfallversicherungsrechts mit Blick auf die Solidarhaftung zu vereinbaren, dass der Satzungsgeber im
Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums davon abgesehen hat, eine Regelung zu treffen, die eine in jedem Beitragszuschlagverfahren
erforderliche Einzelfallprüfung der etwaigen vom Arbeitgeber nicht beeinflussbaren Umstände, die zum Schadenseintritt geführt
haben, zur Folge hätte. Zumal diese Umstände bei der Prüfung der Entschädigungspflicht gegenüber dem Beschäftigten/Versicherten
keine Rolle spielten und daher bei der Beitragserhebung möglicherweise erstmals diesbezügliche Ermittlungen zu veranlassen
wären, was unverhältnismäßig aufwendig und wegen der hiermit behafteten Abgrenzungsschwierigkeiten verwaltungsunpraktisch
ist.
Die Revision wird hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Akteneinsicht zugelassen.