Anspruch auf Arbeitslosengeld II beim Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung; Zurechnung grob fahrlässiger oder vorsätzlicher
Falschangaben in der Bedarfsgemeinschaft
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Kläger zu 2 für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.05.2008 und die Erstattung
überzahlter Leistungen i.H.v. 3.874,02 Euro und die Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruch
der Beklagten bzgl. der Klägerin zu 1 i.H. von 4/10.
Die Klägerin zu 1 ist die Mutter des 1990 geborenen Klägers zu 2. Am 30.06.2005 beantragte sie bei der Beklagten erstmalig
für sich und ihren Sohn die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Als Einkommen gab sie für sich den Bezug einer Rente
wegen Erwerbsminderung i.H. von 596,40 Euro und des Kindergeldes i.H.v. 154,00 Euro an. Aufgrund dieses Antrags bewilligte
die Beklagte den Klägern als Bedarfsgemeinschaft Leistungen ab 01.07.2005. In den Folgeanträgen vermerkte die Klägerin zu
1 jeweils, dass eine Änderung in der Einkommenssituation nicht eingetreten sei. Im Folgeantrag vom 27.11.2007 bestätigte auch
der Kläger zu 2 die Richtigkeit der gemachten Angaben.
Nachdem die Beklagte erfahren hatte, dass die Klägerin zu 1 neben der von ihr angegebenen Rente von der Landesversicherungsanstalt
Oberfranken und Mittelfranken (LVA) zumindest seit dem Jahr 2000 auch noch eine Hinterbliebenenrente (Versicherungsnummer
58 151253 P 009) von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) bezog, hob die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid
vom 13.02.2008 die Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) ab 01.02.2008 ganz auf.
Während des hiergegen geführten Widerspruchsverfahrens nahm die Beklagte jeweils mit Bescheid vom 14.05.2008 die Leistungsbewilligung
vom 07.07.2005, 27.09.2005, 09.12.2005, 14.06.2006, 11.12.2006, 05.06.2007, 28.11.2007 und 05.12.2007 zurück und forderte
von der Klägerin zu 1 Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 6.413,34 Euro und überzahlte Beiträge zur Krankenversicherung i.H.
von 250,02 Euro und Pflegeversicherung i.H.v. 29,72 Euro zurück. Vom Kläger zu 2 begehrte die Beklagte die Erstattung erbrachter
Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 3.874,02 Euro und zur Krankenversicherung i.H.v. 3.374,39 Euro und Pflegeversicherung i.H.v.
424,65 Euro gezahlter Beiträge. Die Klägerin zu 1 habe während des gesamten Zeitraums Witwenrente bezogen, die auf die bewilligte
Leistung nach dem SGB II anzurechnen gewesen sei. Damit sei der Kläger zu 2 nicht hilfebedürftig i.S.d. § 9 SGB II gewesen.
Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil die Klägerin zu 1 in den Leistungsanträgen zumindest grob fahrlässig falsche
bzw. unvollständige Angaben gemacht habe. Das Verhalten der Klägerin zu 1 habe sich der Kläger zu 2 als dessen gesetzliche
Vertreterin zurechnen zu lassen. Der Kläger zu 2 selbst habe in dem am 23.11.2007 unterschriebenen Folgeantrag die Witwenrente
nicht angegeben, obwohl er hierzu nach §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) verpflichtet gewesen wäre. Der Bescheid vom 14.05.2008 werde nach §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit den Widerspruchsbescheiden vom 19.05.2008 wies die Beklagte die Widersprüche
zurück.
Hiergegen haben die Kläger Klagen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, die das SG mit Beschluss vom 02.02.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Mit Bescheid vom 18.12.2008 hat
die Beklagte den gegen den Kläger zu 2 gerichteten Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19.05.2008 dahingehend abgeändert, dass die für die Zeit vom 01.09.2005 bis 31.01.2008 entrichteten Krankenversicherungsbeiträge
in Höhe von 3.374,39 Euro und Pflegeversicherungsbeiträge i.H.v. 424,65 Euro nicht zu erstatten seien.
Mit Urteil vom 26.02.2009 hat das SG den den Kläger zu 2 betreffenden Bescheid der Beklagten vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2008
aufgehoben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht mit Bescheid vom 13.02.2008 die Bewilligung
von Leistungen wegen fehlender Hilfebedürftigkeit mit Wirkung ab 01.02.2008 aufgehoben. Auch die Rücknahme der Bewilligung
von Leistungen für die Vergangenheit für die Klägerin zu 1 sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Aufhebung von Leistungen
für die Vergangenheit, d.h. ab 01.07.2005, für den Kläger zu 2 sei der Bescheid vom 14.05.2008 aber rechtswidrig, da dieser
auf den Bestand des Bewilligungsbescheides vertraut habe. Der Kläger zu 2 sei zum Zeitpunkt der ersten Bewilligung bereits
als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nach § 7 SGB II selbst anspruchsberechtigt gewesen. Die Klägerin zu 1 habe Leistungen
für die Bedarfsgemeinschaft beantragt. Nach § 38 SGB II habe somit vermutet werden können, dass die von ihr vorgenommenen
Verfahrenshandlungen auch für und gegen den Kläger zu 2 hätten wirken können. Ein Verschulden des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
müsse der Kläger zu 2 aber nicht gegen sich gelten lassen. Die Zurechnungsnormen der §§
166,
278 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) seien nicht entsprechend anwendbar. Für den Leistungsträger bestünde die Möglichkeit, Ersatzansprüche nach § 34 Abs. 1 S.
1 Nr. 2 SGB II direkt gegen den Vertreter geltend zu machen. Eine Zurechnung könne auch nicht über §§
1629 i.V.m. 166
BGB erfolgen, da der Kläger zu 2 bereits einen eigenständigen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt habe und somit zur
Geltendmachung dieser Ansprüche keines gesetzlichen Vertreters bedurft hätte. Der gesetzliche Vertreter eines sozialrechtlich
handlungsfähigen Minderjährigen könne nur als Bevollmächtigter nach § 13 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bzw. vermuteter Vertreter nach § 38 SGB II tätig sein. Ein Vertretener müsse sich die fehlerhafte Erklärung des Vertreters nur dann wie einen eigenen Fehler
zurechnen lassen, wenn er deren Fehlerhaftigkeit selbst erkannt habe oder hätte erkennen können. Mit Beschluss vom 07.04.2009
hat das SG das schriftlich verfasste Urteil vom 26.02.2009 insoweit ergänzt, als unter Ziffer III des Tenors aufgenommen wurde, die
Beklagte habe 4/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1 und des Klägers zu 2 zu erstatten.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Klägerin zu 1 sei die gesetzliche
Vertreterin des Klägers zu 2 nach §
1629 BGB. Damit komme eine Zurechnung des Verhaltens in Betracht. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1 und zu 2 seien nicht
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2009 in der Fassung des Beschlusses vom 07.04.2009
aufzuheben, soweit der Bescheid der Beklagten vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2008 betreffend
den Kläger zu 2 aufgehoben wurde und die Klage auch diesbezüglich abzuweisen. Außergerichtliche Kosten der Kläger zu 1 und
2 sind nicht zu erstatten.
Die Klägerin zu 1 beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2009 in der
Fassung des Beschlusses vom 07.04.2009 zu verwerfen.
Der Kläger zu 2 beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2009 in der Fassung
des Beschlusses vom 07.04.2009 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Soweit sich die Beklagte mit ihrer Berufung auch gegen die im Urteil des SG ausgesprochenen Kostenentscheidung betreffend die Klägerin zu 1 gegen die Beklagte i.H.v. 4/10 wendet, ist die Berufung nach
§
144 Abs.
4 SGG unzulässig. Sie war daher zu verwerfen.
Im Übrigen ist die Berufung zulässig und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19.05.2008 ist rechtmäßig, damit liegt auch eine Rechtsverletzung des Klägers zu 2 nicht vor.
Nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
330 Abs.
2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Verwaltungsakt
auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig
gemacht hat.
Die Bescheide, die den Bewilligungen von Alg zugrunde lagen, waren im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig. Nach § 7 Abs.
1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die u.a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind. Die Klägerin zu 1 ist
entgegen der Auffassung der Beklagten trotz des Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung nach §
43 SGB VI erwerbsfähig i.S.d. §
8 SGB II. Zwar erhielt die Klägerin zu 1 im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheide
vom 09.12.2004 und 24.09.2007), es handelte sich hierbei jedoch um eine sog. Arbeitsmarktrente. Obwohl das Leistungsvermögen
der Klägerin zu 1 in einem zeitlichen Bereich zwischen drei bis unter sechs Stunden lag, erhielt diese unter Berücksichtigung
der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts (vgl. BSGE 78, 207) dennoch Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Anwendungsbereich dieses richterrechtlich anerkannten Instituts beschränkt
sich aber auf das Rentenversicherungsrecht. Im Bereich des SGB II ist von Erwerbsfähigkeit auszugehen, denn das SGB II ist
darauf ausgerichtet, Erwerbsfähige in den Arbeitsmarkt zu integrieren und nicht unter Verweis auf die Verschlossenheit des
Teilzeitarbeitsmarkts auszugrenzen (vgl. Blüggel in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 37 mwN).
Leistungen erhalten auch Personen, die u.a. erwerbsfähig und mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft
leben, § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt
der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor
allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann, § 9 Abs. 1 SGB II. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB
II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung der von der Klägerin zu 1 bezogenen Witwenrente der BfA (Zahlbetrag ab 01.07.2005 414, 86 Euro, ab
01.07.2007 415, 71 Euro), die als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 16.07.2009 - L 13 AS 2838/08 - veröffentlicht in juris), war auch der Kläger zu 2 im streitgegenständlichen Zeitraum nicht bedürftig i.S.d. Gesetzes und
die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II damit rechtswidrig. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide beruhte auch auf Angaben, die die Klägerin zu 2 zumindest grob fahrlässig in
wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 HS. 2 SGB X. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 2. HS 2. SGB X. Maßgebend ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab. Die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und
daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 52 mwN). Vorliegend hat die Klägerin zu 1 im Leistungsantrag und in den Folgeanträgen zumindest grob fahrlässig den
Bezug der Witwenrente nicht angegeben, obwohl im Leistungsantrag ausdrücklich nach dem Bezug von Renten aus der Sozialversicherung
gefragt wurde. Die Nichtangabe der Witwenrente ist auch unter Berücksichtigung der persönlichen Einsichtsfähigkeit der Klägerin
zu 1 grob fahrlässig. Die Klägerin zu 1 war in der Lage, die Bedeutung der Frage zu erkennen, was sich zwanglos daraus ergibt,
dass die Klägerin zu 1 die von ihr bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente angegeben hatte. Auch dies steht zwischen den Beteiligten
aber nicht im Streit.
Entgegen der Auffassung des SG muss sich der Kläger zu 2 aber das Verschulden der Klägerin zu 1 zurechnen lassen.
Nach § 38 SGB II wird, soweit Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt
ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen.
Leben mehrere erwerbsfähige Hilfebedürftige in einer Bedarfsgemeinschaft, gilt diese Vermutung zugunsten desjenigen, der die
Leistungen beantragt.
§ 38 SGB II stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes dar, wonach es einem Beteiligten freisteht, sich im Verwaltungsverfahren
vertreten zu lassen, obwohl eigentlich jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen beantragen müsste, da es
sich um Individualansprüche handelt (vgl. Link in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl. § 38 Rdnr. 1f). Ob sich ein Mitglied
einer Bedarfsgemeinschaft jedes Verschulden eines nach § 38 SGB II handelnden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zurechnen muss
(vgl. hierzu verneinend Link in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl. § 38 Rdnr. 19), muss vorliegend nicht entschieden werden.
Eine Zurechnung des Vertreterhandelns kommt nämlich in Betracht, wenn - wie vorliegend - eine ausdrückliche gesetzliche Bevollmächtigung
bejaht werden kann (vgl. Link aaO.). Die Klägerin zu 1 konnte als nach §
1626 BGB Sorgeberechtigte den Kläger zu 2 nach §§
1629 i.V.m. 164ff
BGB wirksam vertreten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zu 2 bereits zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung das
fünfzehnte Lebensjahr vollendet hatte und danach nach §
36 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) selbst handlungsfähig war. Die Befugnis zu einer eigenen Antragstellung des Minderjährigen nach §
36 Abs.
1 S.1
SGB I ist zwar vorrangig gegenüber den daneben bestehenden Rechten des gesetzlichen Vertreters, verdrängt diese jedoch nicht (vgl.
Seewald in KassKomm, §
36 SGB I Rdnr. 4, Stand 09/2007; Fastabend in Hauck-Haines,
SGB I, §
36 Rdnr. 15). Die Klägerin zu 1 konnte somit für den Kläger zu 2 wirksam Leistungsanträge stellen.
Das Verschulden der Klägerin zu 1 ist dem Kläger zu 2 auch zuzurechnen. Der durch die Klägerin zu 1 vertretene Kläger zu 2
muss die Folgen wissentlich unwahrer Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Umstände durch seine gesetzliche Vertreterin
gegen sich gelten lassen (vgl. Waschull in Fichte/Plagemann/Waschull, Sozialverwaltungsverfahren, Rdnr. 156; Vogelsang in
Hauck/Noftz, SGB X, § 45 Rdnr. 40, 43,44; Radüge in jurisPK - SGB II, § 38 Rdnr. 16;). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - nur in der Person der
vertretenden Klägerin zu 1 die Voraussetzungen für zumindest grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig gemachte Angaben
vorliegen (vgl. BSGE 28, 258ff; Schütze in von Wulffen SGB X, 6. Aufl. § 45 Rdnr. 51). Soweit das Sozialgesetzbuch schon von einer eigenen Handlungsfähigkeit eines Minderjährigen ausgeht, ist es ihm
dann auch möglich und zumutbar, die Angaben der ihn vertretenden Mutter zu überprüfen.
Der Zurechnung des Verhaltens der Klägerin zu 1 an den Kläger zu 2 steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte gegebenenfalls
einen weiteren Erstattungsanspruch nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB II gegen die Klägerin zu 1 hat. Der Anspruch nach § 34 SGB II tritt selbständig neben den Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X (vgl. Link aaO. § 34 Rdnr. 11 mwN).
Die übrigen Voraussetzungen des § 45 SGB X liegen vor, ein Ermessen hatte die Beklagten nicht auszuüben, §
330 Abs.
2 SGB III.
Nach § 50 SGB X hat der Kläger zu 2 die erbrachten Leistungen zu erstatten,
§
1629 a BGB findet keine (entsprechende) Anwendung. Nach §
1629 a Abs.
1 BGB beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht begründet
haben, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes. §
1629 a Abs.
1 BGB kann bei der Frage der Erstattung aber auch nicht in Form einer Ermessensentscheidung berücksichtigt werden, denn es handelt
sich bei § 50 SGB X um eine gebundene Entscheidung. Darüber hinaus wäre eine Haftungsbeschränkung im vorliegenden Fall wegen §
1629 a Abs.
2 BGB ausgeschlossen. Danach findet §
1629 a Abs.
1 BGB keine Anwendung für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die allein der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des
Minderjährigen dienten. Die vom Kläger zu 2 bezogenen Leistungen sicherten aber das persönliche Existenzminimum des Klägers
und kamen damit diesem unmittelbar zu Gute (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/5624 S. 13), eine Haftungsbeschränkung
wäre somit ausgeschlossen. Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der Höhe des Erstattungsbetrags sind von Seiten des Klägers
zu 2 nicht geltend gemacht worden und sind dem Senat auch nicht ersichtlich.
Die Berufung war somit im obigen Umfang begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte wegen der unzulässigen Berufung gegen die Klägerin zu 1 deren außergerichtliche
Kosten für das Berufungsverfahren zu tragen hat. Die unzutreffende Kostenentscheidung des SG bezüglich der Klägerin zu 1 ist mangels zulässigen Rechtsmittels hiergegen in Rechtskraft erwachsen. Dem Kläger zu 2 waren
weder für die erste Instanz noch für das Berufungsverfahren Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG.