Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; darlehensweise Gewährung von Leistungen; Berücksichtigung von Vermögen bei
Unverwertbarkeit des Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - als Zuschuss
anstelle des gewährten Darlehens.
Die Kläger sind seit 2004 miteinander verheiratet. Der Kläger ist geschieden und Vater von fünf Kindern, die zwischen 1989
und 1997 geboren sind und mit seiner geschiedenen Frau zusammenleben.
Mit Bescheiden vom 13.02.2008 und 14.02.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.05.2008
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende als Darlehen, nachdem der Ehemann bei der Antragstellung angegeben hatte,
Miteigentümer zu 1/2 des Hausgrundstücks zu sein, in dem seine geschiedene Frau und seine Kinder wohnten. Das Hausgrundstück
habe einen Wert von ca. 200.000,00 EUR und sei noch mit ca. 70.000,00 EUR belastet.
Während des Widerspruchsverfahrens (Widerspruch vom 11.03.2008) hob die Beklagte die Bescheide vom 13.02.2008 und 14.02.2008
auf und setzte die Darlehenshöhe neu fest (Bescheide vom 27.05.2008 und 28.05.2008). Mit weiteren Bescheiden vom 21.05.2008
und 03.06.2008 bewilligte die Beklagte Leistungen in Darlehensform für die Zeit vom 01.06.2008 bis 30.11.2008. Auch hiergegen
legten die Kläger am 19.06.2008 Widerspruch ein und nahmen auf die Gründe des Widerspruchs vom 11.03.2008 Bezug.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch vom 11.03.2008 zurück. Auch wenn im gemeinsamen
Haus die geschiedene Ehefrau des Klägers wohne und eine Teilungsversteigerung einstweilen eingestellt sei, sei das Vermögen
nicht dauerhaft unverwertbar.
Dagegen haben die Kläger im Klageverfahren vorgetragen, ebenso wie bereits am 24.03.2005 und 13.12.2005 sei das auf Betreiben
des Klägers eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren am 10.10.2008 vom Amtsgericht A-Stadt einstweilen eingestellt worden.
Die Einstellung werde aufgehoben, wenn keines der gemeinsamen Kinder mehr in dem Objekt wohne. Die derzeitige Unverwertbarkeit
des Grundstücks sei offenbar.
Gleichzeitig mit der Klageerhebung am 17.11.2008 haben die Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Mit Beschluss vom 01.04.2009 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) die Gewährung von PKH abgelehnt. Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Miteigentumshälfte grundsätzlich
verwertbar sei. Es sei keine dauernde Nichtverwertbarkeit gegeben, denn die vorläufige Einstellung der Zwangsversteigerung
könne nach dem Gesetz maximal fünf Jahre lang erfolgen. Von der Ungewissheit einer künftigen Verwertbarkeit könne daher nicht
ausgegangen werden.
Dagegen haben die Kläger am 05.05.2009 Beschwerde eingelegt. Im maßgeblichen aktuellen Bedarfszeitraum sei die Verwertbarkeit
nicht absehbar gewesen. Ihre Rechtsauffassung werde vom Bundessozialgericht (BSG) bestätigt (Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R -).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des SG und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen.
II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Kläger haben Anspruch auf
PKH.
Zutreffend hat das SG die Voraussetzungen dargestellt, unter denen PKH beansprucht werden kann. Danach ist neben der Bedürftigkeit (§
73a SGG, §§
114,
115 ZPO) eine hinreichende Erfolgsaussicht zu fordern.
Entgegen der Ansicht des SG hält der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht für gegeben, weil er den Rechtsstandpunkt der Kläger aufgrund des Sachverhalts
für zutreffend hält und es weiterer Ermittlungen bedarf, ob das Vermögen im strittigen Zeitraum verwertbar war.
Wie das BSG in seinem Urteil vom 27.01.2009 (aaO.) ausgeführt hat, reicht es für eine lediglich darlehensweise Gewährung von
Leistungen nicht aus, dass dem Hilfesuchenden Vermögen zusteht, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehensgewährung erfolgen
soll, bis auf Weiteres nicht absehbar ist, ob er einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögen wird ziehen können. Maßgeblich
für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfalle, sei im Regelfall der Zeitraum, für
den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs.1 Satz 4 SGB II.
Für diesen Bewilligungszeitraum müsse im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten
bestehen, die geeignet seien, Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Ein Verkauf des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück war
dem Kläger jedoch bis dato nicht möglich.
Im strittigen Zeitraum (maximal vom 01.12.2007 bis 30.11.2008) war angesichts der Beschlüsse des Amtsgerichts A-Stadt über
die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung von 2005 und der weiter vorliegenden Gründe hierfür die Beseitigung des
Verwertungshindernisses in Form des ungeteilten Miteigentums der geschiedenen Ehefrau des Klägers nicht absehbar. Den geschiedenen
Eheleuten war aufgegeben, die weitere Verwendung des Objekts im Sinne einer Absprache zu Gunsten der Kinder zu regeln. Und
es lebten weiter minderjährige Kinder des Klägers zusammen mit der Mutter im strittigen Vermögensgegenstand, so dass mit der
Ablehnung der Zwangsversteigerung zu rechnen war. Um das Wohl der gemeinschaftlichen Kinder nicht ernsthaft zu gefährden,
stellte das Amtsgericht schließlich am 10.10.2008 das Vollstreckungsverfahren erneut einstweilen ein.
Inwieweit der Miteigentumsanteil verpfändbar war, ist noch aufzuklären. Zweifelhaft erscheint dies angesichts der nach wie
vor bestehenden Belastungen des Grundstücks mit Grundschulden und der mit der Arbeitslosigkeit des Klägers verbundenen Unfähigkeit
zur Darlehensrückzahlung. Ob unter diesen Umständen eine Bank bereit gewesen wäre, dem Kläger gegen dingliche Sicherheit ein
Darlehen zu gewähren, ist abzuklären. Ist aber eine Beweiserhebung notwendig, kann in der Regel die Erfolgsaussicht der Klage
nicht verneint werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl, §
73a Rdnr 7a mwN).
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist auch erforderlich (§
121 Abs.2
ZPO). Der Streitgegenstand betrifft die existenzielle Sicherung der Kläger. Sie erfordert die Beurteilung von Rechtsfragen, die
die Kläger keinesfalls ohne anwaltlichen Beistand durchführen müssen.
Auch die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH sind gegeben. Keiner der Kläger verfügt über Einkommen oder
verwertbares Vermögen, die die Zahlung von Raten rechtfertigen würden. Maßgebend ist das Einkommen jedes einzelnen Klägers,
nicht das Familieneinkommen. PKH ist auch dann für jeden Ehegatten einzeln zu berechnen, wenn Eheleute gemeinsam einen Anspruch
einklagen (Philippi in Zöller,
ZPO, 27.Aufl, §
115 Rdnr 7).
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).