Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei psychische Erkrankungen
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin aufgrund ihres Rentenantrags vom 16.07.2009 gegen die Beklagte einen
Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente hat.
Die 1954 in Slowenien geborene Klägerin ist am 07.11.1972 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. In ihrer Heimat hat
sie von 1970 bis 1972 als Küchenhilfe gearbeitet. Seit ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland war sie durchgehend
bis zum 31.07.2009 als Kommissioniererin versicherungspflichtig beschäftigt. Infolge der Insolvenz des Arbeitgebers wurde
sie zuletzt für ein halbes Jahr in einer Auffanggesellschaft beschäftigt. Ab dem 01.08.2009 war die Klägerin arbeitslos und
bezog in der Zeit vom 01.08.2009 bis 16.01.2011 Arbeitslosengeld I. Seitdem bezieht die Klägerin keine Sozialleistungen mehr.
Mit Bescheid des Versorgungsamtes A-Stadt vom 25.11.1987 war der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 zuerkannt
worden. Aufgrund eines Verschlimmerungsantrages vom 10.07.1995 wurde nach Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 03.11.1995
schließlich ein GdB von 60 sowie das Merkzeichen G und B zuerkannt (Abhilfebescheid vom 26.03.1996). Festgehalten war in dem
Abhilfebescheid, dass der Ärztliche Dienst eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes für möglich erachte und deshalb
im Februar 1998 die Feststellungen überprüft werden müssten. Die nachfolgend durchgeführten Überprüfungen von Amts wegen führten
zu keiner Änderung des Gesamt-GdB mehr.
Am 16.07.2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen einer hochgradigen
vegetativen Störung mit depressivem Einschlag, psychischer Erkrankung, Nervenerkrankung, Hals-Schulter-Lendenwirbelsäulenerkrankungen.
Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr. W. ein, der am 28.09.2009
zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mehr als 6 Stunden täglich bei Beachtung
qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid
vom 13.10.2009 eine Rentengewährung ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte ein Schreiben mit der Überschrift
"Mein Leben mit der Nervenkrankheit" vor. Die Beklagte holte daraufhin ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Frau
Dr. B. ein, die am 27.01.2010 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Die Beklagte
wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.10.2009 daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2010 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der hiergegen am 24.03.2010 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen
auf psychiatrischem und neurologischem Fachgebiet unzureichend beachtet worden seien. Der Klägerin seien zwischenzeitlich
ein GdB von 60 sowie das Merkzeichen G und B zuerkannt. Es sei auch kein leidensgerechter Arbeitsplatz ersichtlich, der der
Klägerin angeboten werden könnte. Der Klägerin sei zumindest volle Erwerbsminderungsrente aus rechtlichen Gründen zu gewähren.
Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte ein nervenärztliches Gutachten von Dr.O. eingeholt, die am 20.07.2010 zu folgenden
Diagnosen gelangt ist:
1. Dysthymia.
2. Generalisierte Angststörung.
3. Tendenz zu somatoformer Überlagerung orthopädischer Gesundheitsstörungen.
Trotz dieser Gesundheitsstörungen sei die Klägerin in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
noch zumutbare Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Die bei ihr festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen
bedingten allenfalls qualitative Leistungseinschränkungen. Seitens des nervenärztlichen Fachgebietes sei eine langdauernde
depressive Reaktion im Rahmen einer Anpassungsstörung bzw. aus zeitlichen Gründen eine Dysthymia festzustellen, außerdem leide
die Klägerin unter einer generalisierten Angststörung, freilich auch mit agoraphoben Anteilen. Neurologisch falle eine somatoforme
Überlagerung vorbestehender orthopädischer Veränderungen des Achsenskeletts auf, die aber ebenso wenig quantitative Konsequenzen
hätten wie die psychische Verfassung. Für keine der vorliegenden Gesundheitsstörungen sei Therapieresistenz erwiesen. Eine
gewisse Krankheitswertigkeit könne der Angst und depressiven Störung durchaus zugestanden werden. Allerdings seien die psychischen
Hinderungsgründe gegen eine Wiederaufnahme einer erwerbsbringenden Tätigkeit unter ambulanter psychotherapeutischer Unterstützung,
optimierter medikamentöser Therapie sowie unter eigener zumutbarer Willensanstrengung alsbald überwindbar. Vermieden werden
müssten stressbetonte und körperlich belastende Arbeiten, Nacht- und Wechselschicht sowie Akkord und aus Sicherheitsgründen
auch gefahrgeneigte Arbeiten. Besondere Belastungen des Bewegungs- und Stützsystems müssten vermieden werden, ebenso häufiges
Heben und Tragen von Lasten, ständiges Bücken oder häufige Überkopfarbeiten oder Arbeiten in Zwangshaltungen. Die Gebrauchsfähigkeit
beider Hände sei für durchschnittliche manuelle Anforderungen ausreichend. Die von der Klägerin früher ausgeübte Tätigkeit
als Versandarbeiterin sei mindestens 6 Stunden täglich möglich. Sie sei auch in der Lage, sich auf andere vergleichbare Tätigkeiten
umzustellen. Die Wegefähigkeit sei gegeben.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin die Einholung eines Gutachtens nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beantragt. Dieses wurde schließlich am 14.02.2011 von Dr. R. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eingeholt. Dieser
hat am 14.02.2011 folgende Diagnosen gestellt:
1. Benzodiazepinabhängigkeit mit ständigem Substanzgebrauch.
2. Schmerzmittelgewohnheit mit ständigem Substanzgebrauch.
3. Gemischte Angststörungen (Panikattacken; Depressivität).
4. Gemischte phobische Störungen (Klaustro-, Agora- und Soziophobie).
5. Undifferenzierte Somatisierungsstörung.
Die Klägerin sei infolge der schwerwiegenden seelischen Störungen nicht in der Lage, den Anforderungen eines Arbeitsplatzes
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu genügen. Ihr Leistungsprofil erfülle nicht die Erwartungen eines Arbeitgebers. Dieser
Leistungsfall sei mit dem 26.07.2009, den Tag der Antragstellung anzunehmen. Gegenüber den Vorgutachten sei festzuhalten,
dass dort der jahrzehntelange schädliche Substanzgebrauch (Bromazepam und später zusätzlich Katadolon) und dessen typische
Folgestörungen des emotionalen Defizitsyndroms, der Motivations- und Willensstörungen, nicht hinreichend gewürdigt worden
seien. Aufgrund der jahrzehntelangen Abhängigkeitserkrankung sei zu befürchten, dass die Folgestörungen nicht zu beheben seien.
Dies könne aber erst nach Abschluss der Motivations-, Entgiftungs- und Entwöhnungsphase im Verlauf der Nachsorgephase eingeschätzt
werden, also nach einem mehrjährigen Zeitablauf. Infolgedessen sei auch die Umstellungsfähigkeit der Klägerin nicht mehr gegeben.
Die Wegefähigkeit sei ebenfalls nicht mehr gegeben. Aufgrund der beschriebenen phobischen Verhaltensstörungen sei es der Klägerin
unmöglich, allein einen Pkw oder ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen. Selbst Anmarschwege im Freien seien deshalb
erheblich eingeschränkt.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14.03.2011 eine prüfärztliche Stellungnahme von Dr. L. zum Gutachten von Dr. R. vorgelegt.
Das Gutachten sei nicht verwertbar, Dr. R. beschreibe keinen ausführlichen psycho-pathologischen Befund. Er führe unter der
Überschrift "psychiatrisch" aus, dass bei der Untersuchung Depressivität und vermehrte Angstanspannung nicht zu beobachten
gewesen seien. Weitere psycho-pathologische Befunde würden nicht beschrieben, es fehlten Angaben zum Antrieb, zur affektiven
Schwingungsfähigkeit, zur kognitiven Leistungsfähigkeit. Die Argumentation hinsichtlich des Arbeitsplatzverlustes der Klägerin
und einer bei ihr seines Erachtens nach bestehenden fehlenden Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt sei aus sozialmedizinischer
Sicht nicht zielführend. Soweit auf die jahrelange Medikamentenabhängigkeit hingewiesen werde, diene diese nicht als Begründung
zu einer Reduzierung des Leistungsvermögens auf weniger als 6 Stunden täglich. Ein schwerwiegender auffälliger psycho-pathologischer
Befund sei gerade nicht festgestellt worden.
Das SG hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Dr.O. eingeholt, die am 29.03.2011 bei ihrem gefundenen Ergebnis verblieben
ist.
Das SG hat sodann mit Urteil vom 03.05.2011 die Klage gegen den Bescheid vom 13.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
25.02.2010 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin könne Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer
Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Dies ergebe sich aufgrund des Gutachtens von Dr.O.
und deren ergänzender Stellungnahme. Dem Gutachten von Dr. R. werde nicht gefolgt. Sowohl Dr.O. als auch Dr. R. hätten bei
ihrer Untersuchung eine schwerwiegende psycho-pathologische Erkrankung nicht feststellen können, insbesondere fänden sich
keine wesentlichen Beeinträchtigungen bezüglich der affektiven Schwingungsfähigkeit und des Antriebs. Ferner seien auch noch
Behandlungsmöglichkeiten vorhanden, die ausgeschöpft werden müssten. Dass die Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet nicht so schwerwiegend seien wie Dr. R. angenommen habe, zeige sich auch daran, dass der behandelnde Nervenarzt
Dr. M keine wesentliche Verschlechterung des Zustandes habe konstatieren können. Auch die orthopädischen Erkrankungen führten
zu keinen Funktionsdefiziten, weshalb daraus lediglich qualitative Leistungseinschränkungen zu folgern seien.
Zur Begründung der hiergegen am 17.05.2011 beim SG A-Stadt eingelegten Berufung, die am 19.05.2011 an das Bayer. Landessozialgericht weitergeleitet wurde, weist der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin wiederum darauf hin, dass die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin insbesondere auf neurologischem und
psychiatrischem Fachgebiet nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Ferner lägen auch Gesundheitsstörungen auf orthopädischem
und internistischem Fachgebiet vor. Dem Gutachten Dr. R. sei zu folgen, der bereits eine quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit
der Kläger befundet habe. Vorgelegt wurden hierzu verschiedene ärztliche Atteste und Arztbriefe.
Mit Schriftsatz vom 08.11.2012 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Klägerin am 28.06.2012 eine Trümmerfraktur
des rechten Handgelenkes mit bleibenden schweren Verletzungsfolgen erlitten habe. Vorgelegt wurde hierzu der Bericht der Kliniken
Dr. E. vom 09.07.2012 über die im Juli 2012 durchgeführte stationäre Behandlung. Ergänzend teilte der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin mit, dass trotz durchgeführter operativer Versorgung mit sich anschließender Physiotherapie eine ausgeprägte
Bewegungs- und Belastungseinschränkung zu verzeichnen sei. Die unfallverletzte Gebrauchshand sei nicht mehr verwendungsfähig,
so dass ausschließlich und mit erheblicher Mühe die linke Hand betätigt werden müsse. Die ambulante ärztliche Nachbehandlung
der schweren Unfallfolgen finde bei Dr. D. statt. Der Senat hat daraufhin einen ärztlichen Befundbericht von Dr. D. angefordert,
der am 29.11.2012 mitteilte, dass am 24.10.2012 das rechte Handgelenk als "leicht geschwollen, Beugung/Streckung 70 - 0 -
60 Grad, Sensomotorik und Durchblutung rechte Hand in Takt" beschrieben hat. Ferner wurde am 14.11.2012 eine Einschränkung
der Beweglichkeit der rechten Schulter beschrieben in Form eines Schulter-Arm-Syndroms mit muskulären Verspannungen im Bereich
der HWS und der rechten Schulter. Gleichzeitig war ein regelrechter postoperativer Verlauf, eine primäre Wundheilung, insgesamt
zeitgerechter Heilungsverlauf der rechten Hand beschrieben. Neu dazugekommen sei das Schulter-Arm-Syndrom rechts.
Der Senat hat des Weiteren Berichte der Physiotherapeutin J. sowie der behandelnden Ärzte Dr. M, Dr. D. und Dr.E. beigezogen.
Sodann hat der Senat ein orthopädisches Gutachten von Dr.F. eingeholt, der nach Untersuchung der Klägerin am 29.10.2013 in
seinem Gutachten vom 19.11.2013 folgende Diagnosen gestellt hat:
1. Leichte Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule mit muskulären Verspannungen und wiederkehrenden Zervicobrachialgien
bei Verschleiß und Bandscheibenschäden ohne motorische Defizite.
2. Leichte bis mäßige Einschränkungen der Lendenwirbelsäulenentfaltbarkeit bei Verschleiß mit pseudoradikulärer Schmerzsymptomatik
ohne motorische Defizite.
3. Belastungsminderung und leichte Funktionseinschränkung des rechten Handgelenkes nach operativ versorgter, in leichter Fehlstellung
verheilter Fraktur.
Trotz der festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet könne die Klägerin leichte bis mittelschwere
körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden seien länger
anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen, insbesondere mit stark nach vorne gebeugtem Oberkörper, längere Arbeiten
in gebückter oder gehockter Stellung, besondere Kraftanstrengungen für das rechte Unterarm-Hand-System sowie Kälte, Nässe,
Zugluft ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Die gesundheitlichen Einschränkungen, die zu den qualitativen Leistungseinschränkungen
führen würden, bestünden schon seit geraumer Zeit. Bereits im Januar 2009 sei anlässlich einer neurologischen Untersuchung
eine Computertomographie der HWS durchgeführt worden, wo sich bereits Verschleißerscheinungen im unteren Abschnitt gezeigt
hätten. Zu weiteren qualitativen Einschränkungen sei es durch die Folgen des Handgelenksbruchs mit operativer Versorgung im
Juli 2012 gekommen. Die genannten qualitativen Einschränkungen seien als dauerhaft zu werten. Die Wegefähigkeit der Klägerin
sei gegeben.
Des Weiteren hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr.G. eingeholt, der am 31.10.2013 zu folgenden
Diagnosen gelangt ist:
1. Leichtes Karpaltunnelsyndrom beidseits, rechts deutlicher ausgeprägt als links ohne funktionelle Einschränkungen.
2. Angststörung einhergehend mit einzelnen Panikattacken.
Die zuletzt genannte seelische Störung lasse sich durch die Klägerin mit zumutbarer Willensanstrengung sowohl aus eigener
Kraft wie auch durch ärztliche Hilfe (zumindest ambulante Psychotherapie) soweit überwinden, dass derzeit der Alltag bewältigt
werden könne und bis 2009 auch eine vollschichtige berufliche Tätigkeit habe geleistet werden können. Auch jetzt noch könne
die Klägerin aus neurologisch-psychiatrischer Sicht leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig
verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten in engen Räumen oder Arbeiten, die ein häufiges Benutzen von engen Fahrstühlen erfordere.
Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich aus neurologisch-psychiatrischer
Sicht seit Juli 2009 nicht verändert.
Ein Antrag der Klägerin vom 26.08.2013 auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wurde von der
Beklagten mit Bescheid vom 09.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2014 abgelehnt.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat sodann ein Gutachten nach §
109 SGG von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie H. eingeholt. Nach Untersuchung am 08.04.2014 und 27.05.2014 ist Frau
H. zu folgenden Diagnosen gelangt:
1. Angststörung
2. Panikattacke
3. Dysthymia
4. Benzodiazepinabusus
5. Somatisation
6. Karpaltunnelsyndrom rechts ausgeprägter als links ohne funktionelle Einschränkungen.
Die Klägerin könne Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr vollschichtig verrichten. Sie sei nur noch unter
3 Stunden einsatzfähig, da die Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit nicht mehr gegeben sei. Es komme immer wieder zu
Angstzuständen mit Konzentrationsstörungen. Nicht möglich seien Arbeiten in engen Räumen, auf Leitern und Gerüsten sowie Heben
und Tragen schwerer Lasten. Die Konzentrationsfähigkeit sei eingeschränkt. Die Klägerin könne einen Weg zur Arbeit zu Fuß
oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht möglich. Die qualitativen Leistungseinschränkungen
bestünden seit ca. 20 Jahren. Es habe sich jedoch eine deutliche Verschlechterung ergeben. Dr. R. komme im Jahr 2011 zu dieser
Einschätzung, der sie sich anschließe. Es handele sich um eine dauerhafte Funktionseinschränkung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.05.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25.02.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 16.07.2009 Rente wegen
voller,
hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.05.2011 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Akten des Zentrums Bayern
Familie und Soziales - Versorgungsamt - A-Stadt mit dem Az. 0673963 sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 03.05.2011 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §
43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 13.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2010 ist rechtlich
nicht zu beanstanden.
Gemäß §
43 Abs
1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei- träge
für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach §
43 Abs
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen auf
neurologisch-psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet durchaus noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.
Vermieden werden müssen aufgrund der orthopädischen Einschränkungen länger anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen,
insbesondere mit stark nach vorne gebeugten Oberkörper, längere Arbeiten in gebückter oder gehockter Stellung, besondere Kraftanstrengungen
für das rechte Unterarm-Hand-System sowie Kälte, Nässe, Zugluft ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Von der Schwere der
Tätigkeit her können nur noch leichte bis zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten verrichtet werden. Aufgrund der
Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sind der Klägerin Tätigkeiten verwehrt, die in engen Räumen ausgeführt
werden müssten oder die ein häufiges Benutzen von engen Fahrstühlen erfordern würden.
Der Senat stützt seine Überzeugung auf die eingeholten Gutachten von Dr.F. auf orthopädischem Fachgebiet und Dr.G. auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet. Der Schwerpunkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Klägerin liegt dabei in erster Linie auf dem neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet.
Die von allen medizinischen Sachverständigen festgestellten Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet bedingen
lediglich qualitative Leistungseinschränkungen im Hinblick auf die Schwere der Arbeit sowie auf mögliche Zwangshaltungen oder
einseitige Belastungen und führen definitiv nicht zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens. Es handelt sich
in erster Linie um leichte Abnutzungserscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, einem Schulter-Arm-Syndrom
mit muskulären Verspannungen und gelegentlichen Überlastungserscheinungen sowie um Einschränkungen infolge des im Juni 2012
erlittenen Bruches des rechten Handgelenkes. Diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann durch Einhaltung der genannten
qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden.
Demgegenüber ist das Ausmaß der Leistungseinschränkung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zwischen den ärztlichen
Sachverständigen durchaus umstritten. Während die Sachverständigen Dr. W., Dr. B., Dr.O. und Dr.G. von einem mindestens 6-stündigen
Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ausgehen, kommen Dr. R. und die Fachärztin H. zu dem
Ergebnis, dass die Klägerin nur noch ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen infolge ihrer neurologisch-psychiatrischen Erkrankung
besitzt. Dr. R. stützt diese Leistungseinschränkungen in erster Linie auf eine Medikamentenabhängigkeit der Klägerin und eine
langjährige Beeinträchtigung, die ihr Selbstwertfühl nachhaltig betroffen habe. So werden im Gutachten von Dr. R. zahlreiche
psychisch belastende Ereignisse aus der Kindheit der Klägerin aufgezählt, so die Geburt durch die alleinstehende Mutter, den
Vater, der sich nie um die Klägerin kümmerte und auch den Unterhalt nicht zahlte, der frühe Tod der Mutter, die Unterbringung
bei Verwandten, bei denen sich die Klägerin nicht aufgehoben fühlte und schließlich der Umzug nach Deutschland, wo sie zwar
bald einen Landsmann heiratete, der ihr aber wohl nicht die erhoffte Geborgenheit vermitteln konnte. Die für die Schmerzen
und die Depressivität der Klägerin verordneten Medikamente hätten sich infolge der Gewöhnung an die Substanzen in ihr Gegenteil
verkehrt und die Leiden der Klägerin massiv verschlimmert. Dieser Einschätzung schließt sich die Fachärztin H. an, die schließlich
im Arbeitsplatzverlust infolge der Insolvenz des Arbeitgebers den entscheidenden Anstoß für eine deutliche Leidensverschlimmerung
sieht.
Der Senat folgt jedoch den beiden Gutachten von Dr. R. und der Fachärztin H. nicht, sondern stützt seine Überzeugung auf die
eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. G. und Dr. F. sowie auf das Gutachten des sozialgerichtlichen Verfahrens von
Dr. O. und deren ergänzender Stellungnahme.
Zum einen ist festzuhalten, dass die Erlebnisse in der Kindheit der Klägerin wohl offenbar keinen Einfluss auf ihr Erwerbsleben
gehabt hatten. Sie konnte ununterbrochen seit ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland beim gleichen Arbeitgeber
versicherungspflichtig in Vollzeit tätig sein, sie konnte die notwendigen Wege zur Arbeit mittels öffentlicher Verkehrsmittel
zurücklegen, auch ohne Begleitung. Der Hinweis der Klägerin, dass dies von ihr nur habe bewältigt werden können, weil immer
die gleichen Fahrgäste im Waggon gesessen hätten, widerspricht offenkundig der Lebenswirklichkeit. Gleiches gilt für die Angaben
der Klägerin, bei Panikattacken sofort per Handy ihren Ehemann oder ihre Tochter erreichen zu können, die ihr dann beigestanden
hätten. Beide sind bzw. waren bei anderen Arbeitgebern selbst in Vollzeit beschäftigt.
Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 14.02.2011 selbst festgehalten, dass bei seiner Untersuchung keine offene Depressivität
und auch keine vermehrten Angstanspannungen der Klägerin hätten beobachtet werden können. Obwohl er in einem "Test zur Erfassung
des Schweregrades einer Depression (TSD)" zu einem Wert von 85, mithin zu einer schweren Depression gelangt ist, die er keinem
konkreten Bereich zuordnen konnte, sondern als Ausdruck Substanz induzierter Verstimmungen gesehen hatte, versuchte er in
seinem Gutachten keine Objektivierung der subjektiv geschilderten Probleme der Klägerin. Darauf weist auch der Prüfarzt der
Beklagten, Dr. L. in seiner Stellungnahme vom 13.03.2011 hin. Feststellungen zu einem fehlenden Antrieb, zur affektiven Schwingungsfähigkeit
und zur kognitiven Leistungsfähigkeit würden nicht beschrieben. Eine Schilderung des üblichen Tagesablaufs der Klägerin erfolgt
nicht. Die ärztliche Sachverständige Dr.O. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 29.03.2011 darauf hingewiesen, dass
es sich bei der Medikation der Klägerin um eine niedrig dosierte Medikation handelt. Die Schmerzmittelgabe könne im Hinblick
auf die vorhandenen somatischen Beschwerden durchaus nachvollzogen werden. Selbst der behandelnde Nervenarzt der Klägerin
hat keine Anhaltspunkte für eine Suchterkrankung der Klägerin gesehen, der durch eine Änderung der Behandlung und Medikation
hätte Rechnung getragen werden müssen. Frau Dr.O. weist auch zutreffend darauf hin, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung
von Dr. R. mit dem Gutachten von Dr. B. nicht erfolgt, insbesondere keine Objektivierung der geschilderten Beschwerden. Die
Klägerin weise auch selbst nur global auf ihre "Angst und Panik" hin, während sie andererseits unter den angstinduzierten
Limitationen nicht wirklich zu leiden scheine. Kognitive Beeinträchtigungen im Sinne einer übermäßigen Sedierung durch die
verwendeten zentralnervösen Substanzen ließen sich nicht sichern, so dass alles in allem - angesichts des Arbeitsplatzverlustes
nach langjähriger Betriebszugehörigkeit - die soziale Situation wesentlich mehr Bedeutung für den Rentenantrag haben dürfte
als die tatsächliche Beeinträchtigung durch die seit Jahrzehnten anhaltende Angststörung. Es sei ausdrücklich darauf hinzuweisen,
dass notwendige und sinnvolle Behandlungsmaßnahmen intensiviert werden sollten, insbesondere die Durchführung einer ambulanten
Psychotherapie.
Entscheidend für den Senat ist vorliegend, dass aus dem von der Klägerin selbst geschilderten Tagesablauf eine wesentliche
Einschränkung der Erlebnisfähigkeit und des Alltagsgeschehens der Klägerin nicht zu erkennen ist. Aus den verschiedenen in
den Akten enthaltenen Schilderungen der Klägerin über ihren Tagesablauf wird ersichtlich, dass sie einen durchaus "normalen"
Tagesablauf zu gestalten vermag, wobei sie offensichtlich große Unterstützung durch ihren Ehemann und ihre noch im Haushalt
lebende, 34 Jahre alte Tochter erfährt. Die Klägerin geht noch einkaufen, ist grundsätzlich in der Lage, ihren Haushalt zu
versorgen und zu kochen. Sie kann Freunde besuchen, Anhaltspunkte für einen sozialen Rückzug sind nicht zu finden. Sie fährt
auch regelmäßig nach Slowenien. Im Rahmen der Anamneseerhebung durch die Fachärztin H. gab die Klägerin einen vergleichbaren
Tagesablauf an wie bei den anderen Sachverständigen und gab des Weiteren an, dass sie mindestens 100 Stunden Psychotherapie
hinter sich habe, und zwar bei ihrer Verwandtschaft in Slowenien. Diese hätten ihr jedoch nichts gebracht. Nach den eigenen
Angaben der Klägerin hat diese Gesprächstherapie bei einem älteren Verwandten stattgefunden, der Neurochirurg war.
Die Angaben der Klägerin sind nach Auffassung des Senats an vielen Stellen inkonsistent. So gibt sie an, sie könne nicht allein
sein, brauche Begleitpersonen, habe Angst vor vielen Menschen, vor jeder Autofahrt und könne nicht in Flugzeugen, Aufzügen
oder hoher Höhe oder in geschlossenen Räumen sein und auch keine Dunkelheit ertragen. Sie müsse im Schlafzimmer das Licht
anlassen, weil sie Angst habe, dass jemand ins Haus komme und habe hierüber Streit mit dem Ehemann. Auf der anderen Seite
ist sie in der Lage, den Haushalt zu versorgen, ihre Katze zu betreuen, das Haus zu verlassen, auszugehen, Freunde zu besuchen,
mit dem Fahrrad Touren zu unternehmen und insbesondere auch den Weg nach Slowenien mehrmals im Jahr zurückzulegen. Sie fühlt
sich von den Sachverständigen falsch verstanden. Einen Zeitpunkt für den Beginn oder eine wesentliche rentenrechtlich relevante
Verschlimmerung ihres psychischen Leidens kann die Klägerin nicht benennen, sie bleibt in ihren Schilderungen durchweg vage.
Soweit die Fachärztin H. darauf hinweist, dass die Klägerin bereits seit 1995 den GdB von 60 sowie das Merkzeichen G und B
zuerkannt bekommen hat, ist dies für den Senat ein weiteres Indiz für die Inkonsistenz der Angaben der Klägerin. Aus der Schwerbehindertenakte
des Versorgungsamtes A-Stadt geht hervor, dass der Erstantrag im Jahr 1987 bereits mit hochgradigen psychovegetativen Störungen
mit depressivem Einschlag begründet worden war sowie mit einem "Verdacht auf Entwurzelungssyndrom". Der Klägerin wurde daraufhin
ein GdB von 20 zuerkannt, insbesondere ein Einzel-GdB von 20 auf die hochgradigen psychovegetativen Störungen. Im Verschlimmerungsantrag
vom 10.07.1995 war als Grund angegeben, dass sie Angstzustände mit Phobien habe und eine Begleitperson benötige, weil sie
sonst in Panik verfalle. In einem Befundbericht des behandelnden Hausarztes P. vom 19.09.1995 war angegeben, dass die Klägerin
unter hochgradigen Phobien leide, nicht mehr in der Lage sei, allein auf die Straße zu gehen und eine Begleitperson brauche,
weil sie sonst in Schweißausbrüche gerate, häufig wieder nach Hause zurückkehre und sich dort einschließe. Der Arzt für Neurologie
und Psychiatrie Dr. K. hat unter dem 05.07.1995 angegeben, dass die Klägerin Beschwerden iS einer Klaustro- und Agoraphobie
angegeben habe. Auf dem Weg zum Arbeitsplatz brauche sie häufig eine Begleitperson. Sie habe oft auch Angst dass ihrem Mann
oder ihrer Tochter etwas passieren könnte. Aufgrund dieser Berichte ist zunächst vom Versorgungsamt eine Verschlimmerung abgelehnt
worden (Bescheid vom 03.11.1995). Hiergegen hatte die Klägerin zwar Widerspruch eingelegt, diesen aber nicht begründet und
keine weiteren neuen Befunde vorgelegt. Aufgrund einer versorgungsamtsärztlichen Stellungnahme unter Bezug auf den zitierten
Befund des Hausarztes, also ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens, wurde der Klägerin ein Einzel-GdB von 60 wegen
der seelischen Störung zuerkannt, zusätzlich die Merkzeichen G und B, wenngleich eine Besserung bei entsprechender Behandlung
innerhalb von 2 Jahren für möglich erachtet wurde. Die von Amts wegen durchgeführten Nachprüfungen im Abstand von zunächst
jeweils 2 Jahren hatten jeweils keine Änderung ergeben, wenngleich auch hier kein einziges Sachverständigengutachten eingeholt
worden war. Trotz dieser im Schwerbehinderten-Verfahren bereits im Jahr 1995 festgestellten (und eigentlich bereits seit 1987
vorgetragenen) vermeintlich massiven psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin war diese in der Lage, ihre vollschichtige
Tätigkeit bei der Firma E. als Versandarbeiterin auszuüben. Ein Verlust des Arbeitsplatzes erfolgte nicht infolge der Erkrankung,
sondern infolge der Insolvenz des Arbeitgebers. Der Zeitpunkt der Rentenantragstellung deckt sich mit dem Eintritt der Arbeitslosigkeit
nach Entlassung aus der Auffanggesellschaft. Auch in ihrem im Rentenverfahren übergebenen Schreiben mit der Überschrift "Mein
Leben mit der Nervenkrankheit" hat die Klägerin selbst angegeben, dass sie seit früher Kindheit unter Ängsten gelitten habe.
Es habe aber immer irgendwie weiter gehen müssen. Einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung habe sie sich immer in
ihrem Urlaub in Slowenien unterzogen. Nachdem sie im Jahr 2007 erfahren habe, dass ihre Abteilung schließen werde, sei dies
wieder ein Schicksalsschlag gewesen, der ihr den Boden unter den Füßen weggezogen habe. Seitdem habe sie noch mehr Angstzustände,
Panikattacken, innere Unruhe ... Die Klägerin hat aber trotz dieses "Schicksalsschlages" 2007 noch bis August 2009 weiter
gearbeitet, hat den täglichen Weg zur Arbeit zurückgelegt und ihren Alltag bestritten.
Eine intensive, leitliniengerechte Behandlung der psychischen Erkrankung ist trotz der in allen Gutachten enthaltenen Empfehlung
bis zum heutigen Tag nicht erfolgt und trotzdem kann eine relevante Einschränkung ihre Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
der Klägerin infolge ihrer psychischen Erkrankung nicht festgestellt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) und des Senats sind psychische Erkrankungen jedoch in der Regel erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater
Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen
Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft nicht mehr überwinden kann
(BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach [...]; BayLSG Urteil vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08; BayLSG Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08; BayLSG Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09; BayLSG Urteil vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08). Die Erkrankungen der Klägerin auf psychischem Gebiet sind ohne Zweifel behandlungsbedürftig, aber eben auch durchaus noch
behandlungsfähig.
Nach alledem ist die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 03.05.2011 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.