Rente wegen Erwerbsminderung
Posttraumatische Belastungsstörung
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung
aufgrund ihres Antrags vom 11.06.2014 hat.
Die 1966 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert. Nach Besuch der Realschule absolvierte die Klägerin mehrere
Praktika und war von 11/1985 - 01/1986 als Verpackerin versicherungspflichtig beschäftigt. Von 05/1986 - 05/1987 absolvierte
sie ein weiteres Praktikum als Näherin in einem Jugendprojekt. Anschließend war sie nach ihren eigenen Angaben bis 08/2006
nicht berufstätig wegen einer "Familienphase/Erziehung von 3 Kindern", unterbrochen durch eine Tätigkeit als Hauswirtschaftshelferin
in einem Pflegeheim in T-Stadt von Februar bis Dezember 2003. Von 08/2006 - 06/2007 arbeitete die Klägerin als Kassiererin
und Aushilfskraft bei der Fa. T. in W-Stadt, anschließend war die Klägerin arbeitssuchend. Von März 2008 bis August 2008 absolvierte
sie eine Weiterbildungsmaßnahme der Arbeiterwohlfahrt A-Stadt ("E."), von 12/2008 - 02/2009 eine Weiterbildung zur Betreuungskraft
für Demenzerkrankte. Von April 2009 - April 2011 war sie als Betreuungskraft in einem Pflegeheim in N-Stadt versicherungspflichtig
beschäftigt. Zuletzt war die Klägerin von Januar - Februar 2013 wieder als Betreuungskraft in einem Pflegeheim beschäftigt.
Vom 15.10.2012 bis 15.11.2012 befand sich die Klägerin in einer stationären medizinischen Rehabilitation in der psychosomatischen
Abteilung der Reha-Klinik B ... In der Zeit vom 23.04.2013 bis 14.06.2013 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung
in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Klinikums A-Stadt. Mit Bescheid des Zentrum Bayern Familie
und Soziales - ZBFS -, Versorgungsamt A-Stadt, vom 11.10.2013 wurde ihr ein Grad der Behinderung - GdB - von 40 zuerkannt
(Einzel-GdB von 40 wegen PTS, Depression, chron. Schmerzsyndrom, Kopfschmerzsyndrom, GdB von 10 wegen Funktionsbehinderung
Schultergelenk, GdB von 10 wegen Allergie).
Am 11.06.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen einer komplexen posttraumatischen
Belastungsstörung, Depressionen, Angst- und Panikstörung. Sie halte sich seit Anfang 2010 für erwerbsgemindert. Die Beklagte
holte ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten von Dr. N. ein, der am 28.08.2014 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin
trotz bestehender qualitativer Leistungseinschränkungen in der Lage sei, die letzte Tätigkeit als Betreuerin von Demenzkranken
und auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten
in Nachtarbeit und unter Zeitdruck, lange Anfahrtswege, beengende Situationen mit Menschenansammlungen und Tätigkeiten mit
Publikumsverkehr. Die Klägerin sei behandlungsbedürftig. Die letzte Tätigkeit sei nicht wegen der psychischen Situation der
Klägerin beendet worden, sondern infolge der besonderen Umstände am Arbeitsplatz (Mobbing nach Anzeige von Gewaltanwendung
gegen Heimbewohner bei der Heimleitung und bei der Heimaufsicht). Hinterfragt werden müsse auch der Grund für einen weitgehenden
Verzicht auf eine psychopharmakologische Behandlung, ein Johanniskrautpräparat sei erfahrungsgemäß nur wenig wirksam. Eine
vorzeitige Berentung würde zweifellos einer weiteren Chronifizierung Vorschub leisten und voraussichtlich zu einer Dauerberentung
führen. Bei Fortsetzung der therapeutischen Maßnahmen werde die Prognose eher vorsichtig optimistisch eingeschätzt.
Die Beklagte lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10.09.2014 eine Rentengewährung ab. Der hiergegen am 01.10.2014
vom damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin (VdK) eingelegte Widerspruch wurde dahingehend begründet, dass die Klägerin
sich selbst kaum belastbar fühle, sie gerate bei jeder Form von Stress sofort in Panik, schwitze und habe Schmerzen und Magen-Darm-Störungen.
Insbesondere auf Menschenansammlungen reagiere sie panisch, was auch zum anerkannten GdB von 40 geführt habe. Hinzu kämen
die bekannten Beschwerden mit der Schulter. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2014 als
unbegründet zurück.
Zur Begründung der hiergegen am 06.11.2014 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin (jetzt DGB) unter Bezugnahme auf die Stellungnahme
im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen, dass die Klägerin nur noch unter dreistündig tätig sein könne. Eine weitere Begründung
wurde nicht gegeben.
Das SG hat Befundberichte des behandelnden Psychiaters Dr. D. und der Dipl.Psych. Dr. phil. S. vom ambulanten Behandlungszentrum
des Klinikums A-Stadt sowie die Akten des ZBFS - Versorgungsamt A-Stadt - beigezogen und ein neurologisch/psychiatrisches
Gutachten von Dr. W. eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 01.05.2015 zu folgenden Diagnosen gelangt: 1. Komplexe Traumafolgestörung
mit - Posttraumatischer Belastungsstörung - Angsterkrankung mit Panikstörung und Agoraphobie mit autonomen Funktions- störungen
des Darmes - rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwer - chronische Schmerzerkrankung mit körperlichen und psychischen
Faktoren 2. Cervicocephales und cervicobrachiales Syndrom links nach Schultertrauma 2005
Bei den gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin handele es sich um echte psychische Krankheitsbilder. Von körperlicher
Seite bestehe eine Hashimoto-Thyreoiditis, eine chronische Cervikobrachialgie/-cephalgie, ausgelöst durch einen Unfall (Schultertrauma
2005) sowie Abnutzungserscheinungen des linken Knies, die aber lediglich qualitative Einschränkungen begründen könnten. Sie
teile die Auffassung des von der Beklagten beauftragten Dr. N., dass eine Berentung der Klägerin keine ideale Maßnahme darstelle.
Sie halte die Klägerin jedoch momentan nicht für so belastungsfähig, dass sie den Erfordernissen des allgemeinen Arbeitsmarktes
standhalte. Die Klägerin habe von der Primärpersönlichkeit her deutliche strukturelle Defizite. Ihre Beziehungsmuster seien
extrem geprägt durch die Angst des Verlustes des Partners, Angst allein zu bleiben, Angst enttäuscht zu werden. Aufgrund der
geschilderten ungünstigen psychischen Entwicklung in der Kindheit sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin Stresstoleranz
und Anpassungsfähigkeit insbesondere in personellen Interaktionen deutlich herabgesetzt seien. Das Argument von Dr. N., dass
die Klägerin nach dem erlittenen Trauma, als sie im Jahr 2000 ihren Ex-Ehemann bei einem Suizidversuch aufgefunden und ihm
das Leben gerettet habe, durchaus noch in der Lage gewesen sei, ihre 3 Kinder großzuziehen und eine neue Partnerschaft einzugehen,
sei ihrer Meinung nach nicht ausschlaggebend. Eine Dekompensation der Klägerin sei erfolgt, nachdem die Klägerin bei der Verwirklichung
ihrer beruflichen Pläne so stark gescheitert sei, dass ihr Lebenstraum, tatsächlich eine Ausbildung zu haben und selbständig
arbeiten zu gehen, geplatzt sei. Von den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen habe die Klägerin nicht ausreichend profitieren
können. Sie benötige eine spezielle Traumatherapie. Sie räume ein, dass die Behandlungsoptionen der Klägerin nicht ausgeschöpft
seien. Von Psychopharmaka verspreche sie sich aber keine ausreichende Wirkung, da die Hauptproblematik in der Beherrschung
der Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung und der Schmerzerkrankung lägen, die erfahrungsgemäß mit Psychotherapie
zu behandeln seien. Ein gegenüber der Begutachtung von Dr. N. eingetretenes Ereignis der Verschlimmerung liege nicht vor.
Aus der Intensität ihrer Befragung resultiere jedoch, dass die Beschwerden schwerwiegender seien als von Dr. N. angenommen.
Die Klägerin könne gegenwärtig nur unter 3 Stunden täglich tätig sein. Möglich seien leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne
einseitige Belastung des linken Armes, keine Zwangshaltungen, keine Arbeiten, die mit einer vermehrten Belastung des Nackenbereichs
einhergingen, keine Arbeiten, die ständiges Knien oder in-die-Hocke-gehen erforderten. Günstig seien Arbeiten in wechselnder
Körperhaltung vorwiegend im Sitzen. Keine extreme Kälte- oder Wärmeexposition, keine Akkordarbeiten, keine Arbeiten in Großraumbüros
oder in größeren Menschenmassen. Keine Arbeit an ständig wechselnden Einsatzorten, keine Nachtschichten. Keine Arbeiten, die
eine ständige Auseinandersetzung mit Krankheit und Tod erfordern würden. Die Klägerin habe ihre letzte stationäre psychosomatische
Behandlung im KNS (Klinikum A-Stadt Süd) Mitte 2013 gehabt. Laut Brief von Dezember 2014 habe sich etwa 7 Monate lang ein
relativ stabiler Zustand gezeigt, so dass eine Verschlechterung Anfang 2014 anzunehmen sei, infolge dessen sei auch der Rentenantrag
im Juni 2014 gestellt worden. Eine Tätigkeit in einer Pflegeeinrichtung sei durchaus problematisch einzuschätzen, nicht zuletzt
wegen des starken emotionalen Engagements der Klägerin in ihrem Beruf. Eine eventuelle Besserung des psychischen Beschwerdekomplexes
werde nicht für ausgeschlossen erachtet, man müsse hierfür aber 1 - 2 Jahre abwarten. Voraussetzung sei allerdings, dass die
Klägerin tatsächlich einen guten Traumatherapeuten finde, der sie auch ambulant führen könne und dass der geplante stationäre
Aufenthalt im KNN (Klinikum A-Stadt Nord) wie geplant verlaufe und nochmals eine Besserung bewirken könne.
Mit Schriftsatz vom 17.08.2015 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass nach dem Gutachten von Dr. W. bei der Klägerin vom
Vorliegen eines Behandlungsfalles auszugehen sei und dass aufgrund der bestehenden Behandlungsoptionen eine Rentengewährung
gegenwärtig nicht in Betracht komme.
Mit Schriftsatz vom 19.11.2015 teilte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass er auf Wunsch der Klägerin
sein Mandat mit sofortiger Wirkung niederlege. Mit Schreiben vom 18.11.2015 hat sich der jetzige Prozessbevollmächtigte der
Klägerin angezeigt und ein Schreiben der Klägerin vom 18.11.2015 an den DGB beigefügt, wonach sie das Vertrauen verloren habe,
durch den DGB angemessen vor Gericht vertreten zu werden.
Nach Gewährung von Akteneinsicht an den neuen Prozessbevollmächtigten und Anhörung der Beteiligten hat das SG sodann durch Gerichtsbescheid vom 19.01.2016 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 10.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 17.10.2014 verurteilt, bei der Klägerin den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Zeit mit Rentenantragstellung
anzunehmen und der Klägerin ab dem 01.01.2015 befristet bis 31.12.2017 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Aufgrund des
überzeugenden Gutachtens von Dr. W. stehe fest, dass das Leistungsvermögen der Klägerin ab Rentenantragstellung auf unter
3 Stunden täglich abgesunken sei. Die Klägerin leide unter einer komplexen Traumafolgestörung, die zu massiven Einschränkungen
ihrer Aktivitäten in unterschiedlichen Lebensbereichen führe und einer intensiven Behandlung bedürfe. Die Klägerin habe sich
bereits vielen Behandlungsmaßnahmen unterzogen, auch wenn diese noch nicht bis auf das Letzte ausgereizt worden seien.
Hiergegen hat die Beklagte am 29.01.2016 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und mit Schriftsatz vom 15.03.2016
diese dahingehend begründet, dass bei der Klägerin die wesentlichen gesundheitlichen Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet
lägen. Diese Erkrankungen seien erst dann rentenrechtlich relevant, wenn die Klägerin diese trotz adäquater Behandlung weder
aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden könne. Sowohl nach dem Gutachten von
Dr. N. als auch nach dem von Dr. W. bestünden jedoch Behandlungsoptionen. Dr. W. sehe eine Besserung der Erwerbsfähigkeit
durch eine ambulante Therapie innerhalb von 1 - 2 Jahren. Durch eine stationäre Behandlung in einer auf Traumapatienten spezialisierten
Klinik könne dieser Zeitraum noch verkürzt werden. Ausgehend vom Untersuchungsdatum 30.03.2015 sei eine Besserung der Erwerbsfähigkeit
der Klägerin spätestens Ende März 2017 zu erwarten. Die vom SG vorgesehene Befristung der Rente bis 31.12.2017 sei somit nicht nachvollziehbar.
Dem gleichzeitig gestellten Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem erstinstanziellen Urteil wurde mit
Beschluss des Senats vom 07.04.2016 entsprochen (Az L 19 R 182/16 ER). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.03.2016 darauf hingewiesen, dass die Klägerin in
der Vergangenheit alle Behandlungsmöglichkeiten ergriffen habe, die sich ihr geboten hätten. Das Krankheitsbild sei so stark
ausgeprägt, dass es trotz geeigneter Therapiemaßnahmen von ihr nicht soweit beherrscht werden könne, dass sie Kräfte zur Verfügung
hätte, sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu stellen. Die in der Zeit vom 24.11.2015 bis 05.01.2016 durchgeführte stationäre
Traumatherapie im Klinikum A-Stadt sei ohne entscheidenden Erfolg gewesen. Das Klinikum A-Stadt habe insbesondere selbst die
Behandlung mit Johanniskraut empfohlen, so dass dies der Klägerin nicht vorgehalten werden dürfe. Alle wirkungsvollen Medikamente
seien ausprobiert worden, jedoch sei es der Klägerin dabei immer schlimmer gegangen. Der behandelnde Psychiater Dr. D. gehe
ebenfalls davon aus, dass die medikamentösen Maßnahmen ausgereizt seien. Die Klägerin habe mindestens Anspruch auf eine Zeitrente.
Im Übrigen sei die Wirksamkeit von Johanniskrautpräparaten auch bei mittelschweren Depressionen nachgewiesen. Andere Medikamente
hätte die Klägerin wegen der bestehenden Nebenwirkungen nicht einnehmen können. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13.05.2016
darauf hingewiesen, dass die Krankenkasse der Klägerin eine ambulante Traumatherapie im Umfang von 50 Therapiestunden bewilligt
hätte. Die Krankenkasse gehe insoweit wohl von einem Behandlungsfall aus, weil sie sonst diese Leistungen nicht hätte bewilligen
dürfen.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin, nämlich des Hausarztes Dr. C. (mit weiteren Unterlagen),
des Psychiaters Dr. D., des Psychotherapeuten Dr. F. und des Orthopäden Dr. E. beigezogen und sodann ein neurologisch/psychiatrisches
Sachverständigengutachten von Dr. G. eingeholt, der am 19.02.2017 zu folgenden Diagnosen gelangt ist: 1. Rezidivierende depressive
Störung, derzeit weitgehend remittiert 2. Posttraumatische Belastungsstörung 3. Chronische Schmerzstörung mit somatischen
und psychischen Faktoren 4. Kopfschmerzen vom Spannungstyp Bei den diagnostizierten psychiatrischen Erkrankungen handele es
sich um echte psychische Krankheitsbilder, die die Klägerin weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer
Hilfe überwinden könne. Hiervon sei aufgrund des langen Verlaufs und der bereits umfangreich stattgehabten stationären und
ambulanten Therapien auszugehen. Zumutbare Behandlungsoptionen seien ausgeschöpft worden in Form von drei mehrwöchigen stationären
Psychotherapien, auch im Sinne einer Traumatherapie. Um Verhaltensänderungen zu bewirken, die bisher offensichtlich noch nicht
hätten erreicht werden können, sei die Durchführung einer Psychotherapie auf Verhaltenstherapiebasis zu empfehlen, die ambulant
durchgeführt werden könne. Insgesamt sei aber eine zurückhaltende Prognose zu stellen. Allerdings seien die Gesundheitsstörungen
nicht so ausgeprägt, dass damit eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin zu begründen wäre. Ihr sei
eine noch mindestens 6stündige Tätigkeit zuzumuten. Möglich wären noch leichte, gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten.
Nicht zumutbar wären Arbeiten unter Zeitdruck oder in Wechselschicht aufgrund der rezidivierenden depressiven Störung. Aufgrund
der leichten kognitiven Einschränkungen bzgl. Gedächtnis und Merkfähigkeit seien keine Arbeiten mit besonderen Anforderungen
an Gedächtnisleistungen abzuverlangen. Die Leistungsmotivation der Klägerin sei eingeschränkt. Die Klägerin erwarte vielmehr
passiv, dass ihr geholfen werde. Die Merkfähigkeit der Klägerin habe sich im Screeningtestverfahren leicht eingeschränkt gezeigt.
Die Umstellungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt gewesen, auch nicht das selbständige Denken und Handeln, auch das Unterscheidungs-
und Beurteilungsvermögen nicht. Der beschriebene Zustand bestehe seit 2013. Die Wegefähigkeit der Klägerin sei gegeben. Weitere
Gutachten seien nicht erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.01.2016 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2014
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2014 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.01.2016 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht mit Gerichtsbescheid vom 19.01.2016 der Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
auf Zeit zuerkannt. Eine quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit der Klägerin für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes
auf unter 6 Stunden täglich unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ist nicht nachgewiesen.
Gemäß §
43 Abs
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei- träge
für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit
erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß §
43 Abs
1 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Einen Anspruch auf Rente wegen voller
Erwerbsminderung haben nach §
43 Abs
2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Nachweis einer quantitativen Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin infolge
der vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht erbracht wurde. Zwar bestehen bei der Klägerin psychische Erkrankungen,
die die Klägerin in der Vergangenheit auch hat behandeln lassen, insbesondere durch ambulante Behandlungsmaßnahmen, Einnahme
von Johanniskrautpräparaten und durch dreimalige stationäre Behandlungen. Gleichwohl führen die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen
nicht zu einer Einschränkung der zeitlichen Belastbarkeit der Klägerin, sondern nur zu Leistungseinschränkungen qualitativer
Art im Hinblick auf die Schwere der Tätigkeit und die psychische Belastbarkeit. Ein Absinken des Leistungsvermögens auf unter
6 Stunden täglich ist noch nicht gegeben. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das eingeholte Sachverständigengutachten
von Dr. G. vom 19.02.2017, der zu dem gleichen Ergebnis gelangt ist wie der Sachverständige Dr. N. im Rentenverfahren und
eine mindestens 6-stündige Einsatzfähigkeit der Klägerin für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer
Leistungseinschränkungen annimmt. Demgegenüber ist die Sachverständige Dr. W. in ihrem Gutachten vom 01.05.2015 zu einem unter
dreistündigen Leistungsvermögen der Klägerin ab Rentenantragstellung gelangt, allerdings unter Annahme von Behandlungsoptionen.
Festzuhalten ist, dass alle drei im Verfahren tätig gewordenen Sachverständige den wesentlichen Aspekt zur Beurteilung der
Leistungsfähigkeit der Klägerin in der posttraumatischen Belastungsstörung und der rezidivierenden depressiven Erkrankung
sowie der chronischen Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren sehen, lediglich die Frage des Ausmaßes der
Einschränkungen wird von den Sachverständigen unterschiedlich beurteilt. Dr. W. ging zusätzlich vom Vorliegen einer Angst-
und Panikstörung sowie von einer Agoraphobie aus, für die Dr. G. keinerlei Anhaltspunkte sehen konnte.
Dr. G. weist in seinem Gutachten vom 19.02.2017 darauf hin, dass sich aufgrund der durchgeführten Testverfahren lediglich
Anhaltspunkte für eine rezidivierende depressive Störung gefunden hätten, die gegenwärtig gut remittiert sei. Eine schwerwiegende
depressive Erkrankung konnte er überhaupt nicht erkennen. Bestätigt sah er dies auch aufgrund des Umstandes, dass eine psychiatrische
Behandlung nicht durchgeführt und eine Einnahme von Psychopharmaka weder vom behandelnden Arzt noch von der Klägerin für notwendig
erachtet wird. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass die Klägerin alle Medikamente
ausprobiert hätte und dass aufgrund der Unverträglichkeiten schließlich nur die Behandlung mit Johanniskrautpräparaten übrig
geblieben sei. Die Klägerin selbst hat aber gegenüber den Sachverständigen Dr. N., Dr. W. und Dr. G. angegeben, dass sie wohl
letztmals im Jahr 2011 Psychopharmaka eingenommen habe. Im Entlassungsbericht des Klinikum A-Stadt vom 15.07.2013 ist festgehalten,
dass die Klägerin entgegen der Empfehlung des Klinikums keine weitere/andere antidepressive Medikation als ihre häusliche
Medikation mit Johanniskraut gewünscht habe, die fortgeführt worden sei. Als Entlassungsmedikation ist festgehalten: Johanniskraut
900 (Laif) 1-0-0, Cetirizin 10 mg 1-0-0 (aktuell während Pollenflugzeit), bei Bedarf Metamizol 500 mg max. 3x täglich. Nach
ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2017 wurde auch zwischenzeitlich kein erneuter Versuch einer
medikamentösen Behandlung mit Psychopharmaka unternommen.
Dr. G. hat des Weiteren darauf hingewiesen, dass auch die Schilderung des Tagesablaufs gegen eine tiefergehende depressive
Störung spreche. Die Klägerin sei in der Lage, ihren Tag zu strukturieren, ihren Haushalt zu erledigen, ihre Katzen zu versorgen.
Als Hobbies habe sie angegeben, Aquarell zu malen, sie male Tiere. Sie lese, wenn auch in erster Linie Literatur, die ihr
weiterhelfe, z. B. über die posttraumatische Belastungsstörung, aber auch andere Literatur. Die Klägerin sei offensichtlich
in der Lage, ihr Haus zu verlassen, Einkäufe zu erledigen, Arztbesuche vorzunehmen, Nachbarn zu treffen. Sie sei in der Vergangenheit
in der Lage gewesen, den Haushalt mit drei Kindern zu bewältigen und auch noch eine Ausbildung zur Pflegehilfskraft aufzunehmen.
Sie war auch in der Lage eine neue Beziehung aufzubauen, sie hat ihren Ehemann im Jahr 2004 kennen gelernt, ist über Jahre
zu ihm nach A-Stadt gependelt und ist im Jahr 2007 in das gleiche Haus mit eingezogen. Im Jahr 2013 erfolgte die Eheschließung.
Die Klägerin gab in der stationären Behandlung im Klinikum A-Stadt im Jahr 2013 an, dass die neue Beziehung gut laufe, ihr
Partner sei ruhig und unterstütze sie. Er habe ihr kurz vor Aufnahme in die Klinik einen Heiratsantrag gemacht, den sie angenommen
habe. Die Hochzeitsreise fand in die Karibik statt, die Klägerin konnte an dieser Reise offensichtlich teilnehmen, auch wenn
sie gegenüber Dr. W. und Dr. G. auf die für sie damit verbundenen psychischen Belastungen hingewiesen hat. Die bei den Sachverständigen
geschilderten Tagesabläufe sind dabei durchaus vergleichbar. Die Klägerin ist grundsätzlich in der Lage, ihren Tagesablauf
zu strukturieren und dies war auch in der Vergangenheit so. Sie kann und konnte ihren Haushalt versorgen, sich der Erziehung
von 3 Kindern widmen, trotzdem die neue Beziehung aufbauen, eine Ausbildung zur Pflegehelferin aufnehmen und beruflich als
Pflegekraft für Demenzerkrankte tätig sein. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht wegen psychischer Überforderung durch Krankheit
und Tod beendet, sondern durch den Arbeitgeber, der den Anstellungsvertrag nicht verlängerte bzw. nach Ansicht der Klägerin
infolge Mobbings wegen Anzeige von Pflegemissständen und Gewalteinwirkungen auf Pflegebedürftige. Die Klägerin ist in der
Lage, das Haus zu verlassen, einzukaufen, Arztbesuche zu unternehmen, sie hat Kontakt zu ihren Kindern und zu ihren Eltern,
wenn wohl auch eingeschränkt. Zusammen mit der Schwiegermutter besucht sie zweimal wöchentlich ein Fitnessstudio. Sie pflegt
Hobbies wie malen und lesen. Dr. G. sieht allerdings auch - wie Dr. N. und Dr. W. - eine Fixierung der Klägerin auf die vorliegende
posttraumatische Belastungsstörung, die mit dem Selbstmordversuch des Exmannes der Klägerin im Jahr 2000 verbunden wird. Dr.
G. hält hier in seinem Gutachten allerdings fest, dass diskrepant zu den geschilderten Belastungen die Klägerin durchaus in
der Lage war, den Vorgang sehr detailliert zu beschreiben und dies auch noch ohne jegliche erkennbare emotionale oder affektive
Beteiligung oder gar Entgleisung. Durchaus ungewöhnlich sei - wie auch von Dr. N. festgestellt -, dass dieses Erlebnis ca.
13 Jahre zurück lag, ehe eine diesbezügliche Traumatherapie durchgeführt wurde. Die Klägerin hat gegenüber Dr. G. auf entsprechende
Nachfrage angegeben, dass sie als alleinerziehende Mutter dreier Kinder einfach habe funktionieren müssen, sie habe aber die
ganzen Jahre über körperliche Beschwerden in Form von Magen-Darm-Problemen und körperlichen Schmerzen gehabt. Der Zusammenhang
mit dem Trauma und der dann festgestellten posttraumatischen Belastungsstörung sei im Rahmen der ersten Therapie im Jahr 2013
"hoch gekommen".
Dr. G. weist insoweit darauf hin, dass die Klägerin bei der Testung der Auswirkungen des Suizidversuchs den maximalen Punktwert
von 59 erreicht habe, so dass eigentlich von einem schweren erlebten Trauma auszugehen sei. Die Klägerin habe alle Symptome
einer posttraumatischen Belastungsstörung angegeben gehabt, so dass rein formal die Kriterien hierfür als erfüllt anzusehen
seien. Eine wesentliche Beeinträchtigung durch diese Diagnose sei jedoch bei der Klägerin auch im Hinblick auf ihren Tagesablauf
nicht festzustellen gewesen und die diesbezüglichen Beschwerdevalidierungstests (strukturierter Fragebogen simulierter Symptome
und Schmerz-Situations-Skala) hätten Punktwerte gezeigt, die dafür sprächen, dass eine willkürliche Beschwerdeverdeutlichung
bei der Klägerin anzunehmen sei, sich also deutliche Anhaltspunkte für eine Aggravation gezeigt hätten.
Vergleichbare Testergebnisse finden sich bei Dr. G. im Hinblick auf das Ausmaß der depressiven Erkrankung. Hier hat die Klägerin
im BDI-Test einen Wert von 33 erreicht, was als subjektives Empfinden einer schweren Depression zu interpretieren ist. Die
Kontrolltestung durch die Hamilton Depressionsskala brachte lediglich 9 Punkte, was bedeutet, dass im Querschnitt eine depressive
Erkrankung der Klägerin nicht bzw. nicht mehr vorliegt und diese tatsächlich remittiert ist.
Festzuhalten ist ferner, dass die im Gutachten von Dr. W. festgestellten Panikattacken und die Agoraphobie von der Klägerin
gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. überhaupt nicht mehr geltend gemacht worden sind. Dr. G. weist darauf hin, dass sich
aus dem Bericht des Klinikums A-Stadt vom 08.12.2014 ersehen lasse, dass der Schwerpunkt der bisherigen Behandlungen auf der
Eruierung der Ursachen der körperlichen und psychischen Symptome gelegen habe und die von der Klägerin erlernten eigenverantwortlich
durchführbaren Verwendungsmodule nur wenig angewandt worden seien. Wesentliche Verhaltensänderungen hätten bislang nicht erreicht
werden können. Daraus folgert Dr. G. im Einklang mit Dr. N., dass das Leistungsvermögen der Klägerin qualitativ eingeschränkt
ist hinsichtlich der Schwere der Arbeit sowie hinsichtlich psychisch fordernder Tätigkeiten, dass sie aber auf jeden Fall
einer stützenden psychotherapeutischen Behandlung bedarf. Eine kognitive Einschränkung der Klägerin konnte er allerdings nicht
sehen.
Der Senat schließt sich der Einschätzung von Dr. G. und im Ergebnis auch der Einschätzung von Dr. N. an. Beide sehen, dass
die psychische Störung der Klägerin chronifiziert ist und einer kontinuierlichen psychotherapeutischen Behandlung bedürfte,
um die Klägerin zu stabilisieren. Beide weisen auch darauf hin, dass eine medikamentöse Behandlung durchaus eine Besserung
bringen könnte und der pauschale Hinweis auf Unverträglichkeiten von Psychopharmaka nicht ausreichend ist, um hier bestehende
Behandlungspotentiale zu verneinen. Nach den eigenen Angaben der Klägerin erfolgte seit 2011 keine weitere medikamentöse Behandlung
mehr, also bereits deutlich vor dem Zeitpunkt der von der Klägerin selbst angegebenen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes
im Jahr 2013. Dr. W. gibt in ihrem Gutachten vom 01.05.2015 an, dass sie ebenfalls von einer Behandlungsbedürftigkeit der
Klägerin ausgeht und dass sie auch kein Ereignis benennen könne, das eine Verschlimmerung gegenüber der Einschätzung von Dr.
N. begründen könnte. Dem Hinweis von Dr. N. auf die fehlende Compliance der Klägerin in Hinblick auf die Medikation hat Dr.
W. grundsätzlich zugestimmt und auch die Gabe von Psychopharmaka befürwortet, weil unzweifelhaft positive Wirkung auf die
rezidivierende depressive Störung als auch auf die Angsterkrankung der Klägerin zu erwarten sei. Die Hauptproblematik der
Klägerin wird in der Beherrschung der Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung und der Schmerzerkrankung gesehen,
ebenso wie bei Dr. G. und Dr. N ... Dr. W. geht aber im Gegensatz zu diesen beiden Sachverständigen von einer vorübergehend
abgesunkenen quantitativen Leistungsfähigkeit aus, die Klägerin sei gegenwärtig den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
nicht gewachsen, eine Verbesserung des quantitativen Leistungsvermögens wird von ihr durch eine stationäre Traumatherapie
und durch ambulante psychotherapeutische Behandlung im Sinne einer Verhaltenstherapie innerhalb eines Zeitraums von 1 - 2
Jahren für möglich erachtet. Eine eingehende Begründung ihrer Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin
gibt Dr. W. allerdings nicht, sie betont lediglich, dass die Intensität ihrer Befragung ein stärkeres Ausmaß der psychischen
Belastungen der Klägerin erkennen lasse, als dies Dr. N. angenommen habe.
Zwischenzeitlich wurde eine weitere stationäre Behandlung in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des
Klinikums A-Stadt in der Zeit vom 24.11.2015 - 05.01.2016 durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 22.02.2016 wurde von der
Klinik festgestellt, dass die Klägerin erst im Oktober 2015 mit der Psychotherapie bei Dr. F. begonnen habe, eine ambulante
Therapie 2014 im ABC des Nordklinikums sei nicht überwiegend traumaspezifisch gewesen. Bei den Schilderungen ihrer Belastung
sei die Klägerin zu Beginn der Behandlung sehr passiv gewesen, trotz der mehrfachen Therapieerfahrungen mit wenig Ideen, wie
sie konkrete Belastungssituationen und ihr Bedrohungsgefühl davor, alleine nach außen zu gehen, verändern bzw. darauf einwirken
zu können. Die Klägerin konnte stabilisiert mit verringertem Vermeidungsverhalten entlassen werden, empfohlen wurde eine Fortsetzung
der ambulanten Psychotherapie bei Dr. F., eine ambulante Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz und der Besuch
einer Gestaltungstherapiegruppe. Der Entlassungsbericht des Klinikums A-Stadt bestätigt damit die Notwendigkeit weiterer Behandlungen
der Klägerin, ist aber zugleich auch Bestätigung der vorliegenden Inkonsistenzen, auf die die beiden Sachverständigen Dr.
N. und Dr. G. hingewiesen haben. Bei den die Klägerin belastenden Erfahrungen tauchen im Entlassungsbericht des Klinikums
A-Stadt überwiegend Ablehnung durch die Eltern, insbesondere der Mutter auf, erstmals ein "vermuteter sexueller Übergriff
durch einen Kollegen des Vaters", aber gerade nicht der Tod der Großmutter im Jahr 1983 sowie der Verkehrsunfall im Jahr 2005,
die aber zusammen mit dem Suizidversuch des Ex-Ehemannes im Jahr 2000 in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2017 als maßgebende
traumatisierende Ereignisse benannt werden. Bei den Gutachtern hatte die Klägerin eine Verschlechterung ihrer psychischen
Befindlichkeit überwiegend auch mit den negativen Erfahrungen im Berufsleben begründet, das Mobbing, die Nichtverlängerung
des Arbeitsvertrages, das Nichteinhalten von Arbeitszeiten und Arbeitstätigkeiten in ihrer Tätigkeit als Aushilfe und Kassiererin.
Dr. W. hat in dem damit verbundenen beruflichen Scheitern des Ziels des Erreichens einer eigenständigen Erwerbstätigkeit und
einer beruflichen Ausbildung auch einen entscheidenden Umstand für die Schwere der psychischen Belastung der Klägerin gesehen
und hiermit das Ausmaß der quantitativen Leistungsminderung begründet.
Im Hinblick auf die Belastung der Klägerin durch den Selbstmordversuch ihres früheren Ehemannes weist Dr. G. darauf hin, dass
die Schilderung der Klägerin völlig emotionslos, fast unbeteiligt erfolgte und keinerlei emotionale Reaktionen auslöste. Die
Schilderung der Klägerin selbst widerspricht sich bei Dr. W. und bei Dr. G ... Bei Dr. W. hatte sie angegeben, dass sie sich
zum Tatzeitpunkt bei einer Bekannten aufgehalten und der Ehemann genau gewusst habe, dass sie in Kürze in die eheliche Wohnung
zurückkomme. Er habe sich mit dem Bademantelgürtel aufgehängt und sie habe ihn aufgehängt gefunden, sie habe ihn herunterheben
müssen und sie habe dann den Notarzt geholt, er habe noch geatmet. Sie habe intensive Angst verspürt, dass der Ehemann sich
ein Messer hole und sie absteche, wenn er aufwache. Diese Furcht sei die größte gewesen, was passieren würde, wenn er eventuell
aufwacht und sich rächen möchte. Gegenüber Dr. G. hat sie angegeben, dass sie bei einer Bekannten gewesen sei, aber ein komisches
Gefühl gehabt habe, weshalb sie in ihre Wohnung zurückgekehrt sei. Ihr Mann habe im Abstellraum herumgenestelt. Sie habe dann
nachsehen wollen, was er mache. Als sie ihr Exmann gesehen habe, habe er sich fallen lassen. Er habe den Bademantelgürtel
um den Hals gehabt. Sie habe laut geschrien und ihn irgendwie hoch gehoben. Nach Entlassung aus der Psychiatrie, in der sich
der Ehemann für 3 Tage befunden habe, habe er gesagt, dass sie in Zukunft auf ihn aufpassen müsse. Das habe sie aber auf keinen
Fall gewollt. Schließlich sei er ausgezogen und habe sich eine Wohnung zwei Straßen weiter genommen. Sie habe sich dann so
bald wie möglich scheiden lassen. Bei Dr. W. hat die Klägerin angegeben, dass der Exmann nach S-Stadt verzogen sei. In der
stationären Behandlung im Klinikum A-Stadt 2015/2016 gelang es dann offenbar, herauszuarbeiten, dass die Klägerin deutlicher
als bisher wahrnehmen konnte, dass sie auf ihren damaligen Mann bis heute eine große Wut empfinde und das Bedürfnis ihm mitzuteilen,
was er ihr mit seinem inszenierten Suizidversuch angetan habe.
Auch die Einlassungen der Klägerin zu dem im Jahr 2005 erlittenen Verkehrsunfall sind inkonsistent. Sie gab an, in ein auf
einer Kreuzung stehendes Auto gerast zu sein. Dieses Erlebnis sei so schlimm, dass sie sich nicht mehr Autofahren traue und
allenfalls nur noch kurze Strecken zum Einkaufen fahre und auch das Haus kaum mehr verlasse. Andererseits ist sie aber wegen
ihres neuen Ehemannes über mehrere Jahre gependelt, auch noch lange Zeit nach dem erlittenen Verkehrsunfall im Jahr 2005.
Festgehalten ist eine Schulterprellung infolge des angelegten Sicherheitsgurtes durch den Unfall, aber keine weiteren Verletzungen.
Auch aus den beigezogenen ärztlichen Befundberichten ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte, dass die Einschätzung
des Leistungsvermögens der Klägerin durch Dr. G. und Dr. N. unzutreffend sein könnten oder wesentliche Erkrankungen hätten
übersehen worden sein können.
Der Hausarzt der Klägerin, Dr. C., hat in seinem Befundbericht vom 01.07.2016 von teils flüchtigen, teils fixen Gelenksschmerzen
der Klägerin, vermehrt im LWS-Bereich, berichtet sowie von mentalen Beschwerden anamnestisch durch offenbar unsichere Situation
einer Rentenbewilligung. An Diagnosen wurden von ihm mitgeteilt: - V. a. rheumatolog. Erkrankung am 07.08.2016 - Viraler Infekt
der Atemwege am 16.11.2015 - Hordeolum rechts am 20.06.2016 - Lumbago rechts am 27.06.2016 Die Beschwerden seien wohl weitgehend
gleich geblieben. Neue Leiden seien eine femoropatellare Arthrose links und Innenmeniskopathie links. Eine massive psychische
Erkrankung berichtet er nicht. Der behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. D. hat unter dem 04.07.2016 mitgeteilt, dass sich
die Klägerin seit Juli 2015 lediglich einmal, nämlich am 19.02.2016, bei ihm vorgestellt habe, dass sie sich allerdings in
der Zeit vom 24.11.2015 bis 05.01.2016 in stationärer Behandlung in der psychosomatischen Klinik des Klinikums A-Stadt befunden
habe. An Diagnosen wurden mitgeteilt: - Posttraumatische Belastungsstörung - Rez. depressive Störung, mittelschwere Episode
- Chronische Schmerzstörung - Panikstörung
Die Klägerin habe am 19.02.2016 über vermehrte Schlafstörungen berichtet, daneben erhebliche Stimmungsschwankungen, Bedrohungsgefühle
und Ängste. Der psychopathologische Befund vom 19.02.2016 sei geprägt gewesen von einer eher depressiv ausgelegten Stimmungslage
bei eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit. Der Antrieb sei gedrückt erschienen, erkennbar sei eine deutliche psychomotorische
Anspannung gewesen. Dr. F., Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, beschreibt in seinem Bericht vom 07.07.2016
an Diagnosen - Rez. depress. Störung, derzeit mittelgradig - Posttraumatische Belastungsstörung - Agoraphobie mit Panik -
Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren - auf dem Hintergrund einer Entwicklungstraumatisierung
bei Gewalterfahrungen im Elternhaus einer depressiven Grundstruktur und einer erneuten Traumatisierung im Erwachsenenalter
durch den miterlebten Suizidversuch des Exmannes.
Seit November 2015 bestehe durchgehend Arbeitsunfähigkeit. Die Befunde hätten sich im Zeitraum der laufenden Therapie seit
Ende 2014 nur geringfügig und nur in einigen Teilbereichen gebessert. So sei es der Klägerin zunehmend möglich, über sehr
belastende Lebensereignisse zu sprechen. Dies gehe meist mit einer deutlichen Zunahme der körperlichen Beschwerden einher,
aber mit einer Verbesserung der Selbstfürsorge. Eine Verbesserung der alltagsbezogenen Ängste und des damit verbundenen Vermeidungsverhaltens
sei bisher nicht möglich gewesen. Die allgemeine Leistungsfähigkeit sei nach wie vor stark eingeschränkt. Der behandelnde
Dr. E. berichtet unter dem 15.07.2016 über eine einmalige Vorstellung der Klägerin am 28.05.2015 wegen Beschwerden im linken
Knie. Weitere orthopädische Erkrankungen werden nicht benannt. Diese Befundberichte bestätigen vielmehr, dass eine psychische
Störung der Klägerin unzweifelhaft gegeben ist, die einer stützenden Behandlung durch ambulante psychotherapeutische Maßnahmen
im Sinne einer Verhaltenstherapie und einer Änderung der Medikation bedarf. Diese Behandlungsnotwendigkeit allein begründet
aber nicht die Annahme eines quantitativ geminderten Leistungsvermögens auf unter 6 Stunden täglich, nachdem eine deutliche
Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit der Klägerin nicht feststellbar ist.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin der Gerichtsbescheid des SG Nürnberg vom 19.01.2016 aufzuheben und die
Klage gegen den Bescheid vom 10.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2014 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.