Versicherungspflicht in der Sozialversicherung; abhängige Beschäftigung als stiller Gesellschafter
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin wegen einer beitragspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) vom 01.01. bis 30.04.2004
Sozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten hat.
1. Die Klägerin betreibt als Einzelfirma ein Reisebüro in B-Stadt mit der Internetpräsenz www.r ...de. Für sie war der Beigeladene
zu 1) im Reisebüro seit 01.05.1998 beitragspflichtig beschäftigt, die entsprechenden Meldungen und Beitragsabführungen ergingen
gegenüber der Beigeladenen zu 2).
Mit Telefax vom 31.10.2001 kündigte der Beigeladene zu 1) seine Mitgliedschaft bei den Beigeladenen zu 2) und 3) mit Wirkung
zum 31.12.2001, weil er ab 01.01.2002 selbständig sei und sich privat krankenversichern werde. Tatsächlich blieb er weiterhin
im Reisebüro der Klägerin tätig, die die entsprechenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge für 2002 weiterhin an die Beigeladene
zu 2) abführte. Wegen einer Schwangerschaft setzte die Klägerin den Beigeladenen zu 1) ab 01.01.2003 als Geschäftsführer ein.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 15.12.2003 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) eine "stille Gesellschaft". Danach
leistete der Beigeladene zu 1) eine Bareinlage von 2.500,00 Euro, um stiller Teilhaber zu werden. Für seine Tätigkeit erhielt
er ab 01.01.2004 eine monatliche Vergütung von 1.750,00 Euro. Zudem war er mit 20 % am Gewinn und am Verlust der Gesellschaft
beteiligt, wobei die Verlustbeteiligung auf 2.500,00 Euro limitiert war. Zudem meldete der Beigeladene zu 1) bei der Stadt
B-Stadt unter dem 02.01.2004 eine gewerbliche Tätigkeit an in Gestalt der Vermittlung von Reisen/Flügen aller Art. Als Adresse
war diejenige der Klägerin angegeben, als Beginn der angemeldeten Tätigkeit der 01.01.2003.
Nach einer zweitätigen Betriebsprüfung (30.11.2004/07.12.2004) und durchgeführter Anhörung vom 08.03.2005 forderte die Beklagte
mit Bescheid vom 13.06.2005 für den Prüfzeitraum 01.01.2000 bis 30.04.2004 Beiträge und Umlagen in Höhe von 27.038,83 Euro
nach. Neben weiteren hier nicht streitigen Forderungen machte die Beklagte geltend, der Beigeladene zu 1) sei auch über den
31.12.2001 hinaus für die Klägerin in deren Reisebüro als Beschäftigter tätig gewesen, so dass die entsprechenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge
nachzuentrichten seien.
Dagegen erhob die Klägerin unter dem 14.05.2005 Widerspruch und machte mit Schreiben vom 21.01.2006 geltend, der Beigeladene
zu 1) habe ursprünglich zum 01.01.2003 das Geschäft übernommen bzw. seinen Geschäftszweig integriert. Der Beigeladene zu 1)
sei wegen ihrer Schwangerschaft als Geschäftsführer auch für ihren Bereich ab dem 01.01.2003 bis auf Weiteres eingesetzt gewesen.
Eine Beitragsrückerstattung von der Beigeladenen zu 2) sei wegen Vorlage einer privaten Krankenversicherung erfolgt. Eine
weitere Begründung erfolgte ebenso wenig wie ein Nachweis der Geschäftsführertätigkeit. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2006
wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil sich keine Hinweise darauf ergeben hätten, dass sich die Tätigkeit
des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt wesentlich geändert hätte.
2. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben, ohne diese zu begründen. Die Beigeladene zu 2) hat
angegeben, sie habe die Mitgliedschaft des Beigeladenen zu 1) aufgrund dessen Angaben beendet. Dass ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis bestanden hatte, sei nicht bekannt gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.08.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung
der Beklagten Bezug genommen. Ergänzend sei auszuführen, weder der Beigeladene zu 1) noch die Klägerin hätten dartun können,
dass im streitigen Zeitraum von 2001 bis April 2004 kein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Die Beitragsrückerstattung
der Beigeladenen zu 2) sei aus Unkenntnis erfolgt und sei deshalb unbeachtlich. Anhaltspunkte, dass der Beigeladene zu 1)
den Betrieb der Klägerin übernommen oder eine Mitunternehmerschaft begründet hätte, seien nicht erkennbar.
Dagegen hat der Beigeladene zu 1) Berufung eingelegt und geltend gemacht, zumindest für den Zeitraum 01.01.2004 bis 30.04.2004
sei er in einer selbständigen Tätigkeit gewesen, wie sich aus dem Vertrag der stillen Gesellschaft und aus der steuerlichen
Behandlung dieses Zeitraumes durch die Finanzbehörden ergebe. Die Entscheidung des Sozialgerichts Regensburg sei entsprechend
zu korrigieren.
Der Beigeladene zu 1) beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 07.08.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.06.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2006 insoweit aufzuheben, als dort Gesamtsozialversicherungsbeiträge für eine Beschäftigung
des Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 01.01. bis 30.04.2004 nachgefordert wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hat sich zur Berufung weder geäußert noch einen Antrag gestellt.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2009 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie
auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beigeladenen zu 1) ist zulässig (§§
141,
143 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber unbegründet. Diese Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
1. Streitgegenstand der allein durch den Beigeladenen zu 1) eingelegten Berufung ist nach dessen unzweifelhaftem Vorbringen
nur noch, ob die Beklagte mit dem Bescheid vom 13.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2006 Gesamtsozialversicherungsbeiträge
wegen der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin auch für den Zeitraum 01.01.2004 bis 30.04.2004 zu Recht nachgefordert
hat. Die Entscheidung der Beklagten ist somit nur noch teilweise Gegenstand der Berufung. Nicht mehr zu befinden ist über
die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bis 31.12.2003 aus der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) über
die Nachforderungen von Umlagen U 1 und 2 sowie über die der Höhe nach unzutreffende Meldung des beitragspflichtigen Entgeltes.
Die Beklagte war gemäß §
28 p Abs.
2 SGB IV berechtigt und verpflichtet, im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Klägerin als Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1), dessen
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und Beitragspflicht nach den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung festzustellen
(§
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 SGB XI, §
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI sowie §
25 Abs.
1 SGB III) und die entsprechenden Beiträge von der Klägerin als Zahlungspflichtiger gemäß §
28 e SGB IV nachzufordern.
2. In Auswertung der Verwaltungsakten der Beklagten, dem dortigen Vorbringen der Beteiligten und in Würdigung des gesamten
prozessualen Vorbringens ist festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) im Reisebüro der Klägerin zunächst seit 01.05.1998
abhängig beschäftigt war. Dies wird von den Beteiligten auch nicht angegriffen und ergibt sich unter anderem aus der Erstattung
der entsprechenden Meldungen durch die Klägerin und aus der Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages.
An dieser abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin hat sich auch in der Folgezeit nichts geändert. Die Klägerin ist stets
Inhaberin des Reisbüros "R." in B-Stadt geblieben, der Beigeladene zu 1) ist insbesondere nach außen hin niemals als Inhaber
oder Mitinhaber des Reisebüros aufgetreten. An diesem Status hat sich mit dem Abschluss einer privaten Krankenversicherung
im Jahr 2002 nichts geändert. Zwar hat die Klägerin behauptet, der Beigeladene zu 1) habe einen eigenen Bereich erhalten.
Dies ändert doch nichts daran, dass der Beigeladene zu 1) stets in den Geschäftsräumen der Klägerin tätig war und die dortigen
Betriebsmittel für seine Tätigkeiten genutzt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beigeladene zu 1) irgendwann eigene Betriebsmittel
eingesetzt hat oder durch unternehmerisches Tätigwerden dem Risiko von Verlust oder der Chance von Gewinn ausgesetzt war.
Hieran hatte sich auch ab 01.01.2003 nichts geändert, als die Klägerin ihn schwangerschaftsbedingt als Geschäftsführer eingesetzt
hatte. Denn die Geschäftsführertätigkeit beinhaltet ihrem Begriff nach das Führen eines fremden, nicht aber eines eigenen
Geschäftes. Zudem sind Verhinderungsvertretungen wie vorliegend der Tätigkeit eines leitenden Angestellten zuzuordnen, weil
sich an den Eigentumsverhältnissen der Betriebsmittel und an der Betriebsinhaberschaft nichts geändert hatte. Die im Nachhinein
vorgenommene über ein Jahr rückwirkende Anmeldung eines Reisebürogewerbes unter der Adresse der Klägerin bleibt insoweit ohne
Belang.
3. An diesen Verhältnissen hat sich auch durch den Abschluss der stillen Gesellschaft mit Vertrag vom 15.12.2003 nichts geändert.
Denn zum Einen blieb die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) in ihrer Art gleich. Zum Anderen hatte der Beigeladene zu 1) lediglich
ein monatliches Gehalt von 1.750,00 Euro erhalten. Einem echten unternehmerischen Risiko war er zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt,
weil zwar eine Beteiligung am Verlust vereinbart war, diese jedoch auf 2.500,00 Euro limitiert war. Zudem ist es das Wesen
der stillen Gesellschaft, dass nach außen hin keine Veränderungen eintreten. Das heißt, der Beigeladene zu 1) ist auch nach
Abschluss des Vertrages niemals nach außen hin als Inhaber des Reisebüros der Klägerin aufgetreten. Es fehlt so mit an dem
für eine selbständige Tätigkeit typischen Auftreten am Markt, dem Abschluss von Geschäften in eigenem Namen, dem Treiben eigener
Werbung für eigene Zwecke und dem auch nach Außen hin erkennbaren Einsatz eigener Betriebsmittel.
Dabei wird nicht übersehen, dass die Klägerin schwangerschaftsbedingt dem Beigeladenen zu 1) weitgehende Freiheiten einräumen
musste und dass dieser insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten sowie der Art seiner Tätigkeit strengen Weisungen nicht
mehr unterworfen war und weitgehende Freiheiten genießen konnte. Dies allein ändert jedoch den Status des Beigeladenen zu
1) als leitender Angestellter und damit als abhängig Beschäftigter nicht.
In einer Gesamtschau der relevanten Anhaltspunkte ergibt sich somit ein Fortbestehen der abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen
zu 1) für die Klägerin auch im streitigen Zeitraum 01.01. bis 30.04.2004. Die Berufung bleibt somit in vollem Umfange ohne
Erfolg.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Berufung hat ausschließlich der Beigeladene zu 1) eingelegt. Dieser ist als Beschäftigter kostenprivilegiert und zählt
- anders als die Klägerin - nicht dem kostenpflichtigen Personenkreis im Sinne des §
197 a SGG. In der Folge war auch kein Streitwert festzusetzen.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, §
160 SGG.