Statthaftigkeit der Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Keine Fristwahrung bei Beschwerdeeinlegung beim unzuständigen
Gericht; Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Eilverfahren vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Strittig ist insbesondere, ob das Einkommen des Antragstellers zu 3) wegen eheähnlicher Gemeinschaft anzurechnen ist.
Die 1984 geborene Antragstellerin zu 1) wohnt zusammen mit ihrem 2009 geborenen Sohn (Antragsteller zu 2) seit Juni 2013 zusammen
mit dem Antragsteller zu 3) in einer Zweizimmerwohnung. Am 23.07.2014 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Der Antragsteller
zu 3) ist ganztags erwerbstätig.
Mit Bescheid vom 12.07.2014 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen ab 01.06.2014 ab, weil keine Hilfebedürftigkeit
bestehe. Dagegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, weil keine Bedarfsgemeinschaft bestehe.
Der am 01.07.2014 beim Sozialgericht Ulm gestellte Eilantrag wurde an das Sozialgericht Augsburg verwiesen. Mit Beschluss
vom 12.08.2014 lehnte das Sozialgericht Augsburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es bestehe eine Bedarfsgemeinschaft
der Antragsteller. Fehler in der Leistungsberechnung seien nicht ersichtlich. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der
Antragsteller in B-Stadt laut Empfangsbekenntnis am 15.08.2014 zugestellt. Der Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrung,
wonach die Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht oder beim Sozialgericht Augsburg einzulegen sei.
Am 15.09.2014 hat die Bevollmächtigte der Antragsteller beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde gegen den Beschluss
des Sozialgerichts Augsburg eingelegt. Am 16.09.2014 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg den Bevollmächtigten per
Telefax darauf hingewiesen, dass die Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht einzureichen sei. Ebenfalls am 16.09.2014
ist die Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingereicht worden. Die Beteiligten wurden zur Fristversäumnis angehört.
Die Antragsteller haben vorgetragen, dass die versehentlich beim falschen Gericht eingelegte Beschwerde fristwahrend sei.
II.
Die Beschwerde ist entsprechend §
202 Sozialgerichtsgesetz -
SGG i.V.m. §
572 Abs.
2 S. 3
Zivilprozessordnung als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht gemäß §
173 SGG innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat ab Bekanntgabe des Beschlusses Sozialgericht eingelegt wurde.
Der Beschluss des Sozialgerichts wurde dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 15.08.2014 zugestellt. Weil der Beschluss
eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung enthielt, endete die Monatsfrist mit Ablauf des 15.09.2014 (§§
66,
64 Abs.
1 und
2 SGG). An diesem Montag ist die Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangen. Dies genügt jedoch nicht.
Die Beschwerde hätte an diesem Tag beim Sozialgericht Augsburg oder beim Bayerischen Landessozialgericht eingehen müssen (Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, §
173 Rn 2).
Die Beschwerde ist aber erst am folgenden Tag und damit verspätet beim Bayerischen Landesozialgericht eingegangen. Gründe
für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §
67 SGG bestehen nicht. Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat trotz Kenntnis des Wohnorts der Antragsteller und Vorliegens einer
zutreffenden Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde an das falsche Landessozialgericht gefaxt.
Die Einlegung der Beschwerde beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg und seine Reaktion darauf kann eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand nicht rechtfertigen. Das unzuständige Gericht hat im ordentlichen Geschäftsgang auf die falsch eingelegte
Beschwerde zu reagieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.03.2005, 1 BvR 950/04, Leitherer in Meyer-Ladewig, a.a.O., § 151 Rn 2a). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat den Bevollmächtigten bereits
am nächsten Tag per Telefax auf seinen Fehler hingewiesen und damit seiner Hinweispflicht im Rahmen des fairen Verfahrens
genügt. Gerichte sind nicht verpflichtet, ein generelles Vorprüfverfahren einzurichten, um täglich alle eingehenden Rechtsbehelfe
auf Zulässigkeit zu überprüfen und noch am selben Tag ggf. notwendige Korrekturen vorzunehmen. Für die form- und fristgerechte
Einlegung eines Rechtsbehelfs haben primär die Rechtsbehelfsführer zu sorgen. Dafür erhalten sie eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.