Tatbestand:
Der 1947 geborene Kläger begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§
2 Abs.
2,
69 Abs.
1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (
SGB IX) ab dem 12.3.2007.
Er beantragte erstmals am 29.5.2000 die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB). Mit Bescheid vom 25.8.2000 setzte
der Beklagte einen GdB von 30 fest. Als Behinderungen stellte er einen Bluthochdruck, hypertensive Herzerkrankung, Funktionsbehinderungen
der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsbehinderungen beider Hüftgelenke sowie
eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes fest.
Mit einem Antrag auf Neufeststellung vom 12.3.2007 machte der Kläger eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend
und beantragte die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50. Zum Nachweis legte er verschiedene Bescheinigungen und Befundberichte
seiner behandelnden Ärzte vor. Nach Auswertung dieser medizinischen Unterlagen stellte der Beklagte mit Änderungsbescheid
vom 22.3.2007 ab dem 14.3.2007 einen GdB von 40 für folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. psychovegetative Störung, Somatisierung (Einzel-GdB: 20)
2. Bluthochdruck, hypertensive Herzerkrankung (Einzel-GdB: 20)
3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB: 20)
4. Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Epicondylitis-Beschwerden (Einzel-GdB: 10)
5. Funktionsbehinderungen beider Hüftgelenke (Einzel-GdB: 10)
Auf den Widerspruch des Klägers hin holte der Beklagte ein Gutachten des Orthopäden Dr. O. vom 25.6.2007 ein. Dieser bestätigte
die Auffassung des Beklagten, dass die Behinderungen des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 40 richtig bewertet seien. Dr. O.
konnte als weitere Behinderung eine degenerative Veränderung des rechten Kniegelenkes mit einem Einzel-GdB von 10 bewerten,
die jedoch nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führte. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 13.8.2007 zurück.
Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens holte das Sozialgericht Augsburg Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers
ein und beauftragte den Orthopäden Dr. L. und den Allgemeinarzt Dr. R. mit der Begutachtung des Klägers. Dr. L. bescheinigte
im Gutachten vom 15.1.2008 eine Funktionsbehinderung der Schultergelenke (Einzel-GdB 10), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule
bei degenerativen Veränderungen mit gelegentlichen Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20) sowie Funktionsbehinderungen
der Hüftgelenke und der Kniegelenke bei degenerativen Veränderungen (Einzel-GdB 10). Auf orthopädischem Gebiet seien die Behinderungen
des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 20 festzustellen. Dr. R. stellte in seinem Gutachten vom 15.1.2008 auf internistischem
Fachgebiet einen Bluthochdruck, bei hypertensiver Herzkrankheit (Einzel-GdB 20), eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung
(Einzel-GdB 20), eine psychovegetative Störung (Einzel-GdB 20), eine Hydronephrose ohne Einschränkung der Nierenfunktion (Einzel-GdB
0) sowie eine Struma nodosa I. Grades (Einzel-GdB 0) jeweils ab dem 14.3.2007 fest. Den Gesamt-GdB bildete er mit 40 v.H.
Mit Urteil vom 16.9.2008 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage gegen den Bescheid vom 22.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.8.2007 ab, da der Beklagte zutreffend die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers verneint habe. Ein höherer GdB als
40 könne nicht festgestellt werden. Der Beklagte habe nach § 48 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) den Bescheid vom 25.8.2000 für die Zukunft zutreffend abgeändert. Beim Kläger läge eine psychovegetative Störung bei Somatisierung
(Einzel-GdB 20), ein Bluthochdruck, hypertensive Herzerkrankung (Einzel-GdB 20), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule
(Einzel-GdB 20), eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (Einzel-GdB 20), Funktionsbehinderungen beider Schultergelenke
sowie Epicondylitis-Beschwerden (Einzel-GdB 10) vor. Der Gesamt GdB des Klägers sei mit 40 zutreffend bewertet.
Mit der am 5.11.2008 beim Sozialgericht Augsburg eingegangenen Berufung hat der Kläger die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von
50 begehrt. In der Berufungsbegründung hat er darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt sei, insbesondere
hätte ein Gutachten eines Neurologen eingeholt werden müssen. Außerdem würden die vorliegenden Gutachten Messwerte der einzelnen
festgestellten Behinderungen enthalten, aber keinerlei Ausführungen über die Auswirkungen der Beeinträchtigung der Teilhabe
in der Gesellschaft. Die Funktionsbeeinträchtigungen könnten sich insbesondere dann besonders nachteilig auswirken, wenn die
Behinderungen an paarigen Gliedmaßen vorlägen. Im Übrigen sei er im Alltag und insbesondere an seinem Arbeitsplatz erheblich
benachteiligt, da er lediglich einem Schwerbehinderten gleichgestellt sei.
Mit Bescheid vom 26.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.2.2009 hat der Beklagte zwischenzeitlich den
Antrag des Klägers vom 21.9.2008 abgelehnt. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen seien mit einem GdB von 40 weiterhin ausreichend
und angemessen berücksichtigt. Nach der beigefügten Rechtsmittelbelehrung sei dieser Bescheid nach §
96 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des "Klageverfahrens" beim Landessozialgericht geworden.
Nach Beiziehung aktueller Befundberichte der behandelnden Ärzte sind der Neurologe und Psychiater Dr. C. und der Orthopäde
Dr. D. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt worden. Im Gutachten vom 16.6.2009 hat Dr. C. ausgeführt, dass der Kläger
unter einer Neurasthenie verbunden mit einer beginnenden Somatisierungsstörung und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen
mit Nervenwurzelreizerscheinungen leiden würde. Aus der vorliegenden psychovegetativen Störung mit Neurasthenie und Somatisierung
ergebe sich ein Einzel-GdB von 20.
Der Orthopäde Dr. D. hat in seinem Gutachten folgende Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers aufgeführt:
- chronisch-rezidivierendes Lumbalgiesyndrom ohne Wurzelkompressionsyndrom bei myostatischer Dysbalance (Einzel-GdB 10)
- Coxarthrosen beiderseits (Einzel-GdB 10)
- chronische Gonalgie rechts mehr als links bei Innenmeniscopathie sowie knöcherner Teileresektionenpatella rechts (Einzel-GdB
10)
- Impingement-Syndrom beider Schultern bei Tendinitis (Einzel-GdB von 10)
- chronisch-rezidivierendes Cervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen ohne Wurzelkompressionen (Einzel-GdB 20)
- psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit Somatisierung (Einzel-GdB 20)
- arterielle Hypertonie (Einzel-GdB 10)
- Diabetes mellitus Typ 2 (Einzel-GdB 20)
- Schilddrüsenerkrankung (Einzel-GdB 10)
Unter Berücksichtigung des vorliegenden neurologischen Gutachtens von Dr. C. sei ein Gesamt-GdB von 40 weiterhin zutreffend.
Der Internist und Sozialmediziner Dr. B. wurde mit einer erneuten Begutachtung des Klägers beauftragt. Er hat im Gutachten
vom 22.1.2010 folgende Funktionsbehinderungen festgestellt:
- chronisch-obstruktive Atemwegserkrankungen mit Lungenfunktionseinschränkung (Einzel-GdB 30)
- Bluthochdruck, hypertensive Herzerkrankung (Einzel-GdB 20)
- chronisches Cervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen ohne Wurzelkompressionen (Einzel GdB 20)
- Coxarthrose beiderseits, chronische Gonalgie rechts mehr als links bei Innenmeniscopathie sowie knöcherner Teilesektionpatella
rechts (Einzel-GdB 20)
- psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit Somatisierung (Einzel-GdB 20)
- metabolisches Syndrom mit Zuckerkrankheit mit Diät und oralen nicht hypoglykämieauslösenden Antidiabetika einstellbar (Einzel-GdB
10)
- Schlafapnoe-Syndrom (Einzel-GdB 10)
- Impingement-Syndrom beider Schultern bei Tendinitis (Einzel-GdB 10)
- Hörminderung beiderseits (Einzel-GdB 10)
Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB hat der Gutachter einen Gesamt-GdB ab dem Jahr 2007 von 50 angenommen. Der fiktive
Einzel-GdB für das gesamte internistische Fachgebiet betrage 40, eher mehr. Im vorliegenden Fall sei die Bewegungseinschränkung
der Hüft- und der Kniegelenke, die hinsichtlich der Funktionseinschränkungen einen Einzel-GdB von 20 bedingen, anders zu bewerten
als die vom orthopädischen Gutachter mit einem Einzel-GdB von je 10 bewertete Funktionsbehinderung der Hüfte- und der Kniegelenke.
Da für das gesamte internistische Fachgebiet ein Einzel-GdB von 40 bestehe und von den anderen Fachgebieten unabhängige zusätzliche
Funktionsbehinderungen mit Einzel-GdB von 20 hinzukamen, seien diese Einzel-GdB erhöhend zu berücksichtigen.
Der Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme vom 25.2.2010 vorgelegt. Hierin hat er ausgeführt, dass für die chronisch-obstruktive
Atemwegserkrankung ein Einzel-GdB von 20 ausreichend sei, da keineswegs eine mittelgradige Ventilationsstörung vorliege. Insgesamt
sei eine eher gebesserte pulmonale Situation erkennbar. Ebenso sei keine Verschlimmerung der hypertensiven Herzerkrankung
nachgewiesen. Außerdem könne dem Gutachter nicht gefolgt werden, wenn er für die Gelenkserkrankungen im unteren Extremitätenbereich
einen höheren Einzel-GdB als 10 ansetze. Der orthopädische Gutachter habe sowohl für die Coxarthrose beidseits als auch für
die Knorpelschäden in den Kniegelenken jeweils einen Einzel-GdB von 10 vorgeschlagen. Aus dieser Graduierung sei kein GdB
von 20 abzuleiten. Additionen seien unzulässig. Daher bleibe es bei einem Gesamt-GdB von 40.
Nach Aufforderung durch den Senat hat der Gutachter Dr. B. am 18.5.2010 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. In dieser
hat er ausgeführt, dass dauernde Einschränkungen der Lungenfunktion geringen Grades mit Atemnot bei mittelschwerer Belastung
und mittelschwerer körperlicher Arbeit und statischen und dynamischen Messwerten der Lungenfunktionsprüfung bis zu einem Drittel
niedriger als die Sollwerte mit einem Einzel-GdB von 20 bis 40 zu bewerten seien. Die Festsetzung des Vorgutachters Dr. R.
mit einem Einzel-GdB von 20 liege im Ermessensbereich. Zwischenzeitlich ergebe sich aus dem Befundbericht des Pulmologen Dr.
E. vom 4.2.2010 eine erhebliche obstruktive Ventilationsstörung. Außerdem läge auch ein Befund der Lungenpraxis G., Dr. H.
vom 5.5.2010 vor, in welchem eine COPD Schweregrad II nach Gold nachgewiesen worden sei. Aufgrund dieser beiden pulmologischen
Berichte liege der Einzel-GdB seines Erachtens zwischen 40 und 50 allein für die Einschränkung der Lungenfunktion. Daher habe
wohl der Erstgutachter den Einzel-GdB von 20 seinerzeit zu niedrig bewertet. Aufgrund der Untersuchungsberichte von Februar
und Mai 2010 sei er der Ansicht, dass für das internistische Fachgebiet der Einzel-GdB zwischen 40 und 50 liege.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.9.2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.8.2007 und den Bescheid des Beklagten vom 26.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.2.2009 abzuändern
und den Beklagten zu verpflichten, den GdB ab dem 12.3.2007 in Höhe von 50 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf
den Inhalt der Berufungsakte der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§
143,
151 SGG statthaft und zulässig.
Gegenstand des Rechtsstreits sind der Bescheid des Beklagten vom 20.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.8.2007
und der Bescheid des Beklagten vom 26.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.2.2009, mit denen dem Kläger
ein GdB von 40 ab dem 14.3.2007 zuerkannt wurde.
Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt
soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen
erfolgt (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X). Die Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die
die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 rechtfertigt, ist jedoch nicht eingetreten ist.
Rechtsgrundlage ist §
69 SGB IX i.V.m. den seit dem 1.1.2009 maßgeblichen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinischen
Verordnung (AnlVersMedV). Die AnlVersMedV lösen die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht
und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) -weitgehend inhaltsgleich- ab, die für die Zeit vor dem 1.1.2009 als antizipiertes
Sachverständigengutachten beachtlich sind und normähnliche Wirkung entfalten (BVerfG, Beschluss vom 6.3.1995 - SozR 3-3870
§ 3 Nr. 6; BSG vom 18.9.2003, SozR 4-3250 § 69 Nr. 2).
Als Hauptbehinderung des Klägers hat sich auf internistischem Fachgebiet eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung, Lungenfunktionseinschränkung
entwickelt. Diese ist erstmals im Januar 2008 durch den Gutachter Dr. R. festgestellt worden. Sie wurde durch das vom Senat
eingeholte internistische Gutachten bestätigt. Hierin wird eine erhebliche obstruktive Ventilationsstörung und eine obstruktive
Erhöhung des Residualvolumens in der Lunge III. Grades beschrieben. Danach besteht beim Kläger eine leicht- bis mittelgradige
obstruktive Ventilationsstörung mit restriktiver Komponente. Die mit der ergänzenden Stellungnahme eingereichten Befunde von
Dr. E. und Dr. H. haben eine Verschlechterung der Atemwegserkrankung des Klägers bestätigt. Nach den Ausführungen des Gutachters
liegt nunmehr eine erhebliche obstruktive Ventilationsstörung vor, die teilreversibel ist. Diese Behinderung ist nach den
AnlVersMedV mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten. Hierzu wird in der AnlVersMedV (B 8.5) ausgeführt, dass Krankheiten der
Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades (das heißt, das gewöhnliche Maß übersteigende
Atemnot bei mittelschwerer Belastung; statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 1/3 niedriger als
die Sollwerte, Blutgaswerte im Normbereich) mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten sind. Krankheiten mittleren Grades sind
mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten. Somit ist ein Einzel-GdB von 30 ab der von Dr. E. vorgenommenen Bodyplethysmographie
zu Grunde zu legen. Eine Bewertung der Lungenfunktionsstörung schon ab März 2007 mit einem Einzel-GdB von 30 bzw. 40 kann
nicht erfolgen, da diese aufgrund der vorliegenden Befunde nicht ausreichend nachgewiesen ist. Insoweit folgt der Senat weiterhin
den Feststellungen von Dr. R., der den Kläger zeitnah untersucht und begutachtet hat.
Die Bildung eines GdB von 40 für das internistische Fachgebiet auf der Grundlage aller internistischerseits bestehenden Behinderungen,
wie der Gutachter Dr. B. vorschlägt, ist nicht möglich. Dies würde den in der AnlVersMedV A 2e bzw 18 Abs. 4 AHP aufgestellten
Grundsätzen widersprechen. Hiernach sollen Funktionssysteme im Allgemeinen zusammengefasst beurteilt werden. Beispielhaft
führt die AnlVersMedV A 2e folgende, jeweils getrennt zu erfassende Funktionssysteme auf: Gehirn einschließlich Psyche; Augen;
Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und
Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf. Daher sind Einzel-GdB für das Funktionssystem "Atmung"
und das Funktionssystemen "Herz-Kreislauf" zu bilden. Eine Zusammenfassung dieser beiden Funktionssysteme in einen "Gesamt-
GdB" auf internistischem Fachgebiet entspricht nicht den Grundsätzen der AHP beziehungsweise der AnlVersMedV. Insoweit folgt
der Senat dem internistischen Gutachten nicht.
Der Senat geht weiter in Übereinstimmung mit den vorliegenden Gutachten und auch in Übereinstimmung mit dem Beklagten von
einem GdB von 20 für den bestehenden Bluthochdruck bei hypertensiver Herzerkrankung aus. Das Schlafapnoe-Syndrom und das metabolische
Syndrom bewertet der Senat jeweils mit einem Einzel-GdB von 10.
Nach dem vorliegenden neurologisch-psychiatrischem Gutachten besteht beim Kläger eine psychovegetative Störung mit Somatisierung.
Diese bedingt einen Einzel-GdB von 20. Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen bedingen nach der AnlVersMedV
B 3.7 einen GdB von 0 bis 20. Erst bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
ist ein Einzel GdB von 30 bis 40 vorgesehen.
Auf orthopädischem Fachgebiet liegt eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Nervenwurzelreizerscheinungen
vor. Diese ist unstrittig mit einem GdB von 20 zu bewerten. Dies hat sowohl der orthopädische Gutachter ausgeführt als auch
der versorgungsärztliche Dienst der Beklagten und entspricht den Angaben der AHP 2008 (26.18 AHP) bzw. B 18.9 AnlVersMedV.
Die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke ist mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke
und die Funktionsbehinderung der Kniegelenke, rechts mehr als links bewertet der Senat wie der Gutachter des Sozialgerichts
Augsburg mit einem GdB von 10, da Behinderungen des gleichen Organsystems als Einzel-GdB zusammenzufassen sind (vgl. oben).
Dies wurde vom orthopädischen Gutachter des Berufungsverfahrens nicht entsprechend den Vorgaben der AHP bzw. der AnlVersMedV
bewertet. Der Senat setzt für die Funktionsbehinderung der Hüft- und Kniegelenke einen Einzel-GdB von 10 fest, da sich im
Vergleich zur orthopädischen Begutachtung vor dem Sozialgericht Augsburg keine gesundheitliche Verschlechterung nachweisen
lässt. Außerdem besteht beim Kläger eine Hörminderung beiderseits, die mit einem GdB von 10 zu bewerten ist.
Weitere Gesundheitsstörungen, die in die Bewertung des Gesamt-GdB einzubeziehen wären, sind nach der gesamten Aktenlage nicht
ersichtlich.
Demnach ist gegenüber der Feststellung im Jahr 2007 keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten. Durch das Hinzutreten und die weitere Verschlechterung der Lungenfunktionen des Klägers besteht ein GdB von
30 seit der Untersuchung durch Dr. E ... Eine frühere Feststellung eines GdB für die Lungenfunktionsstörung ist nicht möglich.
Dies ergibt sich für den Senat daraus, dass der behandelnde Internist des Klägers in seinem Befundbericht vom 19.10.2007 keine
Angaben zu Atemnöten oder auch einer Lungenfunktionsstörung des Klägers macht. Diese wurde erstmals im Gutachten von Dr. R.
im Januar 2008 erwähnt.
Nach §
69 Abs.
3 SGB IX wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen
Beziehungen festgestellt, wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen. Wegen der Überschneidungen
der Auswirkungen sind in der Regel die GdB der einzelnen Beeinträchtigungen nicht zu addieren und zwar auch dann nicht, wenn
die Beeinträchtigungen beziehungslos nebeneinander stehen (Masuch in Hauck/Noftz,
SGB IX §
69 Rn. 30). Gesundheitsstörungen können sich in ihren Wirkungen gegenseitig verstärken (vgl. BSGE 48, 82). Ausgehend von der stärksten Beeinträchtigung ist der GdB mit Blick auf die weiteren Beeinträchtigungen zu entwickeln. Hierbei
ist zu beachten, dass die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, sich überschneiden aber auch
gänzlich voneinander unabhängig sein können (vgl. BSG vom 15.03.1979, BSGE 48, 82, 84; BSG vom 09.04.1997, SozR 3-3870 § 4 Nr. 19, vgl. hierzu auch VersMedV, A 3, Nr. 19 AHP zur Bildung des Gesamt-GdB).
Zur Höherbewertung des Ausgangs-GdB führen - abgesehen von Ausnahmefällen - nur Beeinträchtigungen, deren Einzel-GdB mehr
als 10 beträgt und zwar auch dann, wenn mehrere leichte Beeinträchtigungen zusätzlich bestehen. Das Erhöhungsverbot gilt ausnahmslos,
wenn die weiteren nur geringfügigen Funktionsstörungen sich unabhängig voneinander in verschiedenen Lebensbereichen auswirken
(vgl. BSG vom 13.12.2000, SozR 3-3870 § 4 Nr. 28). Auch bei weiteren mit einem Einzel-GdB von 20 eingeschätzten Beeinträchtigungen
wird der Gesamt-GdB vielfach nicht zu erhöhen sein. Nach diesen Grundsätzen sind alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig
von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen.
Der Senat setzt den Gesamt-GdB unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der AHP und der AnlVersMedV in freier
richterlicher Beweiswürdigung auf einen Gesamt-GdB von 40 fest. Hierbei berücksichtigt er insbesondere den GdB für die Lungenfunktionsstörung
in Höhe von 30 ab dem 4.2.2010, den Bluthochdruck bei hypertensiver Herzerkrankung mit einem GdB von 20, die Funktionsbehinderung
der Wirbelsäule bei degenernativen Veränderungen und Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem GdB von 20 sowie den GdB von
20 für das psychovegetative Erschöpfungssyndrom mit Somatisierung.
Nach diesen Grundsätzen beträgt der Gesamt-GdB daher 40.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§
183,
193 SGG und berücksichtigt das anteilige Obsiegen bzw. Unterliegen beider Parteien.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 SGG).