Anerkennung eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; Abgrenzung eines vorabgenehmigten Arztbesuchs als eigenwirtschaftliche
Tätigkeit; Berücksichtigung eines dritten Ortes als Ausgangspunkt für den versicherten Weg nur bei Einhaltung der Zwei-Stunden-Grenze
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Unfall des Klägers am 14.04.2011 ein versicherter Wegeunfall war.
Der 1953 geborene Kläger war seit 2007 bei der N. AG als Lagerarbeiter abhängig beschäftigt. Seine Wohnung befand sich in
der A-Straße in A-Stadt, seine Arbeitsstelle in der B-Straße in A-Stadt und damit ca. 2 km südwestlich von seiner Wohnung.
Der Kläger legte nach eigenen Angaben üblicherweise seinen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte mit dem Fahrrad zurück und
fuhr dabei die Z-Straße nach Westen, bog links Richtung Süden in die R-Straße ab, bog nach Westen in die L-Allee ein und fuhr
von dort auf die B-Straße Richtung Westen bis zur Arbeitstelle. Die Fahrdauer mit dem Fahrrad für die ca. 2,1 km lange Wegstrecke
beträgt nach Routenplaner ca. 8 Minuten.
Am 14.04.2011 verließ der Kläger gegen 8.00 Uhr seine Wohnung und fuhr mit seinem Fahrrad zu der Praxis seines Hausarztes
Dr. K., die in der B-Straße 15 in A-Stadt und damit nördlich von der Wohnung des Klägers lag. Dazu bog der Kläger von der
Z-Straße nach rechts in die R- Straße Richtung Norden ab, fuhr über die A-Brücke auf die F-Straße, bog links in die N-Gasse
und dann rechts in die B-Straße ein. Die Fahrdauer mit dem Fahrrad für diesen ca. 1,6 km langen Weg betrug laut Routenplaner
ca. 6 Minuten.
In der Arztpraxis wurde dem Kläger nach Angabe des Arztes gegen 8.40 Uhr Blut für Laboruntersuchungen der Blutwerte abgenommen.
Anhand der Laboruntersuchungen, die drei- bis viermal im Jahr vorgenommen wurden, erfolgte die medikamentöse Einstellung der
Marcumareinnahme des Klägers. Gesundheitliche Beschwerden des Klägers bestanden an diesem Tag nicht und nach der Blutentnahme
war keine weitere ärztliche Behandlung geplant. Den Arzttermin hatte der Kläger etwa 2-3 Tage zuvor vereinbart. Mit dem Arbeitgeber
war abgesprochen, dass der Kläger seine Arbeitsschicht wegen dieses Termins statt um 6.00 Uhr erst später - gegen 9.30 Uhr
- beginnen sollte.
Nach der Blutabnahme wollte der Kläger mit dem Fahrrad von der Arztpraxis zur Arbeitsstelle fahren. Die geplante Route führte
nicht zurück, sondern die B- Straße Richtung Nordwesten bis zur B-Straße, anschließend Richtung Südwesten über A-Platz, E-
Straße, D- Straße und voraussichtlich über Am S., R-Straße und M- Straße in die B-Straße zur Arbeitsstelle. Von dieser insgesamt
ca. 3,3 km langen Strecke mit einer geschätzten Fahrzeit auf dem Fahrrad nach Routenplaner von etwa 11 Minuten waren nur die
letzten 350-400 m auf der B-Straße mit dem sonst von der Wohnung aus gefahrenen Weg identisch. Die geplante Gesamtstrecke
an diesem Tag von der Wohnung über die Arztpraxis zur Arbeitsstätte umfasste ca. 4,9 / 5 km; die reine Fahrzeit mit dem Fahrrad
betrug dafür insgesamt nach Routenplaner ca. 17 Minuten.
Als der Kläger kurz nach Verlassen der Arztpraxis - laut Unfallanzeige des Arbeitgebers gegen 8.45 Uhr - mit seinem Fahrrad
auf der E- Straße die G-Straße überqueren wollte, stieß er mit einem Kraftfahrzeug zusammen. Dabei erlitt er nach dem Durchgangsarztbericht
von Dr. S. vom Unfalltag insbesondere eine Acromioclavicular-Gelenksprengung nach Tossy III links, Frakturen mehrerer Rippen
links, eine Kopfplatzwunde links temporal und eine Schulterprellung links. Der Kläger wurde zur stationären Behandlung in
das Krankenhaus St. B. in A-Stadt aufgenommen.
Der Unfallort lag über einen Kilometer nördlich von der Wohnung des Klägers und nicht auf seinem üblichen Weg zur Arbeit oder
auf einer verkehrsgerechten Alternativroute zwischen Wohnung und Arbeitsstelle. Auf die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom
12.05.2011 und den Unfallfragebogen des Klägers vom 26.04.2011 einschließlich seiner Skizze vom Unfallort wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 31.05.2011 teilte die Beklagte dem behandelnden Arzt Dr. S. mit, dass eine Behandlung zu ihren Lasten nicht
weiter durchgeführt werden solle, weil kein Arbeitsunfall vorliege. Der Kläger erhielt einen Abdruck mit Schreiben vom gleichen
Tag.
Der Klägerbevollmächtigte legte mit Schreiben vom 07.12.2011, eingegangen am 12.12.2011, Widerspruch ein bzw. erhob für den
Fall, dass das Schreiben vom 31.05.2011 kein Verwaltungsakt sei, Gegenvorstellung gegen die Ansicht, dass es kein Arbeitsunfall
gewesen sei. Der Kläger habe von seinem Arbeitgeber die Erlaubnis erhalten, am Unfalltag erst nach der dringend medizinisch
angezeigten ärztlichen Blutentnahme zur Arbeit zu kommen, weil die Blutentnahme in nüchternem Zustand vorgenommen werden sollte.
Die Abweichung vom üblichen Arbeitsweg sei mit dem Arbeitgeber abgesprochen gewesen. Der spätere Arbeitsbeginn habe auch im
Interesse des Arbeitgebers gelegen, da der Kläger sonst hätte krankgeschrieben werden müssen.
Mit Bescheid vom 01.02.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 14.04.2011 als Arbeitsunfall ab, weil
im Unfallzeitpunkt kein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestanden habe. Der Kläger sei am Unfalltag von
seinem direkten Weg zur Arbeit abgewichen, um den Hausarzt aufzusuchen, wobei der Arztbesuch eigenwirtschaftlich gewesen sei.
Der Kläger habe sich auf einem unversicherten Abweg befunden. Denn es sei eine zusätzliche Wegstrecke eingeschoben worden,
deren Zielrichtung vom grundsätzlich versicherten Weg deutlich abgewichen habe. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt den öffentlichen
Verkehrsraum seines Weges zur Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht gehabt.
Gegen diesen Bescheid legte der Klägerbevollmächtigte am 10.02.2012 Widerspruch ein und wies u.a. darauf hin, dass der Weg
vom Hausarzt zur Arbeitsstätte wegen Einbahnstraßen abweichend vom Hinweg habe erfolgen müssen und der Kläger den kürzesten
Weg über den verkehrsberuhigten Bereich gewählt habe. Der Kläger habe für die regelmäßigen Arztbesuche nicht jedes Mal Urlaub
nehmen können. Eine Blutabnahme in nüchternem Zustand nach Ende des Arbeitstags sei unzumutbar gewesen. Der Klägerbevollmächtigte
legte eine Karte über die geplante Route vom Hausarzt zur Arbeitsstelle vor sowie ein Bestätigungsschreiben des Arbeitgebers
vom 14.02.2012 über die Genehmigung des Arztbesuches.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe sich eindeutig
in einer entgegengesetzten Richtung fortbewegt als bei direktem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstelle und sich daher auf einem
sogenannten Abweg befunden. Die Genehmigung des Arbeitgebers sei insoweit unbeachtlich.
Dagegen hat der Kläger am 21.08.2012 Klage beim Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfalls sowie entsprechende Leistungen begehrt. Zur Begründung hat
der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen ausgeführt, dass das Zurücklegen des Weges zum Unfallzeitpunkt wesentlich von dem
Vorhaben geprägt gewesen sei, sich zur Arbeit zu begeben. Die Abweichung vom üblichen Arbeitsweg über die Praxis Dr. K. sei
nur geringfügig gewesen, mit geringer Veränderung und Verlängerung, und habe in angemessenem Verhältnis zum üblicherweise
zurückgelegten Weg gestanden. Die Blutabnahme habe auch der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft gedient. Die Wiederaufnahme
des Weges nach Blutentnahme sei aus Sicht eines unbeteiligten Dritten die Fortsetzung des früheren Wegs zur Betriebsstätte.
Außerdem sei im Gesetz der Ausgangspunkt des versicherten Weges zur Arbeitsstätte nicht benannt, so dass auch ein sogenannter
"dritter Ort" in Betracht komme.
Auf Nachfrage des SG hat Dr. K. mit Schreiben vom 28.01.2013 angegeben, dass der Kläger bei ihm zwischen 8.00 Uhr und 8.40 Uhr angekommen sei
und die Laborabnahme um 8.40 Uhr stattgefunden habe. Anschließend habe der Kläger die Praxis verlassen, ohne weitergehende
Behandlung.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 06.03.2012 hat der Klägerbevollmächtigte insbesondere darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) zum "Dritten Ort" einschlägig sei und die vom BSG aufgestellte Grenze - ein zweistündiger Aufenthalt am Dritten Ort - willkürlich und nicht vom Gesetzeswortlaut gedeckt sei.
Er hat sich auf einen Aufsatz des Richters am BSG Andreas Heinz über einen Vortrag vom 22.02.2013 im Rahmen der 25. Jahresarbeitstagung zum Sozialrecht des Deutschen Anwaltsinstituts
(DAI) berufen. Der Beklagtenvertreter hat darauf hingewiesen, dass die Zwei-Stunden-Grenze zur Bestimmung des dritten Ortes
ständige Rechtsprechung sei und es sich hier um einen Abweg, nicht einen Umweg gehandelt habe. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten
wird auf die Niederschrift verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.03.2012, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 25.04.2013, abgewiesen. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es an der Rechtsprechung des BSG zum dritten Ort einschließlich der im Interesse der Rechtssicherheit entwickelten Zwei-Stunden-Grenze festhalte und der Aufenthalt
des Klägers beim Arzt weit unterhalb dieser Grenze gelegen habe. Der Gesetzgeber habe nicht jeden Weg unter Versicherungsschutz
gestellt, dessen Ausgang oder Ziel die Arbeitsstätte sei. Bei Anreise zur Arbeitsstätte von einem anderen Ort als der Wohnung
seien Einschränkungen gerechtfertigt, um eine unverhältnismäßige Erweiterung des Versicherungsschutzes aufgrund von Entscheidungen,
die von der versicherten Tätigkeit unabhängig seien, zu verhindern. Daher sei eine gewisse Verweildauer am dritten Ort zu
verlangen, wofür das BSG eine Zwei-Stunden-Grenze entwickelt habe. Der Arztbesuch und der damit verbundene Umweg seien keine Betriebszwecken dienenden
Tätigkeiten gewesen. Die Genehmigung einer abweichenden Arbeitszeit durch den Arbeitgeber begründe keine Betriebsdienlichkeit.
Der Arztbesuch sei nicht vom Arbeitgeber veranlasst worden und als Routinekontrolle ohne Beschwerden des Klägers nicht zur
Aufrechterhaltung der Arbeitskraft erforderlich gewesen. Auch nach den Fallgestaltungen des "Umwegs" oder "Abwegs" bestehe
kein Versicherungsschutz. Bei einem Abweg, der von dem Ziel (hier: Arbeitsstätte) wegführe, bestehe Versicherungsschutz erst
wieder, wenn dieser Abweg beendet und der ursprüngliche Weg zur Arbeitsstätte wieder erreicht sei. Der Kläger habe hier zum
Unfallzeitpunkt aber weder den ursprünglichen Arbeitsweg erreicht gehabt noch einen Punkt auf einer Parallelstraße mit vergleichbarer
Distanz zur Arbeitsstätte wie von seiner Wohnung aus. Ein versicherter Umweg scheide aus, weil es keine nur geringfügige Abweichung
vom ursprünglichen Weg gewesen sei und der Umweg nicht ausschließlich auf die Erreichung des Arbeitsplatzes gerichtet gewesen
sei. Auf die Differenz des geplanten Gesamtweges am Unfalltag gegenüber dem üblichen Weg zur Arbeit und die zunächst eingeschlagene
entgegengesetzte Richtung hat das SG hingewiesen.
Mit der am 02.05.2013 eingelegten Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) begehrt der Kläger nach gerichtlichem
Hinweis im Schreiben vom 01.07.2013 die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide.
Zur Begründung hat der Klägerbevollmächtigte insbesondere ausgeführt, dass sich der Kläger in einer kritischen Altersphase
befinde, in der regelmäßige Kontrollen bei langjähriger Marcumar-Einnahme wesentlich der Aufrechterhaltung seiner Arbeitskraft
diene. Gegen die Anwendung der vom BSG entwickelten Zwei-Stunden-Grenze spreche, dass der Kläger die Dauer seines Aufenthaltes in der Arztpraxis nicht habe beeinflussen
können und ein zweistündiger Aufenthalt z.B. bei unvorhergesehen Notfällen durchaus möglich gewesen sei. Die Zwei-Stunden-Grenze
erscheine willkürlich und werde in der Literatur kontrovers diskutiert. Angesichts zahlreicher Einbahnstraßen im Bereich der
Arztpraxis habe der Kläger von dort den einfacheren und verkehrssicheren Weg gewählt. Ziel des Klägers sei vom Zeitpunkt des
Verlassens der Wohnung die Arbeitsstätte gewesen; auf das BSG-Urteil vom 02.12.2008 (B 2 U 26/06 R) hat er Bezug genommen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Das LSG hat den Beteiligten zwei Aufsätze des Richters am BSG A. H. zu versicherten und unversicherten Wegen übersandt, nämlich den bereits genannten schriftlichen Aufsatz für das DAI
und den schriftlichen Kongressvortrag für den Deutschen Sozialgerichtstag 2010 ("Versicherte und unversicherte Wege in der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts").
In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 07.05.2014 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert worden.
Der Klägerbevollmächtigte hat auf die Notwendigkeit regelmäßiger ärztlicher Kontrollen zum Erhalt der Arbeitskraft des Klägers
hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06. März 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 01. Februar 2012 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 07. August 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 14. April 2011
ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 06. März 2013 zurückzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akte der Beklagten und des SG sowie auf die Akte des LSG verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden ist.
Entscheidungsgründe
A)
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet. Denn der Kläger hat keinen
Anspruch auf Feststellung, dass sein Unfall vom 14.04.2011 ein Arbeitsunfall war. Zu Recht hat das SG im Urteil vom 06.03.2013 die Klage abgewiesen, die auf Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 07.08.2012 gerichtet war.
1.
Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls
gemäß §§
54 Abs.
1 Satz 1,
55 Abs.
1 Nr.
1 bzw. 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG - vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 RdNr. 4; BSGE 108, 274 ff. RdNr. 12).
Insbesondere steht der Zulässigkeit keine bindende Ablehnung des Anspruchs des Klägers auf Feststellung eines Arbeitsunfalls
im Schreiben vom 31.05.2011 als bestandskräftiger Verwaltungsakt (VA) entgegen. Denn dieses Schreiben, mit dem die Beklagte
ihre Leistungspflicht mangels Arbeitsunfalls verneint und um Abbruch der Heilbehandlung zu ihren Lasten mit sofortiger Wirkung
gebeten hat, war an den behandelnden Arzt des Klägers als Adressaten gerichtet und nicht an den Kläger. Damit hatte die Beklagte
nicht dem Kläger gegenüber seinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt und daher - auch nach eigener Einschätzung
im Aktenvermerk auf Blatt 35 der Beklagtenakten - noch keinen entsprechenden Verwaltungsakt erlassen.
Selbst wenn aber in der Übersendung der Abschrift dieses Schreibens an den Kläger "zur Kenntnisnahme und zum Verbleib" ebenfalls
mit Schreiben vom 31.05.2011 die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes gesehen würde, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger
seinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, ist ein solcher Verwaltungsakt nicht bestandskräftig
geworden. Denn der Klägerbevollmächtigte hat am 12.12.2011 Widerspruch gegen dieses Schreiben vom 31.05.2011 eingelegt und
zugleich für den Fall, dass die Beklagte darin keinen Bescheid sieht, Gegenvorstellung erhoben. Dabei wahrt ein solches Widerspruchsschreiben
die Widerspruchsfrist gegen einen im Schreiben vom 31.05.2011 enthaltenen Verwaltungsakt, denn mangels Rechtsbehelfsbelehrung
gilt gemäß §
84 Abs.
2 Satz 3
SGG i.V.m. §
66 Abs.
2 SGG für den Widerspruch die Jahresfrist seit Bekanntgabe des Bescheides.
Außerdem hat die Beklagte auf dieses Schreiben des Klägerbevollmächtigten keinen Widerspruchsbescheid erlassen, sondern mit
Bescheid vom 01.02.2012 dem Kläger gegenüber einen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 14.04.2011 als Arbeitsunfall
abgelehnt. Aus Sicht eines objektiven Empfängers, der mit den Umständen des Einzelfalls vertraut ist, war dieses Verhalten
der Beklagten so zu verstehen, dass diese ihre vorherigen Schreiben selbst nicht als Verwaltungsakte angesehen hat, sondern
vielmehr mit dem Bescheid vom 01.02.2012 eine abschließende rechtsbehelfsfähige Entscheidung über den Anspruch des Klägers
erlassen hat.
2.
Klage und Berufung des Klägers sind aber unbegründet, weil er keinen Anspruch auf die Feststellung hat, dass das Ereignis
vom 14.04.2011 ein Arbeitsunfall war. Anspruchs- und Ermächtigungsgrundlagen für die vom Kläger begehrte Feststellung eines
Arbeitsunfalls sind §§
102,
8 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) (vgl. BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - Juris RdNr. 16).
Nach §
8 Abs.
1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte
durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt
hat und deshalb "Versicherter" ist (vgl. BSG Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - Juris RdNr. 10). Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch
einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (vgl. BSG Urteil vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - Juris RdNr. 12).
Der Kläger war zwar Beschäftigter im Sinne von §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII und hat am 14.04.2011 einen Unfall erlitten, als er beim Überqueren der G-Straße mit einem anderen Verkehrsteilnehmer zusammenstieß,
stürzte und sich wesentlich durch diesen Sturz verursacht u.a. eine Acromioclavicular-Gelenksprengung nach Tossy III links,
Rippenfrakturen, eine Kopfplatzwunde links temporal und eine Schulterprellung links und damit einen Gesundheitserstschaden
zuzog.
Die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt - das Überqueren der G-Straße mit dem Fahrrad auf der E- Straße von
Nord nach Süd - stand aber nicht unter Versicherungsschutz, weil diese Verrichtung nicht im sachlichen bzw. inneren Zusammenhang
mit einer versicherten Verrichtung stand.
a)
Unstreitig hat der Kläger nicht dazu angesetzt, eine tatsächliche oder vermeintliche Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis
zu erfüllen, und er hat auch keine unternehmensbezogenen Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt (vgl. BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - Juris RdNr. 23).
b)
Der Kläger hat aber auch keinen gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII versicherten Weg zurückgelegt. Nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII zählt zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit "zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit". Diese Formulierung kennzeichnet
den sachlichen Zusammenhang einer unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der
nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - Juris RdNr. 11).
Begründet wird der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit damit, dass diese Wege
nicht (nur) aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit
bezogenen Handlungstendenz unternommen werden, so dass sie eine Art notwendiger Vor- oder Nachbereitungshandlung zur eigentlichen
versicherten Tätigkeit darstellen (vgl. BSG Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr. 14; BSG Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R - Juris RdNr. 13). Außerdem ist ein Grenzpunkt dieser Wege - der Ort der versicherten Tätigkeit - und zumeist auch der Zeitpunkt,
zu denen die Wege zurückgelegt werden, durch die versicherte Tätigkeit vorgegeben (vgl. hierzu Becker in BG 2011, 462 ff,
463).
Damit hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder
von ihr aus begonnen wird, sondern nur, soweit das Zurücklegen des Weges und die versicherte Tätigkeit - hier die abhängige
Beschäftigung im Unternehmen - im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - Juris RdNr. 13). Der innere bzw. sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit besteht, wenn die Fortbewegung von
dem Zweck bestimmt ist, den Ort der versicherten Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung
zu erreichen (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - Juris RdNr. 11). Die darauf gerichtete Handlungstendenz als innere Tatsache muss durch die objektiven Umstände bestätigt
werden (sog. objektivierte Handlungstendenz, vgl. BSG Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - Juris RdNr. 9 m.w.N.). Ob eine entsprechende subjektive Handlungstendenz als innere Tatsache vorliegt, stellt das Tatsachengericht
nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gemäß §
128 SGG fest (vgl. zur Feststellung als innere Tatsache BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R -Juris RdNr. 23). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen
insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und ggf. das gewählte Verkehrsmittel durch
die Erfordernisse der versicherten Tätigkeit geprägt werden (vgl. BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Juris RdNr. 20).
Zwar hat der Gesetzgeber mit §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII ebenso wie in den Vorgängervorschriften (§ 550 Abs. 1
RVO i.d.F. des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30.04.1963 - BGBl. I S. 241 ff. bzw. § 545a
RVO i.d.F. des 2. Änderungsgesetzes vom 14.07.1925 - RGBl. I S. 97) den Versicherungsschutz nicht auf Wege zwischen Arbeitsstätte
und Wohnung beschränkt und nur die Arbeitsstätte als Ziel- bzw. Ausgangspunkt, nicht aber den anderen Grenzpunkt des Weges
festgelegt. Das BSG hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein anderer Ort - sogenannter "dritter Ort" - als die Wohnung nur
dann Ausgangspunkt eines versicherten Weges zur Arbeitsstätte sein kann, wenn die Dauer des Aufenthaltes an diesem anderen
Ort so erheblich war, dass der vorangegangene Weg (zum dritten Ort) eine selbstständige Bedeutung erlangt und deshalb nicht
in einem rechtlich erheblichem Zusammenhang mit der Aufnahme der Arbeit an der Arbeitsstätte steht (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - Juris RdNr. 14). In diesen Fällen tritt der dritte Ort funktional an die Stelle des häuslichen Bereichs (vgl. BSG Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - Juris RdNr. 18). Das entspricht der Überlegung, dass gerade der durch die versicherte Tätigkeit veranlasste Übergang vom
eigenen häuslichen Bereich in den betrieblichen Bereich geschützt werden soll.
Für die Erheblichkeit des Aufenthalts an dem dritten Ort hat das BSG erstmals mit Urteil vom 05.05.1998 (B 2 U 40/97 R, veröffentlicht in Juris) als Mindestzeitdauer die Zwei-Stunden-Grenze festgelegt und damit dem Erfordernis nach Rechtssicherheit
und Gleichbehandlung Rechnung getragen. Denn zuvor waren in der Rechtsprechung je nach den Umständen des Einzelfalls ein Aufenthalt
an dem anderen Ort von etwa ein bis zwei Stunden, aber teilweise auch von nur knapp einer halben Stunde (so BSG Urteil vom 05.08.1987 - 9b RU 28/86 - veröffentlicht bei Juris; kritisch bereits BSG Urteil vom 17.02.1998 - B 2 U 1/97 R - Juris RdNr. 16) als erheblich angesehen worden, während demgegenüber für das endgültige Entfallen von Versicherungsschutz
nach längerer Unterbrechung auf Wegen von dem Ort der Tätigkeit aus Gründen der Rechtssicherheit eine feste Zwei-Stunden-Grenze
bestand, mit der Folge erheblicher Abgrenzungsprobleme und drohender Wertungswidersprüche (vgl. zu den Einzelheiten mit weiteren
Nachweisen BSG Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - Juris RdNr. 15 ff.). Das BSG hat die einheitliche Zwei-Stunden-Grenze statt einer Stunde oder eines sogar noch geringeren Zeitraums für sachgerecht gehalten,
weil dadurch dem Umstand Rechnung getragen wird, dass der dritte Ort funktional an die Stelle des häuslichen Bereichs tritt
und daher der Aufenthalt dort ein adäquates zeitliches Gewicht haben sollte (vgl. BSG a.a.O. Juris RdNr. 18).
Versichert ist nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII das Zurücklegen des unmittelbaren Weges, nicht nur der direkte oder kürzeste Weg, so dass eine gewisse Gestaltungs- bzw.
Wahlfreiheit des Versicherten besteht. Auch ein Weg mit längerer Wegstrecke ist als unmittelbar und damit versichert anzusehen,
wenn er z.B. wegen kürzerer Fahrzeit, besseren Straßenverhältnissen, weniger Verkehrsaufkommen oder anderen Gründen als verkehrsgerechter
anzusehen ist (vgl. BSG Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - Juris RdNr. 18 m.w.N.; BSG Urteil vom 28.04.2004 - B 2 U 20/03 R - Juris RdNr. 18).
Soweit für das Zurücklegen des Wegs, insbesondere die Wahl der Route, (auch) Gründe von Bedeutung sind, die nicht mit der
versicherten Tätigkeit zusammenhängen, und damit auch eine privatwirtschaftliche Handlungstendenz, handelt es sich beim Zurücklegen
des Weges um eine sogenannte Verrichtung mit gemischter Motivationslage bzw. gespaltener Handlungstendenz (vgl. BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R -Juris RdNr. 23; BSG Urteil vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - Juris RdNr. 16), denn sie erfolgt sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit versicherungsbezogener Handlungstendenz.
Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten
Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns
entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren
Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet (vgl. BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R -Juris RdNr. 24 m.w.N.). Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten
Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist
zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen
lässt. Von Bedeutung ist insoweit, ob und inwieweit die gewählte Route von weiteren verkehrsgerechten Routen mehr als geringfügig
abweicht (vgl. BSG ebenda).
Wird das Zurücklegen des unmittelbaren Weges von oder zu der Arbeitsstätte aus eigenwirtschaftlichen Gründen mehr als nur
geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz; dieser setzt erst wieder ein, wenn die
eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird, also die Handlungstendenz auch
nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den ursprünglichen, versicherten Weg wieder aufzunehmen (vgl. hierzu BSG Urteile vom 04.07.2013 - B 2 U 12/12 R - Juris RdNr. 18; B 2 U 3/13 R - Juris RdNr. 12). Die Unterbrechung des Versicherungsschutzes setzt ein, sobald der Versicherte allein eigenwirtschaftliche
Zwecke verfolgt, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmen, und dauert so lange, bis er die Fortbewegung
auf sein ursprüngliches Ziel hin wieder aufnimmt (vgl. BSG Urteile vom 04.07.2013 a.a.O.). Für eine solche Unterbrechung des Versicherungsschutzes kommt es grundsätzlich nicht darauf
an, ob der Versicherte lediglich seine Fortbewegung beendet, um sich an Ort und Stelle einer anderen Tätigkeit zuzuwenden,
oder ob er den eingeschlagenen Weg verlässt, um an anderer Stelle einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf
den ursprünglichen Weg zurückzukehren (vgl. BSG Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R - Juris RdNr. 25).
Im vorliegenden Fall stand die konkrete Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt - das Überqueren der G-Straße mit dem
Fahrrad auf der E- Straße von Nord nach Süd - nicht in innerem bzw. sachlichem Zusammenhang mit dem Zurücklegen des unmittelbaren
Weges zur Arbeitsstätte gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII.
Die innere Handlungstendenz des Klägers war dabei zum Einen darauf gerichtet, die Arztpraxis von Dr. K. zu verlassen, und
zum Anderen darauf, zur Arbeitsstätte zu gelangen, um dort seine nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII versicherte Beschäftigung aufzunehmen.
Das Aufsuchen der Arztpraxis von Dr. K. zur Blutabnahme war, wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat, eine nicht versicherte, rein eigenwirtschaftliche Verrichtung und stand insbesondere nicht
im inneren oder sachlichen Zusammenhang mit der abhängigen Beschäftigung des Klägers. Denn der Arztbesucht erfolgte ausschließlich
zur alle drei bis vier Monate stattfindenden routinemäßigen Blutabnahme, wobei das Blut zunächst im Labor ausgewertet wurde,
um bei Bedarf später eine Medikamentenanpassung vorzunehmen. Damit diente die Blutabnahme nur mittelbar der Aufrechterhaltung
der Gesundheit, was - wiederum mittelbar - der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft des Klägers zu Gute gekommen wäre. Eine
weitergehende Behandlung erfolgte am Unfalltag nicht und war auch nicht geplant, zumal der Kläger am Unfalltag keinerlei Beschwerden
hatte, die der Arbeitsaufnahme entgegengestanden hätten. Der Arztbesuch war auch nicht vom Arbeitgeber veranlasst worden.
Der Arztbesuch am Unfalltag war daher weder für die Verrichtung der versicherten Beschäftigung notwendig noch stand er mit
der versicherten Beschäftigung in einem so engen sachlichen bzw. zeitlichen Zusammenhang, so dass der Arztbesuch als vorbereitende
Handlung für die abhängige Beschäftigung in den Schutz des Versicherungstatbestandes nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII einzubeziehen ist (vgl. BSG Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - Juris RdNr. 20). Dass der Arbeitgeber einem späteren Arbeitsbeginn des Klägers am Unfalltag zugestimmt hatte, ist insoweit
ohne Belang. Denn die Duldung eines späteren Arbeitsbeginns oder einer Unterbrechung der Arbeitszeit, damit der Arbeitnehmer
privaten Verrichtungen nachkommen kann, begründet keinen inneren bzw. sachlichen Zusammenhang der privaten Verrichtungen bzw.
der damit verbundener Wege mit der Beschäftigung und infolgedessen auch keinen Versicherungsschutz (vgl. zu Absprachen mit
dem Arbeitgeber zur Arbeitsunterbrechung zu privaten Zwecken auch BSG Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 19/06 R - veröffentlicht bei Juris).
Damit war die Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt eine Verrichtung mit gemischter Motivationslage bzw. gespaltener
Handlungstendenz. Denn neben der (versicherungsbezogenen) Handlungstendenz, den Weg aus dem Privatbereich zur Arbeitsstätte
fortzusetzen, lag ihr die privatnützige Handlungstendenz zu Grunde, die aus privatnützigen Gründen aufgesuchte Arztpraxis
wieder zu verlassen.
Die Verrichtung zum Unfallzeitpunkt - das Überqueren der G-Straße mit dem Fahrrad von Nord nach Süd - findet in ihrer konkreten,
tatsächlichen Ausgestaltung nach den objektiven Umständen ihren Grund aber nicht in der versicherungsbezogenen Handlungstendenz,
einen versicherten Weg nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII zur Arbeitsstätte zurückzulegen, sondern nur in dem vorangegangenen privatnützig motivierten Arztbesuch.
Dabei war angesichts des kurzen Aufenthalts des Klägers in der Arztpraxis zur Blutabnahme die Praxis nicht an die Stelle der
Wohnung als häuslicher Bereich und Ausgangspunkt eines eigenständigen, versicherten Weges zur Arbeitsstätte nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII getreten. Vielmehr war das Zurücklegen der Wegstrecke zum Unfallzeitpunkt Teil des Weges, den der Kläger am Unfalltag gegen
8.00 Uhr von seiner Wohnung aus aufgenommen hatte und der über die Arztpraxis als Zwischenziel zur Arbeitsstätte führte. Denn
unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und seines Arztes hat sich der Kläger auf keinen Fall länger als maximal 40
Minuten in der Arztpraxis aufgehalten und damit weit weniger als zwei Stunden im Sinne der Rechtsprechung zum dritten Ort.
Der vorliegende Fall bietet nach Ansicht des Senats keinen Anlass, von der oben dargestellten Rechtsprechung des BSG abzuweichen, wonach ein anderer, sogenannter dritter Ort nur dann Ausgangspunkt für einen versicherten Weg zur Arbeitsstätte
nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII ist, wenn der Aufenthalt an diesem Ort von erheblicher Dauer im Umfang von mindestens zwei Stunden ist (vgl. dazu oben, BSG vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R). Wie dargelegt sind gleichartige Kriterien für die Beurteilung des Weges von und zu der Arbeitstätte sowie für das endgültige
Entfallen von Versicherungsschutz nach Unterbrechung von versicherten Wegen bzw. das Wiederaufleben von Versicherungsschutz
nach Unterbrechung erforderlich, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Außerdem ist es schon im Interesse der objektiven Erkennbarkeit
und Rechtssicherheit geboten, eine gewisse Mindestverweildauer für die Annahme des Grenzpunktes eines unter Versicherungsschutz
stehenden Weges anzunehmen. Andernfalls würde jede kurze, mehr als geringfügige Unterbrechung des Heimweges zu privaten Zwecken
den Versicherungsschutz bei Fortsetzung des Weges endgültig entfallen lassen. Andererseits würde der Umfang des Versicherungsschutzes
erheblich erweitert und wäre kaum objektiv von unversicherten Wegen abgrenzbar, wenn jeder kurze, nicht nur geringfügige Aufenthalt
auf dem Weg zur Arbeitsstätte als Ausgangspunkt eines eigenständigen, versicherten Weges i.S.v. §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII berücksichtigt würde; das gilt insbesondere, wenn die Angemessenheit der Wegstrecke im Vergleich zur üblichen Wegstrecke
nicht als verlässliches Prüfungskriterium angesehen wird (so wohl Heinz im schriftlichen Vortrag für das DAI, a.a.O., S. S.
40). Angesichts der Tatsache, dass der Arbeitgeber, für den der Unfallversicherungsträger eintritt, in der Regel keine Einflussmöglichkeiten
auf die Gestaltung des Weges zur Arbeit und die daraus resultierenden Risiken hat, erscheint eine solch weite Auslegung nicht
angemessen.
Die BSG-Rechtsprechung zum dritten Ort berücksichtigt, dass die freie Wohnsitznahme des Versicherten nach Art.
11 Abs.
1 Grundgesetz geschützt ist und der Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung regelmäßig die Schwelle zwischen der versicherten Tätigkeit
und dem Privatleben des Versicherten ist, die dieser überwinden muss, um überhaupt seiner versicherten Tätigkeit nachgehen
zu können (vgl. BSG Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 33/00 R - Juris RdNr. 17 f.), während die Entscheidung des Beschäftigten, seinen Weg zum Ort der Tätigkeit an einem bestimmten Tag
von einem anderen (dritten) Ort als der Wohnung anzutreten nur der nach Art.
2 Abs.
1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit unterfällt. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat Bezug.
Soweit der Klägerbevollmächtigte vorgetragen hat, der Kläger habe keinen Einfluss auf die Dauer seines Aufenthaltes in der
Arztpraxis gehabt, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Der Kläger ist nach eigenen Angaben um 8.00 Uhr zur Arztpraxis
aufgebrochen und sollte seine Arbeit um 9.30 Uhr am Unfalltag antreten, so dass nach seiner Planung der Aufenthalt in der
Praxis weit weniger als zwei Stunden betragen sollte. Das erscheint auch realistisch, da eine Blutabnahme regelmäßig nur wenig
Zeit in Anspruch nimmt.
Obwohl der Kläger am Unfalltag gegen 8.00 Uhr von seiner Wohnung aufgebrochen ist und die Arbeitsstätte sein endgültiges Ziel
war, findet die Verrichtung zum Unfallzeitpunkt - das Überqueren der G-Straße mit dem Fahrrad von Nord nach Süd - in ihrer
konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung nach den objektiven Umständen ihren Grund nicht in der versicherungsbezogenen Handlungstendenz,
einen versicherten Weg nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII zur Arbeitsstätte zurückzulegen.
Denn das Zurücklegen des Teilweges zum Unfallzeitpunkt auf der E- bzw. G-Straße lag in deutlicher Entfernung nördlich von
der Wohnung des Klägers und erst recht von seinem Arbeitsplatz und weit entfernt nicht nur von dem sonst üblichen Weg des
Klägers zur Arbeitsstelle, sondern zugleich in deutlicher Entfernung von allen alternativen, verkehrsgerechten Straßenverbindungen,
die für das Zurücklegen des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Fahrrad zur Verfügung standen. Legt man die Wohnung
als Ausgangsbasis zu Grunde, befindet sich der Unfallort nämlich nördlich davon auf Höhe einer Parallele zur Wohnung mit einem
Luftlinien-Abstand von über 1 km, während die Arbeitsstätte sich zudem südlich von der Wohnung befand.
Der Aufenthalt des Klägers zum Unfallzeitpunkt am Unfallort hatte seinen wesentlichen Grund daher nicht in einer betrieblichen
Zwecken dienenden Handlungstendenz des Klägers, sondern ausschließlich in dem Arztbesuch bei Dr. K. in der B- Straße 15 und
damit in der privatwirtschaftlichen Handlungstendenz des Klägers mit eingeschobenem Arztbesuch.
Der Kläger hatte bereits vor Erreichen des Unfallortes das Zurücklegen eines versicherten Weges von seiner Wohnung aus in
Richtung der Arbeitsstätte unterbrochen, als er von der Z-Straße in die R- Straße Richtung Norden statt Richtung Süden einbog
und sich damit nicht (mehr) in Richtung des versicherten Ziels - der Arbeitsstätte - fortbewegte, sondern in Richtung der
Arztpraxis. Damit hat der Kläger das Zurücklegen des unmittelbaren Wegs zur Arbeitsstätte aus eigenwirtschaftlichen Gründen
- den Arztbesuch - mehr als nur geringfügig unterbrochen. Gegen die Geringfügigkeit der Unterbrechung spricht hier neben dem
Umfang des eingeschobenen Weges, wodurch Wegstrecke und Fahrdauer gegenüber dem sonst üblichen Arbeitsweg mehr als verdoppelt
wurden, insbesondere die deutliche Zäsur durch den Richtungswechsel (vgl. BSG Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - Juris RdNr. 15).
Diese Unterbrechung des versicherten Weges war zum Unfallzeitpunkt auch noch nicht beendet, obwohl der Kläger den Arztbesuch
selbst bereits beendet hatte und sich wieder in Richtung auf die Arbeitsstätte fortbewegte. Denn der Kläger hatte noch nicht
wieder den ursprünglichen versicherten Weg erreicht (vgl. dazu auch BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R - Juris RdNr. 22 ff., 24 und Urteil vom selben Tag B 2 U 15/07 R - Juris RdNr. 20 ff.). Weder war er zum Ausgangspunkt der Unterbrechung zurückgekehrt noch hatte er wenigstens eine mögliche
Alternativroute erreicht, die er als verkehrsgerechten unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hätte wählen können
(vgl. hierzu Schwerdtfeger in Lauterbach, Kommentar zum
SGB VII, Stand Januar 2014, zu §
8 RdNr. 514), wie z.B. die Einmündung des O-Wegs oder der N- Straße in die D- Straße. Da der Kläger noch einen Teilweg zurücklegte,
der sich nördlich von seiner Wohnung befand, war wesentlicher Grund für das Zurücklegen dieser Wegstrecke am Unfallort die
Rückkehr von dem eingeschobenen (privatnützigen) Arztbesuch, so dass demgegenüber die betriebliche Handlungstendenz - das
Aufsuchen der Arbeitsstätte - zurücktritt und keinen wesentlichen Grund für die konkrete Verrichtung zum Unfallzeitpunkt darstellte.
Zutreffend hat das SG ferner dargelegt, dass Versicherungsschutz nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII für die Verrichtung zum Unfallzeitpunkt auch nicht nach den früher in der BSG-Rechtsprechung für Umwege entwickelten Kriterien in Betracht kommt. Denn ein Umweg mit einer Gesamtstrecke von fast 5 km
mit ca. 17 Minuten Gesamt-Fahrzeit gegenüber dem sonst üblichen, verkehrsgerechten Weg von 2,1 km und 8 Min. Fahrzeit ist
nicht geringfügig, er erfolgte nicht aus versicherungsbezogenen Gründen, z.B. wegen betrieblicher Erfordernisse oder wegen
der Verkehrssituation, sondern nur wegen des nicht versicherten, privatwirtschaftlichen Arztbesuchs (vgl. zum Versicherungsschutz
auf Umwegen u.a. BSG Urteil vom 11.09.2001 B 2 U 34/00 R, veröffentlicht bei Juris); der "Umweg" war zum Unfallzeitpunkt auch noch nicht beendet, da der Kläger - wie dargelegt -
noch keinen Wegeteil erreicht hatte, der als Alternative für einen unmittelbaren, verkehrsgerechten Weg von der Wohnung zur
Arbeitsstelle in Betracht gekommen wäre (vgl. hierzu BSG Urteil vom 28.07.1983 - 2 RU 50/82- Juris RdNr. 17).
c)
Das Zurücklegen des Weges zum Unfallzeitpunkt stand ferner nicht in sachlichem Zusammenhang mit einer nach §
2 Abs.
1 Nr.
15 Buchst. a
SGB VII versicherten Tätigkeit, denn die Blutabnahme war Teil einer ambulanten (nicht stationären oder teilstationären) ärztlichen
Heilbehandlung des Klägers und diente der Medikamenteneinstellung. Ferner wurde die Heilbehandlung nicht durch einen Unfallversicherungsträger
oder seine Organe bzw. Leistungserbringer erbracht im Sinne von §
11 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII.
B)
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
C)
Die Entscheidung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Im Interesse der Rechtsfortentwicklung hat der Senat mit
Blick auf die Diskussionen namhafter Autoren zur Abgrenzung des dritten Ortes die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen.