Anspruch auf Verletztenrente nach dem SGB VII; Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einem Schädel-Hirn-Trauma
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger (Kl.) Anspruch auf Verletztenrente nach dem
Siebten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) gegen die Beklagte (Bekl.) nach einem höheren Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 20 vom Hundert (v.H.) hat.
Streitig sind die Folgen der erlittenen Schädelverletzungen.
Der 1954 geborene Kl., der eine Motorrad-Werkstatt betrieb und bei der Bekl. versichert war, fuhr am 13.09.2006 gegen 9:00
Uhr bei einer Probefahrt mit dem Motorrad eines Kunden die Straße entlang, als plötzlich ein entgegenkommendes Auto ohne zu
blinken nach links in einen Parkplatz abbog. Der Kl. prallte mit seinem Motorrad auf seiner Fahrbahnseite auf das querstehende
Auto auf, wurde über dieses hinweg katapultiert und fiel auf die Fahrbahn.
Der Kl. wurde mit dem Notarzt in die chirurgische Klinik Dr. R. gebracht, wo er stationär vom 13.09.2006 bis zum 19.10.2006
behandelt wurde (Abschlussbericht vom 11.10.2006, D-Arzt-Bericht Dr. S. vom 13.09.2009). Als Diagnosen wurden eine Innenband-Teilruptur
am rechten Kniegelenk, eine Gehirnerschütterung ersten Grades, eine HWS-Distorsion und eine Prellung der Handgelenke beidseits
gestellt.
Noch am Unfalltag (13.09.2006) wurde eine CT des Schädels angefertigt, die einen unauffälligen Befund des Gehirns erbrachte,
insbesondere keine Kontusionen, keine Hirnblutung, kein epidurales oder subdurales Hämatom und kein Hirnödem. Auf dem Formular
zur Begründung der Notwendigkeit der CCT war handschriftlich angegeben: "Auf dem Transport Erbrechen und Übelkeit, in der
Notaufnahme zunehmendes Eintrüben des Patienten, zeitlich nicht mehr orientiert. Intrazerebrale Läsionen?"
Nach den Angaben der Ehefrau des Klägers gegenüber dem Sachverständigen Dr. D. (siehe dessen Gutachten vom 12.04.2012) sei
der Kläger den ganzen Tag bis abends um 18:00 Uhr nicht ansprechbar und nicht erweckbar gewesen. Am Abend habe er sie mit
der Frage überrascht, wie viele Enkel sie hätten. Auch am Folgetag sei er noch verwirrt gewesen.
Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt erhielt der Kl. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik Bad H.
ab dem 19.10.2006. Die ursprünglich bis zum 09.11.2006 bewilligte Maßnahme wurde von der Bekl. auf Antrag der dortigen Ärzte
bis zum 23.11.2006 verlängert. In der Begründung des Verlängerungsantrags heißt es unter "Komplikationen": "psychologische
Vorstellung bezüglich Frage posttraumatischer Belastungsreaktion erforderlich". Im Entlassungsbericht der Fachklinik Bad H.
vom 06.12.2006 wird unter "psychologischer Kurzbericht" die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt. Berichtet
wurde von Albträumen, dem Vermeiden des Angstreizes (Motorrad) und einer gesteigerten Erregung mit Schlaf- und Konzentrationsproblemen
über einen Monat nach dem Unfall. Eine Traumatherapie sei aus psychologischer Sicht dringend indiziert. Der Kl. sei weiterhin
auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig.
Eine MRT des Neurokraniums vom 19.07.2007 bei Dr. W. ergab eine diskrete Mikroangiopathie, jedoch keinen Hinweis auf posthämorrhagische
Residualveränderungen, auf eine postkontusionelle Parenchymläsion oder auf eine stattgehabte Blutung.
Bei einem Gespräch zwischen dem Berufshelfer der Bekl. und dem Kl. in dessen Wohnung am 07.08.2007 teilte der Kl. mit, das
er das rechte Knie praktisch kaum belasten könne. Außerdem leide er seit dem Unfall im Jahr 2006 unter erheblichen psychischen
Problemen. Er habe Angst, am Straßenverkehr teilzunehmen und leide selbst als Beifahrer unter plötzlichen Panikattacken. Er
habe inzwischen eingesehen, dass eine Aufgabe seines selbstständigen Betriebs als Motorradmechaniker unumgänglich sei.
Zu den Unfallfolgen holte die Bekl. ein Gutachten auf chirurgischem Fachgebiet von Dr. R. ein, der am 01.10.2007 zu dem Ergebnis
kam, dass die Gehirnerschütterung und die Zerrung der Halswirbelsäule folgenlos ausgeheilt seien, der Teileinriss des Innenbandes
führe noch zu einer geringen Instabilität des rechten Kniegelenks, die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet bedingten
keine messbare MdE.
Der Neurologe und Psychiater Dr. K. kam mit Gutachten vom 26.09.2007 zu dem Ergebnis, dass eine klassische Symptomatik einer
posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe. Als Symptom bestehe aber noch ein Vermeidungsverhalten
gegenüber dem Auto- und Motorradfahren, das als Unfallfolge anerkannt werden könne und mit einer MdE von 10 v.H. bewertet
werden solle. Unter weiterer Fortführung der psychologischen und pharmakologischen Therapie sei von einem kompletten Abklingen
der jetzt noch bestehenden Symptomatik auszugehen. Schädelverletzungen konnten durch eine MRT des Schädels vom 19.07.2007
ausgeschlossen werden.
Mit Bescheid vom 15.01.2008 gewährte die Bekl. daraufhin ab 22.06.2007 (Stütz-) Rente nach einer MdE von 10 v.H. wegen einer
geringen Instabilität des rechten Kniegelenks und Restsymptomen einer PTBS.
Mit Bescheid vom 16.01.2008 erteilte die Bekl. dem Kl. eine Schlussabrechnung für sein Verletztengeld in der Zeit vom 13.09.2006
bis zum 21.06.2007 in Höhe von insgesamt 25.530,54 EUR.
Am 29.01.2008 legte der Kl. gegen den Bescheid vom 15.01.2008 Widerspruch ein.
Im Februar 2008 gab der Kl. seine Firma auf.
Die Neurologin PD Dr. E. berichtete am 18.03.2008 und am 05.05.2008 über die Behandlung des Kl. im Zeitraum vom 18.07.2007
bis zum 29.04.2008. Der Kl. leide unter kognitiven Beeinträchtigungen mit massiven Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, die
trotz psychotherapeutischer Behandlung unverändert weiter bestünden. Albträume und massiv auftretende Stimmungstiefs hätten
leicht reduziert werden können. Weiter bestehe eine massive Erschöpfbarkeit, so dass der Kl. häusliche Tätigkeiten spätestens
nach zwei Stunden einstellen und sich mehrere Stunden ausruhen müsse.
Die psychologische Psychotherapeutin B. berichtete am 06.04.2008, sie habe die Diagnose einer PTBS mit Symptomen von Angst
und Depression als Ausdruck dieser Grundstörung mit erheblich krankheitswertiger Symptomatik gestellt. Es werde eine verhaltenstherapeutische
Behandlung mit 40 Einzelsitzungen zu je 50 Minuten in wöchentlicher Frequenz geplant.
Auf den Widerspruch hin, mit dem der Kl. insbesondere Depressionen, kognitive Beeinträchtigungen und eine PTBS geltend machte,
holte die Bekl. das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. S. vom 12.03.2009 ein, in dem dieser ausführte, dass
ihm eine abschließende Beurteilung nicht möglich sei, da es in dem Fall von Anfang an einer ausreichenden Dokumentation hinsichtlich
hirnorganischer Symptome gefehlt habe und auch die Behandlung in psychotherapeutischer Hinsicht möglicherweise fehlgeleitet
war und von den eigentlichen Problemen abgelenkt habe. Die gesamte Behandlung in psychiatrisch-nervenärztlicher Hinsicht sei
nämlich unter dem Aspekt einer PTBS erfolgt, die nach Prof. Dr. S. jedoch eher fernliegend sei. Denn zum einen schlössen sich
die Annahme einer unfallbedingten Bewusstlosigkeit - also eines nicht wahrgenommenen Unfallhergangs - und die Entwicklung
einer unfallbedingten PTBS definitiv aus. Zum anderen fehle es definitiv am Leitkriterium einer PTBS, nämlich dem unfallbedingten
Wiedererinnern, das bisher in keinem einzigen Bericht erwähnt worden sei. Auch der Unfallhergang sei bisher noch nicht hinreichend
analysiert worden. Die Erinnerung des Kl. ende mit einer von ihm so genannten "schwarzen Wand" - also der rechten Fahrzeugseite
vor dem Aufprall - und beginne dann wieder mit Unfallzeugen am Unfallort. Die Gesamtzeit der Bewusstlosigkeit sei also kurz
gewesen, dürfte aber einige Minuten betragen haben. Allerdings sei die Frage nach einer länger anhaltenden Bewusstseins- und/oder
Orientierungsstörung noch nicht hinreichend klar. Offensichtlich sei der Kl. noch über einige Stunden nach dem Unfall benommen
bis schläfrig gewesen. Nach Angaben der Ehefrau, die nach der Erstversorgung an seinem Bett saß, habe er erst nach etwa fünf
Stunden die Augen aufgeschlagen und dann die skurrile Frage gestellt, wie viele Enkelkinder er habe (und nicht, wo er sei,
was passiert wäre etc.). Auffallend sei auch die weitere Angabe der Ehefrau, dass sich ihr Mann auch an den folgenden Tagen
in ähnlicher Weise merkwürdig verhalten habe und dabei eigentümlich unruhig und aufgeregt erschien sowie stark schwitzte.
Der Kl. selbst glaube sich zu erinnern, dass er im Krankenhaus den Impuls gehabt habe, das Bett zu verlassen oder nach Hause
zu gehen. Hierüber sei jedoch im Entlassungsbericht nichts vermerkt. Allerdings sei in diesem Zusammenhang auffällig ein augenärztliches
Konzil eine Woche nach dem Unfall, in dem eine auffällige Mydriasis mit Fusions- und Akkommodationsschwäche sowie Exophorie
beschrieben worden sei, was als postcommotioneller Zustand interpretiert werde. Im Zusammenhang mit einem Unfallmechanismus,
der hirnorganische und im Übrigen auch HWS-Verletzungsfolgen nahelegte, müsse deshalb die Dokumentation der neurologischen
und neuropsychologischen Befunde als unzureichend bezeichnet werden. Denn die genannten Befunde ließen wenig Zweifel an Bewusstseinsstörungen
oder Amnesie und erweckten darüber hinaus den Verdacht eines hirnorganischen Psychosyndroms. Eine Schleuderung des Körpers
über wahrscheinlich mehrere Meter durch die Luft über ein Autodach hinweg mit Aufschlag auf die Scheitelregion der Schädels
lasse hier (trotz Helmschutz) auf eine Stoßwellenausbreitung über zentrale Hirnstrukturen in Richtung Schädelbasis folgern
und müsse zwangsläufig auch mit einer nicht unerheblichen HWS-Tangierung einhergehen. Eine Verletzung solcher zentraler und
basaler Hirnstrukturen führe dabei charakteristischer Weise nicht zu dem bekannten Kontusionsherd der Hirnrinde, sondern zu
eher diffusen und dabei vorwiegend neuropsychologischen Beeinträchtigungen, die im Übrigen weder durch übliche testpsychologische
Verfahren nachzuweisen seien, noch häufig nicht einmal durch MRT ausgeschlossen werden könnten (was mit der strukturellen
"Unruhe" der Schädelbasis von Knochenstruktur, Liquorräumen, venösen und arteriellen Gefäßen etc. zusammenhänge). Die ganz
auffallend schwere und fortdauernd psychische Dekompensation des Patienten entspreche letztlich einer Art "Wesensveränderung",
wie man sie bei bestimmten Hirnverletzungen, und zwar solchen, die bilateral frontal oder frontotemporal basal lokalisiert
sein, oder auch solchen, die Zwischenstrukturen wie das limbische oder hypothalamisch-vegetative Regulationssystem beträfen,
vorfinde. Solche Verletzungen bewirkten weder herdförmige neurologische Defizite (Lähmungen, Sehstörungen etc.) noch umschriebene
neuropsychologische Defizite (wie Aphasie, Apraxie, Anosognosie etc.). Es seien Hirnleistungsstörungen, die vielmehr das planerische
und zielgerichtete Verhalten (gewissermaßen die Schrittmacherfunktionen des Denkens) beträfen, häufig auch als exekutive Funktionen
bezeichnet. Es handle sich um komplexe intellektuelle Leistungen, die die Integration von Wahrnehmungsfunktionen in situativ
angemessenes Verhalten gewährleisteten und meist auch mit der Steuerung des emotionalen Verhaltens zu tun hätten. Häufig seien
Antrieb, Initiative, Motivation und psychomotorisches Verhalten schwer gestört, zuweilen auch mit depressiven und anderen
affektive Beeinträchtigungen (vor allem Angstsyndromen) verbunden. Diese Störungen seien darüber hinaus dadurch charakterisiert,
dass sie aufgrund erhaltener eingefahrener Verhaltensweisen (aus der Zeit vor dem Unfall) den Eindruck einer weitgehend intakten
Fassade vermittelten, zumal dann, wenn - wie beim Kläger der Fall - ein freundliches bis leutseliges, gesprächiges bis logorrhoisches
Verhalten die tatsächlich massiven Hirnleistungsschwächen überdecke. Wie schon erwähnt, seien übliche testpsychologische Untersuchungen
hierzu meist nicht richtungsweisend, obschon auch Sekundärphänomene wie Merkfähigkeits- und Kurzzeitgedächtnisstörungen, rasche
Ermüdung und Erschöpfbarkeit so gut wie nie fehlten. Das Resümee der Familienangehörigen aber auch bekannter Menschen im weiteren
Umfeld des Patienten sei dann meist das einer nicht näher verständlichen, allerdings auch nicht übersehbaren und als deutlich
beeinträchtigend empfundenen "Wesensänderung", die hier auch von der Ehefrau beschrieben werde. Festzuhalten sei, dass der
Kl. mit einer bis zum Unfallereignis ganz offensichtlich sehr stabilen dynamischen, erfolgreichen und vielseitig interessierten
Ausgangspersönlichkeit (als Jäger, Fischer, Sportler und im bayerischen Volkskundebereich etc.) mit dem Unfall eine massive
Wesensänderung erfahren habe, die im Einzelnen in der Tat schwer zu erfassen und nicht durch umschriebene, herdförmige, neurologische
oder neuropsychologische Defizite zu umreißen sei. Diese Wesensänderung sei seither durchgängig und weitgehend stabil vorhanden
und habe die berufliche Leistungsfähigkeit letztlich aufgehoben und die Lebensqualität in nahezu allen Bereichen massiv eingeschränkt.
Im Rahmen einer ausführlichen Exploration und bei orientierender neuropsychologischer Testung fänden sich starke Hinweise
auf eine Störung komplexer Wahrnehmungs- und Verhaltensbereiche, so insbesondere der Umsetzung von Wahrnehmungsinhalten in
situationsangemessenes Verhalten, der Zielgerichtetheit des Denkens, der Entwicklung und Verfolgung von Plänen, aber auch
von Antrieb, Initiative und Motivation. Der von der Ehefrau geschilderte Tagesablauf zeige dabei, dass die fehlende Spontanität
und Initiative letztlich nur noch gewisse stereotype und schablonenförmige Betätigungen erlaube, was der Kl. zudem, zusammen
mit der Ehefrau, mit genauen zeitlichen Festlegungen für den kommenden Tag und routinemäßige Ereignisse (Mahlzeiteneinnahme,
Spaziergang, Haushaltstätigkeiten, staubsaugen etc.) zu erreichen versuche. Dabei dürfe es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit
um Störungen von Frontalhirn bzw. allenfalls basalen frontotemporalen Hirnabschnitten/Hirnfunktionen handeln. Zur weiteren
Abklärung werde empfohlen eine gezielte neuropsychologische Untersuchung, eine Positronenemissionstomographie (PET) des Gehirns
und die Klärung der Frage möglicher HWS-Schädigungen. Als anerkannte Kapazität für hirnorganische Erkrankungen empfehle er
Prof. F. vom Klinikum I. in B-Stadt.
Die Bekl. zog die Unterlagen der chirurgischen Klinik Dr. R. über die Behandlung nach dem Unfall bei.
Mit Bescheid vom 15.06.2009 entzog die Bekl. die vorläufig gewährte Rente und lehnte die Gewährung von Rente auf unbestimmte
Zeit ab 01.07.2009 ab. Außer einer geringen Instabilität des rechten Knies lägen keine Unfallfolgen mehr vor. Nach dem Gutachten
von Prof. Dr. S. seien auch keine Symptome einer PTBS mehr vorhanden.
Mit Schreiben vom selben Tag (15.06.2009) gab die Bekl. bei Prof. F. die von Prof. Dr. S. empfohlene Begutachtung in Auftrag.
Am 18.06.2009 legte der Kl. gegen den Bescheid vom 15.06.2009 Widerspruch ein. Dabei rügte der Kl., dass mit dem Bescheid
gleichzeitig ein Gutachten von Prof. F. in Auftrag gegeben wurde, dessen Ergebnis aber nicht abgewartet worden sei. Außerdem
habe Prof. Dr. S. eine hirnorganische Schädigung für wahrscheinlich erachtet.
Im Rahmen des bei Prof. F. von der Bekl. in Auftrag gegebenen Gutachtens wurde der Kl. am Klinikum I. am 11.08.2009 mittels
einer PET des Schädels untersucht. Die neuropsychologische Testung, die sieben Stunden dauerte, wurde von Prof. Dr. phil.
J., dem Leiter der Klinischen und Experimentellen Neuropsychologie des Klinikums I., durchgeführt, die PET erfolgte durch
Prof. F., den Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums I ... Beide Professoren
erstatteten unter dem Datum vom 31.08.2009 ihre Gutachten, in denen sie jeweils die Ergebnisse auch des anderen Gutachtens
berücksichtigten. Beide Gutachter stellten übereinstimmend die Diagnose eines ausgeprägten und chronischen organischen Psychosyndroms
nach Schädel-Hirn-Trauma (ICD-10 F 07.2). Die MdE betrage 70 v.H. Zwar habe die PET keine Hinweise auf eine substanzielle
Hirnschädigung erbracht. Dies sei jedoch nicht entscheidend, da diese Diagnose aufgrund der klinischen Symptome gestellt und
durch negative Befunde bildgebender Verfahren wie cMRT oder PET weder sicher gestellt noch ausgeschlossen werden könne. Allerdings
könne aufgrund des unauffälligen PET-Befundes eine neurodegenerative Erkrankung wie Morbus Alzheimer ausgeschlossen werden.
Die Diagnose stütze sich auf die erheblich reduzierte Leistungsfähigkeit und Verlangsamung in mehreren zentralen kognitiven
Funktionsbereichen, die anamnestisch, fremdanamnestisch über die Ehefrau und durch die angewandten Testverfahren festgestellt
worden seien, und die für das Vorliegen diffuser und/oder basaler Hirnverletzungen spreche. Der Kl. habe die Testaufgaben,
für die normalerweise vier Stunden benötigt würden, nicht einmal in sieben Stunden bewältigen können. Dazu komme eine Persönlichkeitsveränderung
im Sinne von Angst und Vermeidungsverhalten im Straßenverkehr, allgemeiner Irritierbarkeit, häufiger Nervosität, Entscheidungsschwäche,
allgemein reduzierter Belastbarkeit und sozialem Rückzug. Prof. F. bejahte auch eine PTBS, während Prof. Dr. J. hierzu keine
Aussage treffen konnte, allerdings im Gegensatz zu Prof. Dr. S. eine PTBS nicht deshalb für fernliegend halte, weil sich der
Kl. nicht an die unmittelbare Gefährdung seines Lebens erinnern könne - das könne der Kl. nämlich sehr wohl.
Der Beratungsarzt Dr. H. führte am 04.11.2009 aus, dass nunmehr endgültig nachgewiesen sei, dass beim Kl. keine hirnorganische
Störung vorliege. Die behaupteten kognitiven Leistungseinbußen seien damit jedenfalls nicht unfallbedingt, da es an einer
substantiellen Hirnschädigung fehle. Es liege aber auch keine PTBS vor, da es bereits an der Schwere des Unfalls fehle. Wegen
eines Vermeidungsverhaltens gegenüber Auto- und Motorradfahren könne aber von einer MdE von 20 v.H. ausgegangen werden.
Mit Teilabhilfebescheid vom 21.12.2009 half die Bekl. dem Widerspruch vom 29.01.2008 teilweise ab, hob den Bescheid vom 15.06.2009
auf und änderte den Bescheid vom 15.01.2008 dahingehend ab, dass ab 22.06.2007 Rente nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. aufgrund
eines ängstlichen Vermeidungsverhaltens beim Autofahren gewährt wurde. Zur Begründung wurde auf die beratungsärztliche Stellungnahme
des Dr. H. vom 04.11.2009 verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2010 wies die Bekl. den Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.01.2008 in Gestalt des mit
angefochtenen Bescheides vom 15.06.2009, teilweise abgeholfen durch den ebenfalls mit angefochtenen Bescheid vom 21.12.2009,
als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kl. am 14.06.2010 beim Sozialgericht (SG) München Klage erhoben.
Das SG hat den Neurologen und Psychiater Dr. F. zum Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 11.01.2011 zu dem Ergebnis
gekommen ist, dass sämtliche bildgebenden Untersuchungen wie CT, MRT und PET keinen Hinweis auf eine traumatisch bedingte
hirnorganische Schädigung ergeben hätten. Die Annahme eines unfallbedingten hirnorganischen Psychosyndroms mit den entsprechenden
vom Kl. angegebenen Beeinträchtigungen im kognitiven Bereich entbehre deshalb jeder Grundlage. Die Ausführungen des Gutachters
Prof. F. vom Klinikum I. beruhten ausschließlich auf den Angaben des Kl. ohne Validitätsprüfung, was den Aussagewert der Begutachtung
erheblich einschränke. Prof. Dr. J. habe keine Symptomvalidierungstests vorgenommen, was die Verwertbarkeit der Untersuchungsergebnisse
erheblich mindere. Für die Annahme einer PTBS fehle es bereits an der Schwere des Unfallereignisses. Eine von ihm durchgeführte
Untersuchung des Thymoleptikaspiegels habe außerdem Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kl. entgegen seinen anderslautenden
Angaben seine Antidepressiva nicht regelmäßig einnehme. Die psychologische Zusatzuntersuchung durch Dipl.-Psych. P. - auf
dessen Zusatzgutachten vom 21.12.2010 verwiesen wird - habe hinsichtlich der vom Kl. angegebenen Leistungseinschränkungen
Aggravationstendenzen gezeigt. Die MdE könne auf psychiatrischem Fachgebiet allenfalls mit 10 v.H. bewertet werden.
Dipl.-Psych. P. hatte in seinem Zusatzgutachten vom 21.12.2010 festgestellt, dass die Ergebnisse der durchgeführten Leistungstests
deutlich unterdurchschnittlich gewesen seien. Dies gelte für alle Leistungsbereiche wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Konzentration
und Reaktionsgeschwindigkeit. Insoweit seien die Vorgutachten zu bestätigen. Bei drei Testverfahren zeigten sich jedoch Hinweise
auf Aggravationstendenzen. Besonders imponierend sei die gezeigte erhebliche Verlangsamung über alle Bereiche hinweg, die
im Gegensatz zu seiner normalen Sprechgeschwindigkeit und Auffassungsgabe stehe. Insbesondere zeige sich bei den Reaktionstests
eine Leistungsverbesserung bei den komplexen Reaktionsaufgaben, die einhergegangen sei mit dem Kommentar, nun werde es aber
wirklich zu viel.
PD Dr. Dr. H.-H. F., Chefarzt der Klinik für Neurologie, Zentrum für Neurologische Intensivmedizin I.A. Kliniken-Klinikum
B-Stadt Ost, H., stellte im Rahmen einer neurologisch-psychiatrisch-neuropsychologischen Heilverfahrenskontrolle am 04.04.2011
folgende unfallbedingte Diagnosen: - Anpassungsstörung mit Vermeidungsverhalten, Ängsten und phobischen Zuständen. Keine PTBS.
- Schädelhirntrauma Grad I (mittelschwere Commotio cerebri) mit in typischer Weise mit dem Aufprall einsetzender anterograder
Amnesie für 10 - 15 min und anschließender mehrstündiger lückenhafter Erinnerung mit konfusen Verhaltensweisen und mehrmaligem
Erbrechen. Es sei nicht bekannt, ob am Unfallort eine primäre Bewusstlosigkeit vorgelegen hat. Es sei auch nicht Conditio-sine-qua-non
für die Diagnose eines Schädelhirntraumas Grad I, dass eine primäre Bewusstlosigkeit vorgelegen habe, es genüge auch eine
vorübergehende Bewusstseinstrübung mit hierdurch bedingter Erinnerungslücke als Ausdruck einer traumatischen Druckwelle durch
Hirnareale mit mnestischen Funktionen. Ein traumatisches hirnorganisches Psychosyndrom könne aufgrund der unmittelbar posttraumatischen
klinischen Symptomatik und der diesbezüglich unauffälligen Befunde im CCT, cMRT und FDG-PET nicht diagnostiziert werden. Auch
für eine diffuse axonale Schädigung ergäben sich keine klinischen und kernspintomographischen Anhaltspunkte. Ein anderweitig
bedingtes hirnorganisches Psychosyndrom könne nicht mit letztendlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, da sich bereits im
Schädel-MRT vom 29.07.2007 Hinweise auf eine diskrete hypertensive Mikroangiopathie gefunden hatten. Die diesbezüglichen psychometrischen
Untersuchungen seien allerdings nur bedingt verwertbar, da sich gewisse Anhaltspunkte für ein Aggravationsverhalten geboten
hätten. Ein Schädelhirntrauma Grad I hat eine etwa 14-tägige Arbeitsunfähigkeit und eine maximal sechswöchige Einschränkung
der Erwerbsfähigkeit zufolge. Eine MdE sei hierdurch derzeit somit nicht mehr gegeben. - Sensibilitätsstörungen des linken
Unterarmes und der linken Hand durch posttraumatische Armplexus-Distorsion, keine motorische Beteiligung. Eine durch das Unfallereignis
bedingte zervikale Wurzelschädigung bei kernspintomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen in den vier Etagen C3 bis
C7 sei weniger wahrscheinlich. Da es sich um partielle rein sensible Ausfälle handle, sei durch diesen Befund keine MdE in
rentenberechtigendem Ausmaß gegeben. - HWS-Distorsion Grad I nach Erdmann und Rompe, hierdurch dreiwöchige Arbeitsunfähigkeit
nach Trauma begründet. Zum jetzigen Zeitpunkt ohne Relevanz. Nicht unfallrelevante Diagnosen: - Teilschädigung des Nervus
peronaeus communis, des Nervus tibialis und des Ramus saphenus links nach Motorradunfall 1976, - rezidivierende Zervikalgien
und Cervicobrachialgien bei degenerativen HWS-Veränderungen mit Bandscheibenvorfällen in den Segmenten C3 bis C7, - rezidivierende
Lumbalgien und Lumboischialgien rechts und - rezidivierende Cluster-Kopfschmerzen rechts.
Beim SG hat der Kl. beantragt,
den Bescheid vom 15.01.2008 und vom 21.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2010 abzuändern und dem
Kl. Rente nach einer höheren MdE als 20 v.H. (mindestens 30 v.H.) zu gewähren.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.10.2011 (Az. S 24 U 379/10) unter Bezugnahme vor allem auf das Gutachten des Dr. F. abgewiesen.
Der Kl. hat gegen das Urteil, das ihm am 28.10.2011 zugestellt worden ist, am 04.11.2011 beim Bayerischen Landessozialgericht
(LSG) Berufung eingelegt.
Auf Antrag des Kl. hat das LSG den Neurologen und Psychiater Dr. Dr. D. zum Sachverständigen ernannt, der sein Gutachten am
12.04.2013 erstattet hat. Unter Einbeziehung eines testpsychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psych. H. vom 22.02.2013
hat der Sachverständige Dr. Dr. D. als Unfallfolge ein organisches Psychosyndrom nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma festgestellt,
das zu einer MdE von 70 v.H. geführt habe. Der Unfall sei geeignet gewesen für die Ausbildung einer "diffusen axonalen Schädigung".
Dagegen liege eine PTBS nicht vor.
Der Beratungsarzt Dr. H. hat in seiner Stellungnahme vom 08.07.2013 an der neuropsychologischen Testung durch Dipl.-Psych.
H. kritisiert, dass diese im Beisein der Ehefrau und teilweise im häuslichen Umfeld des Kl. stattgefunden habe. Außerdem sei
eine Bewusstlosigkeit nicht festgestellt worden.
Die Bekl. hat mit Schreiben vom 12.07.2013 mitgeteilt, ein Gutachten, das entgegen grundsätzlichen Regeln der Gutachtenserstellung
erstellt worden sei, - wie das von Dipl.-Psych. H. -, und ein Gutachten, das nur auf den subjektiven Angaben des Klägers beruhe
ohne die dokumentierten Befunde zur Kenntnis zu nehmen geschweige denn sich mit diesen auseinanderzusetzen und das sich nicht
einmal ansatzweise, trotz wiederholter dokumentierter Aggravationstendenz mit einer solchen beschäftige - wie das Gutachten
von Dr. Dr. D. -, könne nicht Grundlage einer Entscheidung sein.
Das LSG hat die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. F. vom 31.10.2013 eingeholt, der sich den Ausführungen von
Dr. Dr. D. nicht anschließen konnte. Der Annahme einer diffusen axonalen Schädigung sei zu widersprechen. Hierzu wäre eine
Veränderung auf der noch am Unfalltag aufgenommenen cranialen CT zu erwarten gewesen. Die unfallnächsten neurologischen Untersuchungen
hätten keinen pathologischen Befund erbracht. Bei einer diffusen axonalen Schädigung wäre ein Decrescendo-Verlauf zu erwarten
gewesen, bei dem die neuropsychologischen Defizite während der ersten Woche nach dem Trauma relativ deutlich ausgeprägt sind
und sich danach in der Regel sukzessive wieder zurück entwickeln ("Decrescendo-Verlauf"). Weder Prof. Dr. J. noch Dipl.-Psych.
H. hätte bei ihren neuropsychologischen Untersuchungen Symptomvalidierungstests angewandt. Ohne diese seien die Untersuchungen
aber in gerichtlichen Verfahren wertlos, weil die Ergebnisse genauso auf fehlender Anstrengungsbereitschaft oder Aggravation
beruhen könnten. Symptomvalidierungstests seien einzig durch Dipl.-Psych. P. angewandt worden, der Hinweise auf Aggravation
und fehlende Anstrengungsbereitschaft gefunden habe. In diese Richtung weise auch, dass der Medikamentenspiegel bei der Untersuchung
durch Dr. F. zu niedrig gewesen sei.
Auf Antrag des Kl. hat das LSG hierzu die ergänzende Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. D. vom 15.08.2014
eingeholt. In der Person des Kl. begegne man heute dem Vollbild eines psychomental schlichtweg ruinösen Defektzustandes. Die
Klinik Dr. R. habe im Auftrag zum CCT angegeben, dass der Kl. in der Notaufnahme zunehmend eingetrübt und zeitlich desorientiert
gewesen sei. Auch habe er während des Transportes mehrfach erbrochen. Weiter sei eine partielle Amnesie zu Zeit und Ort aufgefallen.
Deshalb sei die Diagnose eines gedeckten Schädel-Hirn-Traumas gestellt worden. Diese Feststellungen der behandelnden Klinik
würden von Dr. H. und der Bekl. schlichtweg ignoriert. Damit sei eine Unterbrechung der Bewusstseinskontinuität dokumentiert.
Weitere Voraussetzung für die Anerkennung einer substantiellen Hirnschädigung sei nach herrschender neurotraumatologischer
Ansicht ein bildgebender Nachweis von Verletzungszeichen. Es sei einzuräumen, dass bildgebend Schädigungsnachweise im vorliegenden
Fall fehlten. Inzwischen könne jedoch nach der Lehre von der "diffusen axonalen Schädigung" eine Ausnahme vom Erfordernis
des bildgebenden Schädigungsnachweises gemacht werden. Soweit Dr. F. auf die geringe Aufprallgeschwindigkeit von 35 km/h verweise,
sei völlig unbelegt, dass ein Aufprall mit dieser Geschwindigkeit (wenn sie überhaupt zuträfe) das Gehirn substantiell unbeschädigt
lasse.
Am 20.10.2014 erstatteten Prof. Dr. W. und Dr. W. vom M-P.-Institut für Psychiatrie ein Gutachten für das Landgericht A-Stadt
in einer vom Kläger gegen die HUK Coburg aufgrund der Unfallfolgen geführten Zivilklage. Darin war Beweis zu erheben über
die Folgen des hier streitgegenständlichen Unfalls und die Höhe der daraus resultierenden MdE. Nach dem Gutachten ergaben
sich folgende Unfallfolgen: organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma, PTBS und chronischer posttraumatischer Kopfschmerz.
Die Höhe der MdE betrage 50 v.H. ab dem Unfallzeitpunkt. Grundlage der Begutachtung waren neben allen bis dahin angefallenen
Akten, einschließlich der Akten der Beklagten sowie des hiesigen sozialgerichtlichen Rechtsstreits beider Instanzen, auch
eine fünftägige klinische psychiatrische und testpsychologische Untersuchung des Klägers im M-P.-Institut für Psychiatrie
in B-Stadt.
Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. H., hat in seiner Stellungnahme vom 09.03.2015 dem Gutachten des M-P.-Instituts für Psychiatrie
vom 20.10.2014 widersprochen. Entscheidend sei der Erstbefund, wonach weder Bewusstlosigkeit noch Amnesie vorgelegen hätten.
Soweit die Gutachter der Auffassung seien, es könne auf jeden bildgebenden Nachweis verzichtet werden, um einen Hirnschaden
anzunehmen, so könne dem nicht gefolgt werden. Es fehle dann jedenfalls jeglicher objektiver Nachweis. Auch liege eine PTBS
nicht vor.
Am 25.02.2015 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der das Gericht einen Vergleichsvorschlag auf der Basis einer MdE
von 50 v.H. unterbreitete, dem der Beklagtenvertreter nicht zustimmen konnte. Auf Antrag des Beklagtenvertreters hat der Senat
die Verhandlung vertagt, weil der Kläger das Gutachten des Prof. Dr. W. vom 20.10.2014 erst zwei Tage vor der Verhandlung
vorgelegt und die Beklagte keine Möglichkeit gehabt hatte, hierzu rechtzeitig eine medizinische Stellungnahme einzuholen.
Die Parteien haben aber in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2015 noch ihre Anträge zur Sache gestellt und sich mit einer
Entscheidung im schriftlichen Verfahren für einverstanden erklärt. Die Beklagte hat anschließend mit Schreiben vom 16.03.2015
die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. H. vom 09.03.2015 vorgelegt, zu der sich der Kläger mit Schriftsatz vom 08.04.2015
noch geäußert hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.10.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 15.01.2008,
15.06.2009 und 21.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2010 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach
einer MdE von 70 v.H. ab 22.06.2007 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Bekl. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Die Berufung bedarf gemäß §
144 SGG keiner Zulassung.
Das Gericht konnte aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2015 von den Beteiligten gegebenen Einverständnisses
ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§
124 Abs.
2 SGG).
Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage auf Bewilligung einer höheren Verletztenrente und Abänderung der insoweit ablehnenden Bescheide
ist zulässig. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 15.01.2008 sowie gemäß §
86 SGG die bezüglich der Verletztenrente diesen Bescheid abändernden oder ersetzenden Bescheide vom 15.06.2009 und vom 21.12.2009
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2010. Die Klage ist auch begründet. Der Kl. hat Anspruch auf Verletztenrente
gemäß §
56 SGB VII nach einer MdE von 70 v.H. ab dem 22.06.2007, an dem sein Anspruch auf Verletztengeld endete.
Der Senat ist in vollem Umfang davon überzeugt, dass der Kl. an einem organischen Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma leidet.
Dieses ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 13.09.2009 zurückzuführen, der sich auf einem Betriebsweg
ereignete, da die Probefahrt mit dem Motorrad des Kunden Teil der versicherten Tätigkeit des Kl. in der Motorradwerkstätte
war. Da für Konkurrenzursachen oder Schadensanlagen keine Hinweise vorliegen, ist der Unfall als die wesentliche Ursache dieser
Gesundheitsstörung zu bewerten. Insbesondere konnte durch die PET eine neurodegenerative Erkrankung wie Morbus Alzheimer ausgeschlossen
werden (siehe Gutachten Prof. F. vom 31.08.2009).
Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen der bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr.
J. sowie des Prof. F. vom Klinikum I. der Technischen Universität B-Stadt. Bestätigt wird diese Auffassung durch das gerichtliche
Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. D. vom 12.04.2013 sowie dessen ergänzender Stellungnahme
vom 15.08.2014. Wie sowohl Prof. F. als auch Dr. Dr. D. ausgeführt haben, ist hierbei ohne Belang, dass bildgebend kein Nachweis
von Schäden am Gehirn gelungen ist. Denn die Diagnose eines organischen Psychosyndroms kann durch bildgebende Verfahren weder
mit Sicherheit gestellt noch ausgeschlossen werden. Dies hatte auch bereits Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 12.03.2009
ausgeführt und eindrucksvoll erläutert.
Nicht überzeugend ist dagegen die Auffassung des Beratungsarztes Dr. H. sowie des im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle als
Gutachter tätigen PD Dr. Dr. F. und des Sachverständigen Dr. F., die allein aufgrund der Tatsache, dass bildgebend kein Nachweis
einer Substanzschädigung des Gehirns möglich war, ein organisches Psychosyndrom von vornherein ausschließen. Denn keiner der
genannten Gutachter setzt sich dabei in irgendeiner Weise mit der von den oben genannten Kapazitäten mit beachtlicher Begründung
formulierten Auffassung auseinander, dass ein negativer bildgebender Nachweis keinen Ausschluss des organischen Psychosyndroms
beinhaltet. Ein solcher Nachweis ist - wie Prof. Dr. S. ausgeführt hat - in einem Drittel der Fälle nicht möglich.
Ein schweres Schädel-Hirn-Trauma setzt nach den überzeugenden Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. Dr. D. vom
12.04.2012 entweder eine Unterbrechung der Bewusstseinskontinuität in einer Größenordnung von einer Stunde oder alternativ
eine Amnesie von mindestens acht Stunden voraus. Die zweite Voraussetzung ist gegeben. Der Senat hat keine Zweifel an der
Richtigkeit der Schilderung der Ehefrau des Kl. gegenüber dem Sachverständigen Dr. Dr. D., wonach der Kl. nach der Einlieferung
ins Krankenhaus in einen Zustand der Orientierungslosigkeit geriet, indem er nicht ansprechbar war und aus dem er erst gegen
18:00 Uhr erwachte. Erst am Abend setzte auch die Erinnerung des Kl. wieder ein. Die fehlende zeitliche Orientierung des Kl.
und ein "Eintrüben" waren auch der in den ärztlichen Unterlagen dokumentierte Grund, warum noch am Unfalltag eine CCT veranlasst
wurde. Damit ist eine Amnesie von über acht Stunden noch am Unfalltag erwiesen.
Maßgebend für die Diagnose des organischen Psychosyndroms sind die durch mehrere neuropsychologische Testverfahren festgestellten
massiven Leistungsbeeinträchtigungen des Kl. im kognitiven Bereich, die nach Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. S.,
Prof. Dr. J., Prof. F. und Dr. Dr. D. auf eine psychische Wesensveränderung zurückgehen, die der Kl. durch eine Schädigung
zentraler Bereiche im Gehirn erlitten hat. Diese massiven Leistungsbeeinträchtigungen wurden durch jeweils mehrstündige neuropsychologische
Testverfahren festgestellt, und zwar sowohl von Prof. Dr. J. im August 2009 als auch im Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. P.
vom August 2010 sowie im Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. vom Februar 2013. Bestätigt werden diese Ergebnisse durch das
vom Landgericht A-Stadt eingeholte Gutachten des Prof. Dr. W. und Dr. W. vom M-P.-Institut für Psychiatrie vom 20.10.2014,
dem eine fünftägige neuropsychologische Untersuchung sowie die Sichtung aller bis dahin ergangenen Gutachten zu Grunde lagen.
Die durch neuropsychologische Testverfahren gewonnenen Ergebnisse können nicht durch Aggravation erklärt werden. Nicht überzeugend
ist der Versuch von Dr. F., allein aufgrund der Tatsache, dass drei der von Dipl.-Psych. P. durchgeführten Tests statistische
Hinweise auf Aggravationsverhalten ergeben hätten, die Diagnose des organischen Psychosyndroms zu verneinen. Dipl.-Psych.
P. hat sieben Leistungstests durchgeführt, von denen angeblich drei Hinweise auf Aggravationsverhalten ergeben hätten. Tatsächlich
hat die TBFN Testbatterie zur Forensischen Neuropsychologie ein "auffälliges" Fehlerverhalten ergeben, die Klärung der Motivation
sei nötig. Dasselbe gelte für den Zahlen-Verbindungs-Test: Dort fanden sich Hinweise auf eine eingeschränkte Testmotivation
bei scheinbar höherem Schwierigkeitsgrad der vorgelegten Matrizen. Beim Reaktionstest habe der Kl. bei einfachen Reaktionen
langsamer reagiert als bei komplexeren Mehrfachwahlreaktionen. Die Verteilung der Reaktionszeiten weise eine größere Variabilität
als bei einer linearen Verteilung auf. Dies stehe im Gegensatz zu normalerweise festzustellenden geringen Streuungen um die
mittlere Reaktionszeit in Form einer Normalverteilung.
Allein aus der Tatsache, dass bei der Testung durch Dipl.-Psych. P. in drei von sieben Leistungstests statistische Hinweise
auf Motivationsprobleme des Kl. vorgelegen hätten, kann die Diagnose des organischen Psychosyndroms nicht in Zweifel gezogen
werden. Das Aggravationsverhalten wurde bei der neuropsychologischen Begutachtung durch Prof. F., die im Übrigen wesentlich
umfangreicher war als die durch Dipl.-Psych. P., sehr wohl untersucht, auf die Ausführungen auf den S. 10 ff. des Gutachtens
vom 31.08.2009 wird verwiesen. Insbesondere wurden dabei auch die Aussagen des Kl. selbst und dessen Ehefrau zueinander und
mit den Testergebnissen in Beziehung gesetzt. Solche Ausführungen fehlen im Gutachten des Dipl.-Psych. P. völlig. Auch finden
sich auf den S. 22 ff. des Gutachtens von Prof. Dr. J. detaillierte Schilderungen zur Durchführung der jeweiligen Tests und
zu den jeweiligen Schwierigkeiten, auf die der Kl. gestoßen ist, während im Gutachten von Dipl.-Psych. P. die Testergebnisse
nur ganz pauschal zusammengefasst werden. Die diesbezüglichen Ausführungen im Gutachten des Prof. Dr. J. lassen erkennen,
dass die dort geschilderten Schwierigkeiten des Kl. authentisch waren, weshalb Prof. Dr. J. plausibel zu dem Schluss kommen
konnte, dass Anhaltspunkte für ein aggravierendes Verhalten nicht vorlagen.
Besonders problematisch wird das Gutachten des Dipl.-Psych. P. unter dem Punkt "Verhaltensbeobachtung", wo er die Aggravationstendenz
aus dem Gegensatz zwischen der in den Tests festgestellten erheblichen Verlangsamung über alle Bereiche hinweg und seiner
normalen Sprechgeschwindigkeit und Auffassungsgabe (Verständnis der Testanweisung) sieht. An dieser Stelle hätte sich der
Psychologe mit dem schon von Prof. Dr. S. beschriebenen Problem auseinandersetzen müssen, dass der Kl. aufgrund seiner leutseligen
und geselligen Art sowie der vor dem Unfall erworbenen Fähigkeiten eine Fassade nach außen aufrechterhalten könne, die seine
massiven Hirnleistungsschwächen überdecken könne. Dazu finden sich jedoch im Gutachten des Dipl.-Psych. P. keine Ausführungen,
so dass davon auszugehen ist, dass er das diesbezügliche Problem nicht erfasst hat. Dass eine solche "Fassade" vom Kl. aufgebaut
und über eine begrenzte Zeit bis zu deren Zusammenbruch aufrechterhalten werden kann, wird auch im Gutachten des Dipl.-Psych.
H. herausgearbeitet.
Auch Dipl.-Psych. H. hat in seinem Zusatzgutachten vom 22.02.2013 unter "Verhaltensbeobachtung" (S. 10 des Gutachtens) das
Verhalten des Kl. an beiden Untersuchungstagen geschildert und ist hierbei überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass keine
Hinweise auf Simulation oder Aggravation vorlagen. So heißt es dort, zu Beginn der Untersuchungstermine habe der Proband eine
auf Verhaltensbeobachtungsebene relativ unauffällige Fassade präsentiert, die er jedoch nicht über einen längeren Zeitraum
hinweg aufrecht zu erhalten vermochte. Zu Beginn der Termine habe er sich jeweils offen, kommunikativ, schwingungsfähig und
aktiv gezeigt. Mit zunehmender Fortdauer der Untersuchungen seien jedoch Defizite immer deutlicher geworden. Es sei dem Probanden
zunehmend nicht mehr gelungen, seine rasch einsetzende und fortschreitende Ermüdung zu verbergen. Er habe zunehmend sichtlich
überfordert und angestrengt gewirkt, bei jeder Gelegenheit die Augen geschlossen, kaum noch gesprochen und an Schwingungsfähigkeit
verloren. Einbußen in der Leistungsfähigkeit seien ab eineinhalb Stunden Untersuchungsdauer deutlich zu erkennen gewesen.
Nach drei Stunden sei die Fortsetzung der Testung trotz Pausen kaum noch möglich gewesen. Aufgrund des gleichzeitig massiv
verlangsamten Arbeitstempos sei eine Aufteilung der Untersuchung auf zwei Termine bei insgesamt sechseinhalb Stunden Dauer
nötig gewesen. Die Untersuchung sei dennoch nicht im geplanten Umfang durchführbar gewesen, da beim zweiten Termin der Kl.
ab etwa zwei Stunden Dauer wiederholt über Kopfschmerzen geklagt habe.
Ein weiteres Manko der Gutachten des Dr. F. sowie des Dipl.-Psych. P. besteht darin, dass sie auf die Aussagen der Ehefrau,
die von den übrigen Gutachtern zur Prüfung der Validität der Testergebnisse herangezogen wurden, nicht eingehen. Damit stehen
ihre Gutachten auf einer wesentlich engeren Grundlage als die Gutachten, die die Glaubwürdigkeit der Testergebnisse bejahen.
Schließlich spricht auch entscheidend für die Richtigkeit der festgestellten kognitiven Leistungseinbußen die Tatsache, dass
der Kl. viermal umfassend und mehrstündig testpsychologisch untersucht worden ist, nämlich im August 2009 durch Prof. Dr.
J., im Dezember 2010 durch Dipl.-Psych. P., im Februar 2013 durch Dipl.-Psych. H. und im Oktober 2013 am M-P.-Institut, und
dass bei allen drei umfangreichen Testungen die festgestellten Leistungsbeeinträchtigungen, die jeweils detailliert und umfassend
bis ins letzte Detail aufgeschlüsselt wurden, in den für die Beurteilung wesentlichen Punkten übereinstimmten. Ausdrücklich
stellen alle Gutachten - selbst das von Dipl.-Psych. P. - fest, dass die Ergebnisse der Vorgutachten im Wesentlichen bestätigt
werden. Die einzige Abweichung im Gutachten des Dipl.-Psych. P. besteht darin, dass dieser die von ihm - im Einklang mit den
übrigen Gutachtern - festgestellten Ergebnisse dadurch hinterfragen will, als er bei drei Testverfahren statistische Hinweise
auf eine mögliche willentliche Beeinflussung festgestellt hat. Es erscheint aber schwer vorstellbar, dass ein Proband in der
Lage ist, sich so zu verstellen, dass er über einen Zeitraum von vier Jahren verteilt in drei mehrstündigen Testverfahren
jeweils ein gleiches Ergebnis zu erzielen vermag.
Auch das Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. W. vom M-P.-Institut für Psychiatrie vom 20.10.2014 setzt sich ausführlich mit
der Frage nach einer Aggravation auseinander und schließt eine solche mit überzeugenden Argumenten aus. Zum einen weist Prof.
Dr. W. darauf hin, dass der Kläger vergessen hat, bestimmte Umstände zu schildern, die aus der Akte bekannt waren und sein
Klagebegehren gestützt hätten. Eine gleichsam "paradoxe Dissimulation", d.h. ein absichtliches Herunterspielen oder Verbergen
von Symptomen, sei als Merkmal der Aggravation nicht beschrieben. Demgegenüber sei es in der Fachliteratur anerkannt, dass
die meisten Probanden mit organischen Psychosyndromen bei der Erstexploration ihre Symptome zunächst zu bagatellisieren oder
zu dissimulieren versuchten. Genau dies sei beim Kläger zu beobachten. Auch die Untersuchungsergebnisse psychometrischer und
testdiagnostischer Verfahren hätten keine Hinweise auf Aggravation ergeben. Der Proband habe seine Beschwerden als weniger
schwer als tatsächlich angegeben. Auch seien in einigen Bereichen bessere Funktionen festgestellt worden; im Falle einer Aggravation
unter Simulation wären dagegen die Minderleistungen in allen Bereichen gleich schlecht gewesen. Schließlich entspreche das
Ergebnis der neuropsychologischen Untersuchungen am M-P.-Institut vom 16.10.2013 dem Ergebnis der von Dipl.-Psych. H. im Februar
2013 durchgeführten Untersuchung. Auch dies widerspreche deutlich einer Simulation. Bei Simulation oder Aggravation seien
nämlich häufig inkonsistente Testbefunde bei Wiederholungsuntersuchungen festzustellen, die auf dasselbe oder vergleichbare
Verfahren gestützt werden. Auch im Hinblick auf das Symptombild einer psychischen Störung habe der Proband charakteristische
Beschwerden erst auf Nachfrage und nicht spontan angegeben, was darauf schließen lasse, dass ihm die infrage stehenden Kriterien
nicht bekannt waren oder er nicht die Absicht hatte, durch entsprechende Präsentation eine entsprechende Diagnose herbeizuführen.
Die Argumentation des Dr. F. zur im Blut nicht nachweisbaren Medikation konnte Prof. Dr. W. in seinem Gutachten nicht nachvollziehen.
Die entsprechenden Plasmakonzentrationen seien bei seiner Untersuchung nachweisbar gewesen. Dass diese unterhalb des therapeutischen
Bereichs lagen, sei in erster Linie auf die niedrige Dosis und die Pharmako-Kinetik der Medikation zurückzuführen. Hätte der
Patient bei der Untersuchung durch Dr. F. simulieren wollen, hätte er kurz vor dem Zeitpunkt Tabletten eingenommen, so dass
die Medikation deutlich höher gewesen wäre. Im Übrigen werde der Plasmakonzentration der eingenommenen Medikamente im Allgemeinen
keine große Bedeutung beigemessen.
Die Ausführungen im Gutachten des M-P.-Instituts vom 20.10.2014 zum Ausschluss von Simulation und Aggravation überzeugen in
vollem Umfang und bestätigen insoweit die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. S., Prof. Dr. J., Prof. F. und Dr. Dr.
D ... Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Gutachten des M-P.-Instituts im Vergleich zu allen Vorgutachten auf der
umfangreichsten Aktenlage und der längsten Untersuchungsdauer, nämlich einem Zeitraum von fünf Tagen, beruht.
Alle Gutachter sind sich darüber einig, dass die festgestellten kognitiven Beeinträchtigungen vor dem Unfall noch nicht vorgelegen
haben. Insbesondere Prof. Dr. S. schildert überzeugend, dass der Unfall von seinem Hergang her geeignet war, eine entsprechende
Verletzung des Gehirns zu verursachen. Degenerative Krankheitsursachen - wie etwa ein Morbus Alzheimer - konnten durch die
durchgeführte PET ausgeschlossen werden.
Wie der Sachverständige Dr. Dr. D. im Einklang mit Prof. Dr. S. zu Recht herausgearbeitet hat, liegt auch eine Amnesie nach
dem Unfall von wenigstens acht Stunden als Voraussetzung für die Annahme eines schweren Schädel-Hirn-Traumas vor. Es ist zu
kurz gegriffen, wenn der Sachverständige Dr. F. den Zeitraum der Bewusstlosigkeit auf 30 Minuten - bis zur Helmabnahme durch
die Sanitäter - begrenzt und damit ein schweres Schädel-Hirn-Trauma ausschließen will. Denn hierbei bleibt die nachfolgende
Amnesie für den Krankentransport, das Eintreffen in der Klinik, die dortigen Maßnahmen, den CT-Raum bis hin zum Wiedererwachen
um 18:00 Uhr auf der Station unberücksichtigt, die nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. D. aufgrund ihrer Dauer
von über acht Stunden ausreichend ist, um die Diagnose eines schweren Schädel-Hirn-Traumas zu stellen.
Was das Argument des Sachverständigen Dr. F. betrifft, bei einer diffusen axonalen Schädigung hätte es zu einem sog. Decrescendo-Verlauf
kommen müssen, ist zum einen zu entgegnen, dass Dr. F. insoweit nicht berücksichtigt, dass sich der Kl. am Unfalltag über
acht Stunden lang in einem Dämmerungszustand befand mit Amnesie und nach Angaben der Ehefrau auch am Folgetag noch verwirrt
war. Da sich dieser Zustand nachfolgend besserte, lag bereits insoweit ein Decrescendo vor. Zum anderen war in den folgenden
Monaten die Behandlung des Kl., der auch subjektiv in erster Linie mit seinen organischen Beschwerden am Bewegungsapparat
beschäftigt war, in psychiatrischer Hinsicht ausschließlich auf die Diagnose einer PTBS konzentriert, so dass über die Frage,
ob und inwieweit es hinsichtlich der Ausprägungen des organischen Psychosyndroms in Bezug auf Persönlichkeitsveränderung und
kognitive Beeinträchtigungen während der ersten Monate nach dem Unfall zu einer Besserung gekommen ist, keine Dokumentation
vorliegt, was aber einen Decrescendo-Verlauf nicht ausschließt. Eine diffuse axonale Schädigung als mögliches Erklärungsmodell
für die Entstehung des organischen Psychosyndroms nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma kann demnach vorliegend mit dem Argument
des fehlenden Decrescendo-Verlaufs ausgeschlossen werden.
Da es sich aufgrund der über achtstündigen Amnesie um ein schweres Schädel-Hirn-Trauma handelte und die Auswirkungen des organischen
Psychosyndroms schwer sind, haben alle Gutachter, die eine solche Diagnose bejahen, einstimmig und zu Recht die MdE mit 70
v.H. angesetzt. Der für die Bemessung der MdE bei organischem Psychosyndrom und organischer Wesensänderung schwerer Art in
der Literatur vorgesehene Rahmen liegt nach Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010,
S. 186 zwischen 60 und 100 v.H. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die durch das schwere Schädel-Hirn-Trauma verursachten
kognitiven Beeinträchtigungen sowie die organisch bedingte Wesensveränderung aufgrund der gravierenden Auswirkungen auf sein
Berufsleben als schwer zu werten sind. Mit 70 v.H. bewegt sich die Einstufung im mittleren Bereich des für schwere Veränderungen
eröffneten Rahmens. Nicht überzeugend ist dagegen die Festsetzung einer MdE von nur 50 v.H. im Gutachten des M-P.-Instituts
vom 20.10.2014. Davon abgesehen, dass dieses Gutachten eine MdE auf privatrechtlichem Gebiet betrifft, fehlt diesbezüglich
eine überzeugende Begründung, insbesondere fehlt jegliche Auseinandersetzung mit den für die gesetzliche Unfallversicherung
ergangenen Gutachten, soweit diese eine MdE von 70 v.H. vorsehen. Das Gutachten gibt auch keine Literaturstellen an, so dass
nicht überprüft werden kann, ob es sich bei den in dem Gutachten angewandten Maßstäben um solche der privaten Unfallversicherung
handelt, die von den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Maßstäben abweichen. Im Übrigen räumt auch das Gutachten
des M-P.-Instituts ausdrücklich die Möglichkeit ein, dass in der Vergangenheit die MdE höher gewesen sein mag.
Keine neuen Gesichtspunkte haben sich aus der von der Beklagten zu dem Gutachten des M-P.-Instituts vom 20.10.2014 eingeholten
gutachterlichen Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. H. vom 09.03.2015 ergeben. Diese Stellungnahme beschränkte sich auf
die Wiederholung des bereits bekannten Arguments, dass ein organisches Psychosyndrom ohne Nachweis einer substantiellen Hirnschädigung
nicht nachvollziehbar sei. Dr. H. setzt hier unzulässigerweise den geforderten Nachweis einer substantiellen Hirnschädigung
gleich mit einem bildgebenden Nachweis. Dr. H. setzt sich nicht mit der ausführlichen Begründung der Diagnose eines organischen
Psychosyndroms nach Schädel-Hirn-Trauma im Gutachten des M-P.-Instituts auseinander, die dort anhand der diagnostischen Kriterien
für Forschung und Praxis der internationalen Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10
F 07.2) erfolgt. Nach diesen Kriterien spielt es keine Rolle, ob der Kl. initial bewusstlos war oder nicht, es genügt ein
Schädeltrauma, das "gewöhnlich" schwer genug ist, um zu Bewusstlosigkeit zu führen. Am Vorliegen eines solchen Traumas besteht
im vorliegenden Fall kein Zweifel. Die diagnostischen Leitlinien weisen ausdrücklich darauf hin, dass objektive Nachweise
für eine Gehirnschädigung mit bildgebenden Verfahren fehlen können bzw. sogar oft negativ sind. Hinzu kommt der Nachweis einer
Bewusstseinseintrübung, die im Krankenhaus eingetreten ist und dort auch - was Dr. H. in seiner Stellungnahme abermals verschweigt
- dokumentiert wurde, nämlich auf dem Formular zur Begründung der Notwendigkeit einer craniellen Computertomographie.
Da bereits das organische Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma mit schweren Folgen für sich allein die beantragte MdE von
70 v.H. begründet, kann dahinstehen, ob der Kl. darüber hinaus an einer PTBS als Unfallfolge leidet oder für eine gewisse
Zeit in der Vergangenheit gelitten hat. Soweit diesbezüglich der Sachverständige Dr. Dr. D. im Einklang mit Prof. Dr. S. die
Möglichkeit der Diagnose einer PTBS von vornherein mit der Begründung verneint, unfallbedingte Bewusstlosigkeit und PTBS schlössen
sich gegenseitig aus, weil das Trauma bei der PTBS tatsächlich bewusst erlebt worden sein musste, ist der Einwand im Gutachten
des Prof. Dr. W. vom M-P.-Institut berechtigt, dass eine commotionell bedingte Bewusstlosigkeit oder Amnesie die Diagnose
einer PTBS nicht ausschließt, da eine nach dem Unfall eingetretene Bewusstlosigkeit oder Amnesie nicht zwangsläufig bedeutet,
dass sich das Unfallopfer nicht an das Unfallereignis selbst erinnern kann, was im Falle des Kl. auch zutrifft. Da die Feststellung
der PTBS als Unfallfolge nicht beantragt ist und die Verletztenrente in der beantragten Höhe einer MdE von 70 v.H. auch ohne
die Feststellung einer PTBS zugesprochen werden kann, braucht diese Frage jedoch nicht entschieden zu werden. Schließlich
kann aus denselben Gründen dahinstehen, ob der Kläger zusätzlich an einem chronischen posttraumatischen Kopfschmerz als weitere
Unfallfolge leidet, wie sie erstmalig im Gutachten des M-P.-Instituts vom 20.10.2014 festgestellt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung
des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).