Wahlmöglichkeit des Versicherten zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beendigung der Mitgliedschaft bei der Beklagten.
Die 1964 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten, seit 1. Dezember 2005 wegen einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung bezieht sie nach Ende der Maßnahme seit 15. Januar 2009 Arbeitslosengeld I
und ist wegen dieses Bezugs weiterhin Mitglied der Beklagten.
Am 12. Januar 2007 richtete die Klägerin ein Kündigungsschreiben zum 31. März 2007 an die Beklagte, da sie in eine private
Krankenkasse wechseln wolle.
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin im Schreiben vom 14. März 2007 mit, dass sie aufgrund der begonnenen Maßnahme zur
Teilhabe am Arbeitsleben versicherungspflichtig sei. Nach §
8 Abs.
1 Nr.
4 SGB V könne sie auf Antrag von der dadurch eintretenden Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung befreit werden,
allerdings müsse dieser Antrag zur Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht gestellt werden.
Wie der Versicherten bereits bekannt sei, sei diese Frist bereits abgelaufen.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch den sie damit begründete, dass die Beschränkung des Zugangs zu einer privaten Krankenversicherung
gegen ihre Grundrechte aus Art.
2 und
3 des Grundgesetzes (
GG) verstoße und sie daher beantrage, von der Versicherungspflicht entbunden zu werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2007 zurück mit der Begründung, ein Wechsel in die
private Krankenversicherung sei nicht möglich, da die Klägerin seit 1. Dezember 2005 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
von der deutschen Rentenversicherung Bund beziehe und nur innerhalb der Frist von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht
die Befreiung hätte beantragen können. Da diese Ausschlussfrist abgelaufen sei, sei dem nicht entsprochen worden. Dagegen
wandte sich die Klägerin mit der Klage vom 31. Juli 2007 zum Sozialgericht Bayreuth. Durch ihren Lebensgefährten ließ sie
vortragen, es sei verfassungswidrig sei, dass keine freie Wahl der Krankenversicherung bestehe, die gesetzliche Krankenkasse
nur einen Einheitstarif kenne und die private Krankenversicherung eine Mitbestimmung des Umfangs der Heilbehandlung ermögliche.
Auch die übrigen Ungleichheiten bei der Therapie zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung stellten einen
Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art.
3 GG dar, ebenso wie die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Personengruppen. Dass gesetzlich Versicherte einer Mehrbelastung
unterlägen und die gesetzliche Krankenversicherung wirtschaftliche Probleme habe, stelle ebenfalls Verstöße gegen Art.
2 bzw. 3
GG dar. Nach einem Gutachten von Prof. Dr. S. seien Teile des Sozialgesetzbuches V verfassungsrechtlich fragwürdig bzw. verfassungswidrig.
Um eine Verfassungsbeschwerde erheben zu können, müsse sie entsprechend der Belehrung durch das Bundesverfassungsgericht den
Rechtsweg ausschöpfen.
Das Sozialgericht hat im Erörterungstermin vom 3. April 2008 den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert und mit Gerichtsbescheid
vom 11. April 2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin zwar grundsätzlich
bei Beginn der Teilnahme an den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der Versicherungspflicht hätte befreit werden
können, sie jedoch die 3-Monatsfrist, die von Beginn der Versicherungspflicht an laufe, versäumt habe. Da die 3-Monatsfrist
des §
8 Abs.
2 SGB V eine Ausschlussfrist sei und die Frist bereits geendet habe, könne eine Befreiung nicht mehr erfolgen.
Eine andere Kündigungsmöglichkeit sehe das Gesetz nicht vor. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Regelungen der
§§
5 ff.
SGB V liegen nach Auffassung des Sozialgerichts nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht habe in ständiger Rechtsprechung darauf
hingewiesen, dass die vorhandenen Zweige der Sozialversicherung Ausdruck des Sozialstaatsgebots des Art.
20 Abs.
1 GG und der Gewährleistung der in Art.
1 Abs.
1 GG angeordneten Wahrung der Menschenwürde seien. Dabei habe der Gesetzgeber ein System schaffen können das in geeigneter Weise
grundsätzlich sicherstelle, dass die Menschen vor dem Eintritt existenzgefährdender Wechselfälle des Lebens wie Krankheit,
Alter, Invalidität oder Arbeitslosigkeit abgesichert würden. Die damit verbundenen Einschränkungen der persönlichen Handlungsfreiheit
des Einzelnen seien im Interesse des übergeordneten Gemeinwohls im bestimmten Umfang hinzunehmen. Der Gesetzgeber habe dabei
einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Einen Verstoß der Regelungen des
SGB V gegen höherrangiges Recht konnte das Sozialgericht nicht erkennen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die zur Begründung auf ihr Vorbringen in erster Instanz zur Verfassungswidrigkeit
Bezug genommen hat. Zusätzlich wurde ein Zeitungsartikel über die so genannte Zweiklassenmedizin in Deutschland vorgelegt.
Als weiteren Vortrag wies die Klägerin daraufhin, dass es seit 1. Januar 2009 möglich sei in der privaten Krankenversicherung
zu bleiben, auch wenn die Beiträge nicht mehr bezahlt werden könnten. Es treffe daher nicht mehr zu, dass die Beiträge der
privaten Krankenversicherung im Alter höher seien. Im Übrigen werde sie in der Wahl ihres Arztes eingeschränkt, da der von
ihr als Behandler ins Auge gefasste Hausarzt keine neuen GKV-Patienten mehr aufnehme sondern nur Privatpatienten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2007 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, die
gesetzliche Krankenversicherung zu kündigen und in die private Krankenversicherung zu wechseln.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet, insbesondere seien keine neuen Tatsachen vorgetragen worden die geeignet wären, die
zutreffende Begründung des Sozialgerichts Bayreuth zu widerlegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Bayreuth und des Bayer. Landessozialgerichts
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Durch Beschluss des Senats vom 16. Oktober 2008 wurde die Berufung gemäß §
153 Abs.
5 SGG der Berichterstatterin übertragenen, so dass die Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2009 zusammen
mit den ehrenamtlichen Richtern erfolgen konnte.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß §
153 Abs.
2 SGG ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist. Das Sozialgericht ist
in seiner Begründung ausführlich auf die Fragen zur Beendigung der bei der Klägerin gemäß §
5 Abs.
1 Nr.
6 SGB V bestehen Pflichtversicherung, deren Beginn und Ende sowie die fehlenden Kündigungsmöglichkeiten einschließlich der fehlenden
Wahlmöglichkeiten nach §
175 SGB V eingegangen und hat insbesondere nochmals dargestellt, dass die Befreiungsvoraussetzungen nach §
8 Abs.
1 SGB V bei der Klägerin schon wegen der versäumten Ausschlussfrist nicht greifen können. Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen
neue Gesichtspunkte sind nicht zu berücksichtigen.
Aber auch soweit die Klägerin die Verfassungswidrigkeit ihrer Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung
rügt, ist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 11. April 2008 zurückzuweisen. Das Sozialgericht
hat überzeugend dargestellt, dass Verstöße gegen Verfassungsnormen nicht erkennbar sind, der Gesetzgeber insbesondere ein
weites Gestaltungsrecht habe und keine Verstöße gegen höherrangiges Recht erkennbar seien. Dabei sei nochmals darauf hingewiesen,
dass die gesetzliche Krankenversicherung als einer der drei klassischen Zweige der Sozialversicherung bereits auf die Zeiten
der
Reichsversicherungsordnung zurückgeht und in den Folgejahren jeweils entsprechend den Regelungsbedürfnissen angepasst und umgestaltet wurde. In das
Grundgesetz wurde das System der GKV übernommen, ohne dass dafür eine spezielle Grundgesetzregelung getroffen wurde. Die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts und des BSG hat sich aber bereits in zahlreichen Entscheidungen mit verfassungsrechtlichen Fragen
zur GKV befasst (vgl. dazu Peters in Kasseler Kommentar vor §
1 SGB V Rn. 13). Grundsätzlich sind dabei die Versicherungspflicht der Beschäftigten sowie einzelner im Gesetz aufgezählter Gruppen
von Versicherten ebenso wenig beanstandet worden wie die Pflichtmitgliedschaft aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses.
Die bereits vom SG genannten Vorschriften des
SGB V schließen eine Wahlmöglichkeit des Beschäftigten zwischen der gesetzlichen und der privaten Versicherung - abgesehen von
hier nicht vorliegenden Ausnahmenregelungen - grundsätzlich aus.
Das Sozialgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzugestehen
ist und es den Gerichten nicht obliegt dabei festzustellen, ob eine bessere oder anderweitige Regelungsmöglichkeit bestanden
hätte.
Nach alledem sind weder die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 14. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 18. Juli 2007 noch der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 14. April 2008 zu beanstanden, so dass die Berufung
aus den Gründen der genannten Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Überlegung, dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht obsiegt hat (§§
183,
193 SGG).
Gründe gemäß §
160 Abs.
2 Ziff. 1 und 2
SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.