Vergütung stationärer Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung; Bestimmtheit von Aufrechnungserklärungen
einer Krankenkasse im Rahmen von Sammelrechnungen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung der Patientin C. in Höhe von 509,26 Euro.
Die 1967 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte C. wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 07.06.2010 bis zum 11.06.2010
stationär behandelt. Die Klägerin rechnete den Aufenthalt mit insgesamt 1.339,14 Euro mit Endabrechnung vom 18.06.2010 ab
(DRG Fallpauschale G26Z). Hinzu kamen die gesetzlich vorgeschriebenen Zu- bzw. Abschläge, so dass sich ein Endabrechnungsbetrag
vom 1.359,80 Euro ergab. Diesen Betrag zahlte die Beklagte zunächst am 12.07.2010 vollständig an die Klägerin. Wegen der Einzelheiten
wird diesbezüglich auf Blatt 5 bis 10 der Beklagtenakte Bezug genommen.
Die Beklagte hatte Zweifel, ob die stationäre Krankenhausbehandlung für den gesamten Zeitraum notwendig war und beauftragte
den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Überprüfung. Der MDK kam in seinem Gutachten vom 26.10.2012
zu dem Ergebnis, dass die stationäre Behandlung nur vom 08.06.2010 bis zum 09.06.2010 notwendig gewesen sei. Die Verweildauer
sei um drei Tage zu kürzen. Diese Auffassung bestätigte der MDK in einem weiteren Gutachten vom 28.05.2013. Wegen der Einzelheiten
wird auf Blatt 1 bis 4 der Beklagtenakte Bezug genommen. Nachdem sich die Klägerin geweigert hatte, die gezahlte Vergütung
für die stationäre Behandlung entsprechend der vom MDK vorgeschlagenen Kürzung um drei Tage (509,26 Euro) an die Beklagte
zurückzuzahlen, verrechnete die Beklagte nach dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten am 12.10.2012 einen Betrag von 1.409,80
Euro gegen eine andere zwischen den Beteiligten unstreitige Forderung der Klägerin aus einer stationären Behandlung eines
Versicherten der Beklagten und zahlte sodann am 17.12.2012 an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 900,54 Euro. In den Akten
befinden sich keine Aufrechnungserklärung der Beklagten und auch keine Hinweise gegen welche konkreten Forderungen der Klägerin
in welcher Höhe aufgerechnet hat. Die Vertreterin der Beklagten erklärte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14.07.2015,
dass die Aufrechnung im vorliegenden Fall stattgefunden habe, indem eine Verrechnung mit einer Sammelrechnung vorgenommen
worden sei. Auch diese Sammelrechnung befindet sich nicht in den Verwaltungsakten.
Die Klägerin hat daraufhin Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Die Behandlung der Patientin C. sei für den gesamten
Zeitraum vom 07.06.2010 bis 11.06.2010 medizinisch notwendig gewesen. Entgegen der Auffassung des Gutachters wäre eine Entlassung
der Patientin am 09.06.2010, am postoperativen Tag, nicht denkbar gewesen, da die Patientin sich den ganzen Tag erbrochen
hatte und sich sehr unwohl fühlte. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2014 der Klage stattgegeben und die
Beklagte verurteilt an die Klägerin 509,26 EUR zuzahlen. Im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung habe keine Aufrechnungslage
im Sinne von §
389 Abs.
1 BGB bestanden, weil die behauptete Gegenforderung der Beklagten, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Bezug auf die
Patientin C., nicht fällig gewesen sei. Bei § 12 Ziffer 2 Satz 3 der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung handele es sich
um eine vertragliche Fälligkeitsbestimmung nach §
271 Abs.
2 BGB. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Aus § 12 Pflegesatzvereinbarung
2010 könne nicht entnommen werden, dass bei bestrittenen Forderungen der Krankenkassen keine Fälligkeit vorliegen würde. Nach
der Rechtsprechung des BSG sei eine Aufrechnung möglich. Dem stehe auch nicht § 12 Nr. 2 Pflegesatzvereinbarung 2010 entgegen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 11.08.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Beklagte
im Wege der Widerklage zu verurteilen, der Klägerin 509,26 Euro zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung und zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
Die Klägerin stützt sich im Wesentlichen auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids des
Sozialgerichts Würzburg vom 11.08.2014.
Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§
143,
151 SGG) ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch hat
auf Zahlung von 509,26 Euro zuzüglich Zinsen seit dem 12.10.2011. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobene Widerklage
war auf Grund Verjährung abzuweisen.
I. Der Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist mit der Behandlung der Versicherten der Beklagten entstanden;
er ist nicht durch Aufrechnung erloschen.
1. Die Klägerin hat mangels Vorliegens eines Vertrages nach §
112 SGB V für den Freistaat Bayern nach §
109 Abs.
4 S 3
SGB V i.V.m. §
7 Satz 1 Nr.
1 und §
9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG und der einschlägigen Pflegesatzvereinbarungen für 2010 einen Zahlungsanspruch wegen der Krankenhausbehandlungen
anderer Versicherter. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen dieser
Versicherten gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die zutreffend berechnete Vergütung hat. Dies steht fest auf Grund
der überstimmenden Erklärungen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren (vgl. nur Schriftsatz der Beklagten vom 04.09.2014
Blatt 8 LSG-Akte und Schriftsatz Klägerin vom 22.07.2013 Blatt 1 ff SG-Akte). Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG Urt. v. 21.4.2015 - B 1 KR 8/15 R; BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8).
2. Dieser Zahlungsanspruch ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten C. analog §
387 BGB die Aufrechnung erklärt hat (zur entsprechenden Anwendung von §
387 BGB auf überzahlte Krankenhausvergütung BSG Urt. v. 23.6.2015 - B 1 KR 26/14; Urt. v. 21.4.2015 - B 1 KR 8/15 R). Vorliegend fehlt es zum einen bereits an einer wirksamen, hinreichend bestimmten Aufrechnungserklärung. Zum anderen war
die in Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten auf Grund der Besonderheiten nach § 12 Ziff. 2 der Pflegesatzvereinbarung
2010 nicht fällig.
a) Rechtsgrundlage für die von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus
der Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist §
69 Abs.
1 S. 3
SGB V in Verbindung mit den relevanten Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches (
BGB). Grundsätzlich ist eine Aufrechnung auch im Verhältnis von Krankenhausträgern und Krankenversicherern zulässig trotz Fehlens
der Voraussetzungen des §
51 SGB I, denn es besteht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung entgegenzutreten.
Dabei sind die zivilrechtlichen Vorschriften zur Aufrechnung in §§
387 ff
BGB anzuwenden (vgl. bereits BSG, Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R, Rnr. 15 m.w.N., [...]). Voraussetzung dieses einseitigen Gestaltungsrechts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen
bewirkt wird, ist gemäß §
387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der wirksamen Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige, und fällige bzw. erfüllbare Forderungen
gegenüberstehen. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss dabei uneingeschränkt wirksam und fällig sein, die Hauptforderung
muss jedoch lediglich erfüllbar sein (Gursky in: Staudinger,
BGB, Neubearbeitung 2011, § 387 Rnr. 136 f; BSG, Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 33/12 R- Rnr. 13, [...]).
b) Die Aufrechnung der Beklagten ist bereits unwirksam, weil es an einer wirksamen Aufrechnungserklärung im Sinne des §
388 BGB fehlt, welche die vom BSG aufgestellten Mindestvoraussetzungen im Falle von Sammelrechnungen erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 21/03 R).
aa) Vorliegend ist in Auswertung der Verwaltungsakten der Beklagten sowie des Vorbringens der Beteiligten einschließlich der
dazu vorgelegten Dokumente in beiden Instanzen festzustellen, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt eine ausdrückliche Aufrechnungserklärung
abgegeben hat. Soweit die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2015 erklärt hat, dass im vorliegenden
Fall eine Verrechnung mit einer Sammelrechnung vorgenommen wurde, so fehlt es diesbezüglich an der erforderlichen zeitentsprechenden
Dokumentation insbesondere in den Verwaltungsakten der Beklagten. Damit ist keine Aufrechnungserklärung nachgewiesen und es
ist darüber hinaus nicht erkennbar, ob überhaupt eine Aufrechnung erklärt wurde und falls ja in welcher Reihenfolge und in
welcher Höhe die jeweils unstrittigen Forderungen der Klägerin zum Erlöschen gebracht werden sollten. Festzustellen ist somit,
dass nicht ermittelt werden kann, auf welche Forderung der Klägerin der streitige "Aufrechnungsbetrag" von 509,26 Euro zu
beziehen ist.
bb) Selbst wenn man vorliegend in dem Gesamtverhalten der Beklagten eine konkludente Aufrechnungserklärung erblickte, so fehlte
es jedoch an der notwendigen Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung. Welchen Inhalt eine wirksame Aufrechnungserklärung haben
muss, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Da die beiderseitigen Forderungen aber nur soweit erlöschen, als sie sich
decken, müssen, damit das Erlöschen der jeweiligen Forderungen festgestellt werden kann, Art und Umfang in der Erklärung eindeutig
bezeichnet werden. Dazu gehören insbesondere Angaben über die Höhe, den Rechtsgrund, die Bezugszeiten, die Fälligkeit der
Forderung sowie die Darlegung, ob die Forderung bestands- bzw. rechtskräftig festgestellt worden ist (so BSG v. 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 §
52 Nr. 1, Rn. 21; vgl. auch Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB I, 2. Aufl. 2011, §
51 SGB I Rn. 46). Auch wenn das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Dauerabrechnungsverhältnis dazu führt, dass nicht
allzu hohe Anforderungen an die Voraussetzung einer Aufrechnung zu stellen sind, so müssen doch Minimalanforderungen an die
Bestimmtheit einer Aufrechnungserklärung eingehalten werden. Andernfalls könnten die Wirkungen der Aufrechnung im Sinne des
§
389 BGB nicht festgestellt werden. Nach dieser Vorschrift bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken,
als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind. Um Rechtssicherheit
zu erlangen, muss für alle Beteiligten klar sein, welche Forderungen, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum durch Aufrechnung
zum Erlöschen gebracht werden sollen. Dies erfordert auch die Rechtsklarheit um sicherzustellen welche - bislang - unstreitigen
Forderungen erloschen sein sollen. Dies ist vorliegend nicht zu erkennen. In welcher Höhe die einzelnen Hauptforderungen ggf.
in welcher Reihenfolge diese getilgt wurden, ist vorliegend völlig unklar, da die von der Beklagten angesprochene Sammelrechnung
sich nicht in den Verwaltungsakten oder den Gerichtsakten befindet. Da eine Aufrechnung rechtsgestaltend wirkt, muss sich
die beabsichtigte Rechtsänderung klar und unzweideutig aus der Erklärung ergeben. Fehlt es an der danach erforderlichen Bestimmtheit,
ist die Aufrechnungserklärung unwirksam (OLG Köln, NJW 2005, 1127). So liegt es hier. Unterstellt man den Vortrag der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2015 als
wahr, so kann allenfalls festgestellt werden, dass die Beklagte eine Verrechnung vorgenommen hat. Bei der Verrechnung oder
auch "Abrechnung" werden gegenseitige offene Forderungen ausgeglichen. Die Modalitäten der Verrechnung bestimmen sich nach
dem jeweiligen Verkehrsbereich oder anhand gesetzlicher Regelungen (BGH Urteil v. 07.04.2011 - VII ZR 209/09). Eine solche Verrechnung gegenseitiger Ansprüche ist im konkreten Fall aber unzulässig, da die Voraussetzungen des §
52 SGB I nicht vorliegen. So ist die Klägerin kein Leistungsträger im Sinne dieser Vorschrift. Die Verrechnung ist damit kein gesetzlich
vorgesehenes Rechtsinstitut in den Fällen, bei denen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen Abrechnungen streitig sind.
In diesen Fällen finden vielmehr die Grundsätze der Aufrechnung Anwendung, deren Voraussetzungen aber tatsächlich nicht erfüllt
sind.
c) Vorliegend kann darüber hinaus im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die fehlende Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung
durch die Auslegungsregel §
396 Abs.
1 Satz 2
BGB i.V.m. §
366 Abs.
2 BGB geheilt werden kann, da jedenfalls die Gegenforderung vorliegend nach den Besonderheiten von §
12 Ziff. 2 der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung 2010 nicht fällig war und somit keine Aufrechnungslage vorlag. Das Bundessozialgericht
betont zwar in ständiger Rechtsprechung, dass bei Krankenhausabrechnungen grundsätzlich von den Krankenkassen das Rechtsinstitut
der Aufrechnung eingesetzt werden darf, gleichzeitig weist das BSG stets darauf hin, dass die landesrechtlichen Besonderheiten bzw. die Besonderheiten der jeweiligen Pflegsatzvereinbarung
zu beachten sind (BSG, Urteile vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R, Rnr. 27; B 1 KN 2/08 KR R Rnr. 37; sowie B 1 KN 3/08 KR R, Rnr. 37- zitiert jeweils
nach [...]). Nach dem Urteil des Senats vom 23.09.2014 - 5 KR 322/10 - stellt die Regelung in § 12 Ziff. 2 der Pflegesatzvereinbarung
2010 nicht lediglich eine Verfahrensbestimmung dar. Dies folgt schon daraus, dass sie als Gegenstück zu § 12 Ziff. 1 in beiden
Alternativen (Satz 2 einvernehmliche Korrektur der Rechnung und Satz 3 gerichtliche Auseinandersetzung) ebenfalls eine Drei-Wochen-Frist
als Zahlungsziel festsetzt. Zudem ist auch in Ziffer 2 bei Überschreitung der Zahlungsfrist ein Verzugszins (Satz 4) zu zahlen.
Es handelt sich also bei § 12 Ziff. 2 der Vereinbarung um eine echte vertragliche Fälligkeitsbestimmung. Denn bei einer Zeitbestimmung
wie hier ist analog §
271 Abs.
2 BGB im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken
kann. Namentlich regelt die Pflegesatzvereinbarung, dass im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rückzahlungsfrist
des zu viel bezahlten Betrags drei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt, § 12 Ziff. 2 Satz 3. Damit haben die Beteiligten
eine zweistufige Fälligkeit vertraglich geregelt, an die sie sich halten müssen. Zum einen wurde die Anspruchsfälligkeit geregelt
(1. Stufe). Danach hat die Beklagte bei einer behaupteten Überzahlung einen möglichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
einzuklagen. Der konkret zu erstattende Betrag ist jedoch von der Klägerin erst drei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung
zurückzuzahlen. Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Zahlungsfälligkeit (2. Stufe). Für eine wirksame Aufrechnung
wäre aber neben der Anspruchsfälligkeit auch die Zahlungsfälligkeit notwendig. An dieser fehlt es vorliegend. Fälligkeit ist
auch nicht dadurch eingetreten, dass zunächst die Klägerin die ursprüngliche Rechnung storniert und eine neue Rechnung ausstellt
hätte (vgl. § 12 Ziffer 2 Satz 2 - Fälligkeit bei einvernehmlichen Lösungen). Dies ist bislang aufgrund des Dissenses der
Beteiligten nicht erfolgt. Solange aber keine neue Rechnung ausgestellt ist, wird die Rückforderung nach der gültigen Pflegesatzvereinbarung
nicht fällig. Die Zahlungs-, Fälligkeits- und Zinsbestimmung in § 12 Ziffer 2 Pflegesatzvereinbarung 2010 stellt auch keine
überraschende und unzumutbare Regelung dar (vgl. ausführlich hierzu Urteil des Senats vom 07.02.2012 - L 5 KR 244/11). Dies gilt vorliegend umso mehr, als dass die medizinische Notwendigkeit der Dauer des stationären Aufenthalts im streitgegenständlichen
Fall nicht feststeht. Dem klägerischen Anspruch steht somit auch nicht der dolo-agit-Grundsatz als eine spezielle Ausprägung
des Prinzips von Treu und Glauben (§
242 BGB) entgegen. Die von der Beklagten behauptete Aufrechnung ist damit auch mangels Fälligkeit der Gegenforderung unwirksam.
II. Die in der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2015 zulässig erhobene Widerklage (§
100 SGG) ist auf Grund eingetretener Verjährung unbegründet.
1. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Widerklage selbst im Berufungsverfahren ohne Einwilligung des Gegners möglich
(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
100 Rdn. 3a). Auch der in der Vorschrift geforderte Zusammenhang des mit der Widerklage erhobenen Anspruchs mit dem mit der Klage
geltend gemachten Anspruch ist gegeben, denn insoweit genügt ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang (a.a.O. Rdn.
4). Vorliegend besteht eine wirtschaftliche Identität zwischen Klageverfahren und der Widerklage.
2. Die Widerklage war auf Grund eingetretener Verjährung abzuweisen. Der Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger
auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung unterliegt einer vierjährigen Verjährung (BSG Urt. v. 23.6.2015 - B 1 KR 26/14 R, Rn. 44 - zitiert nach [...]; vgl. auch zB BSG SozR 4-7610 § 204 Nr 2 RdNr 12; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 39; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25). Die Verjährung der streitigen Erstattungsforderung begann nach Ablauf des Jahres 2010
entsprechend §
45 Abs.
1 SGB I, also nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im
gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung (vgl. zB BSGE 69, 158, 163 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1; BSG SozR 4-7610 § 204 Nr 2 RdNr 12 mwN; Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, 2004, S 374 f), hier also mit der vollständigen Begleichung
der Schlussrechnung zum 12.07.2010. Die Beklagte hat erst im Jahre 2015 und somit nach Eintritt der Verjährung (Ablauf 31.12.2014)
Widerklage erhoben. Die Erhebung einer Klage bzw. Widerklage war auch nach Ziff. 12 der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung
2010 bis zum 31.12.2014 möglich, da insoweit die Anspruchsfälligkeit (Stufe 1) ausreicht. Zahlungsfälligkeit ist nach dem
eindeutigen Wortlaut von § 12 Ziff. 1 Satz 3 der Pflegesatzvereinbarung 2010 für die Klageerhebung entgegen der Auffassung
der Beklagten nicht notwendig. Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
III. Die Kostentscheidung folgt aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 und
2 VwGO. Da über die Kosten für Klage und Widerklage einheitlich zu entscheiden ist (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 11. Aufl, §
100 Rn. 7) und die Beklagte jeweils unterlag, hat die Beklagte die vollständigen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs.
1 Satz
SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 sowie § 47 Abs. 1 GKG. Die Streitwerte von Klage und Widerklage sind vorliegend nicht zu addieren, da wirtschaftlich die gleiche Forderung im Streit
steht (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer,
SGG, 11. Aufl, §
100 Rn. 7).
V. Die Revision ist nicht nach §
160 Abs.
1 und
2 SGG zuzulassen, da die Frage der Zulässigkeit einer Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Verhältnis
zwischen einem Krankenhausträger und einer Krankenversicherung bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 22.03.2004 - B 3 KR 21/03 R, vom 28.09.2006 - B KR 23/05 R), insbesondere weil die hier streitentscheidende Formulierung der Pflegesatzvereinbarung 2010
ausschließlich im Freistaat Bayern verwendet wurde und seit 2011 auch hier keine Anwendung mehr findet.