Versäumung der Beschwerdefrist im sozialgerichtlichen Verfahren, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Verschulden des Betroffenen;
Zumutbarkeit der Fristwahrung für einen Untersuchungshäftling
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet ist,
Leistungen für orthopädische Schuhe, eine Armbanduhr, Zahnkronen, Zahnersatz, Weihnachtsgeld, die Übernahme der Kosten einer
Schuhreparatur und einen höheren Barbetrag nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren.
Den Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 20.12.2008 hat das Sozialgericht München mit
Beschluss vom 11.02.2009 abgelehnt. Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller ausweislich der Zustellungsurkunde am 16.02.2009
gegenüber der JVA A-Stadt bekannt gegeben.
Hiergegen hat der Antragsteller am 25.03.2009 beim Sozialgericht München Beschwerde erhoben und bezüglich der Versäumung der
Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe am 16.02., 09.03.
und 11.03.09 Verhandlungen beim Strafgericht gehabt. Für den 09.03.2009 seien die Schlussanträge vorgesehen gewesen. Die Verhandlung
habe bis 21:00 Uhr gedauert. Ferner habe sich der Beschwerdeführer am 01.03.2009 einen Finger gebrochen und sei daher vom
02.03.2009 bis 03.03.2009 im Krankenhaus gewesen. Der Finger sei am 03.03.2009 operiert und zusammen mit dem Unterarm eingegipst
worden. Am letzten Regeleinkauf am 11.03.2009 habe der Antragsteller auch nicht teilnehmen können, da zu diesem Zeitpunkt
die mündliche Verhandlung stattfand. Er habe deshalb weder Briefmarken noch Kugelschreiber kaufen können. Zur Glaubhaftmachung
verweise er auf die Gefangenenpersonalakte. In einem Nachtrag teilte der Kläger mit, der Brief vom 15.03.2009 sei von der
Briefzensur am 16.03.2009 beanstandet worden, so dass er erst am 17.03.2009 versandt werden konnte. Eine Beschwerdebegründung
werde nachgereicht.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts
München vom 11. Februar 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig
einen höheren Barbetrag als 35 EUR zu gewähren,
die Aufwendungen für eine Armbanduhr in Höhe von 15 EUR zu gewähren,
die Übernahme der Kosten einer Zahnersatzbehandlung zuzusichern,
Weihnachtsgeld zu gewähren,
die Kosten einer Schuhreparatur in Höhe von 5 EUR zu erstatten,
die Aufwendungen für orthopädische Schuhe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
II. Die Beschwerde wird verworfen, da sie unzulässig ist.
Gemäß §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ausweislich der vorliegenden Zustellungsurkunde wurde der Beschluss des
SG am 16.02.2009 bekannt gegeben. Nach §
64 Abs.
1 und Abs.
2 SGG endete die Beschwerdefrist am 16.03.2009. Ausweislich des Eingangsstempels des SG ist die Beschwerde am 25.03.2009 dort eingegangen und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist (§
173 Satz 1
SGG) beim SG erhoben.
Gemäß §
67 Abs.
1 SGG ist bei Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine
gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Ein Verschulden ist dann zu verneinen, wenn der Betroffene diejenige Sorgfalt angewendet
hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist
(vergleiche Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 2008, 9. Auflage, §
67, Rz.: 3). Besteht auch nur die Möglichkeit einer unverschuldeten Fristversäumnis, so scheidet eine Wiedereinsetzung aus (vergleiche
Keller, aaO.). Bezüglich der Vorwerfbarkeit der Fristversäumnis kommt es auf die persönlichen Verhältnisse an.
Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass dem Antragsteller, unabhängig von einer Verletzung seines Fingers, bei
zumutbarer Sorgfalt die Einhaltung der Beschwerdefrist möglich war. Nach telefonischer Auskunft eines zuständigen Beamten
des Vollzugsdienstes gegenüber dem Berichterstatter, kann während der Woche jederzeit der Sozialdienst angefordert werden.
Danach gibt der Antragsteller grundsätzlich am Morgen seine Meldungen beim Vollzugsdienst ab. Spätestens am Nachmittag des
gleichen Tages erscheint ein Mitarbeiter des Sozialdienstes, der gegebenenfalls ein Schreiben des Antragstellers aufnehmen
würde. Unabhängig hiervon wäre in dringenden Fällen auch der Vollzugsdienst bereit, ein kurzes Schreiben aufzunehmen; auch
wären nach Auskunft des Beamten die Mithäftlinge jederzeit bereit, für den Antragsteller ein Schreiben zu verfassen. Da sich
der Antragsteller nunmehr seit über einem Jahr in Untersuchungshaft befindet, sind ihm auch die Postlaufzeiten im Bereich
der JVA bekannt. Es war dem Antragsteller daher zumutbar, rechtzeitig, gegebenenfalls auch zwischen den Strafverhandlungen,
eine entsprechende Beschwerdeschrift zu verfassen. Die Frage der Erkrankung des Antragstellers war daher nicht weiter zu prüfen.
Auch die vom Antragsteller vorgetragene Argumentation, er habe am 11.03.2009 weder Briefmarken noch Kugelschreiber erwerben
können, begründet keine Wiedereinsetzung. Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsteller seine Beschwerdeschrift vom 15.03.2009
nicht mit Kugelschreiber sondern mit Bleistift verfasste. Es wäre dem Antragsteller zumutbar gewesen, entweder bei Mitgefangenen
eine Briefmarke zu erwerben oder ausnahmsweise einen Antrag - gegebenenfalls über den Sozialdienst - zu stellen, einen unfrankierten
Brief der Postkontrolle zu übergeben, um nachträglich eine Briefmarke vorzulegen. Die Fristversäumnis war daher nicht unverschuldet.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).