Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren beim Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten; Unzulässigkeit
der Nichtzulassungsbeschwerde durch Fristablauf
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die beabsichtigte Einlegung einer Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Urteil des Sozialgerichts ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abzulehnen,
wenn die Beschwerde nicht mehr innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts eingelegt werden kann.
Ein Nichtbemittelter ist regelmäßig auch nicht ohne Verschulden verhindert, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung
ohne oder vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzulegen; einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf es dazu
nicht.
Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung (Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Berufung) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, weil die - erst noch einzulegende - Beschwerde unzulässig wäre, da
sie nicht mehr innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht
eingelegt werden kann. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Gründe:
Der Senat kann unentschieden lassen, ob der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits entgegensteht, dass die Klägerin ihren
Antrag nicht unterschrieben hat (zum Erfordernis der Unterschrift Philippi, in: Zöller,
Zivilprozessordnung, 25. Aufl. [2005], §
117 Rdnr. 2), oder ob es ausreicht, dass sie den gleichzeitig eingereichten Vordruck für ihre Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse unterschrieben hat.
Jedenfalls ist Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung (Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2009) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet
(§
114 Satz 1 der
Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Denn die - erst noch einzulegende - Beschwerde wäre unzulässig, da sie nicht mehr
innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht (§
145 Abs.
1 Satz 2
SGG) eingelegt werden kann. Das Urteil des Sozialgerichts ist den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 22. Dezember
2009 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung endete somit am 22. Januar
2010 (§
64 Abs.
2 Satz 1
SGG). Bis zu diesem Tag hat aber weder die Klägerin selbst noch eine von ihr bevollmächtigte Person die Beschwerde eingelegt.
Eine nach Ablauf dieser Frist eingelegte Beschwerde wäre folglich unzulässig und dementsprechend zu verwerfen.
Der Klägerin zu 1) könnte auch nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt
werden, wodurch sie so gestellt würde, als hätte sie diese Frist nicht versäumt. Dies würde voraussetzen, dass sie ohne Verschulden
verhindert gewesen wäre, innerhalb der am 22. Januar 2010 endenden Frist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung
einzulegen (§
67 Abs.
1 SGG). Dafür ist kein Grund zu erkennen. Die Klägerin ist in der Rechtsmittelbelehrung in dem Urteil des Sozialgerichts richtig
und vollständig über die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Berufung mit der Beschwerde anzufechten, und über die einzuhaltende
Frist belehrt worden. Sie ist auch nicht etwa aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse (vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe)
außerstande gewesen, die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung einzulegen. Denn das Verfahren auch vor dem Landessozialgericht
ist für die Klägerin als Leistungsempfängerin kostenfrei (§
193 Satz 1
SGG). Auch hätte sie die Beschwerde - ebenso wie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskosten - selbst einlegen können; eine
Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder andere ausschließlich zur Vertretung berechtigte Personen ist dafür nicht vorgeschrieben.
Jedenfalls um die Frist zu wahren, war ihr dies angesichts der zutreffenden und vollständigen Rechtsmittelbelehrung auch zumutbar
(vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2009 - 1 BvR 1517/08 -; vgl. auch BSG, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - B 8 SO 35/09 B -, wonach ein bedürftiger Beteiligter bis zur Bewilligung
von Prozesskostenhilfe ohne Verschulden verhindert ist, gesetzliche Verfahrensfristen einzuhalten, sofern Prozesshandlungen
nur durch zugelassene Bevollmächtigte formgerecht vorgenommen werden können; ferner VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.
Mai 2001 - 7 S 646/01 - m.w.Nw.). Im Übrigen hat die Klägerin zu 1) die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens
zumindest nicht ausdrücklich beantragt. Es erscheint auch unter der Erwägung einer möglichst weitgehenden Gleichstellung von
bemittelten und unbemittelten Verfahrensbeteiligten unabhängig von der Frage der Erhebung der Gerichtskosten, des Anwaltszwangs
und des Amtsermittlungsgrundsatzes (BSG, Urteile v. 13. Oktober 1992 - 4 RA 36/92, v. 23. Januar 1997 - 7 RAr 102/95) für eine stattgebende Entscheidung nach §
67 SGG nicht ausreichend begründbar zu sein, dass ein "armer" Beteiligter vor Einlegung des Rechtsmittels die Entscheidung über
sein Pkh-Gesuch abwarten dürfe. Als Wiedereinsetzungsgrund kommt nämlich "nur" ein Kostenhindernis in Betracht. In einem gerichtskostenfreien
Verfahren vor dem Landessozialgericht kann dann aber das Kostenhindernis nicht Grund für eine Wiedereinsetzung sein (vgl.
in diesem Sinne Rohwer-Kahlmann, Sozialgerichtsbarkeit, Kommentar, zu § 73a (§
114 ZPO) Rnr. 13 a.E. m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung; Zeihe,
SGG, zu §
67; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27. Oktober 2009 - L 5 AL 7/09, L 5 AL 32/09 RG).
Schließlich konnte offen bleiben, ob einerseits in Hinblick auf den nicht unterschriebenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
andererseits die unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von einem formgerechten
Antrag auszugehen gewesen wäre.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).