Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg.
Keine Leistungen sind in der Regel für die Zeit vor der Entscheidung des Senats, frühestens aber ab Eingang der Beschwerde
beim erkennenden Gericht zu erbringen. Maßgebend sind - auch im Beschwerdeverfahren - in der Regel die tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18.
Oktober 2007 - L 28 B 1637/07 AS ER -; erkennender Senat, Beschluss vom 4. September 2009 - L 14 AS 1063/09 B ER -, nicht veröffentlicht; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, §
123 Rdnrn. 165, 166 m. w. N. zur Parallelproblematik in §
123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist,
welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden
Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur
Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund
des Artikels 19 Abs. 4
Grundgesetz (
GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen
- Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden,
zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht
[BVerfG], Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes
in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn
insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache
über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel
19 Abs.
4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann,
so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis
zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich
durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies schließt dann nicht aus, bei der Beschwerdeentscheidung auch auf einen früheren Zeitpunkt ab Antragstellung der einstweiligen
Anordnung beim Sozialgericht abzustellen. Derartige Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich. Ein Zeitablauf nach Eingang
der Beschwerde(akten) bei Gericht - die Beschwerde war am 17. Mai 2010 beim Sozialgericht eingelegt worden - darf der Antragstellerin
aber nicht zum Nachteil gereichen.
Der Antragstellerin sind indes vorläufig Leistungen zur Fortsetzung ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit in Form der Übernahme
der Aufwendungen für ihr Arbeitszimmer in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem von ihr geschuldeten Bruttomietzinses
(in Höhe von 450,- Euro monatlich zzgl. der [in dieser Höhe unterstellten] Aufwendungen für die Heizung in Höhe von 54,- Euro
monatlich und den ihr für Unterkunft und Heizung gewährten Leistungen (in Höhe von 378,- Euro monatlich) zunächst bis zur
Bestandskraft einer - vom Antragsgegner noch nicht getroffenen und noch zu treffenden - Entscheidung über den Antrag vom 14.
September 2009, vom 19. Mai 2010 (Eingang der Beschwerdeakten beim erkennenden Gericht) längstens jedoch bis zum 31. Oktober
2010 zu erbringen.
Der Senat entscheidet aufgrund einer Folgenabwägung (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -), da ihm eine abschließende Klärung, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf die zunächst nur vorläufig zu erbringende
Leistung zusteht, im Eilverfahren nicht möglich ist.
Der Antragsgegner hat über den von der Antragstellerin bereits mit am 16. September 2009 eingegangen Brief vom 14. September
2009 (Bl. 168 der Leistungsakte) bislang keine Entscheidung getroffen, wie er selbst in seinem Schriftsatz vom 29. März 2010
an das Sozialgericht einräumt; offenbar hatte er diesen Antrag übersehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Antragsgegner
danach bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine Entscheidung über diesen Antrag getroffen hätte.
Ein Anspruch der Antragstellerin auf die von ihr begehrte Übernahme ihrer Aufwendungen für ihr Arbeitszimmer kann sich nicht
aus § 22 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) ergeben, da nach dieser Vorschrift nur Kosten für "Unterkunft und
Heizung" zu erbringen sind. Der von der Antragstellerin als Arbeitszimmer genutzte Raum dient ihr jedoch gerade nicht als
"Unterkunft". Die Übernahme von Aufwendungen für Geschäftsräume (auch Arbeitszimmer) sieht § 22 SGB II nicht vor (BSG, Urteil
vom 23. November 2006 - B 11b AS 3/05 R -).
Ebenso wenig kann die Antragstellerin die von ihr begehrte Leistung als "Einstiegsgeld" (jetzt § 16b SGB II) verlangen, da
sie keine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will oder aufgenommen hat, sondern diese bereits seit mehreren Jahren ausübt
(vgl. auch hierzu BSG, aaO.). Deshalb dürfte auch eine Leistungserbringung aufgrund des § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. §
46 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB III) nicht in Betracht kommen, da die Antragstellerin nicht an eine selbständige Tätigkeit "herangeführt" werden, sondern ihre
bislang ausgeübte selbständige Tätigkeit fortsetzen will. Gleichfalls ausscheiden dürfte eine Förderung nach § 16c SGB II,
der nur die Gewährung von Darlehen oder Zuschüssen für die "Beschaffung von Sachgütern" vorsieht. Vorliegend geht es jedoch
nicht um die - einmalige - Beschaffung von Sachgütern, sondern um laufende Aufwendungen für ein Arbeitszimmer. Schließlich
ist auch eine Förderung nach der bis zum 31. Dezember 2008, jetzt aber nicht mehr geltenden Fassung des § 16 Abs. 2 Satz 1
SGB II nicht möglich.
Nicht auszuschließen ist jedoch die Möglichkeit einer Förderung nach § 16f SGB II ("Freie Förderung"), die der Antragsgegner
bislang offenbar nicht gesehen hat. Diese, als Ersatz für die bis zum 31. Dezember 2008 in § 16 Abs. 2 Satz 1SGB II getroffene
Regelung zu verstehende Vorschrift (Thie, in: LPK-SGB II, 3. Aufl. [2009], § 16f Rdnr. 1) sieht eine Förderung durch "freie"
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vor. Diese Leistungen stehen allerdings im Ermessen des Antragsgegners, der jedoch
- da er diese Möglichkeit offenbar bislang nicht gesehen hat - dieses Ermessen nicht ausgeübt hat. Dazu wird er bei seiner
noch zu treffenden Entscheidung über den von der Antragstellerin bereits im September 2009 gestellten Antrag Gelegenheit haben.
Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, ob bei und aufgrund einer Förderung durch eine Übernahme der Aufwendungen
für das Arbeitszimmer der Antragstellerin - ggf. auch als Darlehen - zumindest eine Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit
zu erwarten ist (§ 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 SGB II). Dies lässt sich nicht allein aufgrund dessen verneinen, dass sie durch ihre
selbständige Tätigkeit im Jahr 2009 nur geringe, ihre Betriebsausgaben nicht deckende Einnahmen erzielt hat. Jedenfalls noch
2008 ist es ihr offenbar gelungen, durch ihre selbständige Tätigkeit Einnahmen zu erzielen, die ihre Hilfebedürftigkeit nicht
lediglich verringert, sondern für einen längeren Zeitraum sogar vollständig beseitigt haben. Andererseits weist der Antragsgegner
zu Recht daraufhin, dass die Antragstellerin seit April 2009, also seit mehr als einem Jahr überhaupt keine Einnahmen durch
ihre selbständige Tätigkeit mehr erzielt (hat). Unter diesen Umständen obliegt es der Antragstellerin, ein "schlüssiges Konzept"
aufzustellen und vorzulegen (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 8. September 2006 - L 14 B 524/06 AS ER -), wie sie sich die Entwicklung ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit vorstellt; der Antragsgegner hat ihr dazu Gelegenheit
zu geben. Nicht ausreichend dürfte insoweit allerdings eine bloße Aufzählung und Beschreibung von "Projekten" sein. Erforderlich
ist vielmehr eine nähere Darlegung der zu erwartenden Aufwendungen (Ausgaben) und der aufgrund der selbständigen Tätigkeit
in welchem Zeitraum zu erwartenden Erträge (Einnahmen). Dabei wird zu beachten sein, dass eine selbständige Tätigkeit nicht
erst dann als "tragfähig" anzusehen sein wird, wenn dadurch die Hilfebedürftigkeit (vollständig) beseitigt wird, sondern bereits
dann, wenn die zu erwartenden Einnahmen die zu erwartenden Ausgaben dauerhaft übersteigen und so die Hilfebedürftigkeit zumindest
verringert wird. Zur Beurteilung der Tragfähigkeit kommt - entsprechend § 16c Abs. 1 Satz 2 SGB II - auch die Stellungnahme
einer fachkundigen Stelle (Architektenkammer?) in Betracht. Ferner dürfte zu berücksichtigen sein, dass andere Bemühungen,
die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin zu verringern bzw. zu beseitigen, offenbar nicht erfolgreich waren. Anscheinend
ist es auch dem Antragsgegner nicht gelungen, der Antragstellerin eine (abhängige) Beschäftigung zu vermitteln; seinem Vortrag
und der Akte sind entsprechende Versuche auch nicht zu entnehmen. Unter diesen Umständen könnte es von Bedeutung sein, dass
die Fortführung der selbständigen Tätigkeit in der Tat - wie die Antragstellerin vorträgt - die einzige realistische Möglichkeit
ist, ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern, zu verkürzen oder zu beseitigen.
Die nach allem gebotene Folgenabwägung führt dazu, dass der Antragstellerin zunächst vorläufig die begehrten Leistungen zu
erbringen sind. Andernfalls liefe sie Gefahr, mit ihrer Wohnung auch ihr für ihre selbständige Erwerbstätigkeit genutztes
und erforderliches Arbeitszimmer zu verlieren, und wäre dadurch gezwungen, ihre selbständige Erwerbstätigkeit aufzugeben.
Demgegenüber erscheint der ggf. vom Antragsgegner hinzunehmende finanzielle Nachteil, insbesondere angesichts der Höhe der
zunächst für einen überschaubaren Zeitraum zu erbringenden Leistungen hinnehmbar. Angesichts der vom Antragsgegner noch anzustellenden
Ermittlungen sieht der Senat einen Zeitraum bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts (31. Oktober 2010) als angemessen an,
denn es ist nicht ausschließen, dass die Antragstellerin ab 1. November 2010 keine Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
einschließlich Kosten der Unterkunft/Heizung mehr zu beanspruchen hat. Ggf. steht es der Antragstellerin aber frei, erneut
einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu stellen.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs.
1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) bzw. §
127 Abs.
4 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) (i.V.m. §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG).
Prozesskostenhilfe ist weder für das Verfahren vor dem Sozialgericht noch für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, da die
Antragstellerin in Folge der (unanfechtbaren) Entscheidung über die Kostenerstattung in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung
selbst aufzubringen (§
114 Satz 1
ZPO i.V.m.§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).