Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der endgültigen Ablehnung von vorläufig bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch -
Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sowie der Geltendmachung der Erstattung von Leistungen durch die Beklagte.
Die in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger standen bei dem Beklagten fortlaufend im Leistungsbezug. Auf ihren Weiterbewilligungsantrag
bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 25. Januar 2011 im Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 Leistungen
nach dem SGB II iHv monatlich 1.007,00 € vorläufig gem. § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II iVm §
328 Abs
1 S 1 Nr
3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (
SGB III). Als Begründung für die lediglich vorläufige Bewilligung der Leistungen wurde angegeben, die Einnahmen bzw. Ausgaben aus
der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 1) im Bewilligungszeitraum als Transportunternehmer seien aufgrund dessen Angaben
zu seinem voraussichtlichem Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden. Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 bewilligte
der Beklagte den Klägern unter Beibehaltung der Vorläufigkeit der Entscheidung wegen der Erhöhung des Regelsatzes Leistungen
iHv monatlich 1.017,00 €.
Im Juli 2011 forderte der Beklagte den Kläger zu 1) auf, zwecks abschließender Einkommensprüfung seine Einkünfte im Zeitraum
1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 mitzuteilen. Der Kläger erklärte daraufhin, dass er einen Betrag iHv 10.125,- € von seiner
Versicherung zum Ausgleich des durch den Verlust eines LKW durch Diebstahl entstandenen Schadens im Juni 2011 erhalten habe.
Der Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 30. August 2011 die Bewilligung von Leistungen im Zeitraum 1. Februar 2011
bis 31. Juli 2011 mangels Hilfebedürftigkeit der Kläger iSd § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II ab, da unter Berücksichtigung des Versicherungsbetrages ein monatlicher Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers
zu 1) iHv 1.806,18 € anzurechnen sei und dieser Gewinn den Bedarf der Kläger übersteige. Mit an den Kläger zu 1) gerichtetem
Erstattungsbescheid vom 31. August 2011 forderte der Beklagte den Kläger zu 1) zur Erstattung eines überzahlten Betrages iHv
2.090,64 € auf, mit an die Klägerin zu 2) gerichtetem Bescheid ebenfalls vom 31. August 2011 forderte der Beklagte die Erstattung
von an die Klägerin zu 2) und die Kläger zu 3) und 4) im Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 gezahlten Leistungen
iHv insgesamt 4.082,36 €.
Die Widersprüche der Kläger gegen den Bescheid vom 30. August 2011 und die Erstattungsbescheide vom 31. August 2011 wies der
Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 1. Dezember 2011 als unbegründet zurück. Bei der Berechnung des Einkommens des Klägers
zu 1) aus dessen selbständiger Tätigkeit sei gem. § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (AlgII-V) in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung von den Betriebseinnahmen im Bewilligungszeitraum unter Abzug
der notwendigen Ausgaben auszugehen. Die Auszahlung der Versicherungsleistung iHv 10.125,00 € für den Verlust des LKW sei
als betriebliche Einnahme zu qualifizieren. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Versicherungsleistung eine Ersatzbeschaffung
für den Verlust des LKW ermöglichen sollte, denn im Diebstahl des LKW habe sich das betriebliche Risiko realisiert. Ob und
wann die Versicherungsleistung reinvestiert worden sei, ändere an dieser Bewertung nichts. Nach Abzug der Freibeträge nach
§ 11 b SGB II errechne sich ein anrechnungsfähiges monatliches Einkommen iHv 1.496,18 €.
Gegen die Widerspruchsbescheide vom 1. Dezember 2011 haben die Kläger am 22. Dezember 2011 beim Sozialgericht Berlin Klage
erhoben und vorgetragen, sie hätten von Anbeginn an vorgehabt, die Versicherungssumme zu reinvestieren und diese schließlich
im Dezember 2011 in ein Café investiert. Hätte der Bewilligungsabschnitt bis Dezember 2011 gedauert, wäre die Versicherungsleistung
nicht angerechnet worden und hätte der LKW zum Privatvermögen der Kläger gehört, wäre die Versicherungsleistung in jedem Fall
anrechnungsfrei gewesen. Es sei deshalb entweder der Bewilligungszeitraum zu erweitern oder die Regelung in § 3 Abs 5 Alg II-V entsprechend anzuwenden. Hierfür spreche auch der Regelungsgedanke des § 7 Abs 1 Alg II-V, wonach Vermögen nicht zu berücksichtigen sei, welches der Hilfebedürftige zur Fortsetzung bzw. Aufnahme seiner Erwerbstätigkeit
bedürfe. Denkbar sei auch, die Versicherungsleistung als zweckbestimmte Einnahme iSv § 11 Abs 3 SGB II zu qualifizieren oder sie als Vermögenstausch zu behandeln.
Durch Urteil vom 25. Oktober 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid vom 30. August 2011 sei
rechtlich nicht zu beanstanden, da der Beklagte die Versicherungsleistung zu Recht als Einkommen berücksichtigt habe. Bei
den Betriebseinnahmen iSd § 3 Abs 1 Satz 1 Alg II-V handle es sich um alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft tatsächlich zufließenden Einnahmen
im Bewilligungszeitraum, die kausal auf die gewerbliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Der sozialrechtliche Begriff der Betriebseinnahme
stimme damit mit demjenigen des Steuerrechtes überein. Soweit die versicherte Gefahr durch den Betrieb veranlasst worden sei,
stelle die Versicherungsleistung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) eine Betriebseinnahme dar. Die Versicherungsleistung
sei auch nicht als Surrogat des LKW anzusehen und deshalb nicht lediglich Vermögen des Klägers zu 1). Schließlich handle es
sich auch nicht um eine zweckbestimmte Einnahme, da die Versicherungsleistung den Klägern zur freien Verfügung gestanden habe.
Dieser Betriebseinnahme habe auch nicht der Wertverlust des LKW einkommensmindernd gegenüber gestanden, denn als steuerrechtlich
außergewöhnliche Absetzung für Abnutzung sei dieser sozialrechtlich bei der Einkommensermittlung unbeachtlich. Insoweit handle
es sich nur um einen fiktiven Wertverlust und nicht um eine effektive Minderung des Einkommens. Entgegen der Auffassung der
Kläger sei der Bewilligungszeitraum auch nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles auf zwölf Monate auszudehnen,
denn die Voraussetzungen hierfür gem. § 3 Abs 5 Alg II-V seien nicht erfüllt, auch eine analoge Anwendung des § 7 Abs 1 Alg II-V komme nicht in Betracht, da eine vergleichbare Interessenlage insoweit nicht vorliege.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und wiederholen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2011 und die Erstattungsbescheide
vom 31. August 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1. Dezember 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Kläger zu 1) habe Versicherungsbeiträge für den LKW gezahlt und diese
als betrieblich veranlasste Ausgabe geltend gemacht. Demzufolge habe er auch die Anrechnung der Versicherungsleistung als
Betriebseinnahme hinzunehmen. Die Reinvestition der Summe sei außerhalb des Bewilligungszeitraumes erfolgt und deshalb im
vorliegenden Fall nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten
Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist zulässig; sie ist auch begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten
die Kläger in ihren Rechten.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zum einen der Bescheid des Beklagten vom 30. August 2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011, mit welchem der Beklagte den Antrag der Kläger auf Leistungen für die Zeit vom
1. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2011 abgelehnt hat. Hierbei handelt es sich um einen endgültigen Bescheid iSv §
328 Abs
2 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (aF). Danach ist eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag des Berechtigten
für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist. Einer gesonderten Aufhebung nach Maßgabe der §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) bedarf es nicht; die dort genannten Voraussetzungen müssen nicht erfüllt sein. Denn die vorläufige Leistungsbewilligung
hat sich mit der endgültigen Leistungsbewilligung oder -ablehnung nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt. Der Beklagte konnte deshalb über den Anspruch der Kläger auf Leistungen im streitigen Zeitraum
ohne Bindung an vorangegangene Bescheide entscheiden.
Die Voraussetzungen für die Anwendung des §
328 Abs
2 SGB III aF liegen vor: Die Bewilligungen mit Bescheiden vom 25. Januar 2011 und vom 26. März 2011 sind wegen der tatsächlichen Ungewissheiten
im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Hilfebedürftigkeit ausdrücklich als vorläufige Entscheidungen (vgl § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm §
328 Abs
1 Satz 1 Nr
3 SGB III aF) nicht nur im Hinblick auf die Höhe, sondern die Leistung dem Grunde nach erfolgt. Die vorläufigen Entscheidungen konnten
also durch die endgültige - ablehnende - Entscheidung ersetzt werden, ohne dass es einer Aufhebung der vorläufigen Entscheidungen
(und damit ggf einer Vertrauensschutzprüfung) bedurfte.
Der von den Klägern erhobenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Aufhebungsentscheidung fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Klage offensichtlich nicht geeignet ist, den
Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig zu beenden (Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl.,
Kap. D Rn. 22). Das ist insbesondere der Fall, wenn die Klage "nicht weit genug reicht", weil der Kläger sein eigentliches
Klageziel mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht erreicht (Hüttenbrink, aaO.). So läge der Fall bei einer isolierten
Anfechtung einer endgültigen Entscheidung, da im Falle des Klageerfolges die vorläufige Bewilligung wieder aufleben würde.
Indessen hat der Beklagte sich vorliegend in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, im Falle der Rechtskraft eines stattgebenden
Berufungsurteils für den streitgegenständlichen Zeitraum erneut eine endgültige Entscheidung zu treffen, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis
für die isolierte Anfechtungsklage gegen die (endgültige) Aufhebungsentscheidung zu bejahen ist.
Gegenstand des Rechtsstreits und von den Klägern zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten sind auch die Erstattungsbescheide
vom 31. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011, mit welchen der Beklagte die vollständige
Rückzahlung der im Leistungszeitraum 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 gezahlten Leistungen verlangte. Rechtsgrundlage dieser
Verfügungen ist §
328 Abs.
3 Satz 1
SGB III aF. Danach sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit
mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind gemäß §
328 Abs.
3 Satz 2 Hs 1
SGB III aF auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Die zuletzt genannte Regelung ist lex specialis
zu § 50 SGB X (vgl Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht §
328 SGB III Rn 20mwN aus der Rspr des BSG).
Die streitgegenständlichen Erstattungsbescheide sind bereits deshalb rechtswidrig, weil der angefochtene Bescheid vom 30.
November 2011 über die endgültige Ablehnung von Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum rechtswidrig ist. Denn die Kläger
hatten im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der gezahlten Versicherungsleistung iHv 10.125,- € als Einkommen.
Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr
2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Nach den
- von den Beteiligten unbestrittenen und inhaltlich zutreffenden - Berechnungen des Beklagten waren die Kläger, die eine Bedarfsgemeinschaft
nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 3 SGB II bildeten, im gesamten streitigen Zeitraum ohne die Anrechnung der Versicherungsleistung hilfebedürftig iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 iVm § 9 Abs. 1 SGB II. Insoweit nimmt der Senat auf den dem Bescheid vom 30. August 2011 beigefügten Berechnungsbogen Bezug, wonach bei Nichtberücksichtigung
der Versicherungsleistung kein bedarfsdeckendes Einkommen der Kläger in dem streitigen Leistungszeitraum vorhanden war. Nach
§ 9 Abs.1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, uA nicht aus dem zu berücksichtigenden
Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. So lag der Fall hier, denn bei der Ermittlung
der Hilfebedürftigkeit der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum hat die Versicherungsleistung außer Betracht zu bleiben
und ist nicht als Einkommen des Klägers zu 1) zu berücksichtigen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der
Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder
Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Die vom Kläger zu 1) erzielten Einnahmen aus der Versicherung des gestohlenen LKW unterfällt keiner der in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II benannten Ausnahmen.
Bei den Einkünften, die dem Kläger zu 1) aus der Versicherung zugeflossen sind, handelt es sich, da der LKW zum Betriebsvermögen
gehörte, um Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb, so dass bei ihrer Berechnung (ergänzend zu § 11 Abs. 2 SGB II) § 3 Alg II-V Anwendung findet. Denn zur Abgrenzung der Einkunftsarten voneinander ist das Steuerrecht heranzuziehen, schon weil die Alg II-V insoweit an die im Steuerrecht definierten Begriffe anknüpft (vgl Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 13 RdNr 54). Lediglich bei den von den Einnahmen vorzunehmenden Absetzungen ist in § 3 Abs 2 Alg II-V ausdrücklich die Nichtanwendbarkeit der steuerrechtlichen Regelungen normiert.
Es handelte sich bei der Gutschrift aus der Versicherung jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten um Vermögen und nicht um
Einkommen. Der Senat folgt dabei für das SGB II im Grundsatz der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zur Sozialhilfe entwickelten Abgrenzung von Einkommen und Vermögen(vgl
Urteil des BVerwG vom 18. Februar 1999 - 5 C 14/98 = NJW 1999, 3137-3138). Sie entspricht sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch dem Sinn und Zweck der Grundsicherungsleistungen als bedarfsabhängige
Fürsorgeleistungen. Dieser Rechtsprechung des BVerwG zur sog. modifizierten Zuflusstheorie hat sich auch das Bundessozialgericht
(BSG)ausdrücklich angeschlossen (vgl BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R -; Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG Urteil vom 17. Juni 2010 - B 14 AS 46/09 R = BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 15; BSG, Urteil vom 23. August 2011 - B 14 AS 185/10 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 42 RdNr 10). Danach ist zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen von Folgendem auszugehen:
Einkommen iSd § 11 Abs 1 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand im Bewilligungszeitraum wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er bereits vorher
hatte Zur Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen.
Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem, was zufließt, und dem, was bereits vorhanden ist, ist weiter zu berücksichtigen,
dass Einnahmen grundsätzlich aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden (zB Auszahlung des Gehalts als Erfüllung
der Gehaltsforderung; hier: Schadensersatz als Erfüllung des Schadensersatzanspruchs). Da eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete
(noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, gehört sie, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht (zB
noch nicht erfüllte Gehaltsforderungen für zurückliegende Monate; dagegen baut sich die Gehaltsforderung für den laufenden
Monat erst auf), zu seinem Vermögen. Auch wenn eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen
wirtschaftlichen Wert darstellt und zum Vermögen des Forderungsinhabers gehört und eine Einnahme aus dieser bereits bestehenden
Rechtsposition erzielt wird, führt dies jedoch nicht zu einer "Konkurrenz" dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und
daneben die Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das
Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ab. Eine Ausnahme ist
allerdings dann zu machen, wenn mit früherem Einkommen Vermögen angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen,
weil andernfalls der Rückgriff auf das Ersparte bei dessen Auszahlung eine unzulässige erneute Bewertung als Einkommen wäre
(vgl BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 17 zu einer Zinsgutschrift; Gegenbeispiel: Einkommensteuererstattung: BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18).
Steht danach der Vermögenswert einer Schadensersatzforderung nicht entgegen, die Schadensersatzleistung als Einkommen iSd
§ 11 Abs 1 SGB II zu verstehen, so gilt § 11 Abs 1 SGB II jedoch für solchen Schadensersatz nicht, der wie vorliegend lediglich eine frühere Vermögenslage wiederherstellt (zB Schadensersatz
für die Beschädigung oder den Verlust einer Sache). Denn der bloße Ersatz für etwas, was jemand bereits hatte, bewirkt keinen
Zufluss, ist keine Einnahme, sondern, wie das Ersetzte, wiederum unmittelbar Vermögen. Andernfalls wertete man den Ersatz
eines bereits früher Erlangten unzulässig (erneut) als Einkommen (vgl BVerwG aaO.). Dagegen sind alle diejenigen Schadensersatzleistungen
Einkommen iSd § 11 Abs 1 SGB II, mit denen kein zuvor vorhandenes Vermögen ersetzt wird, sondern mit denen der Berechtigte erstmals eine Leistung in Geld
oder Geldeswert erhält.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.