Vereinbarungen über Erstattungsbeträge für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung; Hinweispflichten der Schiedsstelle
bei der Nutzung von Daten aus dem Risikostrukturausgleich
Gründe:
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von der Antragstellerin gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin
vom 8. September 2014 erhobenen Anfechtungsklage.
Der Antragsteller bringt in Deutschland als pharmazeutischer Unternehmer das Arzneimittel Stribild in den Verkehr. Stribild
ist ein aus den Wirkstoffen Elvitegravir, Cobicistat, Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil zusammengesetztes, von der Europäischen
Kommission zugelassenes Arzneimittel, das zur HIV-Therapie eingesetzt wird. Es ist in Deutschland erstmals am 15. Juni 2013
in den Verkehr gebracht worden. Durch Beschluss vom 5. Dezember 2013 hat der gemeinsame Bundesausschuss entsprechend §
35a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -
SGB V - den Nutzen des Arzneimittels bewertet. Ein Zusatznutzen gegenüber anderen zweckmäßigen Vergleichstherapien bestehe weder
für therapienaive noch für therapieerfahrene Patienten.
Die Antragsgegnerin und der GKV-Spitzenverband haben von Januar bis April 2014 Verhandlungen nach §
130b SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag geführt. Nachdem sich die Beteiligten
nicht einigen konnten, hat der GKV-Spitzenverband mit Schreiben vom 5. Juni 2014 die Antragsgegnerin angerufen und beantragt,
die streitig gebliebenen Vertragsinhalte festzusetzen.
Nach Verhandlung am 14. August 2014 hat die Antragsgegnerin durch Schiedsspruch vom 8. September 2014, der Antragstellerin
zugestellt mit Schreiben vom 12. September 2014, folgenden Schiedsspruch gefällt:
I. Die zwischen den Parteien konsentierten Vertragsinhalte werden entsprechend der als Anlage I des Schriftsatzes des GKV
Spitzenverbandes vom 5. Juni 2014 übermittelten Vereinbarung festgesetzt.
II. § 3 wird wie folgt festgesetzt:
Die Parteien vereinbaren einen einheitlichen Erstattungsbetrag von EUR 30,6650 je angenommener täglicher Erhaltungsdosis,
die nach § 2 Abs. 2 ermittelt wird. Die Anzahl der angenommenen täglichen Erhaltungsdosen nach § 2 Abs. 2 in einer Fertigarzneimittelpackung
Stribild bestimmt die Höhe des Erstattungsbetrages. Der Erstattungsbetrag für Stribild beträgt somit je Fertigarzneimittel-Packung
mit der PZN 04704011 EUR 919,95 und je Fertigarzneimittel-Packung mit der PZN 04704028 EUR 2.759,85. Er fällt ab dem 15.06.2014
an. Für Neueinführungen wird zusätzlich auf die Regelungen des § 6 Abs. 1 und 2 verwiesen.
III. § 4 der Vereinbarung wird wie folgt gefasst:
Durch die in §
3 vereinbarten Erstattungsbeträge werden die gesetzlichen Abschläge nach §
130a Abs.
1 und
1a SGB V sowie die dementsprechenden Abschläge gemäß §
1 AMRabattG ab dem 15.06.2014 nicht abgelöst.
IV. § 7 Abs. 1 wird wie folgt festgesetzt:
G meldet den vereinbarten Erstattungsbetrag sowie die Nicht-Ablösung der Herstellerabschläge nach §
130a Abs.
1 und
1a SGB V zur Erfüllung ihrer Pflichten aus §
131 Abs.
4 SGB V an die I GmbH. G stellt sicher, dass der Erstattungsbetrag mit der im Redaktionskalender der I GmbH für die nächstmögliche
Veröffentlichung nach Abschluss de Vereinbarung vorgesehenen Termin in die I-Datenbank übernommen wird, sofern bis zum maßgeblichen
Redaktionstermin ein Erstattungsbetrag vereinbart oder durch die Schiedsstelle festgesetzt worden ist. Ansonsten ist der nächstmögliche
Meldetermin nach Abschluss der Vereinbarung bzw. nach Festsetzung des Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle maßgebend.
G übermittelt dem GKV-Spitzenverband eine Kopie der entsprechenden Meldung spätestens am Tag des Redaktionsschlusses.
V. § 8 Abs. 4 der Vereinbarung (bzw. § 8 Abs. 5 in der Textfassung des GKV-Spitzenverbandes) wird wie folgt gefasst:
Soweit gesetzliche Krankenkassen für die Abgabe von Stribild in Apotheken zwischen dem 15.06.2014 und der erstmaligen Veröffentlichung
des Erstattungsbetrages und des Rabattes in der Datenbank der I-GmbH (§
7 Abs.
1) Abschläge nach §
130a Abs.
1 und
1a SGB V erhalten haben, werden diese bei der Nacherstattung (§
8 Abs. 1 und Abs. 2) insoweit mindernd berücksichtigt, wie sich die Herstellerabschläge ohne Umsatzsteuer durch die ab 15.06.2014
wirksam werdende Absenkung der Bemessungsgrundlage (Ersetzung des ApU durch den Erstattungsbetrag nach § 78 Abs. 3a AMG) ermäßigt haben.
VI. § 10 Abs. 1 wird wie folgt festgesetzt:
Die Vereinbarung kann frühestens zum 15.06.2015 mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Danach kann die Vereinbarung
jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Bei Veröffentlichung eines neuen Beschlusses zur Nutzenbewertung
nach §
35a SGB V (auch im Falle einer Nutzenbewertung eines neuen Anwendungsgebietes nach §
2 Abs. 2 und 3 Nr.
2 AM-Nutzen-V) oder zur Kosten-Nutzen-Bewertung nach §
35b Abs.
3 SGB V sowie bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Bildung einer Festbetragsgruppe nach §
35 Abs.
1 SGB V ist die Kündigung bereits vor dem 15.06.2015 und ohne Einhaltung einer Frist möglich.
Am 10. Oktober 2014 hat die Antragstellerin Anfechtungsklage beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen
L 1 KR 376/14 KL mit dem Antrag erhoben, den Schiedsspruch aufzuheben. Sie macht zunächst geltend, dass Ziffer 1 des Schiedsspruches die
Dispositionsmaxime verletze, weil insoweit schon Konsens zwischen den Beteiligten bestand und entsprechend kein Raum für ein
Schiedsverfahren war.
Die Antragsgegnerin habe weiter den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, weil sie das nach ihrer Auffassung für die
Preisbildung maßgebliche untere Preisdrittel einer Vergleichstherapie unter Zugrundelegung von Risikostrukturausgleichsdaten
ermittelt hatte, welche der GKV-Spitzenverband ausgewertet und ihr zur Verfügung gestellt hatte. Weder die Daten noch die
Auswertungen des GKV-Spitzenverbandes seien aber förmlich in das Schiedsverfahren eingeführt worden. Sie seien auch nicht
den von ihr - der Antragstellerin - benannten Mitgliedern des Schiedsausschusses zugänglich gemacht worden. Zu keiner Zeit
habe sie - die Antragstellerin - Gelegenheit gehabt, zu den Daten und Auswertungen Stellung zu nehmen. Das widerspreche der
gesetzlichen Vorgabe in §
130b Abs.
9 Satz 4
SGB V. Die Daten hätten auch erhebliche Auswirkungen auf das von der Antragsgegnerin gefundene Ergebnis gehabt. Viel spreche dafür,
dass sich die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Rechenwerte nur ergeben würden, wenn man die Versorgungsrealitäten
ausblende. Ihr - der Antragstellerin - sei durch die Vorgehensweise der Antragsgegnerin die Möglichkeit genommen worden zu
problematisieren, inwieweit nur Preis- und Kostensimulationen statt tatsächlicher Gegebenheiten als Grundlage des Erstattungsbetrags
herangezogen worden seien.
Der Beschluss der Antragsgegnerin leide auch an einem erheblichen Begründungsfehler. Die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung
zur Höhe des Erstattungsbetrags nicht nachvollziehbar hergeleitet. Die der Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen seien
nicht mitgeteilt worden. Auch sei nicht nachvollziehbar geworden, warum die Antragsgegnerin auf ein unteres Preisdrittel abgestellt
habe, obwohl nach der Konzeption des §
130b SGB V auf die realen Versorgungsverhältnisse abzustellen sei.
Nach dem Gesetz und der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin solle die Unabhängigkeit der unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle
sichergestellt sein. Trotzdem hätten sich die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle unter Umgehung der Antragstellerin
an den GKV-Spitzenverband gewandt und sich von diesem die Risikostrukturausgleichsdaten zur Verfügung stellen lassen. Das
begründe die Besorgnis der Befangenheit und den Verdacht eines kollusiven Zusammenwirkens. Durch die gegenwärtige Organisationsform
der Antragsgegnerin sei ihre Unabhängigkeit vom GKV-Spitzenverband nicht sichergestellt.
Die Festsetzung des Erstattungsbetrags, gegen die die Antragstellerin sich derzeit nur wende, verstoße auch materiell gegen
§
130b SGB V. Denn die Preisobergrenze für Stribild müsse die Bewertung des Arzneimittels für zwei unterschiedliche Patientengruppen widerspiegeln,
nämlich für die therapienaiven und die therapieerfahrenen Patienten. Der Erstattungsbetrag sei nach Zusammenführung der Vergleichskosten
für beide Patientengruppen festzusetzen. Bei den therapienaiven Patienten habe die Antragsgegnerin zu Unrecht ausschließlich
auf eine vergleichbare Therapie abgestellt, die in der Versorgungsrealität lediglich einen Anteil von 20 Prozent habe. Bei
den therapieerfahrenen Patienten habe die Antragsgegnerin zu Unrecht nicht die durchschnittlichen Kosten einer Vergleichstherapie
zugrunde gelegt, sondern auf das untere Preisdrittel abgestellt.
Dagegen hat die Antragsgegnerin im Klageverfahren vorgebracht, dass es nicht darauf ankomme, ob die Risikostrukturausgleichsdaten
in das Schiedsverfahren eingeführt worden seien. Sie sei bei der Preisbildung weder der von der Antragstellerin noch der vom
GKV-Spitzenverband vorgetragenen Berechnungsweise gefolgt, sondern habe eigene Vorstellungen entwickelt und dabei auf die
Daten aus dem Risikostrukturausgleich zurückgegriffen. In §
130b Abs.
9 Satz 4
SGB V komme die Wertschätzung des Gesetzgebers für aus dem Risikostrukturausgleich stammende Daten zum Ausdruck. Das Gesetz verbiete
nicht, diese Daten ohne die dazu im Gesetz vorgesehene, aber bisher noch nicht abgeschlossene Rahmenvereinbarung zu benutzen.
Auch die Antragstellerin hätte die Möglichkeit gehabt, vom GKV-Spitzenverband die Einsicht in die Daten zu verlangen. Die
Unterstellung, dass der GKV-Spitzenverband ihr - der Antragsgegnerin - bei der Entscheidung die Feder geführt habe, werde
zurückgewiesen. Sie habe in korrekter Ausübung ihres Entscheidungsermessens den Erstattungsbetrag im Rahmen der ermittelten
Preisobergrenzen materiell rechtmäßig ermittelt und festgesetzt.
Mit dem am 19. Dezember 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz
begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Die Verletzung ihrer Rechte sei erheblich
und evident. Die Entscheidung der Schiedsstelle leide an schweren formellen und materiell rechtlichen Fehlern. Es verstoße
gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs, eine Entscheidung auf die Auswertung von Daten aus dem Risikostrukturausgleich
zu stützen, ohne diese Daten und Auswertungen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen. Auch habe die Antragsgegnerin
gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, weil sie wesentliche Abwägungsgesichtspunkte nicht verdeutlicht habe. Die Risikostrukturausgleichsdaten
und die Auswertungen aus diesen Daten seien zu keiner Zeit mitgeteilt worden seien. Die Schiedsstelle sei zudem nicht unabhängig
gewesen, es sei vielmehr von einem Verstoß gegen die §§ 16, 17 SGB X auszugehen. Der GKV-Spitzenverband habe die Risikostrukturausgleichsdaten der Antragsgegnerin unter Umgehung der Antragstellerin
und den von ihr benannten Mitgliedern der Schiedsstelle zur Verfügung gestellt. Das begründe den Verdacht des kollusiven Zusammenwirkens.
Der festgesetzte Erstattungsbetrag verstoße auch gegen die materiell-rechtlichen Kriterien des §
130b SGB V. Die Verfahrensfehler begründeten zugleich Beurteilungsfehler, die zur materiellen Rechtswidrigkeit der Entscheidung führten.
Die Verfahrensfehler seien auch nicht heilbar und derart schwerwiegend, dass die angegriffene Entscheidung keinesfalls weiter
angewendet werden dürfe. Das finanzielle Interesse der gesetzlichen Krankenversicherung an geringeren Arzneimittelpreisen
müsse dahinter zurücktreten.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 10. Oktober 2014 gegen den Schiedsspruch der Beklagten vom 8. September 2014 zur
Festsetzung des Vertragsinhaltes für das Arzneimittel Stribild anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die von der Antragstellerin behaupteten Rechtsverletzungen seien nicht so evident, dass die Voraussetzungen für einen einstweiligen
Rechtsschutz gegeben wären. Sie habe nicht gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, da die Daten aus
dem Risikostrukturausgleich allen Beteiligten zur Verfügung standen. Der Umstand, dass diese Daten vom GKV-Spitzenverband
verarbeitet und genutzt werden, berechtige nicht, auf die fehlende Unabhängigkeit der Schiedsstelle zu schließen. Die gegen
die Ausübung des Entscheidungsermessens erhobenen Einwände seien unbegründet.
Der Beigeladene beantragt,
den Antrag zurückzuweisen und über den Antrag nicht ohne vorherige mündliche Verhandlung zu entscheiden.
Eine Eilbedürftigkeit des Verfahrens sei schon dadurch widerlegt, dass sich die Antragstellerin lange Zeit mit ihrem Antrag
gelassen habe. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers müsse die sofortige Vollziehbarkeit grundsätzlich Vorrang haben. Das
Hauptsacheverfahren habe auch keine Erfolgsaussicht. Die Ausführungen zur angeblich fehlenden Unabhängigkeit der Antragsgegnerin
seien nicht nachvollziehbar. Der Rückgriff auf die Daten nach §
217f Abs.
7 SGB V sei bereits im Gesetz angelegt, wie sich aus §
130d Abs.
9 Satz 4
SGB V ergebe. Ein verständiger Beteiligter würde regelmäßig von ihrer Nutzung ausgehen. Aus vergleichbaren Verfahren ergebe sich,
dass die Antragstellerin keinen Anstoß an der Verwendung und Auswertung der Daten nehme und das ihr auch bekannt sei, dass
ihr die Daten auf Nachfrage zur Verfügung gestellt würden. Sie - die Beigeladene - habe die Daten lediglich deshalb nicht
von sich aus in die Verhandlungen eingebracht, weil es nach ihrer Auffassung auf diese nicht ankam. Eine Nachfrage wäre Sache
der Vertreter der Antragsgegnerin in der Schiedsstelle gewesen. Wegen der vorher eingenommenen passiven Haltung erscheine
die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs nunmehr rechtsmissbräuchlich. Die Meinungsverschiedenheit zwischen der Antragstellerin
und Antragsgegnerin reduziere sich im Kern auf die Frage, ob die mengengewichtete Drittelung zwischen dem preisgünstigen und
dem mittelpreisigen Drittel über die Obergrenze der Jahrestherapiekosten bestimmen dürfe. Für die Rechtswidrigkeit der Entscheidung
der Antragsgegnerin gebe es keine Anhaltspunkte. Sie habe auch die Dispositionsmaxime nicht verletzt, weil der konsentierte
Teil des Vertrages noch nicht unterzeichnet worden sei. Auch die Interessenabwägung müsse zugunsten der Antragsgegnerin ausgehen,
weil die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin nicht bedroht sei und sie durch eine nachträgliche Erstattung keine
Nachteile erleide.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Gerichtsakte aus dem Verfahren
L 1 KR 376/14 KL Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen. Nach §
86b Abs.
4 SGG war über den gestellten Antrag durch Beschluss zu entscheiden, dem eine mündliche Verhandlung nur vorhergehen muss, wenn
das Gericht dies für erforderlich hält (Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Aufl., §
142 Rn 2). Das war vorliegend indessen nicht der Fall. Auch der Beigeladene hat nicht näher erläutert, aus welchen Gründen er
eine mündliche Verhandlung für zweckmäßig hält.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist Gericht der Hauptsache,
da es nach §
29 Abs.
4 Nr.
3 SGG ausschließlich zuständig für eine Klage gegen Entscheidungen der Schiedsstellen nach den §§
129 und
130b SGB V ist. Mit ihrer am 10. Oktober 2014 erhobenen Anfechtungsklage wendet sich die Antragstellerin gegen den von der Antragsgegnerin
als Schiedsstelle gemäß §
130b Abs.
5 SGB V erlassenen Schiedsspruch vom 8. September 2014. Klagen gegen die Entscheidungen der Schiedsstelle haben nach §
130b Abs.
4 Satz 5
SGB V keine aufschiebende Wirkung. Ein vorheriges Widerspruchsverfahren findet nach §
130b Abs.
4 Satz 6
SGB V nicht statt. Richtige Klageart ist eine Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1 Alternative 1
SGG (Baierl in jurisPK
SGB V, 2. Aufl., §
130b Rn 135). In der Festsetzung einen Erstattungsbetrags liegt ein Verwaltungsakt nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - (Luthe in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
130b Rn 73; Baierl in jurisPK
SGB V, 2. Aufl., § 130b Rn 134).Die Antragsgegnerin ist Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB X (Luthe in Hauch/Noftz,
SGB V, K §
130b, Rn. 74). Denn ihre Zuständigkeitsbereiche gehören dem Recht der Krankenversicherung und damit dem öffentlichen Recht an,
ihre personelle Zusammensetzung wird vom Gesetzgeber in §
130b Abs.
5 SGB V vorgeschrieben, sie ist auf dauerhaften Bestand angelegt und ihre Arbeitsweise wird gemäß §
130b Abs.
6 SGB V durch eine öffentlich-rechtliche Verfahrensordnung geregelt (vgl. BSG Urt. v. 25. November 2010 - B 1 KR 1/10 R und v. 13. November 2012 - B 1 KR 27/11 R).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist begründet. Nach welchen Maßstäben über die Aussetzung
einer sofortigen Vollziehung zu entscheiden ist, gibt der Gesetzgeber in §
86b Abs.
1 Satz Nr.
1 SGG nicht ausdrücklich vor. Hat der Gesetzgeber aber - wie es §
86b Abs.
1 Satz Nr.
1 SGG voraussetzt - an anderer Stelle die sofortige Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung angeordnet, nimmt er damit grundsätzlich
in Kauf, dass eine angefochtene Entscheidung wirksam bleibt, obwohl über ihre Rechtmäßigkeit noch nicht abschließend entschieden
worden ist. Von diesem Grundsatz ermöglicht §
86b Abs.
1 Nr.
1 SGG aber Ausnahmen: Zumindest in den Fällen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit ist die Vollziehbarkeit auszusetzen, weil
dann kein öffentliches Interesse an einer Vollziehung erkennbar ist. Unterbleiben muss die Aussetzung dagegen, wenn der eingelegte
Rechtsbehelf offensichtlich aussichtslos ist. Hier gibt es keine Veranlassung, von dem vom Gesetzgeber für richtig gehaltenen
Grundsatz abzuweichen. In den übrigen Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht klar erkennbar
ist, kommt es auf eine Interessenabwägung an (BT-Drucks 11/3480, S. 54). Je geringer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs
sind, desto mehr muss für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, damit trotz bloßer Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen
Maßnahme entgegen der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers die aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann (vgl.
zum Ganzen Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Aufl., §
86b Rn 12f mit weit. Nachw.). Bei Beachtung dieser Maßstäbe muss der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hier Erfolg
haben. Nach Auffassung des Senats ist der mit der Anfechtungsklage angegriffene Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 8. September
2014 erkennbar verfahrensfehlerhaft ergangen. Deswegen kommt es auf eine weitere Folgenabwägung nicht mehr an.
Zwar ist die gerichtliche Überprüfung einer nach §
130b Abs.
4 SGB V ergangenen Schiedsentscheidung nur eingeschränkt möglich. Der Antragsgegnerin ist für ihren Schiedsspruch eine Entscheidungsprärogative
einzuräumen, so dass sich die gerichtliche Kontrolle darauf reduziert, ob die Interessen der am Schiedsverfahren Beteiligten
sowie alle für die Abwägung maßgeblichen Umstände ermittelt worden sind, ob die Entscheidung in einem fairen und willkürfreien
Verfahren getroffen worden ist und ob die materiellen gesetzlichen Vorgaben bei der Entscheidungsfindung beachtet worden sind
(Luthe in Hauck/Noftz,
SGB V K §
130b Rn 72; Baierl in jurisPK
SGB V, 2. Aufl., §
130b Rn 134). Zu einem fairen und willkürfreien Verfahren gehört insbesondere die Einhaltung des Gebotes der Gewährung rechtlichen
Gehörs (Luthe in Hauck/Noftz.
SGB V, K §
130b Rn 76). Die Geltung dieses Gebotes auch für ein Verwaltungsverfahren im Allgemeinen folgt aus der in § 24 SGB X formulierten Verpflichtung zur Anhörung Beteiligter. Die Bedeutung dieses Grundsatzes auch für das Schiedsstellenverfahrens
ergibt sich dann daraus, dass es Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X ist (Luthe in Hauch/Noftz,
SGB V, K §
130b, Rn. 76).
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wie er etwa für das sozialgerichtliche Verfahren in §
128 Abs.
2 SGG normiert worden ist, beinhaltet, dass eine Entscheidung nur auf Tatsachen gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten
haben äußern können. Für einen Schiedsspruch bedeutet das, dass der von der Schiedsstelle für die Entscheidung als wesentlich
angesehene Tatsachenstoff zum Gegenstand des Schiedsverfahrens gemacht werden muss.
Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung über den Erstattungsbetrag unter Bezugnahme auf von dem GKV-Spitzenverband erhaltene
Verbrauchsdaten begründet, die diese nach den §
217f Abs:
7 SGB V iVm §
268 Abs.
3 Satz 14
SGB V erhoben habe (S. 19 des Schiedsspruchs). Diese Daten sind nicht Gegenstand der Verhandlung vor der Schiedsstelle gewesen.
Dem entsprechenden Vortrag der Antragstellerin ist von der Antragsgegnerin nicht widersprochen worden. Auch dem Ergebnisprotokoll
der Verhandlung vor der Schiedsstelle ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin auf diese aus dem Risikostrukturausgleich
stammenden Daten hingewiesen hätte. Damit hat sie ihrer Entscheidung Tatsachen zugrunde gelegt, ohne der Antragstellerin vorher
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Auch aus §
130b Abs.
9 Satz 4
SGB V ergibt sich ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Nach dieser Vorschrift ist in einer Rahmenvereinbarung
über das Verfahren nach §
130b Abs.
1 SGB V nämlich auch das Nähere zu Inhalt, Form, Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach §
217f Abs.
7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden
Kosten zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat dazu erklärt, dass die aus dem Risikostrukturausgleich herrührenden Daten aus dem
tatsächlichen Versorgungsgeschehen Grundlage für die Vereinbarung eines angemessenen Erstattungsbetrags sein könnten. Es sei
durch die Rahmenvereinbarung sicherzustellen, dass den Verhandlungspartnern dieselben Auswertungen zu Verfügung gestellt würden
(BT-Drucks- 17/8005 S. 120). Danach entspricht es zwar dem Willen des Gesetzgebers, über den Erstattungsbetrag auf der Grundlage
von Daten aus dem Risikostrukturausgleich zu entscheiden, aber nur, wenn die Daten und Auswertungen vorher allen Beteiligten
gleichermaßen zur Verfügung gestanden haben. Die Bezugnahme auf die Daten ohne vorherige Weitergabe an die Beteiligten entspricht
daher nicht der Vorstellung des Gesetzgebers von einem ordnungsgemäßen Ablauf der nach §
130b Abs.
1 SGB V zu führenden Verhandlungen. Die für die Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer
maßgebenden Verfahrensregeln gelten im Schiedsverfahren gleichermaßen, weil die Schiedsstelle bei ihrem Verfahren nicht den
allgemein für die Preisvereinbarung bestimmten gesetzlichen Rahmen verlassen darf (Luthe in Hauch/Noftz,
SGB V, K §
130b, Rn. 71).
Die Verfahrensweise der Antragsgegnerin würde nur dann keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs begründen,
wenn die betroffenen Daten und Auswertungen auch der Antragstellerin ohne Weiteres zugänglich gewesen wären und für die Antragstellerin
erkennbar die Möglichkeit bestand, dass die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung auf die Daten zurückgreifen würde. Jedenfalls
die letztere Voraussetzung ist aber nicht gegeben. Eine Rahmenvereinbarung über die Weitergabe von Risikostrukturausgleichsdaten,
die nach dem Gesetz gerade Voraussetzung für die Verwendung der Daten bei der Bestimmung des Erstattungsbetrages sein sollte,
fehlte nämlich noch. Deswegen musste die Antragstellerin nicht damit rechnen, dass die Antragsgegnerin gleichwohl ihre Schiedsentscheidung
auf solche Daten stützen würde, ohne vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Nach alledem war die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Die aufschiebende Wirkung ergreift alle Bestandteile des
angegriffen Schiedsspruches, da er keine Regelungen enthält, die ohne die Festsetzung des Erstattungsbetrages für Stribild
sinnvoll weiter angewendet werden könnten.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Absatz
1 Satz 1
SGG iVm §§53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz(GKG). Der Senat ist dabei von dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung des angegriffenen Erstattungsbetrages
ausgegangen, das diese in Höhe von 3.548.655,20 € beziffert hat. Der Einwand der Antragsgegnerin, es sei nicht auf den Umsatz
sondern auf den Gewinn abzustellen, erscheint dem Senat nicht erheblich, weil vorliegend die Differenz zwischen dem vom Hersteller
festgesetzten Abgabepreis und dem Erstattungsbetrag nach §
130b SGB V im Streit ist. Vorliegend ist aber lediglich die Hälfte dieses Betrages als Streitwert festzusetzen, weil nur eine vorläufige
Regelung erstritten werden sollte, deren eingeschränkte Bedeutung durch einen angemessenen Abschlag von dem in der Hauptsache
möglichen Streitwert ausgedrückt wird.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).