Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung beim Lektorieren und Korrekturlesen universitärer wissenschaftlicher
Arbeiten
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse (KSK) als Lektor und Publizist
für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 21. Oktober 2007.
Der Kläger ist Diplomchemiker und hat im Jahre zum Thema "R" promoviert.
Am 31. Januar 2006 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht für seine Tätigkeit
als Schriftsteller, Dichter, Lektor und Kritiker unter dem Künstlernamen Dr. J. Als Unterlagen für den Nachweis der selbstständigen
künstlerischen Tätigkeit legte er eine Kleinanzeige aus dem "Tip", in der er für seine Tätigkeit als freier Lektor warb, einen
Flyer mit dem Text "Hilfe! Der Abgabetermin droht! ... Alles außer Ghostwriting", einen Lektoratsvertrag vom 26. Januar 2006,
der den Auftraggeber nicht erkennen ließ und durch den er eine Betriebseinnahme in Höhe von 221,70 Euro erzielte, zwei ablehnende
Schreiben der Berliner Zeitung und des Deutschlandfunks bzgl. einer Buchrezension sowie einen Nachweis über ein Referat im
Rahmen eines Seminars am L-Institut ("Dr. U, "; Honorar: 100 Euro) vor.
Mit Bescheid vom 25. April 2006 lehnte die Beklagte die Feststellung von Versicherungspflicht in der KSK mit der Begründung
ab, dass die vom Kläger eingereichten Nachweise keine selbstständige publizistische Tätigkeit begründeten und zudem die erzielte
Betriebseinnahme in Höhe von 221,70 Euro nicht geeignet sei, eine erwerbsmäßige Tätigkeitsausübung zu belegen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter Vorlage weiterer Tätigkeitsnachweise (Lektorat eine Urlaubstagebuchs, sieben
Stunden Arbeit, Rechnung in Höhe von 243,60 Euro; Korrekturlesen eines Aufsatzes, Rechnung in Höhe von 51,04 Euro; Korrekturlesen
einer Examensarbeit, Rechnung in Höhe von 107,88 Euro) Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass der Bescheid bereits
aus formellen Gründen mangels Unterschrift rechtswidrig sei. Schon die drei bisher eingereichten Nachweise begründeten eine
erwerbsmäßige Tätigkeit. Die Absicht einer ernsthaften Beteiligung am Wirtschaftsleben ergebe sich zudem daraus, dass er auf
die Kleinunternehmer-Regelung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet habe und stets die gesetzliche Mehrwertsteuer ausweise. Dem Vortrag im L-Institut sei eine publizistische Tätigkeit
vorangegangen. Im Übrigen sei zu beachten, dass er Berufsanfänger sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 8. August 2006 zurück. Aus den vom Kläger vorgelegten Vertragsvereinbarungen
mit Kunden hätten sich überwiegend Lektoratsvereinbarungen für Privatpersonen ergeben. Die Tätigkeit eines Lektors sei jedoch
nur bei einer Veröffentlichung der lektorierten Werke dem Bereich der Publizistik im Sinne des KSVG zuzuordnen. Auch die Erstellung von Promotions- oder Examensarbeiten mit dem Ziel der späteren Veröffentlichung genüge nicht
den Anforderungen des KSVG, da bei der Erstellung die Erlangung einer Qualifikation im Vordergrund stehe.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage bezieht der Kläger sich auf weitere Anschreiben an Verlage und Kabaretts für
Buchbesprechungen, Artikelserien und Sketche; die Ablehnungen seien auf seinen Berufsanfänger-Status zurückzuführen und sprächen
nicht gegen eine Tätigkeit i.S.d. KSVG. Dass jemand sein Reisetagebuch lektorieren lasse, sei ein deutliches Indiz für eine geplante Veröffentlichung. Auch Entwürfe
stünden einer Veröffentlichung i.S.d. KSVG gleich. Das Lektorat von Promotions- und Examensarbeiten stelle eine publizistische Tätigkeit dar. Eine Promotion diene nicht
der Erlangung einer beruflichen Qualifikation sondern dem Nachweis der Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Leistung.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. August 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Es fehle an der Ausübung einer
publizistischen Tätigkeit i.S.d. KSVG sowie an der Erwerbsmäßigkeit der klägerischen Tätigkeit. Beim Fachvortrag am L-Institut handele es sich um eine Lehr- und
um keine publizistische Tätigkeit, da die Wissensvermittlung im Vordergrund gestanden habe. Auch die vom Kläger wiederholt
vorgenommene sprachliche Überarbeitung beziehungsweise die Layoutdarstellung für Dissertationen, Abschlussarbeiten und wissenschaftliche
Fachartikel seien mangels Öffentlichkeitsbezugs keine publizistischen Tätigkeiten. Deshalb falle auch die Überarbeitung von
Tagebüchern nicht unter die Versicherungspflicht nach dem KSVG. Dies gelte auch für die Zeitungsverlagen beziehungsweise Kabaretts angebotenen und nicht zur Veröffentlichung angenommenen
Buchbesprechungen bzw. Sketchangebote.
Gegen den ihm am 31. August 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24. September 2007 Berufung eingelegt. Zur
Begründung führt er an, dass das Sozialgericht seinen Vortrag am L-Institut irrig als Lehrtätigkeit angesehen habe. Die Möglichkeit
des Dialogs und eine pädagogische Zielrichtung hätten nicht bestanden, da es nicht üblich sei, derartige Vorträge durch Zwischenfragen
zu unterbrechen. Erst im Anschluss an den Vortrag habe es Fragen gegeben, so dass er sich in diesem Punkt nicht von einer
Dichterlesung unterschieden habe. Die vom Gericht vorgenommene Abgrenzung zwischen Veröffentlichung mit Bezug zur Öffentlichkeit
und einer Publikation in Fachverlagen lasse sich angesichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht weiter vertreten,
da danach der Öffentlichkeitsbezug auch bei Veröffentlichungen in hoch spezialisierten Fachzeitschriften vorliegen könne.
Zum Beleg seiner Lektoratstätigkeit hat der Kläger unter anderem einen "Lektoratsvertrag (Nr. 26)" vom 9. März 2007 vorgelegt,
den er mit seinem Vater abgeschlossen habe; vorgelegt wird gleichzeitig eine Rechnung über 1.785 Euro, die am 30. März 2007
beglichen worden sei. Außerdem hat der Kläger diverse Ablichtungen von ihm lektorierter wissenschaftlicher Aufsätze zu den
Akten gereicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. August 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2006 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger vom 1. Januar 2006
bis zum 21. Oktober 2007 der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führt ergänzend an, dass nicht irgendeine gestalterische Einwirkung auf ein zu publizierendes Werk ausreiche,
sondern ein Mindestmaß an schöpferischer Eigenleistung erforderlich sei, das beim Korrekturlesen bzw. der Formatierung eines
Schriftwerks nicht erfüllt sei.
Am 4. März 2008 hat der Berichterstatter des seinerzeit zuständigen 24. Senats mit den Beteiligten einen Erörterungstermin
durchgeführt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung
war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte die Feststellung einer Versicherungspflicht
in der KSK für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 21. Oktober 2007 abgelehnt.
Nach § 1 KSVG werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung
und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie
1. die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und
2. im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es
sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.
Leitbild publizistischer Tätigkeit ist nach § 2 Satz 2 KSVG das Berufsbild des Schriftstellers oder Journalisten, bei dessen Erfüllung das Gesetz nicht weiter nach der Qualität der
eigenschöpferischen Leistung unterscheidet. Das Merkmal der "erwerbsmäßigen" Ausübung der Tätigkeit (§ 1 Nr. 1 KSVG) soll zum Ausdruck bringen, dass die künstlerische oder publizistische Tätigkeit zum Zwecke des Broterwerbs und nicht nur
aus Liebhaberei ausgeübt werden muss. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Begriff des Publizisten
weit auszulegen. Er beschränkt sich nicht auf die "eigenschöpferische Wortgestaltung" sowie auf die inhaltliche Gestaltung
und Aufmachung von Büchern und sog. Massenkommunikationsmitteln (z.B. Zeitschriften, Zeitungen, Broschüren, Rundfunk, Fernsehen,
Internet). Vielmehr ist unter einem Publizisten jeder im Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch
Mitwirkende zu verstehen, wobei der "Publizistik" eigen ist, dass die erstellten Schriftstücke für die "Öffentlichkeit" bestimmt
sind. Die schöpferische Tätigkeit muss im Wesentlichen in Eigenregie nach außen dringen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil
vom 30. Januar 2001, B 3 KR 7/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 bis 15). Hierunter ist u.a. auch der wissenschaftliche Autor zu verstehen. Allerdings
muss seiner Veröffentlichung ein Bezug zur Öffentlichkeit inne wohnen. Diese Voraussetzung ist erforderlich, weil ansonsten
jede Publikation einer Doktorarbeit den Verfasser in den Kreis wissenschaftlicher Autoren einbeziehen und der Versicherungspflicht
nach dem KSVG unterziehen würde. Bei einer aus mehreren Arbeitsgebieten zusammengesetzten Tätigkeit kann von einer publizistischen Tätigkeit
im Sinne des KSVG nur dann ausgegangen werden, wenn die publizistischen Elemente das Gesamtbild der Beschäftigung prägen, die Publizistik also
den Schwerpunkt der Berufstätigkeit bildet (vgl. Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 19; Bundessozialgericht, Urteil vom 23. März 2006, 3 KR 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12).
Hieran gemessen unterliegt der Kläger zur Überzeugung des Senats nicht der Versicherungspflicht in der KSK. Er kann nicht
als Publizist im Rechtssinne angesehen werden, weil seiner Tätigkeit im streitigen Zeitraum der maßgebliche Öffentlichkeitsbezug
fehlt und es auch an einem dem Kläger zurechenbaren eigenschöpferischen Werk mangelt. Der Inhalt der Akten und das Vorbringen
des Klägers lassen keine andere Schlussfolgerung zu.
Werbung und Tätigkeitsnachweise belegen das Bemühen des Klägers um qualifizierte Hilfstätigkeiten bei der Erstellung - unter
dem Blickwinkel des KSVG irrelevanter - fachwissenschaftlicher Arbeiten. Der Kläger unterzog die ihm vorgelegten Arbeiten einer Kontrolle auf Orthographie,
Grammatik, Stil, Gliederung und innere Logik. Auf die im Rahmen der Verträge Nr. 16, 19, 26 und 35 getätigten Recherchen hin
entstanden zwei Artikel, die in der Zeitschrift "Heimatschutz" veröffentlicht wurden. Recherchearbeit allein erfüllt jedoch
nicht den Tatbestand der Versicherungspflicht, denn die Publizierung ist schöpferisch dem Autor und nicht dem Lektor zuzurechnen;
in Bezug auf alle vom Kläger vorgelegten Lektoratsunterlagen fehlt das entscheidende eigenschöpferische Element. So wurde
etwa auch die dem Lektoratsvertrag Nr. 5 zugrunde liegende Dissertation veröffentlicht, jedoch half der Kläger hier lediglich
gegen ein Honorar von 10 Euro bei der Formatierung. Vergleichbar mit der Übersetzung von Bedienungsanleitungen (vgl. Bundessozialgericht,
Urteil vom 7. Dezember 2006, B 3 KR 2/06 R) hält sich der Formatierer an die engen Vorgaben des Autors und schafft keinen schöpferischen Beitrag zur Veröffentlichung.
Aufgrund des Lektoratsvertrags Nr. 29 nahm der Kläger zwar eine umfassende Lektoratsarbeit an einer Dissertation vor, jedoch
kann eine publizistische Tätigkeit nur dann vorliegen, wenn diese Voraussetzung auch für das Endprodukt erfüllt ist. Der Auftraggeber
des Lektoratsvertrags Nr. 29 hat jedoch seine Arbeit zur Erlangung des Doktortitels veröffentlicht. Es handelt sich bei ihm
um eine einmalige Veröffentlichung, die keine publizistische Tätigkeit darstellt, da der Verfasser der Doktorarbeit mit seinem
Werk zwar seine Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten beweist, aber nicht dadurch zum wissenschaftlichen Autor wird.
In Bezug auf die vom Kläger angebotenen Hilfstätigkeiten bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten bleibt noch zu betonen,
dass sie schon deshalb sozialversicherungsrechtlich irrelevant sind, weil die jeweiligen Arbeiten - seien es Seminararbeiten,
seien es Dissertationen - aus prüfungsrechtlichen Gründen inhaltlich und schöpferisch ausschließlich dem jeweiligen Autor
zurechenbar sein dürfen. Selbst wenn der Kläger meint, etwa über Stilkritik einen eigenen schöpferischen Beitrag zu leisten,
ändert dies nichts daran, dass es sich bei dem "Produkt" ausschließlich um Werke der Verfasser handelt.
Auch der Seminarvortrag ist rechtlich unerheblich. Er stellt eine einmalige Tätigkeit dar, die keine publizistische Natur
hat. Das dem Vortrag zugrunde liegende Thema baut auf der Dissertation des Klägers auf. Auch wenn er ausgeführt hat, dass
bei dem Vortrag selbst keine Fragen gestellt worden seien, sondern vergleichbar mit einer Dichterlesung erst im Anschluss
ein Dialog stattgefunden habe, stand der lehrende Aspekt im Vordergrund. Publizistische Tätigkeit ist zwar nicht auf Wort-
und Bildbeiträge in Massenkommunikationsmitteln beschränkt. Es muss sich jedoch um an die Öffentlichkeit gerichtete Aussagen
handeln, bei denen die Möglichkeit eines Dialogs und eine pädagogische Zielrichtung mit einer entsprechenden Erfolgskontrolle,
wie es für eine lehrende Tätigkeit typisch ist, fehlen (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 1998, B 3 KR 10/97 R). Der Vortrag des Klägers im L-Institut war zwar prinzipiell für jedermann zugänglich. Interessenten konnten an ihm jedoch
nur teilnehmen, wenn sie die Ankündigung wahrgenommen hatten. Charakteristisch für die Art der vom Kläger abgehaltenen Veranstaltung
ist die Möglichkeit von Fragen und Antworten zwischen ihm und seinen Zuhörern. Dies entspricht insoweit Lehrveranstaltungen,
wie sie im Rahmen von Volkshochschulprogrammen durchgeführt werden, bei denen es primär um Wissensvermittlung mit einer gewissen
Erfolgskontrolle geht, weil der Vortragende sich durch Rückfrage oder auf sonstige Weise versichert, ob er von seinen Zuhörern
verstanden worden ist.
Die nicht angenommenen Rezensionen und Sketche wurden nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und stellen daher keine
publizistische Tätigkeit dar.
Die Rezension zu V, die ohne Honorar veröffentlicht wurde, mag die Voraussetzungen einer publizistischen Tätigkeit zwar erfüllen,
ist jedoch mangels erwerbsmäßigen Charakters für das KSVG unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen.