Anspruch auf Teilarbeitslosengeld bei Verlust einer von zwei Teilzeitbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Teilarbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juli 2009
bis 14. August 2009.
Die 1978 geborene Klägerin ist seit dem 15. Juli 1998 als Fremdsprachensekretärin an der Technischen Universität D... unbefristet
zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde zuletzt geregelt durch den Arbeitsvertrag
vom 11. November 2005 zwischen der Klägerin und dem Freistaat Sachsen, wonach die Klägerin ab dem 1. Januar 2006 unbefristet
als Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten
an der Technischen Universität D... weiterbeschäftigt wurde.
Des Weiteren schlossen die Klägerin und der Freistaat Sachsen am 6. April 2006 im Rahmen eines Drittmittelprojektes einen
"Arbeitsvertrag für befristet Angestellte (über Drittmittel)".
Nach § 1 Satz 1 dieses Vertrages war die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis einschließlich 30. April 2009 als Angestellte
mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten auf der
Grundlage des § 14 Abs. 1 Ziffer 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 beschäftigt. Als Befristungsgrund wurde in § 2 des Vertrages angegeben, dass die Klägerin "aus Mitteln Dritter aus dem Projekt 'Wissensbasierte Suchtechnologien für die
Life Sciences' (Projektbeschäftigung) vergütet" werde; die Drittmittelnummer war angegeben. Unter § 6 Satz 1 dieses Vertrages
war geregelt, dass der Arbeitgeber berechtigt sei, den befristeten Arbeitsvertrag zu kündigen, wenn feststehe, dass die Drittmittel
wegfallen würden.
Im Anschluss daran schlossen am 10. Juni 2009 die Technische Universität D... als Auftraggeber und die Klägerin als Auftragnehmerin
einen Honorarvertrag. Das Honorarverhältnis begann am 1. Mai 2009 und endete mit Ablauf des 30. Juni 2009 (vgl. § 3 Abs. 1
Satz 1 des Honorarvertrages). Die Klägerin übernahm die finanztechnische Verwaltung des Projektes Sealife inklusive Kostenkalkulation
und Abrechnung der Drittmittel aller Partner überwiegend in englischer Sprache (vgl. § 1 Abs. 1 des Honorarvertrages). Dem
vereinbarten Honorar lag ein Stundensatz von 16,00 EUR und eine Höchststundenzahl von 165 Stunden zugrunde (vgl. § 4 Abs.
1 Satz 2 des Honorarvertrages). Des Weiteren war in § 3 Abs. 1 Satz 2 des Honorarvertrages geregelt, dass die Lage der Arbeitszeit
zwischen den Vertragsparteien vereinbart werde. Als Ort der Tätigkeit wurde der Sitz des Auftraggebers vereinbart (vgl. §
3 Abs. 2 Satz 1 des Honorarvertrages).
Sowohl im Rahmen des unbefristeten als auch des befristeten, drittmittelfinanzierten Arbeitsvertrages und des sich anschließenden
Honorarvertrages oblag der Klägerin die Leitung des Sekretariats der Professur sowie die finanztechnische Verwaltung der Haushaltsmittel
und Drittmittel. Im streitigen Zeitraum war die Klägerin ausschließlich in der Professur "Bioinformatik" der TU D... beschäftigt.
Allerdings deckten sich die Anforderungen nicht gänzlich.
Am 30. März 2009 und am 6. Mai 2009 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zum 1. Juli 2009 teilarbeitslos und beantragte
die Gewährung von Teilarbeitslosengeld.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2009 ab. Die Klägerin arbeite 15 Stunden und mehr pro Woche beim gleichen
Arbeitgeber. Diese zwei Beschäftigungen würden grundsätzlich als eine Beschäftigung geführt. Somit bestehe kein Anspruch auf
Teilarbeitslosengeld.
In dem hiergegen am 20. August 2009 eingelegten Widerspruch führte die Klägerin unter anderem aus, dass die beiden Beschäftigungsverhältnisse
immer als einzelne Beschäftigungsverhältnisse gewertet worden seien, zumal sie völlig unterschiedliche Aufgaben umfasst hätten.
Dies ergebe sich insbesondere aus der Aufgabenbeschreibung. Es lägen zwei unterschiedliche Arbeitsverträge mit unterschiedlichen
Geldgebern vor.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2009 zurück. Die Klägerin sei nicht teilarbeitslos.
Beide Beschäftigungen seien als einheitliches Beschäftigungsverhältnis zu werten, da die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber
erfolgt sei. Sie sei insbesondere nicht in unterschiedliche Dienststellen ihres Arbeitgebers eingegliedert.
In der am 11. Dezember 2009 erhobenen Klage hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(Urteil vom 21. Juni 2001, Az.: B 7 AL 54/00 R) zwei anspruchsbegründende Teilzeitbeschäftigungen nebeneinander bestehen könnten. Dabei käme es auf die Umstände des Einzelfalles
an, wobei auch die Frage der Finanzierung der beiden Teilzeitbeschäftigungen sowie der Aufgabenstellung aus beiden Arbeitsverträgen
eine Rolle spiele. Sie, die Klägerin, habe zwei Arbeitsverträge geschlossen. Die Finanzierung der befristeten Stelle sei durch
Drittmittel für das EUProjekt Sealife erfolgt. Das unbefristete Beschäftigungsverhältnis werde durch Haushaltsmittel des Freistaates
finanziert. Nach dem Verbrauch der Drittmittel sei die befristete Stelle ganz weggefallen. Keinesfalls sei nur die Arbeitszeit
durch den Arbeitgeber reduziert worden.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 16. Juni 2011 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der streitgegenständlichen
Bescheide verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 14. August 2009 Teilarbeitslosengeld in gesetzlicher
Höhe zu gewähren. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis einschließlich 30. Juni 2009 in zwei voneinander unabhängige
Beschäftigungsverhältnisse gestanden. Dem stünde nicht entgegen, dass die Klägerin bis zum 30. April 2009 in beiden Beschäftigungsverhältnissen
den gleichen Arbeitgeber gehabt habe. Sie habe mit dem Freistaat Sachsen zwei Arbeitsverträge geschlossen, in denen für die
jeweils vereinbarte Tätigkeit die wöchentliche Arbeitszeit gesondert geregelt gewesen sei. Zudem sei die Klägerin verpflichtet
gewesen, die tägliche Stundenzahl, die sie im Rahmen des Sealife Projektes aufgewandt habe, in so genannten Timesheets täglich
zu dokumentieren. Zwar sei die Klägerin in der gleichen Dienststelle mit dem gleichen Dienstvorgesetzten eingesetzt gewesen.
Die Arbeitsverträge seien jedoch aus unterschiedlichen Quellen, nämlich einmal dem Freistaat Sachsen und einmal von der Europäischen
Union, finanziert worden.
Gegen das ihr am 29. Juni 2911 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Juli 2011 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass
sich die zwei nebeneinander bestehenden Beschäftigungsverhältnisse der Klägerin nicht nach räumlichen oder funktionalen Kriterien
abgrenzen ließen. So sei sie bei beiden Beschäftigungsverhältnissen in den Dienstbetrieb der Professur Bioinformatik eingegliedert
gewesen. Lediglich die unterschiedliche Finanzierung spräche nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für zwei Beschäftigungsverhältnisse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen hat sie im
Rahmen der mündlichen Verhandlung unter anderem vorgetragen, dass für zwei Beschäftigungsverhältnisse insbesondere die unterschiedliche
Finanzierung derselben spräche. Sowohl der befristete, drittmittelfinanzierte Arbeits- als auch der sich anschließende Honorarvertrag
enthielten ein Sonderkündigungsrecht für den Fall, dass Drittmittel verbraucht seien. Nach dem Ende des EU-Projekts am 30.
April 2009 habe sie nahtlos für den endgültigen Abschluss und die Revision weitergearbeitet. Da dies für die Beendigung des
Projekts (noch) notwendig gewesen sei, habe der Honorarvertrag mit der Technischen Universität D... geschlossen werden müssen.
Auch dieser sei aus den Drittmitteln des EU-Projekts finanziert worden. In der Regel würden derartige Projekte finanzielle
Mittel im Umfang von 20 Prozent für "Overhead" vorsehen. Daraus würde in der Regel alles bezahlt, wofür es an anderer Stelle
in der Projektfinanzierung keine Grundlage gäbe, so zum Beispiel ihre Verwaltungstätigkeit.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben, da der Ablehnungsbescheid
vom 22. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2009 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten
verletzt (vgl. §
54 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
Die Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch aus Teilarbeitslosengeld finden sich in §
150 des Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III) in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 83 Buchst. a des Gesetzes vom
23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]).
Gemäß §
150 Abs.
1 SGB III hatte Anspruch auf Teilarbeitslosengeld ein Arbeitnehmer, der
1. teilarbeitslos war,
2. sich teilarbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld erfüllt hatte.
Nach §
150 Abs.
2 SGB III galten die Vorschriften über das Arbeitslosengeld und für Empfänger dieser Leistung entsprechend, soweit sich aus den Besonderheiten
des Teilarbeitslosengeldes nichts anderes ergab, unter anderem mit folgenden Maßgaben:
1. Teilarbeitslos war, wer eine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren hatte, die er neben einer weiteren versicherungspflichtigen
Beschäftigung ausgeübt hatte, und eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchte.
2. Die Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld hatte erfüllt, wer in der Teilarbeitslosengeld-Rahmenfrist von zwei
Jahren neben der weiteren ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens zwölf Monate eine weitere versicherungspflichtige
Beschäftigung ausgeübt hatte. Für die Teilarbeitslosengeldrahmenfrist galten die Regelungen zum Arbeitslosengeld über die
Rahmenfrist entsprechend.
Die Klägerin war ab dem 1. Juli 2009 teilarbeitslos im Sinne von §
150 Abs.
2 Nr.
1 SGB III, da sie mit Ablauf des 30. Juni 2009 eine versicherungspflichtige Beschäftigung verlor und ihre Arbeitszeit nicht etwa nur
auf 20 Stunden reduziert wurde. Dabei ist entscheidend, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2009 zwei
voneinander unabhängige Beschäftigungsverhältnisse ausübte und eines davon verloren hat. Dem steht nicht entgegen, dass die
Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. April 2009 diese beiden Beschäftigungsverhältnisse bei einem Arbeitgeber, hier
dem Freistaat Sachsen, ausgeübt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht können durchaus mehrere Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber
bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 12/01 R - BSGE 90, 270 [271] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 7 = Juris-Dokument Rdnr. 15). Dies entspricht dem Schutzgedanken der Vorschrift, wonach
der Verlust einer von mehreren Teilzeitbeschäftigungen überhaupt den Regelungsmechanismen der Arbeitslosenversicherung unterliegen
soll. Auch ist aus dem Vorhandensein von zwei schriftlich fixierten Arbeitsverträgen nicht per se auf zwei Teilzeitvereinbarungen
im Sinne von §
150 SGB III zu schließen. Ob es sich um ein einheitliches oder mehrere Beschäftigungsverhältnisse handelt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung
aller Umstände konkret zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 12/01 R - BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 7 = Juris-Dokument Rdnr. 15).
Bei der Ermittlung, ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis oder mehrere Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, kommt
der formalen arbeitsvertraglichen Ausgestaltung lediglich eine Indizfunktion zu. Weder schließt das Vorhandensein nur eines
schriftlichen Arbeitsvertrags mit demselben Arbeitgeber aus, dass zwei Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, noch vermag die
formale arbeitsvertragliche Aufspaltung eines letztlich einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses zwei Teilzeitbeschäftigungen
im Sinne des §
150 SGB III zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob in der Sache mindestens zwei Teilzeitvereinbarungen vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 12/01 R - BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 8 = Juris-Dokument Rdnr. 16).
Teilzeitarbeitsvereinbarungen setzen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst abgrenzbare Absprachen der
Vertragsparteien über den Umfang (Stundenzahl) der jeweiligen Teilzeittätigkeit voraus (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 12/01 R - BSGE 90, 270 [272] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 17).
Diesen formalen Anforderungen entsprechen die Arbeitsverträge der Klägerin. Denn sie sehen für unterschiedliche Aufgabengebiete
oder Projekte jeweils 20 Wochenstunden an Arbeitszeit vor.
Maßgebender Anknüpfungspunkt für die vorzunehmende Differenzierung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes dann
aber, ob der Arbeitnehmer in mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat (vgl. BSG, aaO.,).
Kernbestand eines Beschäftigungsverhältnisses ist eine Beziehung, die die Leistung von Arbeit unter persönlicher Abhängigkeit
einer Person von einer anderen zum Inhalt hat.
Eine solche persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer in einen Betrieb
des Arbeitgebers eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
unterliegt (vgl. BSG, aaO.). Bei einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist gegebenenfalls statt auf den Betrieb auf die Dienststelle abzustellen.
Dienststellen sind - in Anlehnung an die personalvertretungsrechtliche Terminologie - die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen
und Betriebe (in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des
öffentlichen Rechts sowie in den Gerichten des Bundes) sowie die Gerichte selbst (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 12/01 R - BSGE 90, 270 [272 f.] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 17). Für die Streit entscheidende Frage des Vorhandenseins
von (zwei) abhängigen Beschäftigungsverhältnissen eigenen sich die Kriterien, welche die Rechtsprechung für die Frage der
Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung zu selbständigen Tätigkeiten entwickelt hat (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 - B 7 AL 12/01 R - BSGE 90, 270 [273] = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1 Rdnr. 10 = Juris-Dokument Rdnr. 18). Ist ein Arbeitnehmer in unterschiedliche Betriebe oder
Dienststellen eingegliedert, liegen im Falle einer abgrenzbaren Teilzeitvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
mehrere Beschäftigungsverhältnisse vor, auch wenn der Arbeitgeber identisch ist. Daneben ist allerdings die Annahme von Teilarbeitslosigkeit
auch denkbar, wenn der Arbeitnehmer in mehreren Betriebsabteilungen oder selbstständigen Teilen einer Dienststelle beschäftigt
war, also in einem Betriebsteil oder Dienststellenteil, der personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb oder von der Gesamtdienststelle
abgegrenzt sowie mit eigenen technischen Betriebsmitteln ausgestattet ist. Auch unter räumlichen oder qualitativen Gesichtspunkten
ist die Annahme einer eigenständigen Betriebsabteilung oder eines Teils einer Dienststelle denkbar. Dies kommt bei unterschiedlichen
Arbeitsvorgängen oder Aufgabenbereichen unter jeweils einer eigenständigen technischen Leitung in Betracht (vgl. BSG, aaO.).
Von Bedeutung sei danach weiterhin, ob der Inhaber der Direktionsbefugnis in beiden Beschäftigungsverhältnissen identisch
ist oder ob die Teilzeittätigkeiten aus unterschiedlichen Quellen finanziert werden (BSG, Urteil vom 21. Juni 2001 - B 7 AL 54/00 R - BSGE 88, 180 [187] = SozR 3-4300 § 150 Nr. 1 S. 9 = Juris-Dokument Rdnr. 23).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen stand die Klägerin in zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Zwar war die Klägerin in Erfüllung der verschiedenen Arbeitsverträge in der maßgebenden Zeit in einer "Dienststelle", nämlich
der Technischen Universität D... und dort durchgängig in der Fakultät für Informatik in der Professur für Bioinformatik bei
Prof. S..., beschäftigt.
Sie verrichtete sämtliche Tätigkeiten an demselben Arbeitsplatz mit denselben Arbeitsmitteln und unter dem einheitlichen Weisungsrecht
von Prof. S.... Bei der Erledigung ihrer Aufgaben aus den beiden Teilbereichen setzte die Klägerin zwar zeitliche Schwerpunkte;
eine klare zeitliche Trennung war nach ihren Angaben jedoch nicht möglich.
Die grundsätzlichen Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen für die beiden Beschäftigungen, die jeweils in die Vergütungsgruppe
VII des Bundes-Angestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) eingruppiert waren, waren im Wesentlichen vergleichbar. Es gab allerdings auch qualitative Unterschiede in Bezug auf die
an die Klägerin gestellten Anorderungen bei den ihr obliegenden Aufgaben, Haushaltsmittel finanztechnisch zu verwalten und
die jeweils anfallenden Abrechnungen zuzuordnen oder abzurechnen. So erledigte sie die Arbeiten auf der Haushaltsstelle in
erster Linie in deutscher Sprache und im Kontakt mit Stellen innerhalb der Hochschule. Demgegenüber waren die Arbeiten auf
der drittmittelfinanzierten Stelle überwiegend in englischer Sprache zu erledigen, weil viele Kontakte mit EUStellen zu pflegen
waren.
Diese Feststellungen ergeben sich aus den Einlassungen der Klägerin sowie den von ihr zur Akte gereichten Stellenbeschreibungen
für den Teil der Beschäftigung als Angestellte der Technischen Universität D..., die aus Haushaltsmitteln finanziert wird,
und für den Teil der Beschäftigung, der aus Drittmitteln finanziert wurde.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senates aber der Abschluss verschiedener Arbeitsverträge für die
verschiedenen Beschäftigungen, die unterschiedlichen Ausgestaltungen dieser Verträge sowie die unterschiedlichen Quellen für
die Finanzierung der beiden Stellen.
Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 ist mit "Arbeitsvertrag für Angestellte nach BAT-O" überschrieben. Demgegenüber ist der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 mit "Arbeitsvertrag für befristete Angestellte (über
Drittmittel)" überschrieben. Der Vertrag vom 10. Juni 2009, der sich an den Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 anschloss, ist
zudem als Honorarvertrag bezeichnet und ausgestaltet.
Sowohl der Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 als auch der Honorarvertrag enthalten einen starken Bezug zu dem drittmittelfinanzierten
Projekt. Im Arbeitsvertrag vom 6. April 2006 ist in § 2 zum Befristungsgrund das konkrete Projekt bezeichnet und die Drittmittelnummer
angegeben. Im Honorarvertrag sind ähnliche Angaben in § 1 Abs. 1 im Zusammenhang mit der Tätigkeitsbeschreibung aufgeführt.
Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 wurde unbefristet geschlossen (dort § 1). Hingegen enthalten sowohl der Arbeitsvertrag
vom 6. April 2006 (§ 1 Satz 1) als auch der Honorarvertrag vom 10. Juni 2009 (§ 3 Abs. 1) Befristungsregelungen. Unterschiede
bestehen zudem in Bezug auf Kündigungsmöglichkeiten. Der Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 enthält keine Kündigungsregelungen,
sodass es bei den allgemeinen Kündigungsschutzvorschriften verbleibt. Anders ist die Vertragslage bei den beiden befristeten
Verträgen. In § 6 des Arbeitsvertrages vom 6. April 2006 ist ein Sonderkündigungsrecht zugunsten des Arbeitgebers für den
Fall vorgesehen, dass der Wegfall der Drittmittel feststeht. In § 6 Abs. 5 Satz 1 des Honorarvertrages ist ein Recht zur fristlosen
Kündigung für den Auftraggeber, die Technische Universität D..., enthalten.
Die unbefristete Stelle im Arbeitsvertrag vom 11. November 2005 wird aus allgemeinen Haushaltsmitteln des Freistaates Sachsen
finanziert. Hingegen wurden die befristeten Beschäftigungsverhältnisse über Drittmittel finanziert, die wiederum projektabhängig
waren.
Die beiden Beschäftigungsverhältnisse unterscheiden sich nach alledem zum einen hinsichtlich der qualitativen Anforderungen,
die sich aus den Aufgaben- oder Tätigkeitsbeschreibungen ergeben, sowie zum anderen insbesondere dadurch, dass die befristeten
Beschäftigungsverhältnisses stark von dem drittmittelfinanzierten Projekt abhängig und auf dieses Projekt bezogen ausgestaltet
waren.
Aus den oben genannten Gründen hat die Klägerin in der Teilarbeitslosengeld-Rahmenfrist von zwei Jahren auch die Anwartschaftszeit
für das Teilarbeitslosengeld erfüllt (vgl. §
150 Abs.
2 Nr.
2 SGB III), da sie in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis 30. Juni 2009 mindestens für zwölf Monate in zwei versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen
stand.
Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, nämlich die Meldung als teilarbeitslos und die Erfüllung der Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld
sind, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, erfüllt. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichtes
vom 16. Juni 2011 verwiesen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG.
III. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) im Hinblick auf Besonderheiten bei drittmittelfinanzierten Beschäftigungsverhältnissen zuzulassen.