Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Gründungszuschuss der Klägerin.
Die am 23. Mai 1979 geborene Klägerin war bis zum 31. Dezember 2015 bei der Rechtsanwaltskanzlei F. als Rechtsanwältin beschäftigt.
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis am 30. September 2015 zum 31. Dezember 2015. Am 28. Dezember 2015 schloss sie
einen Aufhebungsvertrag zum 31. Dezember 2015. Sie befand sich bis zum 19. Januar 2016 in Elternzeit.
Mit Partnerschaftsvertrag vom 19. Oktober 2015 gründeten sie und vier weitere Rechtsanwälte sodann eine Partnerschaft mit
dem Gegenstand der gemeinsamen Ausübung des Anwaltsberufs. Die Gesellschaft sollte gemäß § 2 Abs. 1 des Vertrages sofort beginnen.
Eine ordentliche Kündigung war nach § 4 Abs. 2 des Vertrages bis zum 31. Dezember 2018 ausgeschlossen. Die Gesellschafter
verpflichteten sich in § 9 Abs. 1 des Vertrages dazu, ihre gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen. Jede Nebentätigkeit
bedurfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. § 14 Abs. 1 des Vertrages räumte jedem Gesellschafter das Recht ein,
seine mandatsbezogene Tätigkeit um bis zu 50 % zu reduzieren.
Mit Vertrag vom 5. November 2015 mietete die Partnerschaft für eine monatliche Gesamtmiete von 7.424,90 Euro Kanzleiräume
an.
Am 24. November 2015 beantragte die Klägerin einen Gründungszuschuss und führte aus, sie werde am Mittwoch, dem 21. Januar
2016, eine selbstständige und hauptberufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin aufnehmen. Die Gründung könne nur durch ein Darlehen
der Deutschen Bank in Höhe von 190.000 Euro ermöglicht werden. Ihr Ehemann sei ab dem 20. Januar 2016 in Elternzeit und werde
außer Elterngeld keine weiteren Einkünfte haben.
Gegen die Klägerin wurde eine Sperrzeit vom 1. Januar 2016 bis zum 24. März 2016 festgestellt.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gründungszuschuss mit der Begründung ab, die Klägerin habe
ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund gelöst und somit ihre Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Die Beklagte
fördere keine Existenzgründungen in den ersten 12 Wochen nach Aufgabe der Beschäftigung. Es bestehe daher aus Sicht der Beklagten
im Rahmen ihres Ermessens keine Notwendigkeit, die Klägerin unmittelbar nach ihrer eigenen Arbeitsaufgabe mit finanziellen
Fördermitteln zur Existenzgründung zu fördern.
Die Klägerin legte hiergegen am 13. Juni 2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, beim Gründungszuschuss handele
es sich um eine Quasi-Pflichtleistung. Der Vorrang der Vermittlung komme im Fall der Klägerin - einer Rechtsanwältin - mangels
offener Stellen im Großraum Hamburg nicht zum Tragen. Ermessensfehlerhaft habe die Beklagte auch auf die Umstände abgestellt,
unter denen die Klägerin ihre vorherige Beschäftigung aufgegeben habe. Die Praxis der Beklagten führe dazu, dass die Erfolgsaussichten
eines Antrags auf Gründungszuschuss allein von dem Zeitpunkt der Aufnahme der Selbstständigkeit abhingen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2016 nunmehr mit der Begründung zurück, die Klägerin
habe bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 5. Januar 2016 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ein Anspruch
auf Arbeitslosengeld sei nach der Rechtsprechung nur bei tatsächlicher Zahlung gegeben.
Am 20. Juli 2016 hat die Klägerin hiergegen ihre auf Gewährung des beantragten Gründungszuschusses gerichtete Klage erhoben.
Am 29. Oktober 2015 habe sich die Klägerin arbeitsuchend gemeldet. Da ihr seitens der Beklagten keine offenen Stellen unterbreitet
worden seien, habe sie sich um die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit bemüht. Im Übrigen hat die Klägerin die bereits
im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Gründe wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die Verhängung einer Sperrzeit
den Anspruch auf Gründungszuschuss nicht ausschließe, sondern dieser nach Ablauf der Sperrzeit zu gewähren sei.
Durch Gerichtsbescheid vom 19. November 2018, dem Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 21. November 2018, hat das Sozialgericht
die Klage abgewiesen. Ein Leistungsbezug nach dem
Dritten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) sei bei Arbeitslosigkeit notwendige tatbestandliche Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs auf einen Gründungszuschuss
(unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - B 11 AL 52/14 B, juris). Es sei höchstrichterlich geklärt, dass ein Anspruch im Sinne des §
93 SGB III nur vorliege, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung
gegeben seien. Damit stehe die bestandskräftig festgestellte Sperrzeit einem Anspruch auf Gründungszuschuss entgegen.
Am 23. November 2018 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Es sei rechtsfehlerhaft davon auszugehen, dass ein Anspruch im Sinne
von §
93 SGB III lediglich dann vorliege, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung
gegeben seien. Dieses Erfordernis lasse sich weder dem Wortlaut noch der systematischen Stellung entnehmen. Dem Sinn und Zweck
des Gründungszuschusses stehe eine solche Würdigung entgegen. Ansonsten müsse man mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit
bis zum Ablauf der Sperrzeit warten, bevor man eine mit Gründungszuschuss geförderte Tätigkeit aufnehmen könne.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. November 2018 und den Bescheid vom 17. Mai
2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr den beantragten
Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist bei ihrer im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung verblieben.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift
vom 31. Juli 2019 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Termin vom 31. Juli 2019 in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in
der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falles ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann. Die
statthafte (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 17. Mai 2016
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2016 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit der Aufnahme
der selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss sind bereits nicht erfüllt.
Nach §
93 Abs.
1 SGB III können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit
beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss
erhalten. Nach §
93 Abs.
2 Satz 1
SGB III kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen
Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens
150 Tage beträgt und nicht allein auf §
147 Abs.
3 SGB III beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und
Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Sozialgericht
hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Klägerin bis zur Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit am 21. Januar 2016 keinen
Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem
SGB III hatte. Für das Bestehen eines Anspruchs auf Gründungszuschuss ist notwendige tatbestandliche Voraussetzung ein Leistungsbezug
nach dem
SGB III bei Arbeitslosigkeit (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - B 11 AL 52/14 B, SozR 4-1500 § 141 Nr. 3). Da der Gründungszuschuss vor allem den Zweck hat, die mit dem Wegfall der Arbeitslosigkeit zugleich
wegfallende Entgeltersatzleistung zu kompensieren (dazu BT-Drs. 16/1696, S. 30), liegt ein solcher Anspruch nur vor, wenn
die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs gegeben sind (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 11 AL 11/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 6). Wird über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld rechtskräftig ablehnend entschieden, so ist damit
zugleich geklärt, dass auch eine andere Leistung, die den Leistungsbezug tatbestandlich voraussetzt, nicht erbracht werden
kann (speziell zum Gründungszuschuss: BSG, Beschluss vom 23. Oktober 2014 - B 11 AL 52/14 B, SozR 4-1500 § 141 Nr. 3). Hypothetische Überlegungen wie die, dass auch ein erst später einsetzender Arbeitslosengeldanspruch
durch einen zuvor geleisteten Gründungszuschuss kompensiert werden kann, haben hier keinen Platz (LSG Hamburg, Urteil vom
15. Oktober 2018 - L 2 AL 17/18, juris). Die Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs sind auch in den Fällen nicht gegeben, in denen das Gesetz
ein Ruhen des Anspruchs anordnet (BSG, Urteil vom 24. Juni 1993 - 11 RAr 1/92, SozR 3-4100 § 55a Nr. 4; LSG Hamburg, a.a.O., LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 - L 9 AL 219/13, juris), denn dieses bewirkt - ganz gleich, welcher Ruhenstatbestand verwirklicht ist - eine Zahlungssperre (Valgolio in
Hauck/Noftz, SGB, Stand 06/16, §
156 SGB III, Rn 72, speziell zum Ruhen bei Sperrzeit §
159, Rn 490), aufgrund derer Arbeitslose, auch wenn der Anspruch dem Grunde nach unberührt bleibt, in dieser Zeit nicht die Auszahlung
der Leistung verlangen können (BSG, Urteil vom 9. August 1990 - 11 RAr 141/88, SozR 3-4100 § 105a Nr. 2; BSG, Urteil vom 9. Dezember 1982 - 7 RAr 116/81, BSGE 54, 212; BSG, Urteil vom 3. Juni 1975 - 7 RAr 10/73, juris). Zunächst befand sich die Klägerin noch in Elternzeit. Sie hat diesbezüglich nicht näher vorgetragen, ob sie in diesem
Zeitraum schon eine Teilzeitbeschäftigung gesucht hat, und damit überhaupt nur einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt
haben kann. Dies kann aber auch offenbleiben, da die Klägerin auch im Falle ihrer Arbeitssuche jedenfalls bis zur Aufnahme
ihrer selbstständigen Tätigkeit aufgrund der gegen sie bestandskräftig verhängten Sperrzeit keinen Anspruch auf Zahlung auf
Arbeitslosengeld gehabt hat. Während der Sperrzeit ruhte der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld nach §
159 Abs.
1 S. 1
SGB III.
Zu dem Verhältnis zu §
93 Abs.
3 SGB III hat der Senat bereits wie folgt ausgeführt (Urteil vom 15. Oktober 2018 - L 2 AL 17/18, juris): Dieser Sichtweise steht im Übrigen auch §
93 Abs.
3 SGB III nicht entgegen. Zwar lässt sich diese Vorschrift, nach der der Gründungszuschuss nicht geleistet wird, solange Ruhenstatbestände
nach den §§
156 bis
159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten, auch so verstehen, dass das dort angeordnete Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nur zum
- untechnisch gesprochen - Ruhen des Anspruchs auf Gründungszuschuss führen und nicht bereits die Entstehung dieses Anspruchs
hindern soll. Gegen eine solche Auslegung von §
93 Abs.
3 SGB III sprechen jedoch historische, systematische und vor allem auch teleologische Gründe: Der Zweck von §
93 Abs.
3 SGB III liegt wie bereits bei seiner Vorgängervorschrift §
57 Abs.
3 SGB III a.F. in der Vermeidung von Doppelleistungen sowie darin, die Umgehung von Sanktionen durch einen Wechsel vom Arbeitslosengeld
zum Gründungszuschuss zu verhindern (so bereits BT-Drucks. 14/6944, S. 33, und BT-Drs. 15/25, S. 29; zum Ganzen auch Petzold
in Hauck/Noftz, SGB, Stand 05/17, §
93 SGB III, Rn. 27). Der Vorschrift kommt somit der Charakter einer salvatorischen Klausel zu, die verhindern soll, dass die Bezieher
von Gründungszuschuss besser gestellt werden als Arbeitslosengeldbezieher in vergleichbaren Situationen. Zu diesem Zweck ordnet
die Vorschrift ein (insbesondere von Vertrauensschutzerwägungen unabhängiges) Ruhen des Gründungszuschusses auch in den Fällen
an, in denen während des Bezugs von Gründungszuschuss einer der gesetzlichen Ruhenstatbestände eintritt, ohne dass bereits
deswegen eine Rücknahme der Bewilligung des Gründungszuschusses möglich wäre (LSG Hamburg, Urteil vom 14. Juni 2017 - L 2 AL 64/16, juris; ähnlich auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 - L 9 AL 219/13, juris). §
93 Abs.
3 SGB III modifiziert damit nicht etwa die Voraussetzungen aus §
93 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 SGB III (mit der Folge, dass auch ein Ruhenszeitraum als Bezugszeitraum zu gelten hätte), sondern stellt sicher, dass die Sanktionswirkung
der genannten Ruhensvorschriften auch dann greift, wenn der Bezug von Arbeitslosengeld durch den des Gründungszuschusses ersetzt
wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. September 2014 - L 9 AL 219/13, a.a.O., unter Hinweis auf BT-Drs. 14/6944, S. 33 zu §
57; zum Gesetzeszweck von §
93 Abs.
3 SGB III auch Hassel in Brand,
SGB III, 6. Aufl. 2014, §
93 Rn. 14). Nur durch eine solche Auslegung kann auch vermieden werden, dass ein Gründungszuschuss im Falle erheblicher, bereits
zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit laufender Ruhenszeiträume ab einem Zeitpunkt lange nach der Aufnahme
zu bewilligen sein könnte, obwohl der Gründungszuschuss gerade zu Beginn den Lebensunterhalt sichern soll und durch dessen
Ruhen von vornherein die zu fördernde Tätigkeit in ihrer wirtschaftlichen Auskömmlichkeit bedroht und damit insgesamt gefährdet
wäre. Auch wäre der vom Gesetzgeber ausweislich der Regelung des §
93 Abs.
2 S. 1 Nr.
1 SGB III zumindest gewollte Spareffekt im Umfang von 150 Tagen Arbeitslosengeld gefährdet, wenn der diesbezügliche Zahlungsanspruch
wegen erheblicher Ruhenszeiträume erst so spät nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit begänne, dass sich sein Ende über
das Ende des Gründungszuschussanspruches hinaus verschieben würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Senat hat nur deswegen von der Verhängung von Kosten nach §
192 Abs.
1 Nr.
2 SGG abgesehen, weil die Klägerin nicht zum Termin erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.