Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Verkehrsunfalles vom 7. Januar 2011 als Wegeunfall.
Der 1965 geborene Kläger, wohnhaft in A-Stadt, A-Straße, war seit Oktober 2001 als Lagerist bei der Firma F. Fachgroßhandel
GmbH und Co. KG in B-Stadt beschäftigt. Zu seinem Arbeitsverhältnis heißt es in der Unfallanzeige der Firma vom 19. Januar
2011, der Kläger habe in der Zentrallogistik in B-Stadt gearbeitet und sei auch öfter als Springer eingesetzt worden. Am Unfalltage
habe er aushilfsweise für einen in Urlaub befindlichen Kollegen im Lager G-Stadt/H-Stadt, H-Straße, arbeiten sollen. Dienstbeginn
sei um 17:45 Uhr und Dienstende am Folgetag um 2:00 Uhr gewesen. Auf dem Weg zur Arbeit nach H-Stadt habe er einen schweren
Autounfall erlitten. In der "Verkehrsunfallanzeige" des PHK G., Polizeistation Rüsselsheim im Polizeipräsidium Südhessen,
vom 21. März 2011 heißt es, der Kläger habe gegen 17:15 Uhr mit seinem PKW Audi 100, amtliches Kennzeichen A-BC 123, die rechte
der beiden Fahrspuren der B 43 von Bischofsheim in Richtung Rüsselsheim befahren. In Höhe km 0,4 habe er seine Geschwindigkeit
verlangsamt, sei weiter nach rechts in Richtung des Fahrbahnrandes gefahren und habe dann unvermittelt nach links gezogen
- vermutlich zum Wenden. Dabei sei er mit dem auf dem linken Fahrstreifen in gleicher Richtung fahrenden PKW Mercedes E 290
TD, amtliches Kennzeichen X-YZ 987, des H. kollidiert, wodurch beide PKW über die Fahrstreifen der Gegenfahrbahn hinaus geschleudert
und auf dem dortigen Grünstreifen zum Stehen gekommen seien.
Der Kläger wurde schwer verwundet und erlitt ausweislich des Durchgangsarztberichtes des Prof. J., Unfallchirurgische Uniklinik
Mainz, vom 7. Januar 2011 ein Schädelhirntrauma, eine Mittelgesichtsfraktur, eine traumatische Subarachnoidalblutung rechts
und eine Kontusionsblutung sowie Risswunden am Unterschenkel links. Er wurde sodann in der Neurochirurgischen Universitätsklinik
in Mainz bis zum 24. Februar 2011 weiter behandelt und befand sich vom 2. bis 13. März 2011 in der Neurologischen Rehaklinik
Bad Camberg zur Anschlussheilbehandlung. Vom 19. Januar bis 19. Juli 2011 musste für ihn eine amtsgerichtliche Betreuung eingerichtet
werden mit seinem Neffen D. als Betreuer. Der Kläger wurde ab November 2011 stufenweise wieder in sein Arbeitsverhältnis eingegliedert.
Die Beklagte zog eine Auskunft des PHK G. vom 1. Februar 2011 bei und telefonierte mit dem Arbeitgeber des Klägers, bevor
sie mit Bescheid vom 24. Februar 2011 die Anerkennung des Unfalles vom 7. Januar 2011 als Arbeitsunfall sowie die Gewährung
von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung an den Kläger ablehnte, da er sich zum Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten
Weg befunden habe. Er hätte, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen, von der A 671 kommend an der Ausfahrt 6 die B 43 in Richtung
G-Stadt/H-Stadt nehmen müssen. Der Unfall habe sich jedoch in entgegengesetzter Richtung der B 43 nämlich zwischen Bischofsheim
und Rüsselsheim ereignet. Betriebliche oder verkehrstechnische Gründe, die für diese Wegewahl sprächen, habe der Kläger nicht
angeführt und seien auch nicht erkennbar. Daher sei davon auszugehen, dass die Gründe für das Zurücklegen dieses vom ursprünglichen
Ziel abweichenden Weges in der Person des Klägers gelegen hätten und daher Unfallversicherungsschutz auf diesem Abwege nicht
bestanden habe.
Am 22. März 2011 übersandte der Kläger den von der Beklagten am 28. Januar 2011 angeforderten Wegeunfallfragebogen vom Vortage,
in der auf die Frage "Welchen Weg haben sie genommen, als sich der Unfall ereignete?" die Antwort lautete: "A 66 Richtung
Wiesbaden - B 43 Richtung Rüsselsheim (falsche Ausfahrt) weil Stau auf A 66". Er habe aufgrund des schweren Unfalles mit zweiwöchigem
Koma keine Erinnerung an den Vorfall und wisse nicht, wie sich der Unfall ereignet habe. Durch seinen Bevollmächtigten ließ
er mit Schriftsatz vom 31. März 2011 mitteilen, er sei am Unfalltag von seiner Wohnung aus auf der A 66 in Richtung seines
Arbeitsplatzes in H-Stadt gefahren, wo er um 17:30 Uhr die Spätschicht habe antreten wollen. In Höhe Hochheim sei ein umfangreicher
Stau gewesen. Er habe nicht zu spät kommen wollen und sei daher in Richtung Rüsselsheim abgefahren, um dort über die B 43
zur Arbeit zu kommen. Dabei müsse er einmal falsch abgebogen sein, weshalb es zu dem verhängnisvollen Wendemanöver gekommen
sei. In einem weiteren Schriftsatz vom 6. August 2011 geht der Klägerbevollmächtigte unter Hinweis auf das fehlende exakte
Erinnerungsvermögen des Klägers davon aus, dass dieser am Unfalltag in südliche Richtung über die A 5 am Frankfurter Kreuz
auf die B 43 Richtung G-Stadt eingebogen sei, um die Arbeitsstelle zu erreichen, wobei es im Raum Rüsselsheim zum Unfall gekommen
sei. Die Beklagte zog die polizeiliche Ermittlungsakte vom Polizeipräsidium Südhessen, Polizeidirektion Groß Gerau, Polizeistation
Rüsselsheim, bei und wies sodann den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2011 zurück.
Dagegen hatte der Kläger am 17. November 2011 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) Klage erhoben und angegeben,
er habe wegen der schweren Schädel- und Hirnverletzung keine Erinnerung an den Unfall und auch nicht mehr an den bis zum Unfall
zurückgelegten Weg. Nach Einsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte spreche alles dafür, dass er die A 66 benutzt habe,
dann auf die A 671 gewechselt sei und bei regnerischem Wetter und Dunkelheit in die falsche Richtung auf die B 43 eingebogen
sei. Dies habe er wohl bald bemerkt und gedacht, bei breiter Straße und wenig Verkehr wenden zu können, wobei er eine durchgezogene
Linie habe überfahren müssen. Den schräg hinter ihm fahrenden Unfallgegner habe er übersehen, weswegen es zum Zusammenstoß
gekommen sei. Ein solches kurzes Fehlverhalten bei schwierigen Licht- und Wetterverhältnissen und ihm unbekannter Strecke
sei nicht als Unterbrechung oder relevante Abweichung vom unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu werten.
Die Beklagte hatte entgegnet, sie halte es nicht für bewiesen, dass sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit befunden
habe und der Kläger selbst könne wegen Erinnerungsverlustes den von ihm am Unfalltag tatsächlich gewählten Weg nicht mehr
angeben. Die im Widerspruchsverfahren geäußerten Vermutungen zur Fahrtroute seien nicht geeignet zu belegen, dass der Kläger
auf dem Weg zur Arbeit verunfallt sei. Es führe nämlich keine denkbare Wegevariante auf dem unmittelbaren Weg von der Wohnung
des Klägers zur Arbeitsstätte über die B 43 in Fahrtrichtung Rüsselsheim an der Unfallstelle vorbei. Wegen seines Erinnerungsverlustes
sei es ausgeschlossen, dass der Kläger den Beweis erbringen könne, trotz des Unfalles auf einem offensichtlich nicht unmittelbaren
Weg ausnahmsweise versichert gewesen zu sein, wofür ihm die objektive Beweislast obliege.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. Juni 2013 unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide festgestellt, dass es sich
bei dem Unfall des Klägers vom 7. Januar 2011 um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, da der Kläger sich am frühen Abend des
7. Januar 2011 auf dem gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII versicherten Weg zu seiner Arbeitsstelle im Verteilerzentrum K., H-Straße, in H-Stadt befunden habe. Die Kammer stütze ihre
Überzeugung auf die schriftlichen Angaben des Arbeitgebers in der Unfallanzeige vom 19. Januar 2011, wonach der Kläger, der
regelmäßig in der Zentrallogistik des Unternehmens in B-Stadt gearbeitet habe, aushilfsweise für einen Kollegen im Verteilerzentrum
in H-Stadt eingesetzt gewesen sei. Der Unfall sei nicht weit vom Einsatzort passiert und der Unfallzeitpunkt decke sich mit
dem Arbeitsbeginn des Klägers um 17:45 Uhr. Schließlich sei nach den Feststellungen des PHK G. im Beifahrerraum eine Tasche
mit einer noch warmen, gefüllten Thermoskanne gefunden worden. Dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles gegen 17:15 Uhr
die B 43 nicht mehr in Fahrtrichtung zu seinem Arbeitsplatz in H-Stadt, sondern in Richtung Rüsselsheim und damit in der Gegenrichtung
befahren habe gebiete keine andere Sicht, da die vom Kläger gegebene Begründung eines Abbiegefehlers plausibel sei und das
verkehrswidrige und zum Unfall führende Wendemanöver erkläre. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf
dem Weg zu eigenwirtschaftlichen Verrichtungen gewesen sei. Eine wegen der Umkehr vom Arbeitsweg in Betracht kommende Beendigung
des Versicherungsschutzes setze indessen voraus, dass der ursprüngliche Weg, zum Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen
Gründen unterbrochen werde. Erst dadurch entfalle der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Eine Änderung der
Handlungstendenz in Richtung auf eine unversicherte private Tätigkeit liege nur vor, wenn sie einen klaren und damit objektivierbaren
Ausdruck gefunden habe, wofür die Beklagte die objektive Beweislast trage. Sei eine versicherte Tätigkeit als anspruchsbegründende
Voraussetzung für einen Arbeitsunfall nachgewiesen, so handele es sich bei der Unterbrechung oder Beendigung derselben um
eine anspruchshindernde Tatsache, deren Nichterweislichkeit in Abweichung von der üblichen Beweislastverteilung zu Lasten
des Unfallversicherungsträgers gehe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. Juli 2013 zugestellte Urteil am 15. Juli 2013 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
in Darmstadt eingelegt. Das erstinstanzliche Urteil gehe in unzutreffender Weise von einer versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt
aus, da weder der Unfallort noch die Fahrtrichtung des Klägers zu gesetzlichem Unfallversicherungsschutz führen könnten. Der
Kläger habe sich nicht auf dem unmittelbaren Weg von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz befunden, da er sich nach dem Einbiegen
auf die B 43 eindeutig in entgegengesetzter Richtung bewegt und sodann verkehrswidrig gewendet habe, wodurch es zum Unfall
gekommen sei. Er habe mehrere Kilometer in der falschen Fahrtrichtung zurückgelegt. Wegen einer Hirnverletzung habe er keine
Erinnerung, warum er falsch abgebogen sei, diese Fahrtstrecke gewählt habe und weshalb es zum Wendemanöver gekommen sei. Fakt
sei, dass der Kläger unmittelbar nach dem Ende der Fahrbahntrennung verkehrswidrig in Richtung Arbeitsstätte gewendet habe.
Er hätte zuvor die Abfahrt Bischofsheim von der B 43 nutzen können, um durch Bischofsheim zur Arbeitsstätte zu fahren. Die
Befragung des Klägers sowie auch die Angaben der Zeugen hätten keinen Ansatzpunkt für ein privates eigenwirtschaftliches Ziel
in Fahrtrichtung ergeben. Des Weiteren habe das Sozialgericht die Beweislast verkannt. Der Kläger trage die Beweislast dafür,
dass seine Fortbewegung in einer dem Arbeitsplatz entgegengesetzten Richtung mit dem Zurücklegen des direkten Weges zusammenhänge.
Zwar habe die Rechtsprechung bei unfallbedingten Erinnerungslücken des Versicherten in besonderen Einzelfällen an den Beweis
verminderte Anforderungen gestellt. Im Falle des Klägers ergäben sich aber keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte dafür,
dass der Abweg mit dem Zurücklegen des direkten Weges zusammenhänge. Damit entfalle die Grundlage für eine Beweiserleichterung.
Die Rechtsprechung gehe davon aus, dass bei einem Abweichen vom direkten Weg nur dann Versicherungsschutz bestehe, wenn voll
bewiesen sei, dass der Grund für das Abweichen in besonderen Risiken liege, die der Schutznorm, zuzurechnen seien. Dazu fehle
im Urteil jede Aussage. Es sei weder voll bewiesen, dass der Kläger sich tatsächlich verfahren habe noch seien als Ursachen
dafür in Betracht kommende besondere Wegerisiken wie Baustellen, Stau, Dunkelheit, Nebel oder schlechte Beschilderung im Vollbeweis
nachgewiesen. Die polizeiliche Ermittlungsakte habe keine außergewöhnlichen Wetterverhältnisse bestätigt und das Ziel des
Klägers im Industriegebiet H-Stadt habe quasi in Sichtweite gelegen, als er die A 671 verlassen habe. Dem Kläger sei der Weg
zum Arbeitsplatz in H-Stadt vertraut gewesen, da er dort bereits zuvor wiederholt gearbeitet habe. Selbst eine kurzzeitige
Konzentrationsstörung, die aus innerer Ursache hergerührt hätte, hätte nach der Rechtsprechung nicht zum Fortbestehen von
Versicherungsschutz geführt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren erwidert, er sei gegen 17:00 Uhr von zu Hause zur Arbeit los gefahren, wie er dies kurz
vor der Abfahrt dem E., einem früheren Nachbarn, telefonisch bestätigt habe. Eine davon abweichende Änderung seiner Handlungstendenz
habe das Sozialgericht mit Recht verneint, sei vielmehr richtigerweise wegen des plötzlichen Wendemanövers von einem irrtümlichen
Abkommen vom Weg und davon ausgegangen, dass er sich dennoch bemüht habe pünktlich zur Arbeit zu kommen. Die der Beklagten
aufgezeigten Wegstrecken, die er gefahren sein könne, hätten zunächst auf Vermutungen aufgebaut, die sein Bevollmächtigter
und sein Betreuer nach seiner Entlassung aus der Klinik angestellt hätten. Er selbst habe sich in einer schwierigen Phase
der Rekonvaleszenz befunden, so dass selbst umfangreiche Versuche einer Rekonstruktion des Ablaufes gescheitert seien. Zum
Wegeunfallfragebogen vom 21. März 2011, befragt hat er erklärt, diesen habe nicht er selbst, sondern eventuell sein damaliger
Betreuer D. erstellt, wobei dessen Angaben sich auf Mutmaßungen stützten. Die Frage zum Grund des Wendemanövers könne er wegen
Verlust der Erinnerung nicht beantworten. Letztlich sei von einem unbeabsichtigten geringfügigen Abweichen vom direkten Weg
zur Arbeit auszugehen. Dass er statt nach links nach rechts von der A 671 abgebogen sei, sei auch nicht mehr als eine Annahme,
die allerdings nicht unwahrscheinlich erscheine. Kurz nach der Mitteltrennung der B 43 sei es zum verbotswidrigen Wendemanöver
gekommen, sodass letztlich von einem kurzfristigen Verfahren keinesfalls aber von einem bewussten Abweichen vom Weg zur Arbeit
gesprochen werden könne. Besondere versicherte Wegegefahren, wie sie die Rechtsprechung fordere, seien in Gestalt der Dunkelheit,
schlechter Sicht und winterlicher Wetterverhältnisse ebenso zu bejahen wie der Umstand, dass der versehentlich eingeschlagene
Weg ihm unbekannt gewesen sei. Demnach sprächen die Indizien eindeutig für eine versicherte Tätigkeit unabhängig von Fragen
der Beweislast. Private Verrichtungen habe er in dem Unfallortbereich nicht zu erledigen gehabt. Der Kläger hat eine Aufstellung
des Arbeitgebers vom 28. August 2013 übersandt, wonach er zwischen dem 14. September und dem 28. Dezember 2010 an insgesamt
21 Tagen im Lager H-Stadt als Springer beschäftigt gewesen sei.
Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt zum Verfahren gegen den Kläger, Az.: XXX, beigezogen, in der zunächst
die Angaben des Klägers vom 13. März 2011 im Rahmen der Beschuldigtenanhörung enthalten sind, er habe die A 66 befahren, um
direkt zur Arbeit zu gelangen. Er sei dann bewusstlos geworden und habe keine Erinnerung mehr an die nachfolgenden Ereignisse.
Erst nach zweiwöchigem Aufenthalt im Krankenhaus sei er aus dem Koma aufgewacht. Der Unfallgegner H. hat in seiner polizeilichen
Vernehmung vom 23. Januar 2011 zum Unfallhergang von einem Wendemanöver des Klägers als Unfallursache berichtet. Der ermittelnde
PHK G. hat in den Vermerken vom 19. Januar und 21. März 2011 festgehalten, er habe im Beifahrerfußraum des klägerischen PKWs
in einer Tasche bzw. in einem Rucksack eine noch warme gefüllte Thermoskanne vorgefunden. Die Straße sei zum Unfallzeitpunkt
nass gewesen, geregnet habe es nicht und es sei dunkel gewesen. Ein tatsächliches - wenn auch verkehrswidriges - Wenden auf
der Fahrbahn der B 43 sei erst im Bereich der Unfallörtlichkeit möglich gewesen, da die vier Fahrspuren der B 43 ungefähr
von der Anschlussstelle zur A 671 bis wenige 100 m von der Unfallstelle entfernt durch bauliche Fahrbahnteiler in Form einer
Betonabtrennung und einer Leitplanke getrennt seien. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat das Verfahren mit Beschluss vom
1. Juni 2011 nach §
153 Abs.
1 der
Strafprozessordnung (
StPO) eingestellt bei bestehendem Verdacht einer fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs durch Wenden auf einer Kraftfahrtstraße
(§ 42 Ziffer 331 Straßenverkehrsordnung - StVO). Im Erörterungstermin vom 12. Februar 2014 wurde der Kläger angehört und als Zeugen E., ein früherer Nachbar des Klägers,
und D., der Neffe und Betreuer des Klägers, vernommen. Gegenstand des Erörterungstermines waren zudem Wegeskizzen, die den
Arbeitsweg des Klägers von der Wohnung zum Lager in H-Stadt zeigen. Wegen der Angaben des Klägers und der Zeugen wird auf
das Terminsprotokoll Bezug genommen.
Schließlich hat der Senat die Auskunft des POK C., des Nachfolgers des zwischenzeitlich verstorbenen Unfallsachbearbeiters
PHK G., von der Polizeistation Rüsselsheim eingeholt, die dieser am 8. Mai 2014 erstattet hat. Darin heißt es, der Kläger
sei nicht nach rechts von der A 671 in Richtung H-Stadt abgebogen sondern nach links in Richtung Bischofsheim/Rüsselsheim.
Bei sofortigem Bemerken des Falschabbiegens wäre ein Wendevorgang - wenn auch verbotswidrig - in Höhe der Anschlussstelle
B 43/A 671 auf einer Strecke von gerundet 550 m möglich gewesen. Der Kläger sei aber weiter Richtung Rüsselsheim gefahren,
vorbei an der Ausfahrt Bischofsheim gerundet 750 m entfernt zur BAB-Abfahrt, vorbei auch an der Ausfahrt Rüsselsheim Mainzer
Straße gerundet 2000 m entfernt bis zur Unfallstelle in Höhe der Firma AQ. bei Kilometer 0,500 der B 43. Die Fahrspuren der
B 43 seien in Richtung Rüsselsheim gemessen ab Mitte Autobahnbrücke nach 370 m durch einen Betonfahrbahnteiler getrennt. An
dem Betonfahrbahnteiler in einer Länge von 1450 m schließe sich übergangslos eine Mittelschutzplanke mit einer Länge von 650
m an. Danach ende die Mitteltrennung bei Kilometer 0,350 - also etwa 150 m vor der Unfallstelle. Vorher hätte der Kläger nach
ca. 800 m die Ausfahrt Bischofsheim nehmen können oder die weitere Ausfahrt Rüsselsheim Mainzer Straße. Eine verbotswidrige
Wendemöglichkeit hätte vor Beginn des Fahrbahnteilers bestanden und danach erst wieder nach dessen Ende. Nach Akten- und Spurenlage
sowie den Beschädigungen an den beteiligten beiden Fahrzeugen sei unzweifelhaft von einem versuchten Wendemanöver des Klägers
auszugehen.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akte der Staatsanwaltschaft
Darmstadt Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§
143,
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat auf die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage
des Klägers (§§
54 Abs.
1 Satz 1,
55 Abs.
1 Nrn. 1 und 3
SGG) dessen Verkehrsunfall vom 7. Januar 2011 zu Recht als Arbeitsunfall festgestellt, da dieser Unfall sich noch in innerem
Zusammenhang mit dem Hinweg zur Arbeitsstätte des Klägers ereignet hat. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht und auch
mittlerweile beiden Beteiligten geht der Senat davon aus, dass die Klage zulässig war, da der Kläger durch Übersendung des
Wegeunfallfragebogens vom 23. März 2011 die Widerspruchsfrist gewahrt hatte. Er verweist insoweit zwecks Vermeidung von Wiederholungen
auf die zutreffenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung (§
153 Abs.
2 SGG).
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu der versicherten Tätigkeit zählt gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Die Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges" kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang
des unfallbringenden Weges mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit. Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck
zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Falle die eigene Wohnung zu erreichen. Da
der Gesetzgeber die Grundentscheidung "Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit" in §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII getroffen hat, ist von der Rechtsprechung nur zu klären, ob der Versicherte, als er verunglückte, einen solchen versicherten
Weg zurücklegte und infolgedessen einen Gesundheitsschaden erlitten hat. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung
noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel - die Arbeitsstätte des Versicherten - dient, ist seine Handlungstendenz.
Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch objektive Umstände bestätigt werden. Dies zeigt sich im äußeren Verhalten
des Versicherten, wie es objektiv beobachtbar ist und stellt darauf ab, ob sein äußeres Handeln mit seiner inneren Tendenz
zur Arbeit zu gelangen übereinstimmt (BSGE 91, 293; BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 12/12 R in: Sozialgerichtsbarkeit 2014, 392, 394). Die den Anspruch des Klägers ergebenen Tatsachen müssen im Grade des Vollbeweises
also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, denn die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden
Tatsachen trägt grundsätzlich der Versicherte (dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a.,
SGG Sozialgerichtsgesetz Kommentar 11. Auflage, Anm. 19a zu §
103 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Der Senat geht bei Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII - wie bereits das Sozialgericht - davon aus, dass der Kläger am 7. Januar 2011 am frühen Abend von seiner Wohnung in der
A-Straße in A-Stadt mit seinem Pkw Audi 100 zur Arbeitsstätte im Lager der Firma F. im H-Straße in H-Stadt aufgebrochen war,
wo er laut Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 19. Januar 2011 aushilfsweise einen in Urlaub befindlichen Kollegen in der Schicht
von 17:45 Uhr bis 2:00 Uhr am nächsten Tag vertreten sollte. Der Kläger hatte nach Aussage des Zeugen E. vom 12. Februar 2014
am Unfalltag zwischen 16:30 Uhr 17:00 Uhr noch kurz mit ihm telefoniert und hatte ihm mitgeteilt, eine für denselben Abend
ausgesprochene Einladung zu einer Geburtstagsfeier nicht wahrnehmen zu können, da er schon die Tasche gepackt habe und zur
Arbeit müsse. Bestätigt wird dies durch die weitere Zeugenaussage des D. vom 12. Februar 2014, der seine Oma, die Mutter des
Klägers, am Unfallabend besucht und von ihr erfahren hatte, dass der Kläger zur Arbeit gefahren sei. Der Kläger hat am 12.
Februar 2014 persönlich angehört erklärt, dass seine Mutter, mit der er nach seiner Scheidung zusammen wohne, ihm Tee koche,
den er mit zur Arbeit nehme. Die für die Arbeitsschicht am Unfalltag von der Mutter für den Kläger bereitete - noch warme
und gefüllte - Thermoskanne wurde laut Vermerk des PHK G. vom 19. Januar 2011 im Beifahrerfußraum des Audi 100 aufgefunden.
Obwohl der Kläger keine Erinnerung mehr an den am Unfalltag zurückgelegten Weg zur Arbeit hat und hierfür auch keine Zeugen
existieren, geht der Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung aufgrund der bekannten und zweifelsfrei festzustellenden Tatsachen
davon aus, dass der Kläger am Unfalltag - wie auch sonst - den von ihm üblicherweise benutzten Weg zur Arbeitsstelle über
die A 66 und sodann die A 671 genommen hat, wobei er zugunsten des Klägers einen Beweisnotstand berücksichtigt. Denn die Anforderungen
an die objektive Beweislast modifizierend stellen Rechtsprechung und Literatur in bestimmten Fällen eines Beweisnotstandes
geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung. Derartige besondere Beweisschwierigkeiten können bei einem tödlich verlaufenden
Arbeitsunfall eines allein tätigen Versicherten für seine Witwe entstehen, aber auch bei unfallbedingten Erinnerungsverlusten
eines durch Unfall schwerverletzten Versicherten (Urteil des BSG vom 29. März 1963 2 RU 75/61; BSGE 19, 52, 56; BSG, Urteil vom 12. Juni 1990 Az.: 2 RU 58/89) - wie dem Kläger. Derartige Beweisschwierigkeiten führen indessen nicht zur Umkehr der Beweislast, die die Rechtsprechung
zur gesetzlichen Unfallversicherung auch in diesen Fällen verneint (BSG in SozR 3-1500 §
128 SGG Nr. 11; ebenso die ständige Rechtsprechung des Senats: beispielsweise Urteile vom 31. August 2010 - L 3 U 162/05; vom 21. Februar 2012 - L 3 U 268/05 sowie vom 18. September 2012 - L 3 U 266/08). Einer solchen Konstellation ist vielmehr im Wege der Beweiswürdigung - speziell durch Beweiserleichterung - Rechnung zu
tragen. Im Falle einer Beweiserleichterung darf das entscheidende Gericht geringere Anforderungen an den Beweis der betreffenden
Tatsache stellen als üblich ohne allerdings den Beweismaßstab zu reduzieren (BSG SozR 3-1500 §
128 SGG Nr. 11; Urteile des Senats vom 21. Februar und 18. September 2012 aaO.). Bei einer Beweiserleichterung dieser Art handelt
es sich nicht um ein eigenständiges Rechtsinstitut sondern um eine Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass das Gericht die Überzeugung von einem bestimmten Geschehensablauf trotz bestehender theoretischer
Zweifel gewinnen kann. Welche Folgerungen sich aus der Beweisschwierigkeit für die Entscheidung im Einzelfall ergeben, obliegt
der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG (BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R - sowie Keller, aaO., Anmerkung 335 zu K § 8).
Der Kläger hat nach wiederholten Angaben - zuletzt im Senatstermin vom 14. Juli 2015 - keine Erinnerung mehr, auf welchem
Weg er am Unfalltag zur Arbeit gefahren ist. Diese Einlassung ist glaubhaft, da er unfallbedingt schwere Schädel-Hirnverletzungen
erlitten und deswegen zwei Wochen in der Unfallchirurgischen Universitätsklinik Mainz im Koma gelegen hatte. Der Kläger wurde
im Erörterungstermin des Senats vom 12. Februar 2014 eingehend zu seiner Fahrtroute zur Arbeitsstelle in H-Stadt befragt und
hat beschrieben, dass er normalerweise über die A 66 und die A 671 bis zur Abfahrt H-Stadt und von dort nach rechts abbiegend
über die B 43 Richtung G-Stadt zum Verteilerzentrum K. in H Stadt gelangt. Nach dem in dem Erörterungstermin eingeführten
Routenplaner Via Michelin vom 11. Februar 2014 beträgt die Gesamtfahrstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstelle 30 km und
die Fahrzeit bei normalen Verkehrsverhältnissen 26 Minuten. Der Senat zweifelt unter Berücksichtigung des Beweisnotstandes
des Klägers nicht, dass der Kläger diese Route auch am 7. Januar 2011 gefahren ist. Denn der Abfahrtszeitpunkt des Klägers
von der Wohnung nach dem Telefonat mit dem Zeugen E. zwischen 16:30 Uhr und 17:00 Uhr und der Unfallzeitpunkt, der laut polizeilichen
Feststellungen gegen 17:15 Uhr lag, ist mit den vorgenannten zeitlichen und entfernungsmäßigen Vorgaben vereinbar und der
Unfallort liegt nicht weit von der Arbeitsstätte des Klägers entfernt.
Anders als in der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2004 (B 2 U 7/99 R - juris) rechtfertigen die teilweise abweichenden Darstellungen des Klägers zu der am 7. Januar 2011 gewählten Route von
der Wohnung zur Arbeitsstelle im Verwaltungsverfahren keine durchgreifenden Zweifel - weder am bestehenden Erinnerungsverlust
des Klägers noch an der vom Senat zugrunde gelegten Fahrstrecke.
Denn der Kläger hat glaubhaft dargelegt, dass es sich bei den im Wegefragebogen vom 22. März 2011 und in den Schriftsätzen
seines Bevollmächtigten vom 31. März und 6. August 2011 genannten Fahrstrecken jeweils um nachträglich "rekonstruierte" Wegevarianten
gehandelt hat, die sein gesetzlicher Vertreter D. und sein Anwalt zum Teil mit ihm zusammen ausgedacht hätten, da ihm jede
Erinnerung abhanden gekommen war. Die im Schriftsatz des Klägervertreters vom 31. März 2011 für den Fall eines Staus auf der
A 66 gewählte Strecke hat der Kläger selbst im Erörterungstermin vom 12. Februar 2014 dahingehend korrigiert, dass er auch
dann - mit einem Umweg über "die 590iger Schnellstraße Richtung Rüsselsheim" - die A 671 wieder erreicht hätte, bevor er diese
an der Ausfahrt H-Stadt wieder verlassen musste, worauf die Beklagte im Schreiben vom 26. Mai 2011 an den Klägerbevollmächtigten
im Ergebnis gleichlautend hingewiesen hatte. Im Schriftsatz vom 6. August 2011 führten die "Erklärungsversuche" sogar soweit,
dass der Klägervertreter behauptete, der Kläger habe die B 43 bereits vom Frankfurter Kreuz von der A 5 kommend Richtung G-Stadt
befahren, was mit dem - als Tatsache feststehenden - Wendevorgang auf der B 43 als eigentlicher Unfallursache unvereinbar
ist. Dem Kläger ist der Unfall selbst sowie seine Fahrt auf der B 43 nicht erinnerlich und dem Klägervertreter war bei seinen
"Rekonstruktionsversuchen" offenbar vor Einsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte weder die Fahrtrichtung des Klägers auf
der B 43 noch der genaue Unfallhergang bekannt.
Der Kläger hatte den üblicherweise gewählten Weg zur Arbeitsstätte am Unfalltag an der Abfahrt H-Stadt der A 671 verlassen,
da er dort nicht links in Richtung G-Stadt zu dem in Sichtweite gelegenen Arbeitsplatz im Verteilzentrum K. sondern nach rechts
in Richtung Bischofsheim/Rüsselsheim abbog, die B 43 etwa 2,5 km in "falscher - d.h. in Gegenrichtung zur Arbeitsstelle führender
- Richtung befuhr, bevor es im Rahmen eines Wendemanövers zum Unfall kam. Der Senat folgt der Auffassung der Beklagten nicht,
dass der Kläger mit dem falschen Abbiegen auf die B 43 einen unversicherten Abweg angetreten und diesen fortgesetzt hatte,
bis er verunglückte. Der Senat sieht vielmehr bei unveränderter Handlungstendenz des Klägers auch das Zurücklegen dieser Strecke
als in innerem Zusammenhang mit dem Weg zur Arbeit stehend und damit als nach §
8 Abs.
1 Ziffer 1
SGG versicherten Weg an.
Der Kläger war von seiner Wohnung gestartet um zur Arbeitsstelle zu fahren und hatte diese Absicht beim Befahren der A 66
und anschließend der A 671 weiter verfolgt. Auch wenn der Senat die Ursache für das falsche Abbiegen nicht festzustellen vermochte,
hat er keinen Zweifel, dass Fahrtziel und Handlungstendenz des Klägers nach Einbiegen auf die B 43 in westliche Richtung unverändert
blieben, was er - wiederum den Beweisnotstand des Klägers berücksichtigend - auf zwei erwiesene Tatsachen stützt: Das fehlende
Fahrtziel in Richtung Bischofsheim/Rüsselsheim und das Wendemanöver auf der B 43.
Zum einen hat der Kläger im Erörterungstermin vom 12. Februar 2014 glaubhaft angegeben, eigentlich nie auf seiner Fahrt zur
Arbeit die B 43 in Richtung Bischofsheim/Rüsselsheim befahren zu haben. Er hat seine Lebensumstände in Detail geschildert
mit dem Ergebnis, dass er keine Anlaufstelle in vorgenanntem Bereich hatte, dort nicht zum Einkaufen ging oder auch sonst
niemand dort aufsuchte. Dies hat der Zeuge D. am 12. Februar 2014 bestätigt, dem keine "Geschäfte, Örtlichkeiten oder andere
Lokalitäten im Raum Rüsselsheim bekannt" waren, die der Kläger aufgesucht hätte, so dass auch letztlich die Beklagte mit Schriftsatz
vom 17. April 2014 als Ergebnis der Beweisaufnahme festgehalten hat, dass sich kein Anhaltspunkt für ein privates eigenwirtschaftliches
Ziel des Klägers in Fahrtrichtung ergeben hat. Als weitere Tatsache steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger
bei Kilometer 0,4 der B 43 in westlicher Richtung fahrend bei einem Wendemanöver mit dem ihm auf der Überholspur folgenden
Pkw des H. zusammengestoßen ist. Die Umstände des Unfalls sind dem Kläger ebenfalls nicht mehr erinnerlich, werden aber vom
Unfallgegner H. in seiner polizeilichen Aussage vom 23. Januar 2011 plastisch beschrieben. Ausweislich dessen hatte der Kläger
seine Fahrt verlangsamt, fuhr auf der rechten Fahrspur relativ weit rechts, bevor er "plötzlich in einem Zug, sehr flüssig"
zum Wenden ansetzte ohne den Blinker zu setzen, wodurch es zur Kollision mit dem auf der linken Spur fahrenden Mercedes Pkw
des Zeugen kam. Mit PHK G. und POK C. geht der erkennende Senat danach davon aus, dass der Kläger bei einem Wendemanöver verunglückt
ist. Ein Wendemanöver des Klägers auf einer vierspurigen Bundesstraße am konkreten Ort und zur konkreten Zeit machte nur Sinn,
wenn der Kläger auf diese Weise seinen Fehler beim Abbiegen von der A 671 korrigieren wollte, um noch rechtzeitig zur Arbeitsstätte
in H Stadt zu gelangen, woraus wiederum folgt, dass dem Wendemanöver dieselbe Handlungstendenz zugrunde lag wie der Fahrt
insgesamt: Der Kläger wollte seine Arbeitsstelle erreichen, um dort seine um 17:45 Uhr beginnende Arbeitsschicht pünktlich
antreten zu können.
Die näheren Umstände seiner "Falschfahrt" auf der B 43 rechtfertigen nicht die Annahme, dass die auf Erreichen des Arbeitsplatzes
gerichtete Handlungstendenz des Klägers nach dem Falschabbiegen zwischenzeitlich entfallen wäre - auch wenn nach Auskunft
des POK C. vom 8. Mai 2014 auf den ersten 400 bis 500 Metern der B 43 vor Beginn des Fahrbahnteilers bereits eine - verbotswidrige
- Wendemöglichkeit bestanden hätte und obwohl der Kläger nach 750 Metern die Ausfahrt Bischofsheim und nach 2.000 Metern die
Ausfahrt Rüsselsheim Mainzer Straße passiert hatte, wo er eigentlich - ohne Verkehrsverstoß - hätte abfahren und zur Arbeitsstelle
zurückfahren können. Der Kläger kann zum Verlauf der Fahrt auf der B 43 bis zur Unfallstelle ebenso wenig Auskunft geben wie
zum Wendemanöver selbst, zu dem er sich offensichtlich entschlossen hatte, nachdem er die in Beton und Metall ausgeführten
Fahrbahntrennungen, die sich nach der Auskunft des POK C. auf einer Länge von 2.100 Metern erstreckten, passiert hatte und
sich sodann die Möglichkeit zum Wenden bot.
Das verbotswidrige Wendemanöver des Klägers, das von der Staatsanwaltschaft als fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs
nach §
315 c Abs.
1 Nr.
2 f Abs.
3 Strafgesetzbuch (
StGB) angesehen wurde durch Wenden auf einer Kraftfahrstraße, lässt den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz für diese Handlung
nicht entfallen. Denn nach §
7 Abs.
2 SGB VII schließt verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht aus. Die Regelung erfasst jede Art von Verbotsnormen - auch
solche im Verkehrs- und Strafrecht (Wagner in: juris Praxiskommentar (juris PK),
SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 47 zu §
7; Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Randziffer 7 zu § 7) und gilt selbst dann, wenn der Versicherungsfall
- wie beim Kläger - ohne das verkehrswidrige Verhalten nicht eingetreten wäre (BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 22; Schmitt,
SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, 4. Auflage, Anmerkung 6 zu §
7). Dem entsprechend hat die Rechtsprechung in zahlreichen Fällen ein verbotswidriges Handeln im Rahmen der versicherten Tätigkeit
als unschädlich für den Versicherungsschutz erachtet, soweit eine mit dem verbotswidrigen Verhalten verbundene auf betriebsfremde
Zwecke gerichtete Handlungstendenz nicht feststellbar war. Für das Entfallen des inneren Zusammenhangs aufgrund des Vorliegens
einer strafbaren Handlung ist vielmehr erforderlich, dass die Handlungstendenz des Versicherten bei einem solchen Verhalten
auf einen betriebsfremden Zweck gerichtet ist. Dass seine Handlungsweise als grob verkehrswidrig, rücksichtslos oder eigensüchtig
zu qualifizieren ist, kann dafür nicht ausreichen. Denn der Bezug zum Zurücklegen des Weges, dem betrieblichen Zweck, wird
dadurch nicht aufgehoben. Es handelt sich vielmehr weiterhin um ein Verkehrsverhalten, das die Fortbewegung zur Arbeitsstätte
zum Ziel hat und sich deshalb innerhalb des im Rahmen der Wegeunfallversicherung versicherten Risikos der allgemeinen Verkehrsgefahren
hält (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 45/99 R - juris). Auch die Länge der in falscher Richtung auf der B 43 zurückgelegte Fahrstrecke von ca. 2,5 km und die Dauer der
Fahrt von nur wenigen Minuten, stehen dem Fortbestehen des inneren Zusammenhanges nicht entgegen. Der Senat hat anderweitig
bei Verlängerung des direkten Weges infolge verkehrsbedingter Zurücklegung eines Umweges entschieden, dass ein um ein Drittel
verlängerter Weg zur Arbeit einen bedeutenden, versicherungschädlichen Umweg darstellt (Urteile vom 20. Mai 2008 - L 3 U 195/07 sowie vom 5. Juni 2012 - L 3 U 11/11). Diesen Umfang erreicht der versehentlich eingeschlagene Weg des Klägers bei weitem nicht. Denn im Vergleich zur Gesamtlänge
des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von ca. 30 km laut Via Michelin beträgt der auf der B 43 zurückgelegte Weg bis
zur Unfallstelle mit etwa 2,5 km weniger als 10 % desselben; unter Hinzurechnung des Rückweges bis zum Falschabbiegen von
der A 671 etwa ein Sechstel. Auch die Zeit, um die 2,5 km auf der B 43 zurückzulegen, beträgt nur einen kleinen Bruchteil
der knapp halbstündigen Fahrzeit für die Fahrt von der Wohnung zur Arbeit und muss daher als verhältnismäßig kurze, keineswegs
versicherungsschädliche Strecke angesehen werden (auf diesen Gesichtspunkt ebenso abstellend: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 9. November 2004 - L 3 U 132/04 in HVBG Info 2005, 118, 129).
Der Senat folgt der Auffassung der Beklagten nicht, die den Unfallversicherungsschutz verneint, weil der Kläger ihres Erachtens
auf einem unversicherten Abweg verunglückt sei. Es sei weder voll bewiesen, dass er sich tatsächlich verfahren habe noch sei
der Grund für das Abweichen vom direkten Weg zur Arbeitsstelle festgestellt, der in besonderen Risiken liegen müsse, die der
Schutznorm des §
8 Abs.
2 Ziffer 1
SGB VII zuzurechnen seien, um die Fortsetzung einer versicherten Fahrt nach dem Falschabbiegen überhaupt in Betracht ziehen zu können.
Bei Annahme eines Abweges im Sinne der Beklagten würde Versicherungsschutz mit dem ersten Schritt auf diesem Abweg entfallen
und erst wieder aufleben, wenn der Versicherte auf den versicherten Hinweg zur Arbeit zurückkehrt. Die Umkehr in Richtung
des versicherten Weges auf dem Abweg bliebe zunächst ohne Bedeutung und führte nicht dazu, dass Versicherungsschutz bereits
ab dem Umkehrort/-moment wieder greifen würde und damit vor Wiedererreichen des versicherten Weges (dazu Ricke aaO., BSG in SozR 3-2200 § 548 Nr. 8 und in SozR 4-2700 § 8 Nr. 28 Rdnrn. 21, 22). Im Ergebnis hätte der Kläger danach mit dem Abbiegen auf die B 43 Richtung
Rüsselsheim bereits einen unversicherten Weg begonnen, der erst beendet gewesen wäre, wenn er die Abfahrt von der A 671 auf
die B 43 wieder erreicht hätte. Der Wendevorgang selbst hätte nicht bereits wieder unter Versicherungsschutz gestanden.
Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist für den Senat erwiesen, dass der Kläger sich beim Falschabbiegen verfahren hat,
da kein privater Zweck erkennbar geworden ist, weswegen er bewusst in die der Arbeitsstelle entgegen gesetzte Richtung auf
der B 43 gefahren sein sollte. Auch das anschließende Wendemanöver lässt als sinnvolle Erklärung nur ein versehentliches und
kein bewusstes Abbiegen von der A 671 auf die von dem Arbeitsplatz wegführende Fahrbahn der B 43 zu.
Der Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass der Senat die Ursache nicht feststellen konnte, die zum Falschabbiegen des
Klägers geführt hat. Dem Kläger fehlt jegliches Erinnerungsvermögen für den Vorgang des Falschabbiegens und - anders als beim
Wendemanöver - existieren keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel, die insoweit ursächliche Zusammenhänge bestätigen oder
widerlegen könnten, so dass der Grund für das Falschabbiegen ungeklärt bleibt. Damit ist einer der beiden auffälligen Momente
der vom Senat zugrunde gelegten Hinfahrt zur Arbeitsstelle ungeklärt und die Frage, inwieweit innere und/oder äußere Ursachen
ein Fortbestehen oder eine Beendigung des inneren Zusammenhangs eines irrtümlichen oder versehentlichen Abkommens vom direkten
Weg begründen, bleibt unbeantwortet. Rechtsprechung (beispielsweise Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Oktober 2007 aaO.)
und Literatur (Keller in: Hauck, Sozialgesetzbuch
SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 245 a und b zu §
8; Wagner in: juris PK, aaO., Anm. 211 zu § 8) gehen insoweit davon aus, dass ein Versicherter, der sich verfährt und irrtümlich
einen Umweg macht, auf dem Umweg versichert bleibt, soweit weiterhin objektive Umstände belegen, dass seine Handlungstendenz
unverändert darauf gerichtet ist, den Arbeitsplatz zu erreichen. Objektive Umstände, die diese Handlungstendenz stützen, verlieren
ihre Bedeutung, wenn der Irrtum/das Versehen wesentlich durch in der Person liegende und damit dem unversicherten Bereich
zugehörige Umstände hervorgerufen werden, es sei denn, diese Umstände (beispielsweise Müdigkeit) sind durch betriebliche Belastungen
oder die ermüdende Fahrt bedingt (BSG in SozR
RVO § 543 a.F. Nr. 23; BSG, Urteil vom 18. April 2000 B 2 U 7/99 R). Davon geht die Rechtsprechung bei einem einfachen Versehen infolge verminderter Aufmerksamkeit und/oder Konzentration noch
nicht aus (BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 12/12 R - juris und BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 aaO.), während sie - zumindest beim Erwachsenen - eine darüber hinausgehende Gedankenlosigkeit,
Unkonzentriertheit und Fahrigkeit als versicherungsschädlich ansieht (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 aaO.). Demgegenüber wird ein Verirren aufgrund äußerer Umstände wie Dunkelheit, Nebel oder schlechter
Beleuchtung weiterhin generell dem versicherten Risikobereich zugeordnet (BSG SozR § 543
RVO a.F. Nr. 13; BSG in SozR 3-2200 § 550 Nr. 17; BSG, Urteil vom 18. April 2000 - B 2 U 7/99 R - juris).
Ungeachtet dessen hält der Senat den inneren Zusammenhang der Fahrt auch nach dem Falschabbiegen für erwiesen, da er in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung (BSGE 91, 293; BSG, Urteile vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R und 12/12 R - juris) maßgebend auf die Handlungstendenz des Klägers abstellt, die vor und nach dem Abbiegevorgang unverändert
war (darauf ebenfalls abstellend: Urteil des LSG Rheinland-Pfalz, aaO. und des LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 15. Januar
1997 - L 5 U 15/95 - juris; letzteres bestätigt durch BSG, Beschluss vom 27. Mai 1997 - 2 B U 56/97 - juris). Er bewerte das Zurücklegen des gesamten Weges bis zum Unfallort - und bei Unfallfreiheit auch darüber hinaus zurück
bis zum Arbeitsplatz - als einheitlichen Vorgang, der keiner den Unfallversicherungsschutz beendenden Zäsur deshalb unterliegt,
weil der Grund des Falschabbiegens - vor allem wegen des einen Beweisnotstandes des Klägers begründenden Erinnerungsverlustes
- nicht mehr aufklärbar ist. Danach war die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs.
2 SGG).