Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Kosten einer minimal-invasiven Magenverkleinerung
(Magenband) zur Adipositas-Behandlung streitig.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin, geboren im März 1977, war hochgradig übergewichtig. Am 22. August 2006
ging bei der Beklagten der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine Magenbandoperation mit Schreiben des Krankenhauses
IO. GmbH in B-Stadt (15. August 2006) ein. In diesem Schreiben des Krankenhauses IO. GmbH in B-Stadt wird ausgeführt, bei
einer Körpergröße der Klägerin von 1,78 m und einem Gewicht von 130 kg bestehe ein Body-Mass-Index von 41 (BMI = Quotient
aus Körpergewicht in Kilogramm und Körpergröße zum Quadrat, Normalgewicht: BMI &8804; 25). Ergänzend werden folgende Diagnosen
genannt: Adipositas Grad 3, Asthma Bronchiale, Porphyrie, reaktive Depression, Gonarthrose bds., LWS-Syndrom. Die Behandlungsmöglichkeiten
seien ausgeschöpft, wie sich aus der beigefügten Liste der durchgeführten (Laien-)Diäten und professionell begleiteten konservativen
Therapieversuchen ergebe. Aufgrund einer medizinischen und psychologischen Anamnese sowie der Erstellung eines 14 tägigen
Ernährungsprotokolls sei man auf der Grundlage der Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft zu der Überzeugung gekommen,
eine Magenbandimplantation sei indiziert. Aufgrund der Familienanamnese bestehe ein hohes Risiko für den Erwerb von Adipositas
assoziierten Folgeerkrankungen. Auch habe die Anamnese/Untersuchung keine Kontraindikation ergeben.
Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (im
Weiteren: MDK), die am 24. Oktober 2006 durch Dr. QQ. erfolgte. In seinem schriftlichen Gutachten (27. Oktober 2006) kommt
Dr. QQ. zu dem Ergebnis, die Anlage eines Magenbandes könne als medizinisch indizierte Maßnahme akzeptiert werden. Jedoch
habe die Klägerin über eine Morbus Crohn Diagnose berichtet. Auch wenn sie von keinen typischen Beschwerden einer solchen
Erkrankung berichtet habe, sei sie (für eine solche Erkrankung typisch) 6 Monate lang mit hoch dosiertem Cortison, Zytostatikum
und mit Antikörperfunktionen behandelt worden. Das Vorhandensein dieser Erkrankung als chronisch entzündliche Darm-Erkrankung
stelle eine Kontraindikation der beantragten Maßnahme dar. In dem Schreiben des Krankenhauses IO. GmbH in B-Stadt sei auf
diese Vorerkrankungen nicht eingegangen worden. Deshalb sei eine weitere Abklärung erforderlich. Nach Beiziehung weiterer
ärztlicher Unterlagen kam Dr. QQ. in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 6. Dezember 2006 zu der Auffassung, nach den vorgelegten
Unterlagen könne das Krankheitsbild nicht hundertprozentig sicher ausgeschlossen werden. Entzündliche Schübe dieser Erkrankung
ließen sich nicht vorhersagen, so dass eine prophylaktische Entfernung des Bandes nicht möglich sei. Ein entzündlicher Prozess
stelle ein erhöhtes Risiko für die Anlage des Magenbandes dar, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Perforation des
Bandes. Auch der Hersteller des Magenbandes (Firma XY.) vertrete diese Auffassung. Da das Magenband keine Heilmaßnahme einer
Adipositas darstelle und nur als ultima ratio einer Adipositas-Behandlung angesehen werden könne, könne vorliegend die beantragte
Kostenübernahme nicht befürwortet werden.
Nach Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen - mit dem Inhalt, dass ein Morbus Crohn nicht festgestellt worden sei - lehnte
die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 15. Februar 2007 auf der Grundlage der Stellungnahmen von Dr. QQ. ab.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, bei ihr sei ein Morbus Crohn nicht festgestellt worden.
Sie leide seit ihrer Jugend unter Übergewicht, welches durch Diäten und sportliche Betätigung nicht habe reduziert werden
können. Aufgrund des Übergewichts und mangelnder Akzeptanz der Umwelt sei es zu einer erheblichen psychischen Belastung gekommen.
Sie habe gelernt, sich ausgewogen und gesund zu ernähren. Problematisch sei lediglich die übermäßige Zufuhr von Nahrungsmitteln
wegen des zu spät einsetzenden Sättigungsgefühls. Eine Verhaltensfehlsteuerung liege nicht vor. Im Übrigen verwies sie auf
die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. Februar 2003, Az. B 1 KR 1/02 R).
Die Beklagte holte weitere ärztliche Unterlagen, u. a. 2 Entlassungsberichte des LK.Hospitals in C-Stadt ein. Der Entlassungsbericht
vom 14. Februar 2005 enthält Angaben über eine stationäre Behandlung vom 25. Januar bis zum 1. Februar 2005. Es werden die
Diagnosen: Ileutis terminalis bei Morbus Crohn, reaktive Depression, Adipositas, anamnetisch Asthma bronchiale, genannt. Histologisch
seien keine Morbus Crohn typische (fehlende Granulome) Zeichen erkennbar, es hätten sich aber mit der Diagnose vereinbare
Befunde gezeigt. Bereits im Dezember 2004 sei bei der Klägerin ein Morbus Crohn vermutet worden. Der Entlassungsbericht vom
5. April 2005 bezieht sich auf eine ambulante Behandlung im Januar 2005 und eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 25.
Februar bis zum 15. März 2005 u. a. wegen Morbus Crohn.
Mit schriftlicher Stellungnahme vom 13. April 2007 (Dr. WW., Arzt für Chirurgie/Visceralchirurgie) kam der MDK nach Auswertung
der beigezogenen und von der Klägerin ergänzend vorgelegten ärztlichen Unterlagen zu dem Ergebnis, die Diagnose eines Morbus
Crohn sei nunmehr deutlich untermauert. Es bestehe eine hohe Wiederauftrittsrate. Eine Kostenübernahme der beantragten Magenbandimplantation
könne - auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - nicht angeraten werden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2007 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück unter Auswertung
der schriftlichen Stellungnahme des MDK vom 13. April 2007.
Dagegen hat die Klägerin am 7. September 2007 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben unter Vorlage eines ärztlichen
Attests von Prof. Dr. H. vom 7. Februar 2007 (Untersuchung am 15. März 2006 und am 31. Januar 2007 habe keinen Hinweis auf
ein entzündliches Geschehen im Darm ergeben) und eines Schreibens von Dr. C. vom 6. Juni 2007 (retrospektiv habe die Diagnose
Morbus Crohn nicht sicher gestellt werden können).
Den Antrag der Klägerin, die Beklagte im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten einer minimal-invasiven
operativen Magenverkleinerung zu übernehmen, hat das Sozialgericht (Az. S 18 KR 535/07 ER) mit Beschluss vom 5. Oktober 2007 abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg (Hessisches
Landessozialgericht, Beschluss vom 6. Februar 2008, Az. L 8 KR 319/07 ER).
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Amts wegen bei Dr. E. vom 11. September 2008. Dieser
kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass unter Abwägung der Risiken und der jetzt bestehenden Veränderungen unter Berücksichtigung
der Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft keine Indikation für eine Magenbandoperation bestehe. Des Weiteren hat
das Sozialgericht ein Gutachten nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bei Prof. Dr. EE. vom 10. Februar 2010 eingeholt. Dieser kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass aufgrund der vermeintlichen
Rückbildung der im Jahr 2004/2005 beschriebenen Veränderungen vom Vorliegen einer chronisch-rezidivierenden, entzündlichen
Damenerkrankung im Sinne eines Morbus Crohn nicht ausgegangen werden könne. Prof. Dr. EE. sprach sich in seinem Gutachten
für die Implantation eines Magenbandes bei der Klägerin aus.
Die Beklagte hat im Klageverfahren darauf hingewiesen, dass die Klägerin wegen der Diagnose Morbus Crohn wiederholt arbeitsunfähig
erkrankt gewesen sei und sich in stationärer Krankenhausbehandlung befunden habe. Dr. RR. (Arzt für Allgemeinmedizin) habe
zuletzt am 20. April 2009 dies als gesicherte Diagnose angegeben.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. August 2010 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen
ausgeführt, die Klägerin besitze nach §
27 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) keinen Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen
erreicht werden könne, sei zunächst zu prüfen, ob eine Krankenhausbehandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen
(diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich sei (§
12 Abs.
1, §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V). Daran anschließend sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan erfüllt
seien. Die Implantation eines Magenbandes, komme nur als ultima ratio und nur bei Patienten in Betracht, die kumulativ eine
Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllten: Der BMI müsse entweder &8805; 40 oder &8805; 35 mit erheblichen
Begleiterkrankungen betragen; konservative Behandlungsmethoden müssten ausgeschöpft sein; das Operationsrisiko müsse tolerabel
sein; der Patient müsse ausreichend motiviert sein und nicht an einer manifesten psychiatrischen Erkrankung leiden; des Weiteren
müsse die Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung bestehen (Hinweis auf: Bundessozialgericht, Urteil vom
16. Dezember 2008, Az. B 1 KR 2/08 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2003, Az. B 1 KR 1/02 R; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, Az. L 8 KR 328/07). Zwar komme der MDK in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2006 zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich die Anlage eines Magenbandes
befürwortet werden könne, wenn nicht die Morbus Crohn Diagnose im Raum stehe. Bei der Diagnose eines Morbus Crohn handele
es sich um eine Kontraindikation gegen die Anlage eines Magenbandes. Dies bezüglich seien sich alle Gutachter des MDK sowie
Dr. E. als auch Prof. Dr. EE. einig. Im Falle des Vorliegens einer solchen Kontraindikation sei ein tolerables Operationsrisiko
nicht gegeben. Nach Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 524) sei Morbus Crohn eine chronisch entzündliche,
meist in Schüben verlaufende Erkrankung, die alle Abschnitte des Verdauungstraktes erfassen könne. Symptome dieser Erkrankung
seien Bauchschmerzen, Durchfälle, Gewichtsverlust, Fieber, perianale Abszesse und Fisteln, die Darmwand sei verdickt und bei
einer Darmspiegelung zeige sich ödematös aufgetriebene Schleimhautinseln (sogenanntes Pflastersteinrelief). Zwar komme Prof.
Dr. EE. in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, die Magenbandoperation sei im Falle der Klägerin indiziert. Die Kontraindikation
Morbus Crohn stehe dem nicht entgegen, da das Vorliegen dieser Erkrankung bei der Klägerin nicht eindeutig nachgewiesen sei;
bei der Diagnose handele es sich - nach seiner Auffassung - lediglich um eine Arbeitsdiagnose. Demgegenüber komme Dr. E. zu
dem Ergebnis, dass keine Indikation für eine Magenbandoperation vorliege mit der Begründung, ein typischer Morbus Crohn habe
feingeweblich zwar nie nachgewiesen werden können. Die objektiv nachweisbaren Veränderungen ließen jedoch einen deutlichen
Verdacht auf das Vorliegen einer entzündlichen Darmerkrankung zu. In dem Gutachten des MDK vom 13. April 2007 werde dies schlüssig
und nachvollziehbar ausgeführt. Den Unterlagen aus dem LK.Hospital C-Stadt sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Diagnose
eines Morbus Crohn gestellt und die Klägerin entsprechend behandelt worden sei. Es treffe zwar zu, dass kein eindeutiger histologischer
Beweis erbracht worden sei, jedoch untermauerten die klinischen und laborchemischen Befunde, die lleokoloskopie und die bildgebenden
Verfahren die Diagnose eines Morbus Crohn. Die nach 2005 durchgeführten Koloskopien (Dickdarmspiegelungen) habe nur den fehlenden
Befall des Dickdarmes nachwiesen, eine Remission des Morbus Crohn könne jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die Beschwerden
der Klägerin in 2005 seien eindeutig auf den Morbus Crohn zurückzuführen und nicht auf Gallensteine. Bei einer Magenbandimplantation
im inaktiven Stadium eines Morbus Crohn bestehe ein deutlich erhöhtes Risiko gegenüber Patienten, die nicht an einer chronisch
entzündlichen Darmerkrankung litten. Bei Morbus Crohn handele es sich um eine Erkrankung, die in unterschiedlicher Häufigkeit
alle Anteile des Magendarmtraktes befallen könne. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass die Magenbandoperation bei
der Klägerin nicht mit einem tolerablen Operationsrisiko durchgeführt werden könne. Auch auf Grund des Gutachtens von Prof.
Dr. EE. stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei der Klägerin die Kontraindikation eines Morbus Crohn nicht
vorliege. Entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. EE. sei es im Jahre 2005 bei der Klägerin sowohl zu Veränderungen des Stuhlgangs
als auch zu einem Gewichtsverlust von 9 kg gekommen. Dies ergebe sich aus dem Arztbrief des LK.Hospitals C-Stadt vom 7. März
2005. Ausweislich dieses Arztbriefes zeige sich bei der Klägerin auch ein Konglomerattumor. Ausweislich des Arztbriefes des
LK.Hospitals C-Stadt vom 4. Februar 2005 habe sich bei der Koloskopie ein Terminales lleum mit Pflastersteinrelief gezeigt.
Des Weiteren habe die Klägerin unter Bauchschmerzen gelitten und der Ultraschall habe eine verdickte Darmwand ergeben. Mithin
habe die Klägerin mehrere der typischen Symptome für Morbus Crohn gezeigt. Prof. Dr. EE. habe übersehen, dass ausweislich
des Arztbriefs des LK.Hospitals C-Stadt vom 7. März 2005 bei der Klägerin Stuhlgangveränderungen und auch ein Gewichtsverlust
aufgetreten seien. Auch setze er sich mit dem bei der Klägerin im Rahmen der Koloskopie beobachteten lleum mit Pflastersteinrelief
nicht auseinander. Auch erkläre er nicht, welche anderen Ursachen zu dem Vorliegen eines Konglomerattumors sowie eines lleum
mit Pflasterseinrelief geführt haben könnten. Vor diesem Hintergrund habe das Gutachten nicht überzeugend dargelegt, dass
bei der Klägerin kein Morbus Crohn vorliege. Auch erscheine es nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin über 6 Monate mit
Kortison, einem Zytostatikum und Antikörperinfusionen behandelt worden sei, obwohl ein Morbus Crohn nicht vorgelegen haben
soll. Die fehlende Nachweisbarkeit der Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme für eine Magenbandoperation
gehe zu ihren Lasten. Zwar obliege den Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz
keine subjektive Beweisführungslast. Jedoch sei die objektive Beweislast für das sozialgerichtliche Verfahren von Bedeutung.
Danach gelte der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trage,
die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründeten (Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer,
SGG, §
103 Rdnr. 191).
Gegen das am 9. September 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. September 2010 Berufung eingelegt.
Der Senat hat einen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Dr. TT./Dr. D. vom 13. Mai 2011 nebst ärztlichen Unterlagen eingeholt.
Danach habe sich die Klägerin zwischenzeitlich einer Magenbandoperation unterzogen. Des Weiteren hat der Senat einen Befundbericht
von Dr. C. vom 25. Mai 2011 nebst ärztlichen Unterlagen beigezogen. Diese enthalten u.a. einen Arztbrief des Krankenhaus IO.
GmbH vom 12. August 2010. Danach wurde der Klägerin im Rahmen eines stationären Aufenthalts (8. bis 13. August 2010) am 9.
August 2010 ein Magenband implantiert.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, da die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen des MDK, die beantragte Leistung ausschließlich
wegen einer angeblichen Morbus Crohn Erkrankung abgelehnt habe, sie jedoch an einer solchen Erkrankung nicht leide, habe sie
einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten einer Magenband-Implantation. Sowohl ihr Hausarzt Dr. C. als auch
Dr. ZZ. seien übereinstimmend der Auffassung, ein Morbus Crohn liege nicht vor. Die Klägerin legt die Schlussrechnung des
IO. GmbH vom 18. August 2010 vor. Danach wurde ihr ein Betrag in Höhe von 5.530,25 EUR für ihren stationären Aufenthalt vom
9. bis 13. August 2010 in Rechnung gestellt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2007 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten ihres stationären
Aufenthaltes vom 9. bis 13. August 2010 einschließlich der Implantation eines Magenbandes im IO. Krankenhaus GmbH in B-Stadt
in Höhe von 5.530,25 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass auch nach Erlass ihres Widerspruchsbescheides vom 22. August 2007 die Diagnose Morbus Crohn
regelmäßig bestätigt wurde. Insoweit legt sie Ausdrucke aus dem EDV-System über Entlastungsmitteilungen des LK.Hospitals C
Stadt und der die Klinik JV. vor.
Der Senat hat ein Gutachten nach Aktenlage bei Frau Prof. Dr. G. (Leiterin der Gastroenterologie der NW.-Universität G-Stadt,
Medizinische Klinik und Poliklinik II, Zentrum für Innere Medizin) vom 5. März 2012 eingeholt. Danach bestand bei der Klägerin
in der Zeit zwischen 2007 und 2010 immer wieder eine Adipositas Grad III mit einem BMI &8805; 40 sowie ein sehr hohes Risiko
für Begleiterkrankung des Übergewichts nach WHO, 2000 EK 4 (wie Hypertonie, Diabetes Typ II sowie das Vorliegen eines hohen
psychosozialen Leidensdrucks). Ohne Berücksichtigung der Diagnose Morbus Crohn seien die Voraussetzungen für eine Implantation
eines Magenbandes der Adipositas-Leitlinie 2007 erfüllt. Auch wenn die Klägerin in den Jahren nach 2005 beschwerdefrei gewesen
sei, sei die Klägerin, die Anfang 2005 aufgrund der erhobenen Befunde (Dünndarmkonglomattumor, entzündlicher Dünndarmstenose,
kurzstreckiger Wandverdickung des terminalen Ileums, Pflastersteinerelief terminalen Ileum), der klinischen Symptomatik und
den dazu passenden bildgebenden Befunde entsprechend den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungsstörungen- und
Stoffwechselerkrankungen behandelt worden. Auch wenn sich in den folgenden Jahren keinerlei klinische Aspekte für einen Morbus
Crohn ergeben haben, spreche dies nicht gegen das Vorliegen dieser chronischen entzündlichen Darmerkrankung. Vor dem Hintergrund
der klinischen und chronischen Diagnose sei die Anlage eines Magenbandes kontraindiziert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte
verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Auf die zulässig Berufung der Klägerin war die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom
27. August 2012 und der Bescheide der Beklagten zur Übernahme der Kosten der Implantation eines Magenbandes im IO. in B-Stadt
zu verurteilen.
Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten nach §
13 Abs.
3 Satz 1 2. Alt.
SGB V besitzt.
Nach Durchführung der Operation hat die Klägerin zutreffend ihren Antrag auf Sachleistung auf Erstattung der ihr entstandenen
Kosten umgestellt.
Nach §
13 Abs.
3 Satz 1 2. Alt.
SGB V hat der Versicherte einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse eine Leistung rechtswidrig eine Leistung abgelehnt
(2. Alt.) hat. Diese Norm enthält eine abschließende Regelung (Kingreen in Becker/Kingreen,
SGB V, 2. Auflage, §
13 Rdnr. 19) und gewährt nur in diesen Ausnahmefällen einen Kostenerstattungsanspruch (so Bundessozialgericht, Urteil vom 20.
Mai 2003, Az. B 1 KR 9/03 R, veröff. in Juris). Voraussetzung ist, dass die Krankenkasse verpflichtet gewesen ist, die selbstbeschaffte Leistung - vorliegend
ein stationärer Aufenthalt zur Implantation eines Magenbandes -, als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen.
Nach Überzeugung des Senats ist die Beklagte im Zeitpunkt der Durchführung der Operation am 9. August 2010 verpflichtet gewesen,
diese als Sach- oder Dienstleistung gem. §
27 Abs.
1 Satz 1 und
2 Nr.
5, §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V zu erbringen. Dem steht das im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholte Gutachten von Frau Prof. Dr. G. vom 5. März 2012
nicht entgegen.
Es bestätigte zwar im Ergebnis die Auffassung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil, dass eine Kontraindikation für
eine operative Magenverkleinerung und somit auch für die Anlage eines Magenbandes im Falle der Klägerin bestand. Dies entspricht
jedoch nicht der S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (Chirurgische
Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie [CA-ADIP]) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), der
Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung von Juni
2010.
Nach dem Gutachten von Frau Prof. Dr. G. vom 5. März 2012 sind ohne Berücksichtigung der Diagnose Morbus Crohn die Therapievoraussetzung
für die Anlegung eines Magenbandes erfüllt. So lag eine über Jahre hinweg aufrecht erhaltende Motivation vor. Auch ist eine
Gewichtsanamnese und Therapieversuche, psychosoziale Anamnese, Bewegungsaktivität und Familienanamnese ausführlich dokumentiert.
Weiter besteht nach der Adipositas-Leitlinie 2007 eine Indikation im Falle der Klägerin bei Adipositas Grad III auch ohne
Co- Morbidität. Bei der Klägerin lag in der Zeit zwischen 2007 und 2010 immer wieder eine Adipositas mit einem BMI &8805;
40 und es bestand somit ein sehr hohes Risiko für Begleiterkrankungen. Zu den perioperativen Komplikationen, die bei 5-15
% der Patienten auftreten, zählen überwiegend Wundheilungsstörungen (3 12 %), kardiovaskuläre Probleme wie Thrombosen (1-9
%) oder Lungenembolien (0,2 1,5 %) bei den Spätkomplikationen handelt es sich im Wesentlichen um lokale anatomische Probleme
im Operationsgebiet und um chronische Nährstoffdefizite als Folge der Malabsorption. Da ein Morbus Crohn per se mit Wundheilungsstörungen
verbunden sei und auch im Verlauf zu chronischen Nährstoffedefiziten wie Malabsorption führen kann, stellt Morbus Crohn eine
Kontraindikation für eine operative Adipositas-Behandlung dar. Hierzu führt Frau Prof. Dr. G. in ihrem Gutachten aus, auch
wenn die Klägerin in den Jahren nach 2005 beschwerdefrei gewesen sei, sprächen die Anfang 2005 erhobenen Befunde mit Dünndarmkonglomattumor,
entzündlicher Dünndarmstenose, kurzstreckiger Wandverdickung des terminalen Ileums, Pflastersteinrelief im terminalen Ileum
für einen Morbus Crohn. Es handelt sich nach dem Gutachten von Frau Prof. Dr. G. vom 5. März 2012 um einen blanden Verlauf
mit nur geringer oder sogar nur einmaliger Schubfrequenz.
Vor diesem Hintergrund kommt Frau Prof. Dr. G. in ihrem Gutachten vom 5. März 2012 zu dem Ergebnis, dass eine operative Magenverkleinerung
kontraindiziert sei. Auch wenn an dem Vorliegen einer therapiebedürftigen Adipositas keine Zweifel bestehen, sollte nach Überzeugung
der Sachverständigen auf der Grundlage der Adipositas-Leitlinie eine operative Maßnahme nicht vor einer Verhaltenstherapie
durchgeführt werden.
Dieser Schlussfolgerung konnte sich der Senat nicht anschließen. Denn nach der S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas der
Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (Stand Juni 2010), die von der Sachverständigen Frau Prof. Dr.
G. nicht hinreichend berücksichtigt wurde, wird unter 3.2 Indikationen zur der Frage von Kontraindikationen (Seite 22) ausgeführt:
"Die bariatrischen Operationen sind zwar die wirksamsten Methoden zur Gewichtsreduktion, aber keine zwangsläufige Erfolgsgarantie
für den einzelnen Patienten, denn für den Gewichtsverlauf ist die Adhärenz im Hinblick auf Verhalten und langfristige Nachsorge
wichtig. Aus solchen Überlegungen heraus wurden in der Vergangenheit Empfehlungen für die Selektion von Patienten zur bariatrischen
Operation abgeleitet. So wurde von Operationen bei Patienten über 60 Lebensjahren abgeraten, weil mit dem Alter das perioperative
Risiko steigt und gleichzeitig die Adipositas-assoziierten Komorbiditäten im Vergleich mit jüngeren Patienten weniger stark
zurückgedrängt werden.
Die Binge-Eating-Störung, psychische Erkrankungen oder kindliche Missbrauchserfahrung stellen heute keine generelle Kontraindikation
gegen bariatrische Maßnahmen mehr dar [EL 4] [Herpertz et al. 2004, de Zwaan et al. 2010, White et al. 2009]. Instabile psychopathologische
Zustände, aktive Substanzabhängigkeit und eine unbehandelte Bulimia nervosa werden als Kontraindikationen bewertet. Psychische
Erkrankungen können aber behandelt werden und in einen stabilen Zustand übergeführt werden: Dann sollte eine Re-Evaluation
stattfinden [BEL 2b] [Black et al. 2003, Schrader et al. 1990]. Konsumierende Grunderkrankungen, Neoplasien, chronische Erkrankungen
wie Leberzirrhose oder andere schwer gesundheitlich einschränkende Erkrankungen, welche sich durch den postoperativen katabolen
Stoffwechsel verschlechtern können, erhöhen zweifelsfrei das perioperative Risiko deutlich und sind klare Kontraindikationen.
Letztlich gibt es, wie die amerikanischen Leitlinien festhalten [Mechanick et al. 2008], keine Evidenz für absolute Kontraindikationen
in der Adipositaschirurgie. Die Indikation bleibt somit eine ärztliche Einzelfallentscheidung."
Auf dieser Grundlage ist der Senat zu der Überzeugung gekommen, dass die im Jahr 2005 durchgeführte Behandlung eines Morbus
Crohn der im Jahr 2010 durchgeführten Magenband-Operation nicht entgegensteht.
Der Senat stellt auf diese Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ab, da
diese eine systematisch entwickelte Hilfe für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen darstellt (siehe:
www.awmf.org/leitlinien.html). Auch wenn diese rechtlich nicht bindend ist, so beruht die Leitlinie auf aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnissen und auf in der Praxis bewährten Verfahren. Die Klassifizierung als "S3 Leitlinie" bringt zum Ausdruck, dass
diese auf der Grundlage einer formellen oder systematischen Evidenzrecherche erstellt wurde und alle Elemente einer Systematischen
Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und Outcome-analyse, Bewertung klinischer Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige
Überprüfung) beinhaltet (siehe www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/.../klassifikation-s3.html).
Als chronische Erkrankung stellt Morbus Crohn auch hiernach eine potentielle Kontraindikation dar, zugleich wird jedoch mit
Hinweis auf die amerikanischen Leitlinien betont, dass es keine "Evidenz" für absolute Kontraindikationen in der Adipositaschirurgie
gibt.
Nachdem im Falle der Klägerin bereits die Diagnose eines Morbus Crohn zweifelhaft und umstritten und diese Erkrankung jedenfalls
seit 2005 nicht mehr klinisch relevant geworden ist, stand sie dem Anspruch der Klägerin auf die Implantation eines Magenbandes
nicht entgegen.
Der Berufung der Klägerin war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 nicht vorliegen.