Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Durchführung des Eingangsverfahrens in einer Werkstatt für
behinderte Menschen; Auslegung von Anträgen
Gründe:
I. Streitig ist im Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz, ob die Antragsgegnerin oder der Beigeladene vorläufig die Kosten
der Unterbringung der Antragsteller in einer Tagesförderstätte zu tragen hat oder ob die Antragsgegnerin zunächst Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Durchführung des Eingangsverfahrens in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu
gewähren hat.
Die 1992 als Zwillinge geborenen Antragsteller sind körperlich und geistig stark behindert (Blindheit bzw. hochgradige Sehbeeinträchtigung,
zentrale Hörbehinderung, Wahrnehmungsbeeinträchtigung in allen Bereichen, Tetraspastik, Epilepsie, geistige Behinderung).
Sie waren seit 1999 im therapeutisch-pädagogischen Wohnheim "J." in K. in Kostenträgerschaft des beigeladenen Landkreises
untergebracht. Für beide Antragsteller besteht nach dem dort erstellten jeweiligen "Individuellen Hilfeplan-Entwicklungsbericht"
ein erheblicher Hilfebedarf in vielen Situationen, die - auch zum Ausschluss von Selbst- und Fremdgefährdung - vielfach eine
1:1-Betreuung und ständige Beobachtung erfordern. Nach den Ergebnisprotokollen der Sitzung vom 25.8.2010 des Fachausschusses
der Werkstatt für behinderte Menschen sind die Antragsteller einvernehmlich ab 1.8.2010 dem Förderbereich (nicht dem Eingangsverfahren,
dem Berufsbildungs- oder Arbeitsbereich) zugeordnet worden.
Anträge der Antragsteller vom 5.2.2010 auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben lehnte die Antragsgegnerin nach Einholung
eines medizinischen Gutachtens nach Aktenlage durch ihre Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. mit Bescheiden
vom 4.3. und 8.3.2010 ab, da diese Leistungen nach den medizinischen Feststellungen wegen der gesundheitlichen Einschränkungen
der Antragsteller nicht in Betracht kämen. Vielmehr werde die Integration in einer Tagesförderstätte zur Förderung der Teilhabe
am Leben in der Gemeinschaft empfohlen.
Am 14.7.2010 beantragte die Betreuerin der Antragsteller bei dem Beigeladenen für beide Antragsteller die Kostenübernahme
für den Besuch der Tagesförderstätte ab 3.8.2010. Diese Anträge leitete der Beigeladene am 28.7.2010 an die Antragsgegnerin
weiter, da nach seiner Auffassung vor der Aufnahme in die Tagesförderstätte ein Besuch des Eingangsverfahrens in einer Werkstatt
für behinderte Menschen notwendig sei. Die Antragsgegnerin sei daher zunächst vorrangig für die Kostenübernahme zuständig.
Sie habe die Antragsteller über die Weiterleitung unterrichtet.
Mit Schreiben jeweils vom 9.8.2010 teilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen mit, sie sei für die beantragte Leistung zur
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft kein Rehabilitationsträger. Sie verwies auf eine "Gemeinsame Empfehlung" der Bundesarbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation (BAR) und bat um Mitteilung, ob der Beigeladene in eigener Zuständigkeit über den Antrag entscheiden möchte,
andernfalls werde um Mitteilung gebeten, in welcher Form, in welchem Umfang und mit welcher Begründung der Antrag ent-schieden
werden solle.
Daraufhin teilte der Beigeladene der Antragsgegnerin schriftlich mit, er sehe den Antrag als Antrag auf Leistung zur Teilhabe
am Arbeitsleben an, nach seiner Auffassung dürften Leistungsberechtigte nur dann ohne entsprechende Beurteilung im Eingangsverfahren
von der Teilhabe am Arbeitsleben ausgeschlossen werden, wenn trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche
Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten sei oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an der
Maßnahme unmöglich mache. Eine Entscheidung in seiner Zuständigkeit sei nicht vorgesehen, da er nicht Rehabilitationsträger
für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei.
Mit Bescheiden vom 24.8.2010 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge der Antragsteller auf Kostenübernahme ab. Für die Aufnahme
in eine Werkstatt für behinderte Menschen liege die Eignung nicht vor, da die Antragsteller aus amtsärztlicher Sicht nicht
in der Lage seien, den Anforderungen einer Tätigkeit unter Aufsicht und Anleitung gerecht zu werden, vielmehr sei die Integration
in einer Tagesförderstätte zwecks Teilhabe am Gemeinschaftsleben zu empfehlen. Die Antragsgegnerin könne aber nur Rehabilitationsträger
für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und für den Unterhalt sichernde und andere ergänzende Leistungen sein. Die beantragte
Kostenübernahme sei ihr daher nicht möglich.
Dagegen erhoben die Antragsteller Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren übersandte der Beigeladene der Antragsgegnerin zuständigkeitshalber
einen an ihn gerichteten Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller, in dem es u. a. heißt, der Widerspruch
gegen die Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin verspreche keinen Erfolg, weil aufgrund der vorliegenden Behinderungen
die Aufnahmekriterien für eine Werkstatt für behinderte Menschen zweifelsfrei nicht erfüllt werden könnten. Im weiteren Verlauf
des Widerspruchsverfahrens forderte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, die Übernahme der
bisher aufgelaufenen Kosten der Tagesförderstätte (rund 9.000,00 EUR bis Dezember 2010 einschl.) zu erklären, was jedoch nicht
geschah.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 21.12.2010 wies die Antragsgegnerin die Widersprüche zurück. Voraussetzung für die Aufnahme
in den Eingangsbereich einer Werkstatt sei, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erwarten
sei, die allerdings nicht schon bei der Aufnahme in die Werkstatt vorliegen müsse. Ohne eine solche Prognose müsse ein Eingangsverfahren
nicht notwenig durchgeführt werden. Auch nach Weiterleitung eines Antrages sei dem Antrag nicht automatisch zu entsprechen.
Nach §
14 Abs.
2 Satz 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) gelte für den Fall, dass der Leistungsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden sei, für die beantragte Leistung nicht
Rehabilitationsträger nach §
6 Abs.
1 SGB IX sein könne, dass dieser unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger kläre, von wem und
in welcher Weise über den Antrag nach den Sätzen 2 und 4 entschieden werde. So liege der Fall hier. Der Widerspruch habe daher
keinen Erfolg haben können.
Am 22.12.2010 haben die Antragsteller Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht (SG) Oldenburg gestellt. Das SG hat jeweils die Beiladung vorgenommen und die Verfahren mit Beschluss vom 7.1.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung
verbunden. Die Antragsteller haben einen Anspruch auf Übernahme der Kosten ihrer Unterbringung in der Tagesförderstätte "J."
durch die Antragsgegnerin, hilfsweise durch den Beigeladenen geltend gemacht. Es sei zwischen ihnen und der Antragsgegnerin
unstreitig, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht vorlägen. Es
kämen daher lediglich Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Betracht, für die grundsätzlich der Beigeladene
zuständig sei. Aufgrund der Weiterleitung des Antrags durch den Beigeladenen sei aber nunmehr die Zuständigkeit der Antragsgegnerin
gegeben. Schon der Erstantrag der Antragsteller sei von der Antragsgegnerin nicht an den Beigeladenen weitergeleitet worden,
sodass er schon dadurch umfassend für alle in Betracht kommenden Teilhabeleistungen zuständig geworden sei. Der Anordnungsgrund
bestehe darin, dass monatlich 1.807,76 EUR weitere Kosten für die Unterbringung in der Tagesförderstätte anfielen und sich
bereits ein erheblicher Rückstand aufgebaut habe.
Die Antragsgegnerin hat einen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch verneint und erneut auf das in der Vereinbarung des BAR
festgelegte Verfahren verwiesen. Danach erfolge eine Leistungsgewährung durch den zweitangegangenen Träger nur dann, wenn
die erforderliche Leistung das Leistungsspektrum des zweitangegangenen Trägers umfasse. Anderenfalls sei eine nochmalige Weiterleitung
eines Antrags möglich. Die Weiterleitung durch den Beigeladenen sei ein eklatanter Verstoß gegen diese Vereinbarung. Deshalb
sei der Antrag an ihn zurückgegeben worden.
Der Beigeladene hat die Auffassung vertreten, dass eine Entscheidung über (weitere) Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben
- positiv oder negativ - nur getroffen werden könne, nachdem das Eingangsverfahren in einer Werkstatt für behinderte Menschen
- ggf. verkürzt - durchlaufen sei.
Mit Beschluss vom 11.1.2011 hat das SG den Beigeladenen verpflichtet, vorläufig die Kosten der Unterbringung der Antragsteller in der Tagesförderstätte zu übernehmen.
Der Eilantrag sei zulässig, da ein Anordnungsgrund darin zu sehen sei, dass die Kosten der Unterbringung in der Tagesstätte
seit Anfang August 2010 nicht gedeckt seien. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes
Buch (SGB XII) in Verbindung mit §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX. Aus §
14 Abs.
1 SGB IX ergebe sich nichts anderes, weil in diesem Fall zu beachten sei, dass die Antragsteller nicht werkstattfähig seien und sich
auch ein Eingangsverfahren in der Werkstatt für behinderte Menschen erübrige. Es wäre von dem Beigeladenen zu erwarten gewesen,
dies zu erkennen und die Weiterleitung der Anträge zu unterlassen.
Gegen diese ihm am 17.1.2011 zugestellte Entscheidung hat der Beigeladene am 14.2.2011 Beschwerde beim SG eingelegt, die an das Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet worden ist. Er trägt zur Begründung vor, die Bewilligung von
Sozialhilfeleistungen in der Tagesförderstätte setzte voraus, dass die Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben hätten. Das müsse von der Antragsgegnerin im Wege der Durchführung des Eingangsverfahrens in der Werkstatt
für behinderte Menschen geklärt werden, weshalb sie den Antrag an die Antragsgegnerin weitergeleitet habe. Es sei nicht sachgerecht,
diese Entscheidung durch eine punktuelle Beurteilung in einer gutachterlichen Stellungnahme zu treffen, wie es die Antragsgegnerin
auch in verschiedenen anderen Verfahren getan habe. Wenn aber die Antragsgegnerin nur einen Anspruch auf Übernahme der Kosten
der Tagesförderstätte als gegeben ansehe, müsste sie diese Leistung bewilligen. Das sei der Zweck der Vorschrift des §
14 SGB IX, weil nur auf diesem Wege erreichbar sei, dass der Hilfebedürftige nicht wegen Streitigkeiten der Leistungsträger in Prozesse
gedrängt werde. Durch die Verpflichtung des Beigeladenen zur vorläufigen Übernahme der Kosten habe das SG die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen, indem es die Voraussetzungen für den Anspruch auf Förderung in einer Tagesförderstätte
bejaht habe. Er, der Beigeladene, könne aber eine Hauptsacheentscheidung eines Gerichts zu dieser streitigen Frage nur erreichen,
wenn er den Antrag auf Sozialhilfeleistungen ablehne.
Die Antragsgegnerin hält wie das SG einen Anordnungsgrund für gegeben, ein Anordnungsanspruch liege jedoch nur gegen den Beigeladenen vor. Mit ihrem Bescheid
vom 8.3.2010 habe sie dokumentiert, dass sie für die Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig sei und habe Leistungen
aus ihrem Leistungsspektrum abgelehnt. Wenn die Zuständigkeit für die beantragte Leistung festgestellt und eine Entscheidung
getroffen werde, komme keine Weiterleitung in Betracht. Die Entscheidung sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden, weil sowohl
ihr ärztlicher Dienst als auch der Fachausschuss der Werkstatt für behinderte Menschen zu dem Ergebnis gekommen seien, dass
beide Antragsteller auch zukünftig kein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen könnten. Ein zu Unrecht
durchgeführtes Eingangsverfahren, wäre für die Antragsteller eine belastende Maßnahme, die es zu vermeiden gelte. Für die
Leistungen in der Tagesförderstätte sei der Beigeladene zuständig. Die Weiterleitung der auf diese Leistungen gerichteten
Anträge an sie, die Antragsgegnerin, sei zu Unrecht erfolgt, weil keine Unklarheit über den zuständigen Leistungsträger bestanden
habe, sondern der Beigeladene lediglich die Vorgehensweise und die Ablehnungsgründe der Antragsgegnerin nicht billige. Über
die unbegründete Weiterleitung versuche der Beigeladene der Antragsgegnerin Kosten aufzuerlegen und nehme für sich in Anspruch,
die Richtigkeit der bereits im März 2010 getroffenen bestandskräftigen Entscheidungen über die Teilhabe am Arbeitsleben durch
die Antragsgegnerin als zuständigen Leistungsträger anzuzweifeln. Da die Weiterleitung zu Unrecht erfolgt sei, könnten aus
§
14 SGB IX keine Rechte hergeleitet werden. Hinzu komme, dass die Förderung von Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft nicht zu
ihrem Leistungsspektrum gehöre. Die Auffassung, dass in jedem Fall ein Eingangsverfahren durchzuführen sei, finde im Gesetz
keine Grundlage. Vielmehr stehe danach die Werkstatt nicht den behinderten Menschen offen, bei denen trotz einer der Behinderung
angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten sei oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung
und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer
Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zuließen. Der Beigeladene habe der durch die Begutachtung durch Dr. L. gewonnenen
Auffassung nicht substantiiert widersprochen. Im vorliegenden Fall habe der Fachausschuss der Werkstatt bereits nach den vorliegenden
Gutachten entscheiden können, ohne die behinderten Menschen zusätzlich durch ein Eingangsverfahren zu belasten. Durch das
Verlangen eines obligatorischen Eingangsverfahrens werde die fachliche Kompetenz der Berater und Ärzte des zuständigen Rehabilitationsträgers
grundsätzlich in Frage gestellt. Das gegliederte System der Rehabilitation sehe jedoch gerade vor, dass unterschiedliche Leistungsträger
zuständig seien und eigenverantwortlich entschieden. Deren Entscheidungen seien von anderen Leistungsträgern auch dann zu
akzeptieren, wenn sie für sie zu Kostenfolgen führten. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber Mitsprache- oder Widerspruchsrechte
des durch die Ablehnung Belasteten eingeräumt. Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass die Einschätzung der
Antragsgegnerin falsch gewesen sei, könne das Eingangsverfahren nachgeholt werden. Bis dahin sei jedoch sicherzustellen, dass
die Antragsteller in ihrem gewohnten Umfeld der Tagesförderstätte verbleiben könnten. Da die Förderung der Unterbringung in
einer Tagesförderstätte zum Leistungskatalog des Beschwerdeführers gehöre und die Weiterleitung des Antrags zu Unrecht erfolgt
sei, sei es sachgerecht, den zuständigen Rehabilitationsträger zunächst zur Kostenübernahme zu verpflichten.
Für die Antragsteller wird vorgetragen, dass sie der Auffassung des Beigeladenen zu den Verfahrensfragen zustimmten, sich
aber durch den angefochtenen Beschluss nicht beschwert sähen. Entscheidend sei für sie, dass die Kosten der Unterbringung
in der Tagesförderstätte übernommen würden, von wem, sei zweitrangig. §
14 SGB IX solle gerade verhindern, dass der Streit der verschiedenen Rehabilitationsträger auf dem Rücken der Antragsteller ausgetragen
werde. Deshalb solle bei fristgerechter Weiterleitung eines Rehabilitationsantrages stets der zweitangegangene Rehabilitationsträger
zur Leistung verpflichtet sein. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob die Weiterleitung zu Recht erfolgt sei. Andernfalls
werde das Risiko einer eventuellen Unzuständigkeit des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers entgegen der Intention des
§
14 SGB IX auf die Antragsteller verlagert. II.
Die Beschwerde des Beigeladenen ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist die Antragsgegnerin, nicht der Beigeladene, zur vorläufigen Übernahme der Kosten der Unterbringung der Antragsteller
in der Tagesförderstätte zu verpflichten.
Die einstweilige Anordnung setzt gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
920 Zivilprozessordnung (
ZPO) das Glaubhaftmachen eines Anordnungsgrundes (besondere Eilbedürftigkeit) und eines - nach summarischer Prüfung vorliegenden
-Anordnungsanspruchs (materieller Rechtsanspruch) voraus. Eine Anordnung im Sinne einer sogenannten Regelungsanordnung ist
nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch
sind in der Weise voneinander abhängig, dass die Anforderungen an den Anordnungsgrund umso niedriger sind, je eindeutiger
ein Anordnungsanspruch gegeben erscheint (Keller in: Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 9. Aufl., §
86b Rn. 29 f.). Im Hinblick auf die erfolgte Unterbringung der Antragsteller in der Tagesförderstätte seit August 2010 und die
laufende Entstehung weiterer, hinsichtlich der Trägerschaft nicht geklärter Kosten ist eine gewisse Eilbedürftigkeit gegeben.
Bei verzögerten Teilhabeleistungen ist unter Beachtung der aus § 14 SGB X ersichtlichen gesetzgeberische Wertung die Vermutung einer notwendigen schnellen Entscheidung abzuleiten (vgl. Welti in:
Lachwitz, Schellhorn, Welti, HK-
SGB IX, §
14 Rn. 56 m.w.N.). Auch wenn die Teilhabeleistung selbst derzeit gewährt wird, besteht im Hinblick auf die Möglichkeit, dass
die Fortführung wegen fehlender Zuständigkeit versagt wird, dringender Klärungsbedarf. Auf der anderen Seite spricht sehr
viel für einen Anordnungsanspruch, wobei hier vorrangig streitig erscheint, ob die Antragsgegnerin oder der Beigeladene diesen
zu erfüllen haben.
Der nach den Umständen glaubhaft gemachte Anordnungsanspruch richtet sich gegen die Antragsgegnerin. Anspruchsgrundlage ist
§
55 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
7 SGB IX und die Verpflichtung der Antragsgegnerin ergibt sich hier aus §
14 SGB IX unabhängig davon, dass ursprünglich - ohne diese Vorschrift - gemäß §
6 Abs.
1 Nr.
2 i. V. m. §
5 SGB IX die Antragsgegnerin für die entsprechende Rehabilitationsleistung nicht zuständig wäre. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin
ergibt sich hier bereits aufgrund der ursprünglichen, bereits am 5.2.2010 bei der Antragsgegnerin gestellten Anträge gemäß
§
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX, da die Antragsgegnerin die bei ihr gestellten Rehabilitationsanträge nicht weitergeleitet, sondern - abschlägig - beschieden
hat. Zwar hatten die Antragsteller damals ausdrücklich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Derartige Anträge
sind aber - auch vor dem Hintergrund der Regelungen des §
14 SGB IX - dahin auszulegen, dass damit alle in Betracht kommenden Rehabilitationsleistungen beantragt werden, mit der Folge, dass
der angegangene Leistungsträger, sofern eine Rehabilitationsmaßnahme in Betracht kommt, für die er seiner Meinung nach nicht
zuständig ist, den Antrag weiterleiten muss und anderenfalls darüber selber entscheiden muss (BSG v. 21.8.2008 SozR 4-3250
§ 14 Nr. 7; BSG v. 26.10.2004 SozR 4-3250 § 14 Nr. 1; Welti, aaO., Rn. 34, 36 f.). Nur so kann dem Sinn des §
14 SGB IX entsprechend unabhängig von möglichem Streit über die Zuständigkeit der Träger eine möglichst rasche Einleitung von Teilhabemaßnahmen
sichergestellt werden.
Auch durch die rechtsbeständig gewordene Ablehnung der Anträge durch die Bescheide vom 4.3. und 8.3.2010 ist die Zuständigkeit
der Antragsgegnerin nicht beendet worden. Sie bleibt vielmehr auch für etwaige Anträge nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zuständig (BSG v. 21.8.2008 und v. 26.10.2004, jeweils aaO.). Als solche dürften die durch Weiterleitung an die Antragsgegnerin
gelangten Anträge vom 14.7.2010 anzusehen sein.
Im Übrigen wäre die Zuständigkeit der Antragsgegnerin auch aufgrund der Weiterleitung der letztgenannten Anträge durch den
Beigeladenen begründet (§
14 Abs.
2 Satz 3
SGB IX). Gegenüber dieser gesetzlichen Regelung kann sich die Antragsgegnerin nicht auf eine Vereinbarung des BAR berufen, da diese
die gesetzliche Zuständigkeitsregelung nicht ändern kann. Der §
14 Abs.
2 Satz 5
SGB IX enthält für den Fall, dass der Antrag an einen Rehabilitationsträger weitergeleitet worden ist, der für die beantragte Leistung
nicht Rehabilitationsträger nach §
6 Abs.
1 SGB IX sein kann, eine Regelung die dahin geht, dass der Empfänger des weitergeleiteten Antrages unverzüglich mit dem nach seiner
Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger klärt, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen entschieden
wird. Ein solches Verfahren hat die Antragsgegnerin aber nicht durchgeführt. Jedenfalls hat es auf ihr Schreiben vom 9.8.2010
an den Beigeladenen keine Klärung der Zuständigkeit zwischen den beiden Trägern gegeben. In diesem Falle bleibt es mangels
einer anderen Regelung bei der Zuständigkeit des Leistungsträgers, an den der Antrag weitergeleitet worden ist (vgl. BSG aaO.,
LSG Baden-Württemberg v. 7.11.2006 - L 11 KR 2438/06 -, zitiert nach juris).
Die Antragsgegnerin ist auch verpflichtet, die Kosten der Unterbringung in der Tagesförderstätte (nicht etwa Kosten eines
Eingangsverfahrens in der Werkstatt für behinderte Menschen) vorläufig zu tragen. Zu Recht hat das SG angenommen, dass nach der im Eilverfahren angebrachten summarischen Prüfung von einem Anspruch auf Förderung einer Maßnahme
in der Tagesförderstätte auszugehen ist. Andere zu übernehmende Kosten sind derzeit auch nicht ersichtlich. Nichts anderes
haben auch die Antragsteller beantragt. Für einen Anspruch auf Teilhabe in der Tagesförderstätte spricht schon der - jedenfalls
im vorliegenden Eilverfahren - eindeutig erklärte Wunsch der Antragsteller bzw. ihrer Betreuerin, bei der im Zweifel eine
Beschränkung auf diese Leistung nicht zu erwarten wäre, wenn sie weitergehende Fördermöglichkeiten für die Antragsteller durch
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erkennen würde. Insbesondere ergibt sich eine entsprechende Einschätzung aber aus
den detaillierten Angaben in den Entwicklungsberichten und nach dem Protokoll des Fachausschusses der Werkstatt für behinderte
Menschen vom 25.8.2010 sowie aufgrund der gutachtlichen Stellungnahme der Fachärztin der Antragsgegnerin Dr. L ...
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beigeladenen, dass in jedem Falle (zumindest) das Eingangsverfahren in der Werkstatt
für behinderte Menschen durchzuführen ist und erst aufgrund dessen eine Entscheidung über die passende Rehabilitationsmaßnahme
getroffen werden darf (vgl. Beschluss des Senats vom 5.12.2007 - L 12 AL 128/07 ER / L 12 B 25/07 -, zitiert nach juris). Vielmehr stehen auch die Leistungen im Eingangsverfahren nach §
136 Abs.
2 SGB IX unter dem Vorbehalt, dass erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen, ggf. einschließlich
von Leistungen im zweijährigen Berufsbildungsbereich (§
40 Abs.
1 Nr.
2 SGB IX), in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Außerdem ist auch
Voraussetzung, dass nicht trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung
zu erwarten ist oder das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme im Berufsbildungsbereich nicht zulassen,
was hier nach den geschilderten Beeinträchtigungen der Antragsteller ebenfalls in Betracht gezogen werden muss. Dass die genannten
Voraussetzungen in jedem Falle nur durch Teilnahme am Eingangsverfahren festgestellt werden können und deshalb auch ganz offensichtlich
zu einer Arbeitsleistung oder zur Integration in einen Arbeitsprozess nicht fähige Menschen zunächst diesem Verfahren zu unterziehen
sind, kann weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung entnommen werden. Im vorliegenden Fall spricht
- bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren - die Wahrscheinlichkeit dafür, dass hier die Voraussetzungen für eine
Tätigkeit im Arbeitsbereich - auch im Eingangsverfahren der Werkstatt für behinderte Menschen - nicht gegeben sind.
Diese Entscheidung kann nicht angefochten werden (§
177 SGG).