Gründe:
I. Die Antragsteller begehren im Eilverfahren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich Kosten der Unterkunft.
Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige, reisten 2008 von Belgien kommend in das Bundesgebiet ein und halten sich
seither ununterbrochen in Deutschland auf. Der am 00.00.1978 geborene Antragsteller zu 1) ist mit der am 00.00.1978 geborenen
Antragstellerin zu 2) verheiratet. Der Antragsteller zu 3) ist ihr Sohn. Er ist am 00.00.1997 geboren und noch schulpflichtig.
Die Stadt H erteilte den Antragstellern zu 1) und 2) am 17.06.2011 Freizügigkeitsbescheinigungen nach § 5 FreizügG/EU. Ferner
erteilte ihnen die Bundesagentur für Arbeit am 28.10.2011 unbefristete Arbeitsgenehmigungen - EU.
In der Zeit von Oktober 2009 bis Oktober 2010 erhielten die Antragsteller vom Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II, zuletzt
unter Berücksichtigung des für den Antragsteller zu 3) gezahlten Kindergeldes (184,00 Euro) in Höhe von monatlich 1180,83
EUR, hiervon 500,00 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung. Durch Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.12.2010 lehnte der Antragsgegner ihren Antrag vom 03.11.2010 auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II ab.
Zur Begründung führte er aus, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen seien deshalb nicht gegeben,
weil sie sich ohne gültigen Aufenthaltstitel in Deutschland aufhielten. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
SGB II sei erfüllt, da sich der Aufenthalt allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Dagegen haben die Antragsteller beim
Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben (S 31 AS 27/11), über die noch nicht entschieden ist.
Der erste Antrag der Antragsteller vom 24.12.2010, ihnen im Weg der einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem SGB II vorläufig
zu gewähren, blieb ohne Erfolg (SG Gelsenkirchen Beschl v 28.02.2011 - S 31 AS 2794/10 ER; LSG NRW Beschl v 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER). Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, es bestünden ernsthafte Zweifel am Vorliegen eines gewöhnlichen
Aufenthaltes der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland. Den Antragstellern stünde weder nach nationalem Recht noch
europarechtlich ein Aufenthaltsrecht zu. Als Angehörige des Vertragsstaats Rumänien bedürften sie zudem zur legalen Ausübung
einer Tätigkeit der vorherigen Genehmigung. Der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs stehe der Leistungsausschluss nach
§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II durchgängig entgegen.
Die Antragsteller beantragten erneut am 07.11.2011 Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsgegner lehnte dies mit Bescheid
vom 29.12.2011 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs seien nicht erfüllt, da die Antragsteller
zu 1) und 2) sich lediglich zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhalten dürften. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch
ist noch nicht entschieden.
Die Antragsteller haben am 05.01.2012 beim Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die europarechtliche
Zulässigkeit des Ausschlusses von Unionsbürgen, die sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufhalten, von der Leistung
des Arbeitslosengeldes II sei umstritten. Diese ungeklärte Rechtslage müsse im Rahmen einer Interessenabwägung berücksichtigt
werden. Da sie existenzsichernde Leistungen begehrten, sei dem Antrag stattzugeben.
Die Antragstellerin zu 2) hat mitgeteilt, sie habe zum 01.02.2012 eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft bei
einem Hausverwaltungs-Unternehmen aufgenommen. Der Leistungsausschluss greife für sie als Arbeitnehmerin nicht (mehr).
Der Antragsgegner ist dem entgegen getreten. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II seien Leistungen weiterhin ausgeschlossen.
Bei der geringfügigen Beschäftigung der Antragstellerin handele es sich um eine Tätigkeit, die als untergeordnet und unwesentlich
anzusehen sei.
Das Sozialgericht hat den Erlass der beantragten einstweilige Anordnung durch Beschluss vom 29.02.2012 abgelehnt, sich zur
Begründung auf den Beschluss des LSG NRW vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER gestützt und ergänzend ausgeführt, den Antragstellern sei unabhängig von der Frage, ob die übrigen Voraussetzungen für
eine Leistungsgewährung vorlägen, die Leistungen nach dem SGB II zu verwehren. Denn für die Antragsteller zu 1) und 2) bestehe
ein besonderer Leistungsausschluss für Ausländer gem. § 7 Abs. 1 S. 2. Nr. 1 und 2 SGB II. Ausdrücklicher gesetzgeberischer
Zweck des Ausschlusses sei es vor allem, nach Maßgabe der europarechtlichen Befugnis aus Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG
vom 29.4.2004 (ABI. Nr. L 158 S. 77) - UnionsRL - i.V.m. Art. 14 Abs. 4 Buchst. b UnionsRL Unionsbürger von Grundsicherungsleistungen
unter weiteren Voraussetzungen auszuschließen, die von ihrem sekundärrechtlich in der UnionsRL statuierten Freizügigkeitsrecht
Gebrauch machten. Die Antragsteller hätten auch kein sonstiges Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU aufgrund der
allein in Betracht kommenden Rechte als Arbeitnehmer, Selbstständiger oder Dienstleistungserbringer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1-3 FreizügG/EU).
Zudem sei die geringfügige Beschäftigung der Antragstellerin zu 2) nach summarischer Prüfung wegen des geringen Umfangs und
des ihr verbleibenden Betrags von 80,00 EUR monatlich als untergeordnet und unwesentlich anzusehen. Zweifel an der Europarechtskonformität
des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hat das Sozialgericht unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung
(LSG Baden-Württemberg Beschl v 15.04.2010; L 13 AS 1124/10 ER-B; Hessisches Landessozialgericht, Beschl v 14.10.2009, L 7 AS 166/09 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v 25.11.2008, L 5 B 1425/08 AS ER) verneint. Die Antragsteller als rumänische Staatsangehörige könnten sich nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des
Art. 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) berufen. Zudem sei kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 18 AEUV (Artikel 12 EGV) zu erkennen. Eine Ungleichbehandlung von Unionsbürgern sei gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit
unabhängigen Erwägungen beruhe und im angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stehe (Hinweis auf EuGH, 23.03.2004
- C-138/02 - Collins). Schließlich stehe dem Antragsteller zu 3) ohne originäres Leistungsrecht der Antragsteller zu 1) und 2) nicht
der daraus abgeleitete Anspruch auf Sozialgeld zu (§ 7 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 SGB II).
Die am Tag der Zustellung (02.03.2012) eingelegte Beschwerde haben die Antragsteller damit begründet, für sie habe sich im
Vergleich zu den Verhältnissen im Zeitpunkt des Beschlusses des LSG NRW vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER - der Sachverhalt dahingehend verändert, dass die Antragsteller zu 1) und 2) seit dem 28.10.2011 über eine unbeschränkte
und unbefristete Arbeitsgenehmigung EU verfügten. Darüber hinaus bestehe hier nach wie vor eine ungeklärte Rechtslage. Im
Rahmen der Interessenabwägung sei aufgrund des existenzerhaltenden Charakters der begehrten Leistung zugunsten der Antragsteller
zu entscheiden. Denn während des Hauptsacheverfahrens sei ohne zuerkannte Leistungen das Existenzminimum der Antragsteller
nicht gedeckt. Die möglicherweise noch länger andauernde erhebliche Beeinträchtigung könne nachträglich nicht mehr ausgeglichen
werden. Auch aus diesem Grunde sei der angegriffene Beschluss abzuändern. Sie müssten so lange als freizügigkeitsberechtigt
behandelt werden, bis die Ausländerbehörde das Erlöschen des Freizügigkeitsrechts bestandskräftig festgestellt habe. Das Sozialgericht
verkenne, dass der Europäische Gerichtshof eine wöchentliche Arbeitszeit von 5,5 Stunden als Reinigungskraft und eine monatliche
Vergütung unter 200,00 Euro als vollkommen ausreichend erachtet habe, um die Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.02.2012 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen ab Entscheidung
des LSG für die darauf folgenden 6 Monate vorläufige Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II unter
Berücksichtigung des an den Antragsteller zu 3) gezahlten Kindergeldes in Höhe von 184,00 monatlich sowie Bedarfe für Unterkunft
und Heizung in Höhe von monatlich 166,66 je Antragsteller zu gewähren sowie die Beiträge für eine von den Antragstellern in
der geselzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abzuschließende Versicherung zu übernehmen sowie ihnen Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung von Rechtsanwalt T aus H ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurück zu weisen.
Eine vorläufige Leistungsgewährung könne nicht erfolgen. Auch in gleichgelagerten Verfahren habe das LSG NRW eine Leistungsverpflichtung
des Trägers nach dem SGB II nicht angenommen. Ergänzend hat er darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung zwischenzeitlich
von der Möglichkeit nach Art. 16 li.b) Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) Gebrauch gemacht und bezüglich der Leistungen nach
SGB II den Vorbehalt zur Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden
erklärt hat, um den Leistungsausschluss im SGB II wieder herzustellen. Damit habe die Bundesregierung zum Ausdruck gebracht,
dass die Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II sogar für Staatsangehörige der EU - Gründungsmitglieder
Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und Niederlande sowie alle dem EFA später beitretenden Staaten Geltung haben sollen.
Im Falle einer Leistungserbringung an die Antragsteller seien diese als rumänische Staatsangehörige sogar besser gestellt,
als die zuletzt durch Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 - privilegierten EFA - Mitgliedsstaaten. Dieses widerspräche ganz offensichtlich dem politischen Willen, den die Bundesregierung
durch den oben erläuterten Vorbehalt zum Ausdruck gebracht habe.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der die Antragsteller betreffenden
Verwaltungsakten verwiesen, dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Gewährung von Leistungen an die Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abgelehnt.
Nach §
86b Abs.
2 S. 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz
begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog.
Anordnungsgrund). Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende
Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl BVerfG
Beschl v 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn 23 - Breith 2005, 803; BVerfG Beschl v 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 Rn 28 - BVerfGE 93, 1). Der gemäß Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt,
dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen
zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht
mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG Beschl v 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 Rn 28 - BVerfGE 93, 1). Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 S. 4
SGG in Verbindung mit §§
920 Abs.
2,
294 Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu
ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das
Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschl v 12.05.2005
- 1 BvR 569/05 Rn 23 - Breith 2005, 803). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die
Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse
Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen
Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG aaO. Rn 26; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
86 b Rn 29, 29a).
Der Senat gelangt im Rahmen einer solchen Folgenabwägung zu der Überzeugung, dass den Antragstellern - wie beantragt - für
die Zeit ab Beschwerdeentscheidung (vorläufige) Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sind. Denn den Anordnungsanspruch vermag
der Senat im Eilverfahren angesichts der in diesem Zusammenhang anstehenden schwierigen und komplexen Rechtsfragen nicht abschließend
zu beurteilen. Sie betreffen sowohl die (gemeinschaftsrechtskonforme) Auslegung des Leistungsausschlusses bzw dessen Vereinbarkeit
mit Gemeinschaftsrecht als auch die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im konkreten Fall.
Denn bei erheblichen Bedenken gegen die Vereinbarkeit des Ausschlusstatbestandes mit europäischem Gemeinschaftsrecht (vgl.
hierzu etwa Hessisches LSG Beschl v 14.07.2011 - L 7 AS 107/11 B ER, LSG Berlin-Brandenburg Beschl v 29.11.2010 - L 34 AS 1001/10 B ER; SG Berlin Urt v 24.05.2011 - S 149 AS 17644/09; vgl. auch Thie-Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 7 Rn. 27 ff.; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl.
2008, § 7 Rn. 17 m.w.N. und Hailbronner, ZFSH/SGB 2009, 195 ff.; für einen europarechtskonformen Leistungsausschluss LSG NRW
Beschl v 28.06.2011 - L 19 AS 317/11 B ER; v 18.11.2011 - L 7 AS 614/11 B ER, jeweils juris) können diese mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, wenn angesichts der Erwerbstätigkeit der
Antragstellerin zu 2) der Leistungsausschluss für sie als Arbeitnehmerin nicht (mehr) greift. Entgegen der Auffassung des
Beklagten und des Sozialgerichts, die die geringfügige Beschäftigung als untergeordnet und unwesentlich erachtet haben, dürfte
die Tätigkeit der Antragstellerin in diesem Umfang sowohl nach nationalem als auch nach Gemeinschaftsrecht für die Annahme
der Arbeitnehmereigenschaft ausreichen (EuGH vom 04.02.2010 C -14/09, Genc, juris, mwN: Arbeit an 6 Stunden in der Woche als
Reinigungskraft bei einem monatlichen Einkommen in Höhe von 200,00 Euro). Dem Antragsteller zu 1) stände im Rahmen der hier
gebotenen summarischen Überprüfung dann vermittelt durch die Antragstellerin zu 2) nach den entsprechenden Erlaubniserteilungen
der Stadt H vom 17.06.2011 (Freizügigkeitsbescheinigungen nach § 5 FreizügG/EU) bzw. den ihnen von der Bundesagentur für Arbeit
am 28.10.2011 erteilten unbefristeten Arbeitsgenehmigungen - EU das Aufenthaltsrecht in Deutschland zu. Abgeleitet vom Zweck
dieses Aufenthaltsrechts hielte sich dann der minderjährige Antragsteller zu 3) ebenfalls zu Recht in Deutschland - im Rahmen
der familiären Beziehung zu seinen Eltern - auf.
Mit dieser Weichenstellung stände dem erhobenen Anspruch wohl nicht entgegen, dass die Bundesrepublik Deutschland, um den
Leistungsausschluss im SGB II wieder herzustellen, am 19.12.2011 zwischenzeitlich von der Möglichkeit nach Art. 16 Buchstabe
b) des Europäischen Fürsorgeabkommens Gebrauch gemacht und bezüglich der Leistungen nach SGB II den Vorbehalt zur Anwendung
dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden erklärt hat. Denn da nach §
30 Abs.
2 SGB I "Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts (von den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs) unberührt (bleiben)", ist
schon generell nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet, von völkerrechtlichen Verpflichtungen
der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (BVerfG Beschl v 26.
März 1987 - 2 BvR 589/79, 740/81 und 284/85 -, BVerfGE 74, 358 [370]). Nach der Rspr. des BSG (Urt v 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R, juris) stand jedenfalls das EFA auch im Bereich der neuen Grundsicherung nach dem SGB II dem dortigen Leistungsausschluss
für EU-Ausländer gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entgegen, selbst soweit sich der Ausländer ausschließlich zum Zwecke
der Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhält (vgl. dazu auch Schäfer in Lexisnexis OK
SGB I §
30 Rn.2, Stand 22.05.2011 mwN). Eine abschließende Entscheidung für Anwendungsfälle außerhalb des EFA, speziell für Rumänen
als EU-Ausländern aus den mittel- und osteuropäischen Staaten, die in der Vergangenheit dem EFA nie beigetreten waren, sieht
der Senat hierin nicht. Dass die Bundesregierung den Vorbehalt nach Maßgabe des Art. 16 Buchstabe b EFA erklärte, heißt gerade
nicht zwingend, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jeden Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II von Staatsangehörigen auch
aller anderen, später beigetretenen EU-Mitgliedstaaten ausschließt (vgl. LSG Berlin Brandenburg Beschluss vom 29.02.2012 -
L 20 AS 2347/11 B ER - juris Rn. 28, 30).
Wenn dieses Eilverfahren nicht der Ort ist, um die vorgenannten schwierigen und komplexen Rechtsfragen abschließend zu beurteilen,
fällt die für die begehrte Regelung im Eilverfahren allein entscheidende Folgenabwägung (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005
- 1 BvR 569/05) zu Gunsten der Antragsteller aus. Ohne die beantragten Leistungen drohen ihnen existentielle Nachteile, denn die Antragsteller
verfügen nicht über die notwendigen Mittel zur Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Existenz (vgl auch Senats-Beschluss
vom 17.05.2011 - L 6 AS 356/11 B ER, juris). Die Folgenabwägung rechtfertigt mithin nach Auffassung des Senats konkret, die Verpflichtung des Antragsgegners
zur (vorläufigen) Zahlung, befristet auf maximal sechs Monate für die gesetzmäßig zustehenden Regelbedarfe ebenso wie für
die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 20, 22 SGB II). Es ist den Antragstellern auch im Lichte des in Art.
19 Abs.
4 GG verankerten Gebots effektiven Rechtsschutzes und der Menschenwürde im Sinne der Präambel und des Art.
1 GG nicht zuzumuten, ohne jede staatliche Existenzsicherung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuzuwarten. Demgegenüber muss
hier im Einzelfall zurückstehen, dass der Antragsgegner bei (vorläufiger) Zahlung der Leistungen und späterem Obsiegen in
der Hauptsache einen Rückforderungsanspruch möglicherweise nur schwer zu realisieren vermag. Denn wegen der vorgenannten Grundrechtsgarantien
ist es hinzunehmen, dass die Zuerkennung der Leistungen im Ergebnis einen Zustand schaffen kann, der in seinen (wirtschaftlichen)
Auswirkungen der Vorwegnahme in der Hauptsache zugunsten der Antragsteller gleichkäme.
Mit dieser Begründung ist schließlich auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren begründet und
der Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH-Bewilligung beim SG im Eilverfahren stattzugeben (§
73a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §
114 S. 1
ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs.
1 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.