Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Bedarfsgemeinschaft
Gemeinsame Haushaltsführung
1. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II erfordert ein Bewohnen einer gemeinsamen Wohnung und ein Wirtschaften der Partner "aus einem Topf".
2. Entscheidend für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei
die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner
abhängig ist.
3. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssen gemeinschaftlich erfolgen, was allerdings
nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig
sein müssen.
4. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens
untereinander aufteilen.
Gründe
Im nur von den Antragstellern eingeleiteten Beschwerdeverfahren ist noch streitig, ob den Antragstellern höhere Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung von Frau H als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu zahlen ist und
ob ihnen einstweilig Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen.
Für die Zeit vom 02.11.2016 bis zum 01.05.2017 ergibt sich die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung der Leistungen
zur Deckung des Regelbedarfs unter Berücksichtigung von Frau H als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, aber ohne Anrechnung
von deren evtl. Einkommen, aus der Entscheidung des Sozialgerichts. Dieses hat den Antragsgegner zur Leistungszahlung "nach
Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften" verpflichtet. Zwar ist ein Ausspruch dem Grunde nach in entsprechender Anwendung von
§
130 Abs.
1 SGG auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zulässig (Keller in Meyer-Ladewig,
SGG, 11. Aufl §
86b Rn 30; hierzu auch Bayerisches LSG Beschluss vom 01.07.2016 - L 7 AS 350/16 B ER), feststehen muss jedoch, dass die Leistungsvoraussetzungen dem Grunde nach vorliegen. Zu diesen Leistungsvoraussetzungen
dem Grunde nach gehört auch die Hilfebedürftigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 SGB II). Diese Anspruchsvoraussetzung kann daher bei einem Verpflichtungstenor dem Grunde nach nicht offen gelassen werden. Dementsprechend
hat das Sozialgericht in den Gründen der Entscheidung auch ausgeführt, dass es "jedenfalls nicht von einem Einkommen der Zeugin
H im Rahmen der einstweiligen Rechtsschutzverfahrens" ausgeht. Ob diese Annahme zutrifft, kann dahinstehen, denn der Antragsgegner
hat keine Beschwerde gegen den zusprechenden Teil der Entscheidung eingelegt. Die Tenorierung des Sozialgerichts "unter Berücksichtigung
einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau H" ist daher nur in Bezug auf die Höhe des den Antragstellern zustehenden Regelbedarfs
zu verstehen.
Die Beschwerde der Antragsteller ist begründet, soweit die Zeit ab 01.04.2017 betroffen ist und soweit Kosten der Unterkunft
und Heizung begehrt werden. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Einstweilige Anordnungen sind nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt
grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung.
Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben
können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am
wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl BSG Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B).
Dies berücksichtigend haben die Antragsteller im tenorierten Umfang sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand und nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes möglichen
Prüfungsdichte ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller und Frau H seit 01.04.2017 keine Bedarfsgemeinschaft
iSd § 7 Abs. 3 SGB II mehr bilden.
Zwar ist nach wie vor davon auszugehen, dass der Antragsteller zu 1) und Frau H Partner iSd § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II sind (vgl zu den Voraussetzungen BSG Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R). Zu einer Trennung der ursprünglich zugestandenen Paarbeziehung ist es nach eigenen Angaben des Antragstellers zu 1) und
Frau H (zuletzt mit Schreiben vom 01.04.2017) noch nicht gekommen.
Es ist aber seit dem 01.04.2017 nicht mehr von einem Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt iS des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II auszugehen. Unter Zusammenleben iSd § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ist mehr als nur ein bloßes Zusammenwohnen zu verstehen. § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II erfordert ein Bewohnen einer gemeinsamen Wohnung und ein Wirtschaften der Partner "aus einem Topf" (allg Ansicht, vgl nur
Spellbrink/Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl § 7 Rn 94). Entscheidend für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird,
wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der
Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssen gemeinschaftlich erfolgen,
was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung
selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle
des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen (Beschluss des Senats vom 22.12.2015 - L 7 AS 1619/15 B ER).
Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist überwiegend wahrscheinlich, dass das Zusammenleben des Antragstellers zu 1) mit
Frau H die Merkmale einer gemeinsamen Haushaltsführung seit Anmietung der Wohnung in der P-straße 00 in P durch Frau H (31.03.2017)
nicht mehr aufweist. Die von der W GmbH C Frau H ausgestellte Mietbescheinigung spricht für eine räumliche Trennung vom Kläger
und gegen eine gemeinsame Haushaltsführung. Denn die Anmietung einer Wohnung mit einer tatsächlichen und gelebten Zahlungsverpflichtung
von 430,- Euro im Monat wäre bei tatsächlich bestehender gemeinsamer Haushaltsführung auch ohne Anrechnung des Einkommens
auf den Partner unwirtschaftlich. Der Senat geht nach derzeitigem Kenntnisstand nicht davon aus, dass der größte private Vermieter
Deutschlands mit Frau H einen Scheinvertrag abgeschlossen hat.
Für die Zeit vorher spricht derzeit mehr für als gegen eine gemeinsame Haushaltsführung. Insoweit verweist der Senat auf die
Begründung der angefochtenen Entscheidung.
Die Antragsteller haben für die Zeit ab 02.11.2017 sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinsichtlich
der Kosten der Unterkunft und Heizung glaubhaft gemacht. Für die Zeit bis zum 31.03.2017 besteht der Anspruch insoweit unter
Berücksichtigung der Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller mit Frau H, für die Zeit ab 01.04.2017 ohne diese Einschränkung.
Der Anordnungsgrund gilt auch für die Kosten für Unterkunft und Heizung, für deren Übernahme vorliegend nach einhelliger Auffassung
aufgrund der Anhängigkeit der Räumungsklage auch ein Anordnungsgrund vorliegt, was nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
indes ohnehin nicht erforderlich ist (vgl nur Beschluss des Senats vom 04.05.2015 - L 7 AS 139/15 B ER).
Einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung hat der Antragsteller zu 1) ausdrücklich nicht zum Gegenstand des einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens gemacht.
Hinsichtlich der Dauer der Verpflichtung des Antragsgegners orientiert sich der Senat an der im Antragszeitpunkt regelmäßigen
Dauer einer vorläufigen Leistungsbewilligung von sechs Monaten (§ 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Im Hinblick auf die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens und die Effizienz gerichtlichen Eilrechtsschutzes war der Zeitraum
bis Ende Juni 2017 zu verlängern.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Antragsgegner auch nach Kenntnis der Mietbescheinigung der W dem Antrag noch
entgegengetreten ist.
Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114 ff.
ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).