Gründe
I.
Die Antragstellerin, die nach ihren Angaben derzeit arbeitslos ist und Arbeitslosengeld bezieht, betreibt ein Taxi- und Mietwagenunternehmen.
Im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit erbrachte sie Krankentransportleistungen insbesondere für ihre Nichte und Schwiegermutter,
die beide bei der Antragsgegnerin krankenversichert waren. Die Beförderungsleistungen der Antragstellerin wurden von der Antragsgegnerin
zunächst zumindest bis Juni 2010 vollständig vergütet. Nachfolgend kürzte die Antragsgegnerin die Rechnungen der Antragstellerin
und verweigerte weitere Zahlungen im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Antragstellerin falsch abrechne und dass ihr
aufgrund dieser unberechtigten Abrechnungen Gegenforderungen i.H.v. 54.386,40 EUR zustünden.
Am 17.12.2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Detmold den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe seit Juli 2010
bis einschließlich Februar 2011 ihre Rechnungen nicht mehr ausgeglichen. Abzüglich einer Einmalzahlung i.H.v. 10.000,00 EUR
belaufe sich ihr noch bestehender Vergütungsanspruch auf 16.806,22 EUR. Sie habe die Beförderungskosten ordnungsgemäß erbracht
und abgerechnet; für einen Einbehalt von Zahlungen durch die Antragsgegnerin bestehe keine Berechtigung. Ein Abwarten auf
den Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei ihr nicht zuzumuten. Ohne kurzfristigen Ausgleich ihrer Ansprüche sei sie in ihrer
Existenz gefährdet. Sie erhalte keine Kredite mehr und sehe sich erheblichen Forderungen von Gläubigern ausgesetzt. Den Lebensunterhalt
bestreite sie aus dem gezahlten Arbeitslosengeld.
Die Antragstellerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, die Krankenbeförderungskosten für den Zeitraum Juli 2010 bis Februar 2011 in
Höhe von weiteren 16.806,22 EUR zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie hat u.a. vorgetragen, die Antragstellerin habe keinen Zahlungsanspruch. Die von ihr zur Darlegung eines Anspruchs eingereichten,
meist schon von Anbeginn streitigen Rechnungen seien zum Einen der Höhe nach nicht begründet und zum Anderen durch Aufrechnung
mit im Einzelnen gelisteten und in Beanstandungsschreiben näher bezeichneten Gegenforderungen i.H.v. insgesamt 54.386,40 EUR
erloschen. Die Forderungen beruhten auf falschen Abrechnungen der Antragstellerin in den Jahren 2007 bis 2010. Die Antragstellerin
habe z.B. Fahrstrecken in Ansatz gebracht, die bei einer wirtschaftlichen Versorgung nicht angefallen wären; sie habe Entfernungskilometer
falsch angegeben, Fahrten ihrer Familienangehörigen als "im Rollstuhl sitzende Krankenbeförderungen" abgerechnet, obwohl eine
entsprechende ärztliche Verordnung nicht vorgelegen habe, habe zur Beförderung nicht zugelassene Fahrzeuge verwendet und Doppelabrechnungen
vorgenommen. Auch wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Antragstellerin eingestellt worden seien, ändere
dies nichts an der Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen. Im Übrigen könne ein einsteiliges Anordnungsverfahren nicht dazu dienen,
einen vorläufigen Zahlungstitel aus seit langem streitigen Sachverhalten zu schaffen.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat den Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 25.01.2012 zurückgewiesen. Ein Anordnungsanspruch setze, wenn
auch in der Regel im Rahmen einer nur summarischen Prüfung, eine Erfolgsaussicht in der Hauptsache voraus. Diese Überzeugung
könne sich das Gericht nicht verschaffen. Die Antragsgegnerin habe beachtliche Einwendungen gegen die Zahlungsansprüche der
Antragstellerin geltend gemacht. Der Antragstellerin werde u.a. entgegengehalten, Krankentransportleistungen entgegen dem
Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch erbracht zu haben. Die weiteren Vorwürfe unzureichender ärztlicher
Verordnungen, Doppelfahrten, Beförderungen in nicht zugelassenen Fahrzeugen und eigenmächtigen Abänderungen ärztlicher Formulare
habe die Antragstellerin nicht entkräften können. Ob diese Vorhaltungen zutreffend und im jeweiligen Einzelfall zu einer Reduzierung
der geltend gemachten Zahlungsansprüche führen, könne deshalb im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht abschließend entschieden
werden. Dies sei ggf. in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Eine Prognose, welchen Ausgang ein solches Hauptsacheverfahren
finden würde, sei nicht möglich. Im Übrigen bestehe auch kein Anordnungsgrund. Zum Einen habe die Antragstellerin die angegebenen
wirtschaftlichen Nachteile und eine Existenzgefährdung durch ein selbst eingegangenes Risiko im Hinblick auf eine noch nicht
gesicherte Rechtsposition verursacht, weil sie in Kenntnis der Abrechnungsstreitigkeiten ab Juli 2010 weiterhin Versicherte
der Antragsgegnerin befördert habe. Zum Anderen scheide eine einstweilige Anordnung aus, weil es um zurückliegende Zeiträume
gehe, die nicht mehr einstweilen regelungsfähig seien.
Gegen den am 26.01.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 20.02.2012 Beschwerde eingelegt, mit der sie die
Berechtigung der Beanstandungen der Antragsgegnerin in Abrede stellt. Ihr drohe die Schließung ihres Betriebes; ihre Existenz
sei bedroht, weil sie Ratenzahlungsverpflichtungen nicht nachkommen könne.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 25.01.2012 abzuändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich von der Antragsgegnerin
auf CD-Rom überreichter Abrechnungsunterlagen und der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft C - XXX - Bezug genommen.
II.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend abgelehnt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage gemäß §
153 Abs.
2 i.V.m. §
142 Abs.
2 Satz 2
SGG Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses und führt ergänzend aus:
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist §
86b Abs.
2 SGG (Regelungsanordnung). Danach kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen,
wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts eines Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§
86b Abs.
2 Satz 1
SGG). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung
dafür ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz begehrt wird) und
eines Anordnungsgrundes (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, wenn ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache
nicht zuzumuten ist). Dabei stehen sich Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert gegenüber, vielmehr besteht
zwischen ihnen eine funktionelle Wechselbeziehung dergestalt, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender
Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Eingriffs (Anordnungsgrund) zu verringern sind oder umgekehrt; dabei dürfen keine
zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Eilverfahren gestellt werden, die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel
zu orientieren, das der Antragstller mit seinem Begehren verfolgt (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 29.07.2003
- 2 BvR 311/03 - und vom 19.03.2004 - 1 BvR 131/04 -). Ist dagegen dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand
einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligter zu entscheiden (BVerfG,
Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; Senat, Beschluss vom 16.05.2011 - L 11 KA 132/10 B ER - und 23.12.2010 - L 11 KA 54/10 B ER -; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage, §
86b Rdn. 27 f m.w.N.).
Nach der vom SG beanstandungsfrei dargestellten Rechtslage kommt es im Wesentlichen darauf an, ob die Abrechnungen der Antragstellerin, auf
die sie ihre Forderungen stützt, zutreffend sind und ob ggf. bestehende Zahlungsforderungen der Antragsstellerin durch Aufrechnung
mit bestehenden Gegenansprüchen der Antragsgegnerin erloschen sind. Die Antwort auf beide Fragen ist in einem einstweiligen
Rechtsschutzverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit zu finden. Aufgrund des beiderseitigen Vorbringens bestehen jeweils
Bedenken, die nur aufgrund einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung in einem Hauptsacheverfahren ausgeräumt werden können.
Die deshalb gebotene Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligter führt indes dazu,
dem Interesse der Antragsgegnerin den Vorzug zu geben. Ausschlaggebend sind dabei:
Obwohl der Antragstellerin seit Mitte 2010 bekannt ist, dass die Antragsgegnerin erhebliche Einwendungen gegen ihre Abrechnungen
hat, hat sie erst knapp anderthalb Jahre später den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Dies spricht erheblich
gegen eine Eilbedürftigkeit ihres Anliegens.
Der von der einstweiligen Anordnung erfasste Regelungszeitraum Juli 2010 bis Februar 2011 liegt in der Vergangenheit. Der
von einer einstweiligen Anordnung zu erfassende Regelungszeitraum reicht indes grundsätzlich erst vom Zeitpunkt des Eingangs
des Eilantrags bei Gericht (längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache). Die tatbestandliche Herleitung
des Beginns der vorläufigen Leistung folgt für die Regelungsanordnung des §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG aus dem Tatbestandsmerkmal der "Abwendung" eines wesentlichen Nachteils. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf den Zeitpunkt
des Eingangs des Eilantrags bei Gericht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellen lediglich die Fälle dar, in denen ein
sogenannter Nachholbedarf besteht. Nachholbedarf ist aber nur gegeben, wenn bei nicht rückwirkender Leistungsgewährung, also
bei "Nichtnachholung" der in der Vergangenheit liegenden Leistungen, erhebliche Rechtsverletzungen für die Zukunft drohen
(Landessozialgericht (LSG) Bayern, Beschluss vom 21.09.2009 - L 8 AS 585/09 B ER - m.w.N.; Beschluss des Senats vom 09.11.2011 - L 11 KR 465/11 B ER -). Dies hat die Antragstellerin indes weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Auch aus der Aktenlage ergeben sich hierfür
keine Hinweise.
Unabhängig davon gilt: Ob die ggf. glaubhaft zu machenden Tatsachenbehauptungen einen Anordnungsgrund ausfüllen, bedarf einer
genauen Prüfung. Trägt der jeweilige Antragsteller vor, in seiner Existenz gefährdet zu sein, muss er eine entsprechende wirtschaftliche
Situation glaubhaft machen und nachvollziehbar darlegen, dass diese kausal auf die angegriffene Maßnahme - hier also die Einbehaltung
von 16.806,22 EUR - zurückzuführen ist, d.h. die Gründe für die behauptete Existenzgefährdung müssen geklärt sein (Senat,
Beschlüsse vom 15.05.1996 - L 11 SKa 21/96 - und vom 27.11.1991 - L 11 SKa 35/91 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
19.03.2007 - L 10 B 3/07 KA ER -). Macht ein Antragsteller erhebliche Zahlungsverpflichtungen geltend, fehlt es am Anordnungsgrund, wenn diese nicht
kausal durch die angegriffene Maßnahme entstanden sind (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 16.10.1997 - L 5 Ka 58/97 eR -).
Keinesfalls reicht es also aus, wenn z.B. lediglich auf Schulden bzw. Zahlungsverpflichtungen hingewiesen wird.
Bereits an einen solchermaßen dezidierten Vorbringen der Antragstellerin mangelt es. Das gilt umso mehr, als nach den unbestrittenen
Feststellungen des SG die Antragsgegenerin ab März 2011 von der Antragsstellerin erbrachte Krankentransportleistungen wieder vergütet hat und der
nachfolgende Umsatzeinbruch der Antragsstellerin um ca. die Hälfte und damit ihre behaupteten finanziellen Schwierigkeiten
wesentlich darauf zu beruhen scheinen, dass die bisher von der Antragstellerin durchgeführten Beförderungsfahrten der Schwiegermutter
durch deren Tod entfallen sind.
Demgegenüber ist das berechtigte Interesse der Antragsgegnerin vorrangig, zumindest bis zur endgültigen Klärung schon deshalb
keine Zahlung aus den Beiträgen der Versichertengemeinschaft an die Antragstellerin zu leisten, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit
zu befürchten steht, das bei im Ergebnis unberechtigter Zahlung bei der Antragstellerin kein Rückgriff mehr genommen werden
kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach fallen demjenigen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt
hat.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz. Dem liegt zugrunde, dass die Antragstellerin bei verständiger Würdigung ihres Interesses zumindest für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens
die einbehaltene Vergütung ausgekehrt wissen will, um darüber verfügen zu können. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin
durch den Zeitfaktor "Länge des Verfahrens" und durch das Zinsinteresse bestimmt. Die Länge des erstinstanzlichen Verfahrens
schätzt der Senat prognostisch auf zwei Jahre. Das Zinsinteresse ist darauf gerichtet, bereits ab einem früheren Zeitpunkt
über die Geldforderung verfügen zu können und nicht auf eine etwaige Zwischenfinanzierung angewiesen zu sein (vgl. dazu Beschluss
des Senats vom 04.10.2011 - L 11 KA 50/11 B ER -). Angesichts eines geschätzten Zinssatzes von 10 % ergibt sich ein jährliches Zinsinteresse von 1.680,62 EUR. Das
entspricht einem auf zwei Jahre bezogenen Zinsinteresse von gerundet 3.361,00 EUR.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).