Tatbestand
Der Kläger begehrt als überörtlicher Träger der Sozialhilfe von der Beklagten, einer Trägerin der Jugendhilfe, die Erstattung
von ihm erbrachter Leistungen für eine stationäre Unterbringung des Beigeladenen in der Zeit vom 08.03.2007 bis zum 31.05.2010.
Der am 00.00.1986 geborene Beigeladene ging als zweites von zwei Kindern aus der zwischenzeitlich geschiedenen Ehe des 1958
geborenen I H und der 1959 geborenen S T hervor. Er besuchte zunächst eine (Regel-) Grundschule, wechselte im Alter von zehn
Jahren jedoch auf die Sonderschule. Nach Trennung der Eltern (2003) lebte er zunächst bei seinem Vater. In dieser Zeit holte
er auch den Hauptschulabschluss nach. Anschließend zog er zu seiner Mutter, die im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten
wohnt. Da seine Lehrer den erfolgreichen Abschluss einer Lehre nur mit Unterstützung eines Jugenddorfes für möglich hielten,
wurde der Beigeladene anschließend in dem CJD-Berufsbildungswerk G internatsmäßig untergebracht, wo er im August 2005 eine
Tischlerlehre begann. Die Lehre musste er jedoch im Januar 2006 wegen disziplinarischer Probleme (Gewalttätigkeiten) und Drogenkonsums
abbrechen. Kostenträger für diese Maßnahme war die Agentur für Arbeit E.
Im Zusammenhang mit dem Abbruch der Lehre wollte sich der Beigeladene mit einem Gürtel in seinem Zimmer erhängen; sein Bezugsbetreuer
konnte ihn jedoch davon abbringen. Der Beigeladene begab sich anschließend freiwillig ab dem 15.01.2006 erstmals zur stationären
Behandlung in die Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Rheinische Kliniken E (RKE), deren Träger der Kläger ist.
Vor diesem Hintergrund wurde für ihn eine gesetzliche Betreuung eingerichtet mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge,
Aufenthaltsbestimmung, vermögensrechtliche Angelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und berufliche Angelegenheiten (Beschluss
des Amtsgerichts (AG) E vom 10.03.2006 - 00 XVII 00/06). Während des Klinikaufenthalts wurden beim Beigeladenen eine emotional
instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus, ein Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) sowie
eine leichtgradige intellektuelle Minderbegabung diagnostiziert. Im Vordergrund der Erkrankung stehe die Persönlichkeitsstörung
sowie das ADHS, nicht jedoch ein Suchtproblem. Unter psychopharmakologischer Behandlung, flankierenden therapeutischen Aktivitäten
sowie stützenden Einzelgesprächen sei es zu einer Stabilisierung des psychopathologischen Befundes gekommen. Im Frühjahr 2006
wurde eine Fortsetzung der stationären Krankenhausbehandlung daher nicht mehr für erforderlich gehalten. Allerdings kamen
die Ärzte der RKE in einem Attest vom 13.02.2006 zu der Einschätzung, der Beigeladene sei aufgrund seiner krankheitsbedingt
eingeschränkten Belastbarkeit, eingeschränkter Urteilsfähigkeit sowie verminderter Befähigung zu zielgerichtetem Handeln nicht
zu einem eigenständigen Leben, etwa in einer eigenen Wohnung, in der Lage; sie hielten die Unterbringung in einer stationären
Dauereinrichtung in einem engen tagesstrukturierenden Rahmen für dringend geboten.
Es wurde daher in Aussicht genommen, den Beigeladenen in einer Einrichtung des Paritätischen Alten-, Behinderten- und Kinderhilfswerks
e.V. (ABK) aufzunehmen. Der ABK unterhält mehrere Einrichtungen (insbesondere Wohnheime und Werkstätten) mit differenzierter
Ausrichtung. Er versteht sich ausweislich seiner Leistungsbeschreibung (auf die wegen der Einzelheiten auf Bl. 47-105 des
Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen wird) als sozio-therapeutische Übergangseinrichtung mit mehrjähriger, jedoch
grundsätzlich begrenzter Aufenthaltsdauer, welche weitestgehend von der individuellen positiven Entwicklung des Bewohners
abhängt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt zwischen fünf und sieben Jahren; eine Ausnahme bilden Personen, die
mangels Alternativen keinen geeigneten Platz in einer anderen Einrichtung erhalten können.
Vor diesem Hintergrund beantragte der Beigeladene zunächst am 15.02.2006 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach
"§ 41 KJHG". Die Beklagte lehnte dies ab (Bescheid vom 22.03.2006, Widerspruchsbescheid vom 08.05.2006): Gemäß § 41 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) solle einem jungen Menschen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt
werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation notwendig sei. Die dafür notwendigen pädagogischen
Voraussetzungen erfülle der Beigeladene jedoch nicht, da eine erhebliche Drogen- und Alkoholabhängigkeit bestehe.
Der Beigeladene beantragte am 28.04.2006 - noch während des laufenden Widerspruchsverfahrens bei der Beklagten - unter Beifügung
eines individuellen Hilfeplanes vom selben Tage beim Kläger die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einem der Häuser
des ABK. Diesem Antrag gab der Kläger mit Bescheid vom 04.05.2006 - zunächst befristet auf drei Monate - statt. Unter gleichem
Datum teilte er dem ABK die Leistungsgewährung mit; zugleich meldete er bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch "nach
§§ 102 ff." Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) "auf die erbrachten Leistungen im ABK-Hilfswerk" an. Wegen des ungeklärten Sachverhaltes und der deswegen noch bestehenden
Unsicherheiten betreffend die Zuständigkeit bzw. die Abgrenzung zwischen Sozialhilfe und Jugendhilfe sei er bereit, die Kosten
für die Unterbringung des Beigeladenen zunächst im Rahmen der Sozialhilfe zu übernehmen.
Am 10.05.2006 wurde der Beigeladene aus den RKE unmittelbar in das Wohnheim "T3 B" des ABK aufgenommen. Dieses Wohnheim bietet
16 Plätze für Frauen und Männer. Es ist auf Erwachsene mit psychischer Behinderung (aufgrund einer chronischen psychischen
Erkrankung oder einer chronischen Abhängigkeitserkrankung) und hohem sozialen Integrationsbedarf zugeschnitten (vgl. die Leistungsbeschreibung
Blatt 76-79 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). In dem Wohnheim "T3 B" verblieb der Beigeladene bis zum 06.10.2007.
Die Beklagte lehnte zwischenzeitlich die Anerkennung des Erstattungsanspruches des Klägers ab (Schreiben vom 24.05. und 28.11.2006).
Zur Begründung führte sie aus, es bestehe jedenfalls auch eine geistige Behinderung in Form der Intelligenzminderung. So sei
in dem zwischenzeitlich erstellten weiteren individuellen Hilfeplan vom 24.07.2006 ausgeführt, der Beigeladene weise eine
Entwicklungsretardierung und Intelligenzminderung auf, die eine umfassende Förderung erforderlich mache. Für eine selbständige
Lebensführung sei eine erhebliche Nachreifung in nahezu allen Lebensbereichen erforderlich. Im Überschneidungsbereich des
§ 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII seien bei Bestehen eines Hilfebedarfs aufgrund einer geistigen oder körperlichen Behinderung stets Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (nunmehr Zwölftes Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII)) vorrangig gegenüber Leistungen nach dem SGB VIII (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23.09.1999 - 5 C 26/98).
Während seines Aufenthalts im Haus "T3 B" wurde der Beigeladene weiter medikamentös (mit Valproinsäure und Ritalin) behandelt.
Ein Absetzversuch von Ritalin führte zu erheblichen Unruhezuständen und einer Senkung der Aggressionsschwelle, was eine Integration
in das Gruppengefüge des Wohnheimes kaum noch ermöglichte. Zudem gab es in der Folgezeit Compliance-Probleme, so dass die
Medikamente gemörsert werden mussten; daraufhin besserte sich sein Zustand deutlich. Da insgesamt eine Stabilisierung festzustellen
war, wechselte er am 06.10.2007 vom Haus "T3 B" innerhalb des ABK in das Haus "I1". In diesem Zusammenhang wurden Vermögensangelegenheiten
aus dem Aufgabenkreis der Betreuung herausgenommen (Beschluss des - in der Betreuungsangelegenheit inzwischen zuständig gewordenen
- AG N vom 30.11.2007 - 0 XVII T1 0000).
Das Haus "I1" ist auf denselben Personenkreis zugeschnitten wie das Haus "T3 B" (vgl. die Leistungsbeschreibung Bl. 84-87
der Verwaltungsakte der Beklagten). Es handelt sich um ein sog. Nachfolgewohnheim zu dem Aufnahmehaus "T3 B". Nach dem Betreuungskonzept
des ABK erfolgt eine Verlegung in ein Nachfolgewohnheim, wenn ein erhöhtes Maß an Bereitschaft, notwendige pädagogische Maßnahmen
mitzutragen, eine erfolgreiche Integration in die Trainingswerkstatt und eine positive Entwicklung des Sozial-/Freizeitverhaltens
zu erkennen ist. Maßgebend hierfür sind vorrangig die individuellen Fortschritte des Bewohners; seine Aufenthaltsdauer ist
demgegenüber nachrangig. Zielsetzung des Nachfolgehauses ist es, fußend auf den Erkenntnissen des Aufnahmehauses über Ressourcen
und Problematiken der Bewohner (festgehalten in Hilfeplänen und Berichten), ihre Persönlichkeitsentwicklung und Stabilisierung
weiter voranzutreiben und sie zu einer erweiterten Handlungskompetenz in den Bereichen persönliche und lebenspraktische Eigenverantwortung,
aktive Freizeitgestaltung, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben auch außerhalb des Wohnheimes sowie Entwicklung einer beruflichen
Perspektive zu führen.
Im Laufe der Zeit nutzte der Beigeladene verschiedene wohnheimeigene Arbeitsangebote (z.B. Küchen- und Gartengruppe), absolvierte
- ohne nachhaltigen Erfolg - verschiedene Praktika und hatte vorübergehend einen 400-Euro-Job im Baubereich. Theoretische
Qualifizierungsmaßnahmen schlugen fehl. So brach der Beigeladene die Teilnahme an einem Berufsgrundschuljahr (Beginn im August
2010 mit dem Ziel Realschulabschluss) nach kurzer Zeit ab.
Im Zusammenhang mit der Unterbringung des Beigeladenen in den beiden Häusern des ABK wurden neben den Hilfeplänen vom 28.04.2006
und vom 24.07.2006 im weiteren Verlauf am 24.09.2008, 10.09.2010 und 03.11.2011 weitere individuelle Hilfepläne erstellt;
wegen deren Einzelheiten wird auf Blatt 13 ff., 109 ff. und 29 ff. Band II der Verwaltungsvorgänge des Klägers sowie auf Blatt
185 ff. und die Anlage 2 zu Blatt 222 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Beigeladene lebt aktuell weiterhin im Haus "I1". Die Kosten für diese Unterbringung wie auch für die Unterbringung im
Haus "T3 B" (zuzüglich weiterer Aufwendungen für die Finanzierung von Familienheimfahrten des Beigeladenen) trug bisher ausschließlich
der Kläger, wobei er zur Deckung der Kosten ab August 2006 den Kindergeldanspruch des Beigeladenen auf sich überleitete. Abzüglich
dieses Kostenbeitrages wandte der Kläger für den Zeitraum vom 10.05.2006 bis zum 31.05.2010 einen Gesamtbetrag i.H.v. 238.786,88
EUR auf.
Bereits am 26.01.2007 hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln erhoben, welches den Rechtsstreit zuständigkeitshalber
an das Sozialgericht (SG) Köln verwiesen hat (Beschluss vom 12.02.2007).
Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte könne nicht einwenden, dass bei einer angeblich bestehenden Drogenproblematik
eine Jugendhilfemaßnahme nicht adäquat sei. Denn bei einer Drogenerkrankung handle sich um eine rein seelische Behinderung,
welche in jedem Fall von den Maßnahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII erfasst werde. Aus den aktenkundigen ärztlichen Befunden ergebe sich zudem, dass im Vordergrund die Persönlichkeitsstörung
sowie das ADHS des Beigeladenen gestanden habe. Die Wohnheimunterbringung sei aufgrund seiner seelischen Behinderung erforderlich;
sie diene eindeutig der Nachreifung seiner Persönlichkeit. Ohnehin halte sich der Beigeladene in einem Wohnheim auf, welches
ausschließlich der Aufnahme seelisch behinderter, verhaltensauffälliger Personen diene. Die Beklagte sei gemäß § 102 SGB X verpflichtet, die vom Kläger ab dem 10.05.2006 erbrachten Aufwendungen zu erstatten, weil sie für die Gewährung der Hilfe
vorrangig leistungspflichtig gewesen sei. Maßnahmen der Eingliederungshilfe für junge Menschen, die seelisch behindert oder
von einer solchen Behinderung bedroht seien, fielen in den vorrangigen Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe. Der Beigeladene
habe gegenüber der Beklagten wegen der seelischen Behinderung grundsätzlich Anspruch auf Hilfe für junge Volljährige gemäß
§§ 41, 35a SGB VIII. Dass der Kläger nicht endgültig als zuständiger Träger geleistet habe, sei für die Beklagte zweifelsfrei klar gewesen, weil
unter dem 04.05.2006 ein Erstattungsanspruch angemeldet worden sei. Von einer Weiterleitung des Antrags des Beigeladenen sei
abgesehen worden, weil davon auszugehen gewesen sei, dass die Beklagte auch den bei dem Kläger gestellten Antrag abschlägig
bescheiden würde. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass in besonderen Fällen die Regelung des §
43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (
SGB I) trotz der Vorschrift des §
14 SGB IX gelte. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch aus § 104 SGB X. Wegen seiner seelischen Behinderung habe der Beigeladene sowohl einen Anspruch auf Hilfe nach den §§ 53 ff. SGB XII als auch nach den §§ 41, 35a SGB VIII. Aufgrund der Systemsubsidiarität gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII sei die Leistungspflicht der Beklagten vorrangig. Eine nicht erfolgte Weiterleitung schließe den Erstattungsanspruch grundsätzlich
nicht aus; §
14 SGB IX bezwecke eine schnelle Leistungserbringung, nicht jedoch eine Lastenverschiebung zwischen den für die Leistungen zur Teilhabe
zuständigen Rehabilitationsträgern.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die in der Zeit vom 10.05.2006 bis zum 31.05.2010 im Hilfefall Q T erbrachten Aufwendungen
i.H.v. 238.786,88 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des § 102 SGB X seien nicht erfüllt. Eine vorläufige Leistungserbringung im Sinne der genannten Vorschrift erfordere entweder das Bestehen
eines Kompetenzkonflikts oder einer sonstigen Unklarheit über die Zuständigkeit für die endgültige Leistungserbringung. Weder
das eine noch das andere habe hier vorgelegen. Wenn sie - die Beklagte - sich für unzuständig gehalten hätte, hätte sie den
bei ihr gestellten Antrag nach §
14 Abs.
1 S. 2
SGB IX an den Kläger weiterleiten können. Da sie dies nicht getan habe, sei sie gemäß §
14 Abs.
2 S. 1
SGB IX zuständig (geworden); sie habe auch in der Sache entschieden, nämlich den Antrag abgelehnt. Für den Kläger habe somit keine
Veranlassung bestanden, Leistungen zu gewähren. Eine Rechtsgrundlage für eine vorläufige Hilfegewährung gebe es im vorliegenden
Fall nicht. Insbesondere sei §
43 SGB I nicht anwendbar, da §
14 SGB IX die speziellere Regelung sei. Im Übrigen müsse bei einer vorläufigen Hilfegewährung der Wille des die Erstattung begehrenden
Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf eine ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen
erkennbar sein.
Auch die Voraussetzungen für eine Erstattung nach § 104 SGB X lägen nicht vor. Bei seelisch Behinderten seien grundsätzlich sowohl der Kläger als auch die Beklagte für die Leistungsgewährung
zuständig. Das Vorrang-/Nachrangverhältnis ergebe sich aus § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII. Da die Beklagte rechtzeitig tätig geworden sei, habe für den Kläger keine Veranlassung bestanden, Hilfe zu gewähren. Ihm
sei bekannt gewesen, dass die Beklagte die Hilfe abgelehnt habe. Der Kläger hätte die Betreuerin des Beigeladenen darauf hinweisen
müssen, gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vorzugehen, bzw. hätte den bei ihm eingereichten Antrag zuständigkeitshalber
an die Beklagte weiterleiten müssen. Stattdessen habe er ein Verfahren gewählt, das §
14 SGB IX nicht vorsehe, indem er als nachrangiger Leistungsträger neben dem vorrangigen Leistungsträger in der Sache entschieden und
Hilfe bewilligt habe. Dies bleibe ihm als nachrangigem Leistungsträger zwar unbenommen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung
könne hieraus jedoch nicht erwachsen. Anderenfalls würde die ablehnende Haltung der Beklagten völlig ignoriert, und der Kläger
könnte eine abweichende Entscheidung treffen, die kostenmäßig zu Lasten der Beklagten ginge.
Eine Kostenerstattung nach § 105 SGB X scheide aus, weil der Kläger kein unzuständiger Leistungsträger sei. Schließlich komme auch eine Kostenerstattung auf der
Grundlage von §
14 Abs.
4 S. 1
SGB IX nicht in Betracht, weil der Kläger nicht zweitangegangener Rehabilitationsträger sei; an ihn sei kein Antrag gemäß §
14 Abs.
1 S. 2
SGB IX weitergeleitet worden.
Für einen Erstattungsanspruch sei es im Übrigen unerheblich, aus welchem sachlichen Grund der Hilfebedarf abgelehnt worden
sei. Eine Ablehnung der Leistungen durch die Beklagte wegen fehlender Zuständigkeit sei nicht erfolgt; nur in einem solchen
Fall aber käme ein Erstattungsanspruch des Klägers in Betracht. Selbst eine vermeintlich unrechtmäßige Ablehnung des Hilfebedarfs
durch die Beklagte gebe dem Kläger nicht das Recht, die aus seiner Sicht rechtmäßige Hilfe anstelle des zuständigen Leistungsträgers
zu gewähren und dann von diesem Kostenerstattung zu verlangen.
Der mit Beschluss des SG vom 05.11.2009 zu dem Verfahren hinzugezogene Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. C vom 30.11.2009. Der Sachverständige
hat beim Beigeladenen nach persönlicher (insbesondere testpsychologischer) Untersuchung eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung
vom impulsiven Typ sowie eine leichte intellektuelle Minderbegabung (IQ 85-90) diagnostiziert. Aus seiner Lebens- und Krankheitsgeschichte
lasse sich ableiten, dass er nur unter Anleitung und Führung "nicht psychisch und sozial aus der Spur gerate". Die geplante
weitere Förderung im ABK noch über zwei bis drei Jahre mit dem Ziel einer Anlerntätigkeit im Garten- und Landschaftsbau auf
dem ersten Arbeitsmarkt erscheine realistisch. Erst dann werde der Beigeladene psychisch so stabil sein, dass er auch ein
Leben in eigener Wohnung mit nur ambulanter Betreuung bewältigen könne.
Auf die mündliche Verhandlung vom 29.09.2010 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger die für den Beigeladenen erbrachten Aufwendungen für die Zeit vom 10.05.2006 bis zum
07.03.2007 i.H.v. 35.386,55 EUR zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung der erbrachten Aufwendungen für die vollstationäre Unterbringung des Beigeladenen
allein für die Zeit vom 10.05.2006 bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres (07.03.2007) i.H.v. 35.386,55 EUR. Zwar scheide
ein Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X aus, weil die Bewilligung der Leistungen vom Kläger nicht nach außen erkennbar als vorläufig im Sinne des § 102 SGB X gekennzeichnet worden sei. Der Anspruch folge jedoch aus § 104 SGB X.
Die Beklagte sei für die Leistungserbringung an den Beigeladenen in dem vorgenannten Zeitraum vorrangig und der Kläger nachrangig
verpflichtet gewesen. Dies ergebe sich aus § 10 Abs. 4 S. 1 und S. 2 SGB VIII.
Denn die vollstationäre Unterbringung des Beigeladenen beim ABK sei allein aufgrund seiner seelischen Behinderung erforderlich
gewesen. Dem im Zeitpunkt der Heimaufnahme 20-jährigen Beigeladenen habe bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres wegen
seiner seelischen Behinderung (emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus sowie leichte intellektuelle
Minderbegabung) ein Anspruch auf Hilfe nach § 41 SGB VIII i.V.m. § 35a SGB VIII gegen die Beklagte zugestanden. Nach § 3 Nr. 4 der Eingliederungshilfeverordnung seien Persönlichkeitsstörungen seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit im Sinne des
§ 53 SGB XII zur Folge haben könnten. Sofern sie - wie beim Beigeladenen - eine klinische Behandlung oder eine ständige schützende Betreuung
notwendig machten, werde von einer wesentlichen seelischen Behinderung ausgegangen. Aufgrund seiner psychischen Störung habe
der Beigeladene einer vollstationären Unterbringung in einer geeigneten Hilfeeinrichtung bedurft; denn seine psychische Belastbarkeit
sei nicht ausreichend gewesen, um ihn in einer anderen (kostengünstigeren) Wohnform unterzubringen.
Zugleich habe dem Beigeladenen Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 SGB XII zugestanden. Sein Eingliederungsbedarf aufgrund seiner wesentlichen seelischen Behinderung sei in Form vollstationärer Heimunterbringung
deckungsgleich mit seinem Bedarf nach dem Jugendhilferecht gewesen.
Die vorrangige Leistungszuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe folge aus § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII. Nur wenn Jugendhilfeleistungen nach dem SGB VIII mit den in § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII genannten Maßnahmen der Eingliederungshilfe wegen körperlicher oder geistiger Behinderung konkurrierten, sei die Sozialhilfe
vorrangig. Ein solches Konkurrenzverhältnis habe jedoch nicht bestanden. Denn der Beigeladene sei nicht wesentlich körperlich
oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht gewesen; insbesondere habe keine wesentliche geistige Behinderung
vorgelegen, die ursächlich für einen Eingliederungsbedarf in Form der stationären Heimunterbringung hätte gewesen sein können.
Sowohl von den RKE als auch vom Sachverständigen sei übereinstimmend nur eine leichtgradige intellektuelle Minderbegabung
diagnostiziert worden. Aufgrund der festgestellten IQ-Werte könne von einer wesentlichen geistigen Behinderung des Beigeladenen
nicht gesprochen werden. Der Beigeladene sei folgerichtig auch nicht in einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen
betreut worden, sondern in einer Einrichtung für seelisch Behinderte und verhaltensauffällige Personen.
Nach Vollendung des 21. Lebensjahres des Beigeladenen stehe dem Kläger allerdings kein Erstattungsanspruch mehr zu. Denn ab
diesem Zeitpunkt sei der Beklagte nicht mehr zur Leistung verpflichtet gewesen. Nach § 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII solle die Hilfe für junge Volljährige nur in begründeten Einzelfällen für einen begrenzten Zeitraum über das 21. Lebensjahr
hinaus fortgesetzt werden. Ab Vollendung des 21. Lebensjahres stelle der Gesetzgeber erhöhte Anforderung an die Notwendigkeit
der Hilfegewährung. Es müsse eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen erkennbaren, schon Fortschritte zeigenden Entwicklungsprozess
zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII genannten Ziele bestehen, welcher durch die Hilfegewährung für einen begrenzten Zeitraum gefördert werden könne. Zwar habe
die Situation des Beigeladenen eine Weiterführung von Eingliederungshilfe in Form der stationären Unterbringung über das 21.
Lebensjahr hinaus als notwendig und zweckmäßig erscheinen lassen. Allerdings sei diese Förderung nicht nur für einen begrenzten
Zeitraum nach Vollendung des 21. Lebensjahres, sondern fortlaufend über Jahre hinweg bis zum jetzigen Zeitpunkt erforderlich.
Mit Blick auf die bereits jahrelang andauernde sowie aktuell und zukünftig fortbestehende Notwendigkeit der Heimunterbringung
könne von einer Hilfe in zeitlich begrenztem Rahmen nicht ausgegangen werden; werde das Tatbestandsmerkmal des "begrenzten
Zeitraumes" daher nicht erfüllt, so scheide eine Weitergewährung von Jugendhilfe über die Vollendung des 21. Lebensjahres
hinaus aus. Zwar erscheine es prognostisch möglich, dass der Beigeladene aufgrund der Heimbetreuung in Zukunft das Heim verlassen
und in einer eigenen Wohnung leben könne. Dies sei aber erst nach einer jahrelangen Heimbetreuung nach Vollendung des 21.
Lebensjahres zu erreichen, wobei der Beigeladene auch weiterhin auf ambulante Betreuung (betreutes Wohnen) als Eingliederungsmaßnahme
angewiesen sein werde. Sein Hilfebedarf sei daher nach Vollendung des 21. Lebensjahres nicht mehr als jugendhilferechtlicher
Bedarf nach §§ 41, 35a SGB VIII, sondern als Eingliederungsbedarf nach §§ 53 ff. SGB XII anzusehen.
Dem Erstattungsanspruch des Klägers aus § 104 SGB X stehe nicht entgegen, dass die Beklagte die Leistung gegenüber dem Beigeladenen (mit Bescheid vom 13.03.2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 08.05.2006) bestandskräftig abgelehnt habe. Auch scheide der Erstattungsanspruch nicht aus, weil
der Kläger den Antrag des Beigeladenen vom 28.04.2006 auf Gewährung von Eingliederungshilfe nicht an die Beklagte weitergeleitet
habe. Leite ein Rehabilitationsträger den Antrag nicht weiter, sei er zwar für die Feststellung der Rehabilitationsleistung
im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller dauerhaft zuständig. Die unterlassene Weiterleitung führe aber nicht dazu,
dass im Innenverhältnis der unzuständige Rehabilitationsträger die aufgewandten Kosten endgültig tragen müsse; dort verbleibe
es bei den Zuständigkeitsregelungen nach den speziellen Leistungsgesetzen, da im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander
für eine ungerechtfertigte Lastenverschiebung kein Grund bestehe.
Gegen das ihm am 13.10.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.11.2010 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, das SG lege § 41 SGB VIII, insbesondere den Begriff des "begründeten Einzelfalls" (Abs. 1 S. 2 2. HS), unzutreffend aus. Ein begründeter Einzelfall
liege vor, wenn er von der Vielzahl der typischen Jugendhilfefälle abweiche und der Betroffene mit Blick auf die Ziele des
§ 41 SGB VIII der Förderung zugänglich sei und ihr insoweit bedürfe, als es sich um die Fortsetzung einer begonnenen Maßnahme handele.
Es müsse eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen für einen erkennbaren und schon Fortschritte zeigenden Entwicklungsprozess
zur Erreichung der in § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII genannten Ziele, welcher durch die weitere Hilfegewährung gefördert werden könne. Hierfür spreche auch die Gesetzesbegründung
(BT-Drs. 11/5948 S. 78). Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Prognose des Jugendhilfeträgers betreffend die Geeignetheit und
Notwendigkeit der Maßnahme. Dies sei grundsätzlich der Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der begehrten Fortsetzungsmaßnahme;
die tatsächliche spätere Entwicklung sei nicht ausschlaggebend. Im vorliegenden Fall hätten bei Vollendung des 21. Lebensjahres
des Beigeladenen genügend Anhaltspunkte vorgelegen, die insbesondere im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossene Berufsausbildung
oder die Defizite in seiner Persönlichkeitsentwicklung eine Fortsetzung der bereits begonnenen Maßnahme erfordert hätten.
Die Prognoseentscheidung sei zu treffen gewesen, als der Beigeladene unterschiedliche Arbeitsbereiche im Haus "T3 B" durchlaufen
gehabt habe. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Prognose günstig gewesen, was auch der weitere Verlauf bestätige. Lediglich aufgrund
von Rückschlägen, die im Rahmen der Prognoseentscheidung nicht hätten abgesehen werden können, habe die Maßnahme verlängert
werden müssen. Gleichwohl habe der Beigeladene während des gesamten Zeitraums stets deutlich wahrnehmbare Fortschritte gemacht.
Mit der Berufungsschrift hat der Kläger zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung weiterer 203.403,33 EUR (für
die Zeit vom 10.05.2006 bis zum 31.05.2010) begehrt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat er klargestellt, dass sich der
geltend gemachte Erstattungsbetrag nur auf 203.400,33 EUR (für die Zeit vom 08.03.2007 bis zum 31.05.2010) belaufe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 29.09.2010 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den
bereits zugesprochenen Betrag von 35.386,55 EUR hinaus auch die in der Zeit vom 08.03.2007 bis zum 31.05.2010 im Hilfefall
Q T erbrachten Aufwendungen i.H.v. weiteren 203.400,33 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Vor dem Hintergrund des weiterhin andauernden stationären Hilfebedarfs und
unter Berücksichtigung des prognostizierten auch künftigen - weit über das 21. Lebensjahr hinausgehenden - Eingliederungsbedarfs
sei das SG zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich nicht mehr um eine zeitlich begrenzte Hilfegewährung im Sinne des § 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII handele. Selbst bei äußerst günstigem Verlauf könne das Ziel des Abschlusses einer regulären Berufsausbildung frühestens
im Sommer 2014 erreicht werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Zeitgrenze des § 41 SGB VIII jedoch eindeutig überschritten. In seiner Berufsfindung sei der Beigeladene behinderungs- und krankheitsbedingt immer noch
so eingeschränkt, dass er trotz seines Alters keine realistische Vorstellung von verschiedenen Berufsbildern und von seinen
Fähigkeiten besitze. Dies alles weise darauf hin, dass er voraussichtlich zumindest bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres
auf die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form stationärer Unterbringung angewiesen sei. Es sei überdies damit zu rechnen,
dass auch danach Eingliederungsbedarf nach §§ 53 ff. SGB XII bestehen werde.
Der Beigeladene äußert sich auch im Berufungsverfahren nicht zur Sache.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der beim ABK tätigen Diplom-Sozialarbeiterin F-T2 als Zeugin; wegen des Ergebnisses
wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2012 Bezug genommen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Akten
(Verwaltungsvorgänge des Klägers und der Beklagten sowie Betreuungsakte des AG N - 0 XVII T1 0000 betreffend den Beigeladenen).
Der Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist im Anschluss an die Klarstellung seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung
nur mehr die Frage, ob er von der Beklagten auch für die Zeit vom 08.03.2007 bis zum 31.05.2010 wegen der an den Beigeladenen
in den Häusern des ABK (bis 05.10.2007 im Haus "T3 B" und ab dem 06.10.2007 im Haus "I1") erbrachten Leistungen eine Erstattung
verlangen kann. Der Senat hat einzig darüber zu entscheiden, ob die Beklagte dem Kläger für den genannten Zeitraum weitere
203.400,33 EUR zu erstatten hat. Ob die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung von 35.386,55 EUR für den (vorangegangenen)
Zeitraum vom 10.05.2006 bis zum 07.03.2007 zu Recht erfolgte, kann der Senat offen lassen, da der Kläger alleiniger Berufungsführer
ist.
II.
Die nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1.
Der Sozialrechtsweg ist jedenfalls aufgrund der bindenden Verweisung durch das VG Köln (Beschluss vom 12.02.2007) bzw. der
angefochtenen Entscheidung des SG eröffnet (§
17a Abs.
2 S. 3 bzw. Abs.
5 Gerichtsverfassungsgesetz).
Für das Begehren des Klägers ist die allgemeine Leistungsklage (§
54 Abs.
5 SGG) statthaft (vgl. Roos in von Wulffen, SGB X, 10. Auflage 2012, vor § 102 Rn. 25, sowie Urteil des Senats vom 14.02.2011 - L 20 SO 110/08 Rn. 50), die im Übrigen ohne weiteres zulässig ist.
2.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Eine rechtliche Grundlage, auf die der Kläger sein Erstattungsbegehren stützen könnte, ist
nicht erkennbar.
a) Zu Recht hat das SG allein Erstattungsvorschriften nach dem SGB X zur Prüfung herangezogen; denn vorrangige spezialgesetzliche Erstattungsregelungen sind nicht einschlägig.
aa) Eine - ggf. vorrangige (dazu BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 11) - Erstattung nach §
14 Abs.
4 SGB IX kommt nicht in Betracht, weil der Anwendungsbereich dieser Norm nicht berührt wird. Denn es handelt sich dabei um eine Sondervorschrift
zum Schutz bzw. zu Gunsten des zweitangegangenen Trägers, der auf der Grundlage einer Weiterleitung durch den angegangenen
ersten Träger nach §
14 Abs.
1 S. 2 - 4
SGB IX (und damit "aufgedrängt") zuständig geworden ist (vgl. Luik in jurisPK-
SGB IX, §
14 Rn. 98 ff., insb. Rn. 99, 104). Eine derartige Konstellation besteht im vorliegenden Fall nicht. Der Beigeladene hat zunächst
bei der Beklagten und erst danach bei dem Kläger (jeweils getrennt) die Übernahme der Kosten für seine Unterbringung beim
ABK beantragt. Dennoch ist der Kläger nicht nach §
14 SGB IX allein durch Weiterleitung zuständiger Träger; denn eine Weiterleitung des bei der Beklagten gestellten ersten Antrages des
Beigeladenen an den Kläger hat nicht stattgefunden.
bb) Auch die Vorschriften der §§ 89 ff. SGB VIII sind im Verhältnis des Klägers zur Beklagten nicht einschlägig; sie normieren allein Erstattungsansprüche eines (unzuständig)
tätig gewordenen Jugendhilfeträgers gegen Dritte bzw. andere Träger der Jugendhilfe, nicht jedoch eines Trägers der Sozialhilfe
wie den Kläger.
b) Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht auch die Voraussetzungen der Erstattungsregelungen der §§ 102 ff. SGB X nicht als erfüllt angesehen.
Alle diese Vorschriften stützen ein Erstattungsbegehren nur, wenn der zur Erstattung verpflichtete Träger - aus welchen Gründen
auch immer - zu Unrecht Leistungen nicht erbracht, d.h. er der eigentlich zur Leistung verpflichtete Träger gewesen ist (vgl.
Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Loseblatt, § 102 Rn. 103).
Eine Erstattungspflicht nach den §§ 102 ff. SGB X würde also eine Verpflichtung der Beklagten voraussetzen, dem Beigeladenen die Leistungen für Heimunterbringung (sowie Fahrtkosten)
zu erbringen. Eine solche Verpflichtung bestand jedoch nicht.
Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte nach den Vorschriften der §§ 85 Abs. 1, 86a Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VIII sachlich und örtlich zuständiger Träger für Jugendhilfeleistungen an den Beigeladenen war. Denn eine materiell-rechtlichen
Leistungsverpflichtung zur Jugendhilfe scheidet bereits von vornherein aus.
Der Beigeladene hatte am 00.00.2004 sein 18. Lebensjahr vollendet. Ab diesem Zeitpunkt kam eine Leistungsverpflichtung der
Beklagten als Jugendhilfeträger nur unter dem Gesichtspunkt der Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) in Betracht.
Nach § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII soll jungen Volljährigen (das sind nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII Personen nach Vollendung des 18. und vor Vollendung des 27. Lebensjahres) Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu
einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange sie aufgrund der individuellen Situation des jungen
Menschen notwendig ist. Umfang bzw. Ausgestaltung der Hilfe bestimmt § 41 Abs. 2 SGB VIII durch Verweis auf andere Leistungsvorschriften. Eine zeitliche Einschränkung ergibt sich aus § 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII. Danach wird die Hilfe in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll
sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden.
Beteiligte und SG haben sich im wesentlichen zur Frage verhalten, ob der Fall des Beigeladenen ein begründeter Einzelfall sei, der es rechtfertige,
die Leistung über die Vollendung des 21. Lebensjahr hinaus fortzusetzen. Die Frage der Voraussetzungen einer solchen sog.
Fortsetzungshilfe stellt sich jedoch erst, wenn die in Rede stehende Maßnahme bereits bei ihrem Beginn (hier: am 10.05.2006)
als Hilfe für junge Volljährige i.S.d. § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII notwendig gewesen ist. Bereits dies ist nach Ansicht des Senats beim Beigeladenen aber zu verneinen:
Sowohl dem Gesetzeswortlaut (§ 41 Abs. 1 S. 2 1. HS SGB VIII) als auch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/5948 S. 78) lässt sich entnehmen, dass Jugendhilfeleistungen in der Regel mit
der Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen sein sollen. Allerdings eröffnet das Gesetz, um bereits begonnene Maßnahmen
abschließen zu können bzw. um Reibungsverluste zu vermeiden, die sich durch einen Zuständigkeitswechsel im Rahmen einer laufenden
Maßnahme ergeben können, in § 41 Abs. 1 S. 2 2. HS SGB VIII die Möglichkeit, auch darüber hinaus (bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) Leistungen an Berechtigte zu erbringen (vgl.
z.B. Riehle in Krüger/Grüner/Dalichau, Kinder- und Jugendhilfe, Loseblatt, § 41 2.1; Tammen in LPK-SGB VIII, 6. Auflage 2009, § 41 Rn. 9; Stähr in Hauck/Noftz, Loseblatt, SGB VIII, K § 41 Rn. 13).
Diese Erwägungen für eine (nur) ausnahmsweise Erstreckung der Jugendhilfe über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus
sind jedoch nicht nur bei einer Entscheidung über die Gewährung von Fortsetzungshilfe zu beachten. Auch dann, wenn - wie hier
- bei baldiger Vollendung des 21. Lebensjahres eines (auch) seelisch wesentlich Behinderten erstmalig über die Verpflichtung
zur Übernahme von Kosten für eine bestimmte Maßnahme zu entscheiden ist, gewinnen sie Bedeutung (so auch Wiesner in Wiesner
u.a., SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 41 Rn. 26a; DIJuF-Gutachten vom 29.12.2004, JAmt 2005, 18f.). In solchen Fällen kann es, je nach Inhalt der Maßnahme und Entwicklungsaussichten,
sinnvoll sein, die Leistung bereits von Beginn an nicht der Jugendhilfe, sondern der - voraussichtlich ohnehin langfristig
oder auf Dauer zu gewährenden - Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zuzuordnen: Ist bei Beginn der Eingliederungsmaßnahme zugunsten eines bereits 20-jährigen Hilfebedürftigen prognostisch damit
zu rechnen, dass die Maßnahme deutlich über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus oder gar dauerhaft fortzuführen sein
wird, so handelt es sich mangels eines "begrenzten Zeitraumes" i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII nicht um eine jugendhilferechtliche Maßnahme nach §§ 41, 35a SGB VIII. Vielmehr ist der Sozialhilfeträger nach § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII leistungszuständig.
Der Wortlaut des Gesetzes (§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII) lässt ein solches Verständnis zu. Denn danach sind die Leistungen nur "in der Regel" bis zum 21. Lebensjahr zu gewähren;
sie können mithin ggf. auch früher enden. Eine solche Lesart entspricht im Übrigen der Intention des Gesetzes, die Jugendhilfe
gerade nicht an ein starres Alterskriterium zu binden (DIJuF a.a.O. S. 19 m.w.N.).
Der Senat sieht dabei durchaus den Einwand des Klägers, eine Maßnahme der Fortsetzungshilfe für junge Volljährige müsse nicht
notwendig auf einen bestimmten Entwicklungsabschluss gerichtet sein, sondern es reiche aus, wenn sie auf einen bestimmten
Fortschritt im Entwicklungsprozess bezogen sei. Eine erkennbare Verbesserung müsse nur wahrscheinlich sein, unabhängig davon,
wann der Entwicklungsprozess zum Abschluss kommen werde (zum Ganzen Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 41 Rn. 8 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 - 5 C 26/98 Rn. 9 f.; Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschluss vom 20.02.1997 - 16 B 3118/96 Rn. 4; ebenso OVG Bayern, Urteil vom 24.05.2006 - 12 B 04.1227 Rn. 44). Im vorliegenden Fall beurteilt der Senat jedoch nicht
die Notwendigkeit einer Fortsetzung bereits laufender Hilfe, sondern nimmt bereits das ursprüngliche Einsetzen der stationären
Hilfe für den Beigeladenen zum Ausgangspunkt der Beurteilung.
Schon zu diesem Zeitpunkt - der Aufnahme des Beigeladenen in das Haus "T3 B" - und damit von Anfang an war die Beklagte nach
Ansicht des Senats jedoch nicht verpflichtet, die dafür anfallenden Kosten zu tragen. Denn unabhängig davon, dass beim seinerzeit
20-jährigen Beigeladenen gewisse Entwicklungsfortschritte in einzelnen Bereichen erwartbar erschienen, war bei realistischer
Prognose bereits im Aufnahmezeitpunkt jedenfalls davon auszugehen, dass es zu einem Aufenthalt in einem der Häuser des ABK
von etlichen Jahren kommen werde.
Schon die allgemeine Leistungsbeschreibung des ABK legte dies nahe; danach liegt die Aufenthaltsdauer in den dortigen Häusern
bei durchschnittlich fünf bis sieben Jahren. Bei der Aufnahme des Beigeladenen in das Haus "T3 B" lagen auch keine Anhaltspunkte
dafür vor, dass in seinem Fall etwas anderes gelten könne. Insofern hat die Zeugin F-T2, die als Sozialarbeiterin seit 1994
in dem an das Aufnahmehaus "T3 B" anschließende Nachfolgehaus "I1" tätig ist, und der der Beigeladene persönlich bekannt ist,
in für den Senat überzeugender Weise deutlich gemacht, dass bei Aufnahme des Beigeladenen sein Verbleib in einem der Häuser
des ABK für mehrere Jahre "mit Sicherheit wahrscheinlich" gewesen ist. Vor dem Hintergrund der von der Zeugin näher erläuterten
Struktur der Einrichtung und ihres Betreuungskonzeptes sowie der Klientel, die für eine Aufnahme in den ABK in Frage kommt,
ist dies ohne weiteres nachzuvollziehen.
Auch aus weiteren Indizien lässt sich entnehmen, dass schon bei Aufnahme des Beigeladenen in das Haus "T3 B" ein zukunftsoffen
angelegter Langzeitaufenthalt zu erwarten war. So wurde schon in dem - in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Heimaufnahme
am 10.05.2006 erstellten - Attest der RKE vom 13.02.2006 darauf hingewiesen, dass der Beigeladene krankheitsbedingt zu einem
eigenständigen Leben, etwa in einer eigenen Wohnung, nicht in der Lage sei, und dass seine Unterbringung in einer stationären
Dauereinrichtung dringend geboten erscheine. Auch den ersten beiden, vor Vollendung seines 21. Lebensjahres erstellten, Hilfeplänen
vom 28.04.2006 und 24.07.2006 lässt sich - anders als den nachfolgenden Hilfeplänen - eine konkrete zeitliche Strukturierung
der Maßnahme bzw. eine Zielplanung nicht entnehmen. Aus der dem Hilfeplan vom 28.04.2006 angefügten Tabelle lassen sich keinerlei
Angaben dazu ersehen, bis wann ein bestimmtes therapeutisches (Zwischen-) Ziel erreicht sein solle; der Hilfeplan vom 24.07.2006
enthält insofern nur die Anmerkung "fortlaufend". Erst ab dem Hilfeplan vom 24.09.2008 war es offenbar möglich erschienen,
konkretere zeitliche Vorgaben für die Erreichung bestimmter Ziele zu entwickeln. Auch dies spricht dafür, dass bei Aufnahme
des Beigeladenen eine genaue zeitliche Perspektive für die Hilfemaßnahmen noch nicht bestand und von einem langjährigen Aufenthalt
auszugehen war.
Auch wenn der Senat für seine Entscheidung eine Beurteilung aus Ex-ante-Sicht bei Aufnahme in das Haus "T3 B" vorzunehmen
hat, so bestätigt sich die aus dieser Warte getroffene Entscheidung letztlich auch durch den weiteren tatsächlichen Verlauf
nach der Aufnahme. Denn der Beigeladene lebt bis zum heutigen Tag im "Haus I1". Der Sachverständige Dr. C gelangte noch im
November 2009 nachvollziehbar zu der Einschätzung, für den (im N1 1986 geborenen, damals also bereits 23-jährigen) Beigeladenen
bleibe deutlich über das 21. Lebensjahr hinaus bis auf weiteres eine Betreuung in stationärem Rahmen nötig.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Tatsache, dass die Beklagte zuvor an den Beigeladenen
noch keine Leistungen für eine stationäre Unterbringung erbracht hatte (dazu Wiesner in Wiesner u.a., SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 41 Rn. 26a), sowie angesichts der höheren Spezialisierung des überörtlichen Sozialhilfeträgers in der Behindertenhilfe und seiner
gegenüber den Jugendhilfeträgern besseren finanziellen Ausstattung (vgl. zu diesen beiden Gesichtspunkten BVerwG, Urteil vom
19.10.2011 - 5 C 6/11 Rn. 20) gerechtfertigt, bereits im Zeitpunkt der Aufnahme des Beigeladenen in das Haus "T3 B" die Notwendigkeit einer Maßnahme
der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII zu verneinen.
3.
Dass entsprechend der Auffassung des Senats eine Verurteilung der Beklagten zur Erstattung auch für die Zeit vor dem 08.03.2007
schon dem Grunde nach nicht in Betracht gekommen wäre, hat mangels Einlegung einer Berufung durch die Beklagte gegen das Urteil
des SG für die Entscheidung des Senats keine Bedeutung (s.o. I.).
III.
IV.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).
V.
Nach §
197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und Abs. 3, 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz ist der Streitwert für die zweite Instanz entsprechend dem mit der Berufungsschrift geltend gemachten Begehren auf 203.403,33
EUR festzusetzen. Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Absenkung dieses Betrages auf 203.400,33 EUR bleibt außer
Betracht (vgl. § 40 GKG).