Vergütungsanspruch eines Krankenhauses in der gesetzlichen Krankenversicherung; Keine Verfahrensaussetzung bei einer Vergütungsstreitigkeit
zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens
Gründe
I. Die klagende Krankenhausträgerin wendet sich gegen die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des nach § 17c Abs. 4 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) durchzuführenden Schlichtungsverfahrens.
Nach Überprüfung der Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) hatte die beklagte Krankenkasse
geltend gemacht, ein Teilbetrag der Abrechnung der Klägerin für die stationäre Krankenhausbehandlung einer Versicherten der
Beklagten im Krankenhaus der Klägerin in Höhe von 1.082,40 € sei nicht gerechtfertigt. Die Klägerin hat am 15.1.2015 Klage
auf Zahlung der ausstehenden Vergütung nebst Zinsen erhoben. Mit Beschluss vom 9.4.2015 hat das Sozialgericht das Verfahren
bis zur Nachholung und Erledigung des Schlichtungsverfahrens ausgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt,
das Verfahren sei in entsprechender Anwendung des §
114 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auszusetzen, bis das nach § 17c Abs. 4 KHG vorgesehene Schlichtungsverfahren durchgeführt worden sei. Nach § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG sei bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach §
275 Abs.
1c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) eine streitig gebliebene Vergütung gefordert werde, vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach Absatz 4 durchzuführen,
wenn der Wert der Forderung - wie hier - 2.000 € nicht übersteige. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens
seien erfüllt. Die Pflicht zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens hänge entgegen der Auffassung des 3. Senats des Bundessozialgerichts
(BSG 8.10.2014 - B 3 KR 7/14 R, Rn. 32 ff.) nicht davon ab, ob die für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens zuständigen Stellen den jeweiligen Landeskrankenhausgesellschaften
und den Verbänden der Krankenkassen förmlich angezeigt hätten, dass sie "funktionsfähig errichtet" seien bzw. die Aufgaben
der Schlichtung tatsächlich übernehmen könnten. Da die Möglichkeit bestehe, das Schlichtungsverfahren nachzuholen, sei die
Klage nicht als unzulässig abzuweisen, vielmehr sei das Verfahren auszusetzen.
Gegen den Beschluss hat die Klägerin am 29.4.2015 Beschwerde eingelegt. Entsprechend der Rechtsprechung des 3. Senats des
Bundessozialgerichts sei die Klage zunächst ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens zulässig. Soweit der Vortrag der
Beklagten als Anschlussbeschwerde zu werten sei, sei diese zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, das Verfahren sei nicht auszusetzen, vielmehr sei die Klage als unzulässig abzuweisen. Sie verweist
auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Mainz (z.B. SG Mainz 12.12.2014 - S 3 KR 398/14).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Beklagten, der Gegenstand der Beratung war.
II. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Nichtdurchführung des Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4
SGG rechtfertigt weder die Aussetzung des Verfahrens noch die Abweisung der Klage.
Die vorliegende Klage ist ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig. Zwar folgt auch der zwischenzeitlich
für das Leistungserbringerrecht nach dem
SGB V allein zuständige 1. Senat des Bundessozialgerichts nicht der vom Sozialgericht abgelehnten Auffassung des 3. Senats des
Bundessozialgerichts, wonach ein Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung nur durchzuführen sei, wenn die für das Schlichtungsverfahren
zuständige Stelle förmlich angezeigt habe, dass sie funktionsfähig errichtet sei bzw. die Aufgaben der Schlichtung tatsächlich
übernehmen könne. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts (23.6.2015 - B 1 KR 26/14 R, [...] Rn. 24) ist gleichwohl unter Achtung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes bis zum 31.8.2015 an dem
Anzeigeerfordernis festzuhalten, da sich die Rechtspraxis im Vertrauen auf die Entscheidungsgründe des Urteils des 3. Senats
des Bundessozialgerichts auf die Notwendigkeit der dort geforderten Anzeige verlassen und das Gesetz mangels Abgabe solcher
Anzeigen insoweit nicht angewendet hat. Erst ab 1.9.2015 ist als Zulässigkeitsvoraussetzung für neu eingehende Klagen auf
Krankenhausvergütung unterhalb der Bagatellgrenze von 2.000,- € ein fehlgeschlagenes Schlichtungsverfahren nach §17c Abs.
4 KHG auch dann zu fordern, wenn die für das Schlichtungsverfahren zuständigen Stellen keine Anzeige ihrer Arbeitsfähigkeit im
Sinne der Entscheidung des 3. Senats abgegeben haben. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung des 1. Senats
des Bundessozialgerichts an.
Ungeachtet der Frage, ob §
114 SGG in einem solchen Fall entsprechend anzuwenden ist, besteht jedenfalls kein Grund für die Aussetzung des Verfahrens.
Da die in einschlägigen Verfahren juristisch versierte Beklagte eine Anschlussbeschwerde nicht ausdrücklich eingelegt hat,
geht der Senat davon aus, dass sie eine Anschlussbeschwerde nicht einlegen wollte und ihr Vorbringen zur Unzulässigkeit der
Klage lediglich als Erwiderung auf das Beschwerdevorbringen der Klägerin zu werten ist. Selbst wenn das Vorbringen der Beklagten
gleichwohl als Anschlussbeschwerde zu werten sein sollte, ergibt sich aus dem Vorgesagten, dass diese jedenfalls unbegründet
wäre.
Die Kostenentscheidung bleibt der Hauptsacheentscheidung vorbehalten (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer,
SGG, 11. Aufl. 2014, §
114 Rn. 9 m.w.N.). Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).