Nichtigkeit eines Bescheides nach § 7a SGB IV mangels Antrag auf Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens; Keine Umdeutung eines Antrags auf Feststellung der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob gemäß §
7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) ergangene Bescheide der Beklagten mangels Antrags auf Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens nichtig sind.
Der Kläger war Inhaber des Restaurants "R T ". In der Zeit vom 1. August 1993 bis 31. Dezember 1995 war der Beigeladene zu
2 dort als Chef de Partie tätig. Die Gewerbe-Anmeldung vom 10. November 1995 bezieht sich auf eine am 1. Januar 1996 begonnene
Tätigkeit des Beigeladenen zu 2 als "freier Mitarbeiter - Geschäftsführer - R T ". Ausweislich der Gewerbe-Abmeldung vom 12.
Juli 2001 dauerte diese Tätigkeit bis zur Betriebsaufgabe am 30. September 2001.
Am 3. April 2003 stellte der Beigeladene zu 2 bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung. In diesem Zusammenhang reichte
er am 5. März 2004 bei der Beklagten einen "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
für Selbständige" ein.
Mit Schreiben vom 23. März 2004 teilte die Beklagte dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2 jeweils mit, im Rahmen eines anhängigen
Verfahrens sei die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 2 erforderlich. In diesem Zusammenhang
sei die Feststellung eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses
im Sinne des §
7 Abs.
1 SGB IV im Hinblick auf die vom Beigeladenen zu 2 in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis 30. September 2001 ausgeübte Tätigkeit als Koch
beabsichtigt. Insoweit werde Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der nächsten 14 Tage gegeben.
Mit Schreiben vom 29. März 2004 erhob der Beigeladene zu 2 "vorsorglich Einspruch" hinsichtlich des Statusfeststellungsverfahrens
(Eingang bei der Beklagten am 1. April 2004).
Durch Schreiben vom 13. April 2004 verlängerte die Beklagte die Anhörungsfrist für den Beigeladenen zu 2 - auf dessen Bitte
hin - bis zum 20. Mai 2004.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2004 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger in einem "Statusfeststellungsverfahren nach §
7a Abs.
1"
SGB IV fest, der Beigeladene zu 2 sei in der Zeit seiner Tätigkeit als Koch beim Kläger vom 1. Januar 1996 bis 30. September 2001
in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig gewesen. Über den Beginn der Versicherungspflicht
ergehe ein gesonderter Bescheid.
Einen inhaltsgleichen Feststellungsbescheid vom 22. Juni 2004 erließ die Beklagte auch gegenüber dem Beigeladenen zu 2, der
hiergegen keinen Widerspruch einlegte.
Der Kläger legte gegen den ihm gegenüber ergangenen Bescheid vom 22. Juni 2004 durch Schreiben vom 19. Juli 2004 Widerspruch
mit der Begründung ein, der Beigeladene zu 2 sei selbstständig gewesen (Eingang bei der Beklagten am 21. Juli 2004). Mit Schreiben
vom 21. September 2004 ergänzte er seine Begründung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die "im Statusverfahren
nach §
7a ff."
SGB IV getroffenen Feststellungen blieben bestehen.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger zunächst keine Klage erhoben.
Mit Bescheid vom 6. April 2005 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger "gemäß §
7a Abs.
6 Satz 1 bzw. § 7b"
SGB IV fest, der Beigeladene zu 2 sei in der Zeit seiner Tätigkeit als Koch bei der Klägerin ab 1. Januar 1996 in der Kranken-,
Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig gewesen. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn
der Versicherungspflicht nach §
7a Abs.
6 Satz 1 bzw. §
7b SGB IV seien nicht erfüllt.
Einen inhaltsgleichen Feststellungsbescheid vom 6. April 2005 erließ die Beklagte auch gegenüber dem Beigeladenen zu 2.
Sowohl der Kläger (Schreiben vom 3. Mai 2005) als auch der Beigeladene zu 2 (Schreiben vom 13. April 2005) legten insoweit
Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 29. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Beigeladenen zu 2 zurück.
Auch gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger zunächst keine Klage erhoben.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 mit, "in einem hier durchgeführten Statusfeststellungsverfahren
nach §§ 7a ff.
SGB IV" sei für den Beigeladenen zu 2 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt worden. Gemäß §
28h SGB IV sei die Beigeladene zu 1 für das weitere Verfahren zuständig.
Gegen die ihm gegenüber ergangenen Bescheide hat der Kläger am 21. Mai 2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die angefochtenen Bescheide seien wegen fehlender Antragstellung und Unzulässigkeit des Statusfeststellungsverfahrens
gemäß § 40 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nichtig. Ein besonderes Feststellungsinteresse sei zu bejahen, weil der Kläger Beitragsforderungen der Beigeladenen zu 1
für den streitgegenständlichen Zeitraum ausgesetzt sei (Bescheid der Beigeladenen zu 1 vom 16. Oktober 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009), gegen die er sich in dem unter dem Aktenzeichen S 8 KR 178/09 beim SG anhängigen Verfahren richte. Die Feststellungsklage sei weiterhin gemäß §
55 Abs.
1 Nr.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig und gemäß §
89 SGG nicht an eine Klagefrist gebunden. Die Feststellungsklage sei auch begründet, weil weder der Kläger noch der Beigeladene
zu 2 einen Antrag gemäß §
7a SGB IV gestellt hätten. Der Antrag auf Feststellung einer Rentenversicherungspflicht als Selbstständiger durch den Beigeladenen
zu 2 sei vom Statusfeststellungsverfahren gemäß §
7a SGB IV zu unterscheiden, weil dieses Feststellungen nur innerhalb eines konkret benannten Auftragsverhältnisses umfasse. Die Beklagte
habe ein Statusfeststellungsverfahren nach §
7a SGB IV in der damals maßgeblichen Fassung von Amts wegen nicht durchführen dürfen. Darüber hinaus sei ein Statusfeststellungsverfahren
schon deshalb nicht mehr in Betracht gekommen, weil streitgegenständlich ein in der Vergangenheit liegendes beendetes Auftragsverhältnis
gewesen sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei bereits wegen Verfristung unzulässig. Der Antrag auf Feststellung der Rentenversicherungspflicht
als selbstständig Tätiger sei als Antrag auf gleichzeitige Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens auszulegen.
Die Beigeladene zu 1 hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen. Durch Bescheid vom 16. Oktober 2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 hat sie gegenüber dem Kläger eine Beitragsforderung von 54.730,87 EUR für die
Beschäftigung des Beigeladenen zu 2 der Zeit vom 1. Januar 1996 bis 30. September 2001 geltend gemacht. Das insoweit unter
dem Aktenzeichen S 8 KR 178/09 beim SG anhängige Verfahren ist durch Beschluss des SG vom 24. Februar 2011 ruhend gestellt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. Februar 2011 hat der Beigeladene zu 2 erklärt, er sei seinerzeit mit der Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens
nicht einverstanden gewesen, weshalb er am 1. April 2004 vorsorglich "Einspruch" eingelegt habe. Er habe sich zum damaligen
Zeitpunkt nämlich wie ein Selbstständiger privat abgesichert und habe nicht als abhängig Beschäftigter eingestuft werden wollen.
Die Klage mit dem Antrag festzustellen, dass der Bescheid vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
6. Dezember 2004 sowie der Bescheid vom 6. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 nichtig
sind, hat das SG mit Urteil vom 24. Februar 2011 abgewiesen. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage sei bereits unzulässig. Da der Kläger mit
der Feststellung der Nichtigkeit auch die Anfechtung der streitigen Statusentscheidung sowie des Beginns der Versicherungspflicht
verfolge, handele es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage. Insoweit gelte aber die Monatsfrist des
§
87 Abs.
1 Satz 1
SGG, die bei Weitem verstrichen sei. Darüber hinaus sei ein Feststellungsinteresse im Sinne des §
55 Abs.
1 Nr.
4 SGG zu verneinen, weil der Kläger von seinen prozessualen Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten jahrelang keinen Gebrauch gemacht
habe. Dadurch habe er sein Rechtsschutzinteresse verwirkt. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide
seien rechtmäßig. Der von der Beklagten getroffenen Statusentscheidung stehe nicht entgegen, dass das Auftragsverhältnisses
des Beigeladenen zu 2 zum Kläger im Zeitpunkt der Feststellung bereits beendet gewesen sei (Hinweis auf Bundessozialgericht
[BSG], Urteil vom 4. Juni 2009 - B 12 KR 31/07 R). Der Statusfeststellung der Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 2 keinen entsprechenden Antrag
gestellt habe. Denn insoweit sei eine Umdeutung seines Antrags auf Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
für Selbstständige gemäß §
2 Abs.
1 Nr.
9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) in einen solchen auf Statusfeststellung gemäß §
7a SGB IV zulässig gewesen. Der Prüfung der Feststellung von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige sei
die Frage immanent, ob der Antragsteller tatsächlich auch selbstständig sei. Schließlich wäre bei Unterstellung einer fehlenden
Befugnis der Beklagten zur Statusfeststellung gemäß §
7a SGB IV allenfalls Rechtswidrigkeit und nicht Nichtigkeit der streitgegenständlichen Bescheide anzunehmen. Dies folge aus der gemäß
§ 41 Absatz 1 Nr. 1 SGB X bestehenden Heilungsmöglichkeit.
Gegen das ihm am 15. April 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Mai 2011 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, streitgegenständlich sei allein ein Feststellungsantrag. Deswegen gelte gemäß §
89 SGG keine Klagefrist. Ferner habe der Kläger ein Feststellungsinteresse im Sinne des §
55 Abs.
1 Nr.
4 SGG. Dieses folge aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1 ihn durch weitere Bescheide auf Zahlung in Höhe von etwa 55.000,00
EUR für Versicherungsbeiträge hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2 in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis 30. September
2001 in Anspruch genommen habe. Ein Fall der Verwirkung liege nicht vor. Die Tatsachen, die zur rechtlichen Bewertung der
hier streitgegenständlichen Bescheide als nichtig geführt hätten, seien dem Kläger erst am 16. Mai 2008 bekannt geworden.
Schließlich sei die Klage auch begründet: Ein Antrag gemäß §
7a SGB IV habe nicht vorgelegen. Eine Umdeutung des Antrags auf Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für
Selbständige in einen Antrag gemäß §
7a SGB IV komme nicht in Betracht (Hinweis auf BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 KR 15/10 R). Die fehlende Antragstellung führe zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Bescheide (Hinweis auf BSG, Urteil vom 15. September 1978 - 11 RA 36/77, und Urteil vom 15. Oktober 1981 - 5b/5 RJ 90/80).
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Februar 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid
der Beklagten vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2004 und der Bescheid der Beklagten
vom 6. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2007 nichtig sind.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1, die ebenso wie der Beigeladene zu 2 keinen Antrag gestellt hat, halten die erstinstanzliche
Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide und die erstinstanzliche Entscheidung sind im Ergebnis zu Recht ergangen.
1. Die Klage war zulässig.
a) Da der Kläger ausschließlich ein Feststellungsbegehren im Sinne des §
55 Abs.
1 Nr.
4 SGG verfolgt hat, war seine Klage gemäß §
89 SGG nicht an eine Frist gebunden.
b) Der Geltendmachung seines Anspruchs steht auch nicht entgegen, dass er diesen durch sein vorangegangenes prozessuales Verhalten
verwirkt haben könnte. Die Verwirkung ist durch das Zeitmoment und das Umstandsmoment gekennzeichnet. Das Zeitmoment bezieht
sich darauf, dass die Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, schon längere Zeit verstrichen ist (siehe nur Grüneberg in
Palandt,
BGB, 72. Auflage, §
242 Rn. 93). Das Umstandsmoment beschreibt einen Vertrauenstatbestand (siehe hierzu und zum Folgenden nur Grüneberg in Palandt,
BGB, 72. Auflage, §
242 Rn. 95). Der Verpflichtete muss sich darauf eingerichtet haben, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen
werde, und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestands muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und
Glauben unvereinbare Härte erscheinen. Zwar trifft es zu, dass der Kläger die streitgegenständlichen Bescheide nicht innerhalb
der maßgeblichen Fristen angegriffen hat (Zeitmoment). Die Voraussetzungen des Umstandsmoments liegen aber nicht vor. Denn
die Beklagte könnte dann keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, wenn die von ihr erlassenen Bescheide nichtig wären.
Nichtige Verwaltungsakte können nämlich nicht bindend werden (siehe Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
89 Rn. 3).
c) Das berechtigte Interesse an der alsbaldigen Feststellung an der Nichtigkeit der streitgegenständlichen Bescheide ist ebenfalls
gegeben. Das berechtigte Interesse umfasst jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeller
Art (siehe nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
55 Rn. 15a). Durch die Bescheide der Beigeladenen zu 1 ist der Kläger einer beträchtlichen Nachforderung für die streitige Tätigkeit
des Beigeladenen zu 2 in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis 30. September 2001 ausgesetzt, so dass jedenfalls ein wirtschaftliches
Interesse in diesem Sinne zu bejahen ist.
2. Der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht nichtig.
Gemäß § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung
aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
Besonders schwerwiegend ist nur ein Fehler, der den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen,
d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein
lässt (so ausdrücklich Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Februar 1985 - 8 C 107/83 - juris Rn. 22, und Klose in Jahn, SGB X, Stand Juni 2004, § 40 Rn. 9):
a) Die streitgegenständlichen Bescheide könnten mangels besonders schwerwiegenden Fehlers dann nicht als nichtig angesehen
werden, wenn eine Umdeutung des Antrags des Beigeladenen zu 2 auf Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
für Selbstständige gemäß §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI in einen Antrag gemäß §
7a SGB IV möglich wäre. Dies ist allerdings nicht der Fall.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet
ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn
die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
Die Feststellung des (Nicht-) Bestehens einer Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen nach §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI, die zusätzlich zur Annahme von Selbstständigkeit die Prüfung der weiteren Voraussetzungen des §
2 Satz 1 Nr.
9 SGB VI erfordert, ist mit dem Prüfungsgegenstand des §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV nicht identisch (BSG, Beschluss vom 4. September 2013 - B 12 KR 87/12 B - juris Rn. 7; BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 KR 17/09 R - juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 KR 15/10 R - juris Rn. 24; vgl. auch Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. April 2013 - L 1 R 132/12 - juris Rn. 25). Die von der Beklagten auf § 7a Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 in Verbindung mit §
7b (letztere Vorschrift in der bis 31. Dezember 2005 maßgeblichen Fassung)
SGB IV gestützten Bescheide waren deshalb auch nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Zudem hätten sie von der Beklagten nicht erlassen
werden dürfen, weil §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV ausdrücklich bestimmt, dass nur die Beteiligten einen entsprechenden Antrag schriftlich stellen können, es sei denn, die
Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung
einer Beschäftigung eingeleitet. Letzteres war aber nicht der Fall. Die Beteiligten sind indes ausschließlich die Partner
der Beziehungen, in deren Rahmen die zu beurteilende Tätigkeit ausgeübt wird, also gerade nicht andere Versicherungsträger
(BT-Drucksache 14/1855 S. 7, und Pietrek in jurisPK-
SGB IV, 2. Auflage, §
7a Rn. 60).
b) Die Nichtigkeit von Bescheiden war nach der früheren Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 4 RJ 75/59 - juris Rn. 25; BSG, Urteil vom 15. September 1978 - 11 RA 36/77 - juris Rn. 12, und BSG, Urteil vom 15. Oktober 1981 - 5b/5 RJ 90/80 - juris Rn. 17) regelmäßig dann anzunehmen, wenn ein Verwaltungsakt ohne den erforderlichen Antrag erlassen wurde. In Anbetracht
der jetzigen, anders lautenden Regelung in § 41 Abs. 1 SGB X ist diese Rechtsprechung nicht mehr einschlägig (BSG, Urteil vom 21. Juni 1995 - 6 RKa 54/94 - juris Rn. 18; siehe auch Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 41 Rn. 7; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2004, § 41 Rn. 7; Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X, Stand Juli 2011, § 41 Rn. 10). Wann das Fehlen des Antrags zur völligen Unwirksamkeit (Nichtigkeit) und wann nur zur Rechtswidrigkeit (Anfechtbarkeit)
des Bescheides führt, ist umstritten (zum Meinungsstreit siehe im einzelnen BSG, Urteil vom 21. Juni 1995 - 6 RKa 54/94 - juris Rn. 18 m.w.N.). Während teilweise die Auffassung vertreten wird, der Mangel der unterbliebenen Antragstellung könne
in jedem Fall geheilt werden, unterscheiden andere Äußerungen danach, ob der Antrag verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche
Wirkungen entfaltet und welche Bedeutung ihm im Hinblick auf die Tragweite des Verwaltungsaktes zukommt. Eine dritte Meinung,
nimmt Nichtigkeit an, wenn es sich bei dem Antrag um eine unabdingbare Verfahrensvoraussetzung handelt und zugleich der Betroffene
durch den ohne Antrag erlassenen Verwaltungsakt nur oder überwiegend belastet wird.
Die angefochtenen Bescheide erscheinen nicht als "schlechterdings unerträglich" im oben genannten Sinne.
Den genannten Meinungen ist nicht zu folgen. Die Auffassung, der Mangel der unterbliebenen Antragstellung könne in jedem Fall
geheilt werden, überzeugt dann nicht, wenn ein Antrag konstitutive Voraussetzung für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens
ist und dadurch in Rechte des Betroffenen eingegriffen wird, ohne dass hierfür eine auch nur entfernt einschlägige Ermächtigungsgrundlage
erkennbar wäre. Die beiden anderen Lösungen erscheinen aufgrund ihrer schematischen Ansätze problematisch, da sie keine einzelfallbezogene
Wertung erlauben (vgl. insoweit Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 41 Rn. 7).
Nach Auffassung des Senats führt ein für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens erforderlicher, aber fehlender Antrag
nur dann zur Nichtigkeit eines gleichwohl erlassenen Bescheides, wenn der Bescheid unter den konkreten Umständen des Einzelfalles
ohne Antrag als schlechterdings unwirksam angesehen werden muss (so ausdrücklich Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 41 Rn. 7). Nur dieser Maßstab wird dem Wortlaut des § 40 SGB X gerecht; er ergibt sich als Substrat aus den in § 40 Abs. 2 und 3 SGB X aufgeführten Beispielen. Ein solch schwerer Mangel wird in der Regel nicht vorliegen (Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 41 Rn. 7, und Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2004, § 41 Rn. 7). So liegt es auch hier.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass auch ein gesetzloser Verwaltungsakt, für den jegliche materielle Rechtsgrundlage
(Ermächtigungs- und Regelungsbefugnis) fehlt, nicht schon an einem zur Nichtigkeit führenden Fehler leidet (siehe nur BSG, Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 76/97 R - juris Rn. 29; siehe hierzu und zum Folgenden außerdem Klose in Jahn, SGB X, Stand Juni 2004, § 40 Rn. 9, Schneider-Danwitz in Gesamtkommentar, SGB X, Stand Dezember 1987, § 40 Anm. 33 b). Deshalb kommen erst recht Verfahrensfehler als besonders schwerwiegende Fehler kaum in Betracht. Nur dann, wenn
es offensichtlich an einer Rechtsvorschrift fehlt, die als Rechtsgrundlage eines Verwaltungsakts auch nur in Betracht kommen
könnte, ist der Verwaltungsakt nichtig.
Vorliegend kann aber keine Rede davon sein, es fehle offensichtlich an einer Rechtsvorschrift, die als Rechtsgrundlage für
die von der Beklagten erlassenen Bescheide in Betracht kommen könnte. Insoweit gilt: Ein anderer Versicherungsträger kann
bis zur Statusfeststellung im Rahmen seiner allgemeinen Zuständigkeiten autonom über die versicherungsrechtliche Beurteilung
einer Tätigkeit entscheiden (so Knospe in Hauck/Noftz,
SGB IV, Stand Juli 2008, §
7a Rn. 18, und Roßbach, DAngVers 2000, 393 [395]). Nichts anderes kann dann aber auch für die Beklagte gelten, wenn sie ihre
autonome Entscheidung auf eine Rechtsgrundlage stützen kann. In diesem Zusammenhang ist jedenfalls auch daran zu denken, dass
die Beklagte gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV dazu berechtigt gewesen wäre, über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 2 im Rahmen einer Betriebsprüfung einen Bescheid
gegenüber dem Kläger als Arbeitgeber zu erlassen. Die mit den streitgegenständlichen Bescheiden geregelte Angelegenheit weist
daher durchaus einen sachlichen Bezug zum Aufgabenbereich der handelnden Behörde auf (vgl. zu diesem Kriterium BSG, Urteil vom 9. Juni 1999 - B 6 KA 76/97 R - juris Rn. 30). Es fehlt deshalb jedenfalls nicht offensichtlich an einer Rechtsvorschrift, die als Rechtsgrundlage eines
Verwaltungsakts auch nur in Betracht kommen könnte.
4. Da sich der Senat bei seiner Entscheidung an dem im Urteil des BSG vom 9. Juni 1999 (B 6 KA 76/97 R - juris Rn. 30) entwickelten Maßstab orientiert hat, war die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Sonstige
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).
5. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 47 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Zwar ist in den den Beitragsfestsetzungs- und Leistungsverfahren vorgelagerten Statusverfahren nach §
7a SGB IV grundsätzlich der Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung bestehen (vgl.
BSG, Beschluss vom 5. März 2010 - B 12 R 8/09 R - juris Rn. 1). Da die Beigeladene zu 1 gegenüber dem Kläger eine Beitragsnachforderung in Höhe von 54.730,87 EUR für die
Beschäftigung des Beigeladenen zu 2 in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis 30. September 2001 geltend gemacht hat, bestehen hinreichende
Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung. Deshalb war gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG dieser Streitwert auch für das erstinstanzliche Verfahren festzusetzen.