Zahlung von Arbeitslosengeld an einen Sonderrechtsnachfolger
Notwendige subjektive Verfügbarkeit des Versicherten
Keine Fiktion der Verfügbarkeit
Beweislast beim Versicherten
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin ihres am 19. September 2015 verstorbenen Ehemannes Y ... (im Folgenden:
der Versicherte) die Zahlung von Arbeitslosengeld.
Der Versicherte stand seit dem 16. November 2006 als Produktionsmitarbeiter in einem ungekündigten sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis bei der W ... Kältetechnik GmbH. Nach einer seit dem 5. November 2012 anhaltenden Arbeitsunfähigkeit
bezog er im Zeitraum vom 17. Dezember 2012 bis zum 5. Mai 2014 Krankengeld. Die Entgeltabrechnung für Mai 2014 weist eine
Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.553,28 EUR aus.
Bereits im Januar 2014 stellte der Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland einen Antrag auf Rente
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Am 25. Februar 2014 beantragte der Versicherte bei der Beklagten Arbeitslosengeld ab dem 6. Mai 2014. Zugleich teilte er mit,
dass bei ihm gesundheitliche Einschränkungen bestünden. Die im Arbeitslosengeldantrag aufgeworfenen Fragen, ob er bereit sei,
alles zu unternehmen, die Arbeitslosigkeit zu beenden, und ob er sich bei einer ärztlichen Begutachtung im Rahmen des festgestellten
Restleistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung stelle, ließ er unbeantwortet. Mit Schreiben vom 6. März 2014 übersandte
die Beklagte dem Versicherten einen Ausdruck des Antrags auf Arbeitslosengeld vom 25. Februar 2014 mit der Bitte, alle notwendigen
Fragen zu beantworten und die Arbeitsbescheinigung einzureichen. Die Arbeitsbescheinigung ging am gleichen Tag ein; einen
weiteren Rücklauf verzeichnete die Beklagte nicht.
Die Beklagte veranlasst die medizinische Begutachtung des Versicherten. Das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Beklagten
vom 7. April 2014 weist den Versicherten nach Untersuchung als nicht hinreichend leistungsfähig aus. Er könne voraussichtlich
bis 6 Monate täglich nur weniger als 3 Stunden arbeiten. Es bestünden vor allem schmerzhafte Bewegungseinschränkungen des
Stütz- und Bewegungsapparates, insbesondere der Lendenwirbelsäule. Im Januar 2014 sei eine versteifende Operation der Wirbelsäule
vorgenommen worden. Es könne "ausgesagt werden, dass verschiedene Leistungseinschränkungen dauerhaft bestehen" würden. "Möglicherweise"
sei mit einer Minderung der Beschwerden und einer Verbesserung der Beweglichkeit zu rechnen.
Am 30. April 2014 wurde das Gutachten mit dem Versicherten persönlich ausgewertet. Er erhielt den Hinweis, dass er derzeit
laut Gutachten für den Arbeitsmarkt nicht verfügbar sei und daher auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe. Er wurde
auf die Möglichkeit der erneuten Begutachtung nach sechs Monaten oder bei Besserung der gesundheitlichen Situation hingewiesen.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2014 lehnte die Beklagte den Arbeitslosengeldantrag ab, da bei dem Versicherten eine eingeschränkte
Leistungsfähigkeit für die Dauer von voraussichtlich sechs Monaten bestehe. Er habe deshalb keinen Arbeitslosengeldanspruch.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Versicherten, wonach ihm im Rahmen einer telefonischen Auskunft der Rentenstelle
mitgeteilt worden sei, dass die Agentur für Arbeit bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente in Vorkasse
zu gehen habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2014 als unbegründet zurück.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2014 lehnte auch die Deutsche Rentenversicherung den Antrag des Versicherten auf Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit ab. Er könne unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich arbeiten.
Am 2. Oktober 2014 beantragte der nunmehr rechtskundig vertretene Versicherte bei der Beklagten schriftlich die Überprüfung
des Bescheides vom 2. Mai 2014. Mit der Feststellung zur Dauer der aufgehobenen Leistungsfähigkeit könne er sich nicht einverstanden
erklären. Ausgehend vom Tag der Antragstellung liege eine mehr als sechsmonatige Leistungsminderung vor, die auch heute noch
bestehe.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2014 wies die Beklagte den Überprüfungsantrag zurück. Der Bescheid vom 2. Mai 2014 sei nicht
zu beanstanden.
Im hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Versicherte vor, dass er sich am 6. August 2014 einer Operation der linken Schulter
habe unterziehen müssen und an den Folgen eines erneuten Bandscheibenvorfalls im Bereich der Halswirbelsäule leide. Auch nach
den Aussagen der behandelnden Ärztin habe bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung eine mehr als sechsmonatige Minderung der
Leistungsfähigkeit auf unter 15 Stunden wöchentlich bestanden, welche andauere.
Der von der Beklagten erneut beauftragte eigene Medizinische Dienst wies mit gutachterlicher Stellungnahme vom 9. Februar
2015 aus, dass die im Gutachten vom 7. April 2014 beschriebenen Leistungseinschränkungen nicht zu beanstanden seien. Aus den
nach dem Widerspruch angeforderten medizinischen Befunden von Dr. V ... und Dr. U ... sei zu entnehmen, dass einerseits eine
deutliche und stabile Besserung der LWS-Beschwerden [Lendenwirbelsäule] nach der Operation und andererseits eine deutliche
Besserung der Schulterbeschwerden nach der Operation erreicht worden sei. "Trotz der unzweifelhaft vorliegenden dauerhaften
Leistungseinschränkungen" könne "von vollschichtigem Restleistungsvermögen für körperlich leichte und abwechslungsreiche Tätigkeiten
ausgegangen werden". Dies sei "offensichtlich auch die Einschätzung des RVT [Rentenversicherungsträgers]". Folglich sei am
7. April 2014 von einer voraussichtlichen Leistungsminderung/Leistungsunfähigkeit von weniger als 6 Monaten auszugehen gewesen.
Dies sei inzwischen nicht anders zu bewerten. Eine mehr als sechsmonatige Leistungsminderung/Leistungsunfähigkeit liege nicht
vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2015 als unbegründet zurück. Auch die erneute medizinische
Stellungnahme habe die Einschätzung im Gutachten vom 7. April 2014 bestätigt. Der Versicherte habe somit zum Zeitpunkt der
Antragstellung den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden. Da die Leistungsminderung prognostisch
nicht länger als sechs Monate bestanden habe, bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Nach dem 30. April 2014 sprach der Versicherte bei der Beklagten weder erneut persönlich vor, noch wies er auf eine Verbesserung
seiner gesundheitlichen Situation, die Notwendigkeit der erneuten Begutachtung oder den Willen, im Rahmen des von der Beklagten
und der Rentenversicherung ausgewiesenen Restleistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen, hin.
Am 7. April 2015 hat der Versicherte Klage erhoben. Es bestehe ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach §
145 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (
SGB III). Er sei weiterhin erwerbsgemindert mit einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich.
Am 18. August 2015 ist der Versicherte wegen Gewichtsabnahme, allgemeiner Schwäche und Auffälligkeiten in Laboruntersuchungen
stationär aufgenommen worden. Es ist eine Lungenkrebserkrankung mit Metastasen im Lungenfell diagnostiziert worden. Zwischen
dem 19. September, 23.00 Uhr, und dem 20. September 2015, 0.15 Uhr, ist der Versicherte verstorben.
Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin am 15. Februar 2016 in den Rechtsstreit eingetreten.
Im parallel vor dem Sozialgericht Chemnitz geführten rentenrechtlichen Verfahren (Az.: S 19 R 24/15) hat der Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin und Sozialmedizin Dr. T ... am 27. Januar 2016 zu den Gesundheitsstörungen
des Klägers und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit ein Gutachten erstellt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29. August 2016 den Überprüfungsbescheid vom 15. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10. März 2015 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides
vom 2. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2015 ab dem 6. Mai 2014 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dahingestellt bleiben könne, ob der Versicherte am 6. Mai 2014 gesundheitlich in der
Lage gewesen wäre, eine versicherungspflichtige, also mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufzunehmen
(= objektive Verfügbarkeit). Die objektive Verfügbarkeit sei jedenfalls über §
145 Abs.
1 SGB III zu fingieren. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Nahtlosregelung sei, dass die Beklagte zunächst im Rahmen einer eigenständigen
Prüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass bei dem Versicherten voraussichtlich für mehr als sechs Monate von einem Leistungsvermögen
von unter 15 Stunden wöchentlich auszugehen sei (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 30/06 R -). In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung
der sogenannten Nahtlosregelung nur dann auf Tatbestandsebene - vor einer Entscheidung durch den Rentenversicherungsträger
- verneint werden könnten, wenn zweifelsfrei eine nur vorübergehende, also nicht mehr als sechsmonatige Verminderung der Leistungsfähigkeit
vorliege (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. März 2008 - L 8 AL 1601/07; LSG Berlin-Potsdam, Urteil vom 24. August 2006 - L 4 AL 57/04; Brand, in: Brand,
SGB III [7. Aufl., 2015], §
145 Rdnr. 3). Deshalb genüge bei ärztlich festgestellter Leistungsunfähigkeit die hier im Gutachten vom 7. April 2014 anklingende
Hoffnung oder Erwartung, dass "möglicherweise mit einer Minderung der Beschwerden und Verbesserung der Beweglichkeit" zu rechnen
sei, bei weitem nicht, um die Voraussetzungen des §
145 SGB III zu verneinen. Bei den offenliegenden Zweifeln hätte die Beklagte gerade unter Berücksichtigung des langen Krankheitsverlaufes
zugunsten des Versicherten von einer länger als sechsmonatigen Minderung der Leistungsfähigkeit ausgehen müssen, was sich
aufgrund der weiteren Entwicklung - unabhängig von der Natur einer Prognoseentscheidung - auch bestätigt habe. Auch die subjektive
Verfügbarkeit sei gegeben. Der Versicherte habe entgegen der Auffassung der Beklagten keine gegenteilige Erklärung abgegeben.
Zwar habe er die im Arbeitslosengeldantrag aufgeworfene Frage, ob er sich bei einer ärztlichen Begutachtung im Rahmen des
festgestellten Restleistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung stelle, unbeantwortet gelassen. Allerdings zeige sich
gerade in seinem Einverständnis zur ärztlichen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst am 7. April 2014 der vorhandene
Verfügungswille. Auch der Besprechung vom 30. April 2014 könne nichts anderes entnommen werden. Soweit die Beklagte den Versicherten
ohne dessen Einwilligung als arbeitssuchenden Arbeitnehmer aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet habe, könne dies nicht zu
seinen Lasten gehen.
Die Beklagte hat am 26. September 2016 Berufung eingelegt. Der Tenor des Sozialgerichts benenne den Widerspruchsbescheid fehlerhaft.
Zudem sei nach dem rentenrechtlichen Gutachten die objektive Verfügbarkeit zweifelhaft. Jedenfalls die subjektive Verfügbarkeit
sei jedoch nicht gegeben. Auch die Frage, ob er bereit sei, alles zu unternehmen, die Arbeitslosigkeit zu beenden, habe der
Versicherte im Antragsvordruck unbeantwortet gelassen. Dies und der dauernde Vortrag der Bevollmächtigten, wonach der Versicherte
nicht leistungsfähig sei, könne nur zu seinen Lasten ausgelegt werden. Gleichfalls gegen die Bereitschaft des Versicherten,
alles zu tun, um die Arbeitslosigkeit zu beenden, spreche, dass der Versicherte nach dem 30. April 2014 nicht mehr vorgesprochen
habe. Jedenfalls würde der Arbeitslosengeldanspruch vor dem 18. Juli 2014 aufgrund der gewährten Urlaubsabgeltung ruhen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. August 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der Rückschau habe Divergenz vorgelegen. Das Gutachten der Beklagten vom 7. April 2014 habe im Vergleich zum Gutachten
des Rentenversicherungsträgers eine falsche Prognose ausgewiesen. Es sei ein Fall des §
145 SGB III anzunehmen. Die falsche Prognose dürfe nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen. Diesem nun entgegenzuhalten, er habe
sich nicht mehr gemeldet, erscheine abwegig. Jedenfalls hätte er über die leistungsrechtlichen Konsequenzen einer fehlenden
Verfügbarkeit explizit belehrt werden müssen. Es sei jedoch lediglich eine Abmeldung erfolgt. Dem Schweigen könne kein Erklärungswert
beigemessen werden. Vielmehr hätte die Beklagte genauer nachfragen müssen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten
beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des auf den Überprüfungsantrag
vom 2. Oktober 2014 hin ergangenen ablehnenden Bescheides vom 15. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10. März 2015 und Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 2. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
27. Mai 2014, mit welchem der Antrag des Verstorbenen auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 25. Februar 2014 abgelehnt wurde,
aufzuheben sowie ihr Arbeitslosengeld zu zahlen. Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Versicherten, dessen Ansprüche
die Klägerin geltend machen kann, nicht in seinen Rechten. Der Versicherte hatte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem
6. Mai 2014.
1. Die Klägerin war als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten nach §
56 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (
SGB I) berechtigt, das Verfahren im eigenen Namen fortzuführen (aktive Prozessführungsbefugnis). Nach §
56 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten zuallererst dem Ehegatten zu, wenn er mit
dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte oder von ihm wesentlich unterhalten wurde.
Die Klägerin war mit dem Versicherten verheiratet. Sie lebte mit ihm im Zeitpunkt seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt.
Grundsätzlich sind laufende Geldleistungen, deren Gewährung nicht im Ermessen des Sozialleistungsträgers steht, gemäß §
41 SGB I zum Zeitpunkt des Entstehens fällig. Nach §
59 SGB I erlöschen Ansprüche auf Geldleistungen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein
Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.
Vorliegend war der Anspruch des Versicherten auf Arbeitslosengeld zwar bestandskräftig abgelehnt worden. Im Verwaltungsverfahren
und im gerichtlichen Verfahren war jedoch der vor dem Eintritt der Sonderrechtsnachfolge noch vom Versicherten gestellte Überprüfungsantrag
nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) verfahrensgegenständlich. Zwar endet das Verwaltungsverfahren mit der Bestandskraft des Bescheides. Durch den noch vom Verstobenen
gestellten Überprüfungsantrag war es jedoch erneut anhängig (vgl. BSG, Urteil vom 12. Mai 2017 - B 8 SO 23/15 R - FEVS 69, 154 ff. = juris Rdnr. 15).
2. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit
sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden
ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Auch im Rahmen der Überprüfung ergibt sich jedoch kein Anspruch des Versicherten auf Arbeitslosengeld ab dem 6. Mai 2014.
a) §
146 SGB III kommt als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht in Betracht. Gemäß §
146 SGB III besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Bezugs von Arbeitslosengeld
eintritt.
Der Versicherte war zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 25. Februar 2014 durchgehend seit dem 5. November 2012 arbeitsunfähig
erkrankt. Er bezog seit dem 17. Dezember 2014 Krankengeld. Nach der Aussteuerung lag Arbeitsunfähigkeit unstreitig auch zum
Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldanspruches ab dem 6. Mai 2014 weiterhin vor. Die Arbeitsunfähigkeit ist daher
nicht während des Bezugs von Arbeitslosengeld eingetreten.
b) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit gemäß §
136 Abs.
1 Nr.
1 SGB III hat nach §
137 Abs.
1 SGB III, wer 1. arbeitslos ist, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Arbeitslos ist gemäß §
138 Abs.
1 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur
für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).
Nach §
138 Abs.
5 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15
Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden
Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah
Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und 4. bereit ist, an
Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. §
138 Abs.
5 SGB III differenziert mithin zwischen der objektiven (Nummer
1 und
2) und der in der Nummer 3 und 4 geregelten subjektiven Verfügbarkeit.
Im Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Versicherte den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv zur Verfügung
stand (1). Jedenfalls ist die notwendige subjektive Verfügbarkeit des Versicherten nicht hinreichend nachgewiesen (2).
(1) Im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit nach §
138 Abs.
5 Nr.
1 SGB III muss in jedem konkreten Einzelfall auf Grund der tatsächlichen Umstände festgestellt werden, für welche Tätigkeiten der Arbeitslose
objektiv in Betracht kommt. Dabei ist auch das körperliche (Rest-)Leistungsvermögen des Arbeitslosen zu prüfen. Wer auf Grund
mangelnder körperlicher oder geistiger Leistungsfähigkeit keine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende, zumutbare Tätigkeit
unter den Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann (vgl. §
138 Abs.
5 Nr.
1 SGB III), steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Krankenversicherungsrechts
nicht zwangsläufig die Verfügbarkeit beseitigt, denn diese bezieht sich grundsätzlich auf die zuletzt ausgeübt Tätigkeit,
während bei der Verfügbarkeit auch andere zumutbare Tätigkeiten in den Blick zu nehmen sind (BSG, Urteil vom 19. September 1979 - 11 RA 78/78 = SozR 2200 § 1241 Nr. 14 = juris Rdnr. 20).
Abweichend hiervon hat gemäß §
145 Satz 1
SGB III eine Person Anspruch auf Arbeitslosengeld, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen
Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht
unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung
der Leistungsfähigkeit üblich sind. Dies gilt jedoch nur dann, "wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen
Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist" (vgl. §
145 Satz 1
SGB III a. E.).
(1.1) Nach dem Vortrag des Versicherten und der Klägerin lag seit der Erkrankung des Versicherten, jedenfalls ab dem Zeitpunkt
der Beantragung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Januar 2014, keine Erwerbsfähigkeit und damit keine objektive
Verfügbarkeit vor. Die Auffassung des Rentenversicherungsträgers, welche Erwerbsfähigkeit attestiere, werde nicht geteilt.
Die objektive Verfügbarkeit müsse, so die Auffassung des Versicherten, jedoch über die Nahtlosigkeitsregelung fingiert werden.
Auch nach den ursprünglichen Feststellungen der Beklagten war der Versicherte zum 6. Mai 2014 nicht objektiv verfügbar, jedoch
dies nur zeitlich begrenzt für eine Dauer von voraussichtlich bis zu sechs Monaten.
Diese Bewertung beruhte auf den medizinischen Feststellungen und Wertungen des im Auftrag der Beklagten tätigen Vertragsarztes
Dr. S ... vom 7. April 2014, welcher medizinische Befunde des Versicherten vorliegen hatte und ihn untersuchte. Der Gutachter
wies aus, der Versicherte habe derzeit ein weniger als dreistündiges Leistungsvermögen täglich. Dies führte der Gutachter
vor dem Hintergrund einer im Januar erfolgten versteifenden Operation der Wirbelsäule und einer anschließend vom 10. Februar
2014 bis zum 5. März 2014 durchgeführten ambulanten Rehabilitationsmaßnahme aus. Leistungslimitierend wies der Gutachter die
Beschweren der Wirbelsäule mit der Folge eines aktuell nicht bestehenden Leistungsvermögens aus. Der weitere Krankheits- und
Behandlungsverlauf sei abzuwarten.
Dieser Bewertung scheint der Bescheid der Rentenversicherung, welcher wie der spätere Widerspruchsbescheid der Beklagten auf
den 27. Mai 2014 datiert und das Vorliegen von teilweiser oder vollständiger Erwerbsminderung verneint, entgegenzustehen.
Die Beklagte nahm im Rahmen des Überprüfungsantrages die Einwendungen des Versicherten zum Anlass, dessen berufliches Leistungsvermögen,
insbesondere die Frage der über sechsmonatigen Einschränkung auf unter 15 Stunden wöchentlich, erneut zu klären. Insbesondere
vor dem Hintergrund der Bewertung des Rentenversicherungsträgers, die dem Versicherten im Ergebnis der eigenen medizinischen
Prüfung ein ausreichendes Restleistungsvermögen attestierte, sah die Beklagte nachvollziehbar keine Veranlassung, von einer
mehr als sechsmonatigen Minderung der Leistungsfähigkeit des Versicherten auszugehen. Denn ein Rentenanspruch besteht gleichfalls
nur bei einer dauerhaften maßgeblichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Gemäß §
101 Abs.
1 des Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI) werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt
der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Wenn in dieser Zeitspanne das Leistungsvermögen wieder hergestellt ist, besteht
gerade kein Rentenanspruch. Da der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 27. Mai 2014 den Rentenanspruch versagte, bestand
auch unter Berücksichtigung der weiteren Befunde für die Beklagte nachvollziehbar keine Veranlassung, von einer über sechsmonatigen
Einschränkung auf unter 15 Stunden wöchentlich auszugehen.
(1.2) Entgegen der Feststellungen des Sozialgerichts konnte bei dieser Sachlage die Frage der objektiven Verfügbarkeit nicht
dahinstehen und die Voraussetzungen des §
145 SGB III bejaht werden.
Zwar hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die medizinische Wertung und Prognose im Gutachten des Medizinischen
Dienstes der Beklagten vom 7. April 2014 nur unzureichend begründet gewesen ist. Das Gericht hat jedoch nicht allein die Prognoseentscheidung
der Beklagten, sondern, wie durch das Bundessozialgericht ausdrücklich ausgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 30/06 R - SozR 4-4300 § 125 Nr. 2 = juris Rdnr. 14 ff.), die Tatbestandsvoraussetzungen
der Nahtlosigkeitsregelung unter Bewertung aller medizinischen Feststellungen zu prüfen (so auch: Valgolio, in: Hauck/Noftz,
SGB III [Stand: Erg.-Lfg. Stand 5/17, Dezember 2017], §
145 Rdnr. 37; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB III [2014], §
145 Rdnr. 23 bis 26; wohl anders: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. März 2008 - L 8 AL 1601/07 - info also 2008, 161 ff. = juris Rdnr. 23; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. August 2006 - L 4 AL 57/04 - juris Rdnr. 25).
So hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 10. Mai 2007 (a. a. O., juris Rdnr. 14, 15 und 18) darauf hingewiesen, dass auch
durch die Gerichte Feststellungen zur gesundheitlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers zu treffen sind, dass die Anwendbarkeit
der Nahtlosigkeitsregel die Feststellung der Tatbestandsmerkmale dieser Norm voraussetzt, dass Zweifel an der Dauer und dem
Umfang der Leistungsminderung nach Erschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zu Lasten des Anspruchsstellers gehen, und dass
allein aus dem Umstand, dass - gegebenenfalls im Ergebnis einer Beweislastentscheidung - kein Fall der Nahtlosgewährung vorliegt,
noch nicht automatisch folgt, dass die objektive Verfügbarkeit besteht. Im Einzelnen hat es zu dem bis zum 31. März 2012 geltenden
§
125 SGB III, der Vorgängervorschrift zu dem vorliegend maßgebenden §
145 SGB III, ausgeführt:
"14 [ ] §
125 Abs
1 SGB III versperrt nicht von vornherein jede tatsächliche Feststellung der Bundesagentur bzw der Gerichte zur gesundheitlichen Leistungsfähigkeit
des Antragstellers (vgl BSGE 84, 262, 264 f = SozR 3-4100 § 105a Nr 7 S 33 f). Die Sperrwirkung des §
125 Abs
1 SGB III hindert die Bundesagentur nur daran, den Anspruch auf Alg bzw Alhi auf Grund eigener Feststellungen wegen fehlender objektiver
Verfügbarkeit abzulehnen. Für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob verminderte Erwerbsfähigkeit iS der gesetzlichen Rentenversicherungsträger
besteht (Satz 1 aE), ist allein der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig (Satz 2). Damit wird der
Bundesagentur jedoch nicht zugleich die Befugnis zu tatsächlichen Feststellungen in Bezug auf die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen
(zum materiellen Charakter der Fiktion vgl BSG SozR 4100 § 134 Nr 14 S 49) genommen. Dies wird in dem Urteil des BSG vom 9. September 1999 (SozR 3-4100 § 105a Nr 7 S 35) bestätigt. Danach hat die Bundesagentur (damals Bundesanstalt) zur Feststellung des Umfangs zumutbarer Arbeiten
und zur Beurteilung der subjektiven Verfügbarkeit das tatsächliche Leistungsvermögen eigenständig zu ermitteln. Dies ist nur
möglich, wenn die Sperrwirkung derartige Feststellungen nicht schon a priori ausschließt.
15 Die Anwendbarkeit der Nahtlosigkeitsregelung des §
125 Abs
1 Satz 1
SGB III setzt mithin die Feststellung der Tatbestandsmerkmale dieser Norm voraus. Dies macht es erforderlich, in eigener Verantwortung
Ermittlungen zur prognostischen Betrachtung des gesundheitlichen Zustandes anzustellen (so Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
125 RdNr 29, 32 - Stand 2004; Winkler in Gagel,
SGB III mit SGB II, § 125 RdNr 24 - Stand 2006; die Befugnis der Bundesagentur, die mindestens sechsmonatige Dauer der Leistungsminderung mit Ausnahme
von Zweifelsfällen zu prognostizieren, betonen: Brand in Niesel,
SGB III, 3. Aufl 2005, §
125 RdNr 3; Dalichau/Grüner,
SGB III, § 125 Anm 3 - Stand 1998; S. Knickrehm in GK-
SGB III, §
125 RdNr 35 - Stand 1998; Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, §
125 RdNr 6 - Stand 2005; Klöcker, NZS 2005, 181, 182; grundsätzlich gegen eine Prüfungsbefugnis: Lauer in PK-
SGB III, 2. Aufl 2004, §
125 RdNr 8). Es soll gerade nicht jede Leistungsminderung die Fiktion der Arbeitsfähigkeit nach §
125 SGB III erzeugen, sondern nur eine Leistungsminderung auf weniger als 15 Std wöchentlich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten.
Gegen eigenverantwortliche Ermittlungen spricht auch nicht der Sinn und Zweck der Nahtlosgewährung, denn diese will nicht
jedwede Leistungslücke ausschließen, sondern nur eine solche auf Grund unterschiedlicher Beurteilung der Erwerbsfähigkeit
durch die Bundesagentur einerseits und den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits."
"18 Bleiben nach Erschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten Zweifel an der Dauer und dem Umfang der Leistungsminderung, so
wird zu entscheiden sein, zu wessen Lasten diese gehen. In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass bei Zweifeln über die
Dauer der Leistungsminderung die Nahtlosgewährung zur Anwendung komme und der Rentenversicherungsträger von der Bundesagentur
einzuschalten sei, weil anderenfalls die Vorschrift des §
125 SGB III häufig ins Leere liefe (S. Knickrehm in GK-
SGB III, §
125 RdNr 15; Klöcker, NZS 2005 aaO. S 182 mwN). Diese Ansicht überzeugt nicht, denn es handelt sich im Ergebnis um eine Beweislastentscheidung
und die Beweislast für anspruchsbegründende Tatsachen trägt derjenige, der seinen Anspruch auf die Fiktion des §
125 SGB III stützt, hier also die Klägerin."
(1.3) Vorliegend belegen die medizinischen Feststellungen jedenfalls keine mindestens sechsmonatige Einschränkung der beruflichen
Leistungsfähigkeit des Versicherten von unter 15 Wochenstunden zum Zeitpunkt als der Versicherte Arbeitslosengeld beantragte,
so dass zweifellos die Voraussetzungen des §
145 SGB III nicht vorliegen.
Dies entspricht im Ergebnis den insofern auch übereinstimmenden medizinischen Ermittlungen der Beklagten und des Rentenversicherungsträgers.
Erst aufgrund der neu eingetretenen Symptome, die nach den Ausführungen im Gutachten vom 27. Januar 2016 ausweislich des Krankenhausbriefes
etwa vier Wochen vor Einweisung begannen und zu jener führten, bestand eine Leistungsminderung von unter 15 Wochenstunden
für mindestens sechs Monate.
Zwar war der Versicherte im Zuge der durchgeführten Operationen an der Wirbelsäule und an der Schulter jeweils für die Dauer
der Rekonvaleszenz nur unter 15 Wochenstunden leistungsfähig; dies jedoch nach den gutachterlichen Feststellungen jeweils
befristet und nicht für mindestens sechs Monate. Dem widerspricht auch nicht die bereits seit dem 5. November 2012 attestierte
Arbeitsunfähigkeit, da sich diese an der ausgeübten Beschäftigung misst. Bezugspunkt für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit
im Rahmen der Gewährung von Arbeitslosengeld sind jedoch die nach Maßgabe von §
140 SGB III ohne Berücksichtigung der Leistungsminderung zumutbaren Beschäftigungen, deren Vermittlung nach Maßgabe von §
36 Abs.
2 SGB III in Betracht kommt.
(1.4) Da die Arbeitsfähigkeit des Versicherten somit nicht fingiert werden konnte, war - auch wenn ursprünglich der Versicherte
und später die Klägerin dies in Abrede stellen - im Rahmen der Amtsermittlungspflicht durch den Senat zu prüfen, ob der Versicherte
objektiv verfügbar und somit zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Beschäftigung
unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes fähig war.
Streitig ist vorliegend die erstmalige Leistungsgewährung, das heißt ein gebundener Anspruch. Durch das Gericht ist auf der
Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. hierzu: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], §
54 Rdnr. 34, m. w. N.) über die Tatbestandsvoraussetzungen des §
145 SGB III zu entscheiden. Dabei verbleibt es zunächst (jedenfalls soweit die Beklagte ihren Amtsermittlungspflicht nachgekommen ist)
bei einer Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherten. Dieser muss nachweisen, dass eine mehr als sechs Monate andauernde
Leistungsminderung vorliegt. Im Gegensatz zur Vorgängerregelung des § 105a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), welche eine "nicht nur vorübergehende Minderung" der Leistungsfähigkeit voraussetzte, verlangt §
145 Abs.
1 Satz 1
SGB III (wie bereits §
125 Abs.
1 Satz 1
SGB III) die positive Feststellung einer mehr als sechsmonatigen Minderung der Leistungsfähigkeit.
Nach den medizinischen Feststellungen der Beklagten und dem Vortrag der Klägerin verfügte der Versicherte am 27. Mai 2014
über kein ausreichend vorhandenes Restleistungsvermögen. Die Ausführungen im nach dem Tod des Versicherten nach Aktenlage
erstellten Gutachten des Sozialmediziners Dr. T ... vom 27. Januar 2016 könnten jedoch für ein zum Zeitpunkt der Antragstellung
bestehendes ausreichendes Restleistungsvermögen sprechen. Denn der Gutachter hat ausgewiesen, dass bis ca. Juni 2015 noch
mindestens leichte körperliche Tätigkeiten dem Versicherten möglich und zumutbar waren. Die Bewertung des Medizinischen Dienstes
der Beklagten im Gutachten vom 7. April 2014 wird unter Hinweis auf die selbst erhobenen Befunde, welche "gar nicht schlecht"
waren, als nur schwer nachvollziehbar dargestellt. Da jedoch eine befristet nur bis zu sechs Monate eingeschränkte Leistungsfähigkeit
- wie bereits ausgeführt - im Rentenverfahren nicht entscheidungserheblich ist, lies es der Gutachter im Ergebnis dahinstehen,
ob der Versicherte zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Beklagten und zum Zeitpunkt der Beantragung
von Arbeitslosengeld (befristet) nur unter 15 Wochenstunden leistungsfähig war, und führte aus: "Allerdings bescheinigte der
Arbeitsamtsarzt dieses unter dreistündige Leistungsvermögen auch nur bis zu sechs Monaten, da eine weitere Krankenbehandlung
in Aussicht stand." Die im vorliegenden Verfahren nötigen Feststellungen waren nicht Gegenstand der Beweiserhebung im Rentenverfahren.
Festgestellt wurde allein, dass bis zum Hinzutreten des Lungenkrebses im Juli 2015 die vorliegenden Befunde nicht den Schluss
zuließen, dass ein - dauerhaft - quantitativ gemindertes oder aufgehobenes Leistungsvermögen nicht vorlag. Bestätigt wurden
allein dauerhafte qualitative Einschränkungen. Es verbleibt damit bei der Möglichkeit, dass der Versicherte zum Zeitpunkt
der Geltendmachung des Arbeitslosengeldanspruchs, jeweils für die Dauer der Rekonvaleszenz nach den Operationen jeweils bis
zu sechs Monate nur unter drei Stunden täglich leistungsfähig und daher nicht objektiv verfügbar war, so dass in dieser Zeit
weder ein Anspruch auf Arbeitslosengeld noch ein Rentenanspruch bestand. Vielmehr hätte in dieser Zeit gegebenenfalls ein
Anspruch auf Krankengeld bestanden.
(1.5) Der Senat kann allerdings von weiteren Ermittlungen zur Feststellung des Restleistungsvermögens des Versicherten absehen
und die Frage der objektiven Verfügbarkeit des Versicherten dahinstehen lassen, da der geltend gemachte Anspruch jedenfalls
am fehlenden Nachweis der subjektiven Verfügbarkeit scheitert.
(2) Auch für das Vorliegen der subjektiven Verfügbarkeit trägt der Versicherte die objektive Beweislast. Die subjektive Verfügbarkeit
kann auch nicht über §
145 SGB III fingiert werden.
(2.1) Zutreffend hat das Sozialgericht zwar festgestellt, dass sich der Versicherte der Begutachtung durch den Medizinischen
Dienst der Beklagten stellte. Der Senat kann aus diesem Umstand jedoch, anders als das Sozialgericht, nicht ableiten, dass
der Versicherte allein damit die eigene subjektive Verfügbarkeit dokumentierte, obwohl er sowohl die Frage im Antrag vom 26.
Februar 2014, ob er bei einer ärztlichen Begutachtung bereit sei, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für
die Vermittlung zur Verfügung zu stellen, als auch die Aussage, "ich werde alle Möglichkeiten nutzen, um meine Beschäftigungslosigkeit
zu beenden", ausdrücklich unbeantwortet lies. Vielmehr stellte er sich der Begutachtung erkennbar zur Untermauerung seiner
Auffassung, er sei nicht erwerbsfähig. Dies geht eindeutig aus sämtlichen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Versicherten
im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Überprüfungsantrages vom 2. Oktober 2014 hervor. Sowohl im Verwaltungsverfahren als
auch im gerichtlichen Verfahren wurde immer darauf hingewiesen, dass entgegen der Feststellungen des Medizinischen Dienstes
der Beklagten eine auf Dauer aufgehobene Leistungsfähigkeit vorliege und §
145 SGB III zur Anwendung kommen müsse. An keiner Stelle ist dokumentiert, dass der Versicherte bereit gewesen wäre, sich für den Fall
der Feststellung eines ausreichenden Restleistungsvermögens in diesem Rahmen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen.
Dies wäre jedoch durch den Versicherten nachzuweisen.
Ebenfalls ändert der Umstand, dass die Beklagte selbst den Anspruch des Versicherten auf Arbeitslosengeld auch aufgrund der
fehlenden objektiven Verfügbarkeit als nicht gegeben ansah sowie wegen der nach ihrer Auffassung nur befristet bis zu sechs
Monaten aufgehobenen Leistungsfähigkeit verneinte, den Versicherten bei der Arbeitsvermittlung abmeldete und ihm dies im Rahmen
der Erörterung des Gutachtens am 30. April 2014 so mitteilte, an der rechtlichen Bewertung nichts. Zum einen wurde der Versicherte
zeitgleich darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der erneuten Begutachtung nach sechs Monaten oder bei Besserung der gesundheitlichen
Situation bestehe. Trotz dieses Hinweises meldete sich der Versicherte nachfolgend nicht zur erneuten Begutachtung bei der
Beklagten. Dies erfolgte auch nicht, obwohl sein Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Bescheid der Deutschen
Rentenversicherung vom 27. Mai 2014 mit der Begründung, er könne unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch mindestens
sechs Stunden täglich arbeiten, abgelehnt wurde. Zum anderen ist in der weiteren Folge durch nichts die Bereitschaft des Versicherten
dokumentiert, sich bei Feststellung eines ausreichenden Restleistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen.
Erkennbar ging der Versicherte davon aus, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Rentenanspruch bestand. Dieser konnte jedoch
im Rahmen des parallel geführten Rechtsstreits dann erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt werden. Dies geht jedoch
nicht zu Lasten der Beklagten.
Die Beklagte ist insofern nicht gehindert, sich auf den fehlenden Nachweis der subjektiven Verfügbarkeit zu berufen. Denn
allein durch die abgefragten Erklärungen im Antrag hätte der Versicherte die subjektive Verfügbarkeit zunächst hinreichend
dokumentieren können.
(2.2) Dass die Beklagte in der Folge den Versicherten nicht ausdrücklich über die möglichen Auswirkungen der nicht dokumentierten
subjektiven Verfügbarkeit belehrte, führt gleichfalls zu keiner anderen rechtlichen Wertung. Denn die subjektive Verfügbarkeit
kann nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der
Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung
(vgl. §
14 SGB I) und Auskunft (vgl. §
15 SGB I), verletzt hat. Weiter ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil
des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene
Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 1010 - B 13 R 15/10 R - SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 39; m. w. N.; BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 29/10 R - SozR 4-1200 § 14 Nr. 15 = juris, jeweils Rdnr. 12; m. w. N.; Hassel, in: Brand,
SGB III [7. Aufl., 2015], §
323 Anh Rdnr. 28, ff.). Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl.
BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 166/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 31 - juris Rdnr. 27, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 3. November 2016 - L 3 AL 163/14 -, juris Rdnr. 59).
Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagten überhaupt rechtswidriges Handeln, etwa eine fehlerhafte Beratung, zur Last gelegt
werden kann. Denn einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch steht vorliegend bereits dem Grunde nach entgegen, dass der
eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes
kann eine Begebenheit tatsächlicher Art, wie zum Beispiel die subjektive Verfügbarkeit des Versicherten für die Arbeitsvermittlung,
nicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzt werden (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 15/05 R - juris Rdnr. 19; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.
April 2014 - L 9 AL 297/13 - juris Rdnr. 49; Hess. LSG, Urteil vom 18. November 2016 - L 7 AL 87/15 - juris Rdnr. 47; Hassel, a. a. O., Rdnr. 38; vgl. auch Sächs. LSG, Beschluss vom 14. August 2014 - L 3 AL 1/13 B PKH - juris Rdnr. 23 [zur Arbeitslosmeldung]).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 SGG.
III. Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.