Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Leistungen aus dem Vermittlungsbudget wegen seiner Fahrtkosten
zur Beschäftigung bei der Firma G Abfallbeförderung und -entsorgung in K für den Zeitraum ab April 2013.
Der 1971 geborene Kläger stand beim Beklagten seit längerem im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Unter dem 19. Dezember 2012 schlossen der Kläger und der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel, für den Kläger
eine Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Er werde zum 29. Oktober 2012 in das Projekt
geförderte Beschäftigung übernommen. Im Einzelnen hieß es: "Das Jobcenter fördert Ihre Arbeitsaufnahme durch die Gewährung
eines Zuschusses zum Arbeitsentgelt gem. § 16e SGB II, Förderung von Arbeitsverhältnissen, an den Arbeitgeber: G als Entsorgungsfachgehilfe in Vollzeit in der Zeit vom 01.01.2013
bis 31.12.2013."
Am 28. Dezember 2012 unterzeichnete der Kläger einen Anstellungsvertrag bei der Firma M in R. Vorgesehen war eine Tätigkeit
als Sachbearbeiter in Vollzeit ab dem 2. Januar 2013. Wegen der Beschäftigung bei der Firma O stellte der Kläger am 28. Dezember
2012 einen Antrag auf Fahrtkostenbeihilfe (Pkw) nach § 16 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit §
44 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III). Mit Wirkung zum 25. Januar 2013 wurde dieses Beschäftigungsverhältnis beendet. Wie in der Eingliederungsvereinbarung vereinbart,
schloss der Kläger sodann einen Arbeitsvertrag mit der Firma G mit einem Tätigkeitsbeginn zum 28. Januar 2013. Mit Bewilligungsbescheid
vom 31. Januar 2013 bewilligte der Beklagte der Firma G einen Zuschuss zur Förderung von Arbeitsverhältnissen für den Zeitraum
28. Januar 2013 bis 27. Januar 2014 in Höhe von 75 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts des Klägers sowie des pauschalierten
Arbeitgeberanteils und teilte dies dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 31. Januar 2013 mit.
Den Antrag des Klägers vom 28. Dezember 2012 auf Leistungsgewährung nach § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit §
44 Abs.
1 SGB III betreffend seine Beschäftigung bei der Firma O ab Januar 2013 beschied der Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2013 und
Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2013 abschließend. Insoweit vertrat Bestandskraft ein. Die Überprüfung dieser Entscheidung
ist Gegenstand des Verfahrens zum Aktenzeichen L 6 AS 32/17.
Am 18. Dezember 2014 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag bezüglich der Berücksichtigung von Fahrtkosten (Pkw) zur
Ausübung der geförderten Beschäftigung bei der Firma G ab April 2013 und nahm dabei Bezug auf seinen Antrag vom 28. Dezember
2012. Zur Begründung führte er aus, sein Antrag sei mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Kosten im Rahmen der Einkommensanrechnung
Berücksichtigung fänden. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er sei durch Mitarbeiter des Beklagten falsch beraten worden und
es komme somit ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zum Tragen. Die eingereichten Nachweise für die Aufwendungen seien
als Antrag auf Kostenübernahme für Fahrtkosten zu bewerten. Da es sich um eine geförderte Beschäftigung nach § 16e SGB II handele und insoweit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein gebundenes Ermessen bestehe, habe er einen Rechtsanspruch
auf Bewilligung von Fahrtkosten für Pendelfahrten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass er nach der Eingliederungsvereinbarung
vom 19. Dezember 2012 verpflichtet gewesen sei, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Dazu gehöre auch die Verpflichtung,
am Arbeitsplatz zu erscheinen. Es könne nicht sein, dass ihm seitens der Behörde eine Obliegenheit auferlegt, die Kostenübernahme
zur Erfüllung der Obliegenheit aber im Nachhinein abgelehnt werde.
Den Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2015 ab. Eine Überprüfung der Bescheide ab April 2013 habe ergeben,
dass diese nicht zu beanstanden seien. Die Aufwendungen hätten im Rahmen der Einkommensanrechnung Berücksichtigung gefunden.
Das Nettoerwerbseinkommen sei vom Beklagten korrekt bereinigt worden.
Dagegen legte der Kläger am 22. Januar 2015 Widerspruch ein. Ihm gehe es nicht um die Einkommensanrechnung. Er begehre vielmehr
die Prüfung, ob die Fahrtkosten nach § 16 Absatz ein Satz 2 SGB II in Verbindung mit §
44 SGB III übernommen werden könnten. Dieser Sachverhalt sei nicht geprüft worden. Er habe einen Antrag auf Erstattung nach diesen Vorschriften.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2015 als unbegründet zurück. Es könne dahinstehen,
ob aufgrund der abgeschlossenen Klageverfahren überhaupt ein Überprüfungsverfahren statthaft sei. Über den Leistungszeitraum
sei nämlich bereits gerichtlich abschließend entschieden worden. Über den Umweg aus der Förderung aus dem Vermittlungsbudget
könne keine weitere Leistungsgewährung erfolgen. Es habe daher auch keine falsche Beratung stattgefunden. Die geltend gemachten
Kosten seien offensichtlich unverhältnismäßig. Dem Kläger hätten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad alternative
Beförderungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden.
Gegen den Bescheid vom 20. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2015 hat der Kläger am 30. März 2015
Klage beim Sozialgericht K erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er habe Anspruch
auf Fahrtkostenübernahme, weil die Fahrtkosten im streitgegenständlichen Zeitraum ab April 2013 gerade nicht im Wege der Einkommensanrechnung
übernommen worden seien. Es bestehe Verkehrsmittelwahlfreiheit. Die nicht in der Einkommensanrechnung übernommenen Fahrtkosten
seien daher nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit §
44 SGB III zu übernehmen.
Er hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2015 zu
verurteilen, ihm Leistungen aus dem Vermittlungsbudget für seine Fahrtkosten betreffend die Beschäftigung bei der Firma G
Abfallbeförderung und -entsorgung ab dem 1. April 2013 zu gewähren, hilfsweise, ihn insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich auf seine Bescheide berufen.
Mit Urteil vom 10. Januar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Sie sei als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage
zulässig, jedoch nicht begründet, weil der Kläger weder einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. §
44 SGB III noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung habe.
Das Klagebegehren sei zu Gunsten des Klägers so auszulegen, dass dieser sich gegen die (erstmalige) Ablehnung eines Antrags
auf Fahrtkostenübernahme wende und nicht die Überprüfung einer bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung begehre. Dabei sei
zu berücksichtigen, dass der Kläger bis zum 18. Dezember 2014 keinen Antrag auf Fahrtkostenübernahme für seine Tätigkeit bei
der Firma G gestellt habe, so dass der Beklagte über einen solchen Antrag bis dahin gar nicht habe entscheiden können. Erst
der Bescheid vom 20. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2015 sei als ablehnende Sachentscheidung
über den Fahrtkostenantrag zu verstehen.
Die Ablehnungsentscheidung sei zu Recht ergangen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Fahrtkostenübernahme oder auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung darüber, weil bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit §
44 Abs.
1 SGB III könnten Ausbildungssuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der
Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies
für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Vorliegend mangele es bereits an der Notwendigkeit der Gewährung von Leistungen
für Fahrtkosten mit dem Pkw für die berufliche Eingliederung, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Die Förderung müsse geeignet
und erforderlich sein, um die konkrete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Dies sei vorliegend nicht
der Fall, da es dem Kläger möglich und zuzumuten gewesen sei, die nur 5 km von seiner Wohnung entfernte Arbeitsstelle auch
ohne die Nutzung eines Pkw zu erreichen. Wohnort und Arbeitsort befänden sich in der Landeshauptstadt K. Es gebe ausreichend
öffentliche Verkehrsmittel und ausgebaute Radwege. Es sei keine Besonderheit ersichtlich und vorgetragen, aufgrund derer der
Kläger zwingend auf die Nutzung eines Pkw angewiesen sei. Die Prognoseentscheidung, ob die Förderung der Fahrtkosten kausal
für eine Aufnahme des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gewesen sei, gehe in dieser Konstellation
zulasten des Klägers. Auf eine Verkehrsmittelwahlfreiheit könne er sich nicht berufen.
Gegen das ihm am 17. Januar 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Januar 2017 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht weiche mit seiner Entscheidung von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab, wie sie im Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 117/10 R zum Ausdruck komme. Mit der Eingliederungsvereinbarung vom 19. Dezember 2012 und dem Bewilligungsbescheid vom 31. Januar
2013 habe der Beklagte sein Entschließungsermessen über die Förderung der Beschäftigung bei der Firma G bereits ausgeübt.
Ein weiteres Entschließungsermessen sei dem Beklagten nicht eröffnet. Er - der Kläger - sei nach der Eingliederungsvereinbarung
verpflichtet gewesen, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Daraus folge ein korrespondierender Anspruch auf
Übernahme der Fahrtkosten. Wenn dieser nicht aus dem Vermittlungsbudget bestehen sollte, bestehe er zumindest nach § 16f SGB II.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts K vom 10. Januar 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 20. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 10. März 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen aus dem Vermittlungsbudget für seine Fahrtkosten
betreffend die Beschäftigung bei der Firma G Abfallbeförderung und -entsorgung ab dem 1. April 2013 zu gewähren, hilfsweise,
ihn insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt zur Begründung auf die seiner Ansicht nach überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug.
Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Sache L 6 AS 139/16 am 16. April 2018 einer Entscheidung in dieser Sache durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Dem Gericht haben die Leistungsakten des Beklagten vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der
Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Lediglich ergänzend im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers wird darauf hingewiesen, dass auch die Entscheidung
des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. April 2011 - B 4 AS 117/10 R - BSGE 108, 80 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 6 der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag. Das BSG hat dort (zutreffend) entschieden, dass das dem Grundsicherungsträger im Hinblick auf die Gewährung einer Eingliederungsmaßnahme
nach dem
SGB III eingeräumte Ermessen auf das Entschließungsermessen begrenzt ist, es sei denn, nach den Vorschriften des
SGB III besteht auch ein Auswahlermessen. Dieser Gesichtspunkt kommt hier schon grundsätzlich nicht zum Tragen, weil es einerseits
bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen des §
44 Abs.
1 Satz 1
SGB III ("notwendig") fehlt - so dass sich die Frage der Rechtmäßigkeit der Rechtsfolge an sich nicht stellt - und andererseits der
Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt eine Ermessensentscheidung in dem Sinne getroffen hat, dass er die Fahrtkostenübernahme
aus dem Vermittlungsbudget dem Grunde nach bewilligt. Soweit der Kläger meint, eine Förderzusage sei bereits (ggf. implizit)
aus der Eingliederungsvereinbarung vom 19. Dezember 2012 und dem (an den Arbeitgeber gerichteten) Bewilligungsbescheid vom
31. Januar 2013 über einen Beschäftigungszuschuss nach § 16e SGB II herzuleiten, folgt das Gericht dem nicht. In der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sich der Beklagte allein zur Gewährung
der - dann mit Bewilligungsbescheid vom 31. Januar 2013 tatsächlich gewährten - Arbeitgeberleistung nach § 16e SGB II und nicht auch zur zusätzlichen Gewährung vom Leistungen aus dem Vermittlungsbudget an den Kläger. Eine Konnexität dergestalt,
dass eine Verpflichtung zur Aufnahme einer geförderten Beschäftigung in einer Eingliederungsvereinbarung automatisch einen
Anspruch auf Übernahme von Fahrtkosten aus dem Vermittlungsbudget auslösen würde, besteht dagegen offenkundig nicht.