Fortbestehen des Rückforderungsanspruchs nach Überleitung auf den Träger der Sozialhilfe
Tatbestand:
Der Kläger macht als Träger der Sozialhilfe einen Anspruch gegen den Beklagten aus §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB wegen seiner Leistungen für Herrn M. geltend. Dieser übertrug mit notariellem Vertrag vom 12. Oktober 1983 sein Grundstück
in G. an den Beklagten und dessen Ehefrau unter Vorbehalt des Nießbrauchs. Die Erwerber verpflichteten sich zu Pflege- und
Betreuungsleistungen. Durch Testament vom gleichen Tage setzte Herr M. den Beklagten und seine Ehefrau je zur Hälfte zu seinen
Erben ein.
Vom 10. Mai 1990 bis zu seinem Tod am 13. April 1991 erhielt Herr M. vom Kläger Sozialhilfe durch Übernahme der Kosten seiner
Pflege in einem Altenheim. Der Kläger errechnet nach Abzug der eigenen Beteiligung des Herrn M. einen ungedeckten Sozialhilfebetrag
von 7.809,11 DM.
Am 15. Dezember 1992 hat der Kläger dem Beklagten eine Überleitungsanzeige gemäß § 90
BSHG in Verbindung mit §
528 Abs.
1 Satz 1
BGB nebst Abrechnung der offenen Pflegekosten zugestellt. Der Kläger meint, bei der Übertragung im Jahre 1983 habe es sich um
eine gemischte Schenkung gehandelt. Herr M. habe, da seine Einkünfte nicht zur Deckung der Pflegekosten im Altenheim ausgereicht
hätten, einen Rückforderungsanspruch gemäß §
528
BGB gehabt. Dieser Anspruch habe auch noch nach seinem Tod auf den Kläger übergeleitet werden können.
Der Beklagte ist dagegen der Auffassung, ein Anspruch aus §
528
BGB erlösche wegen seines höchstpersönlichen Charakters mit dem Tod des Schenkers. Außerdem seien eventuelle Rückforderungsansprüche
mit dem Erbfall durch Konfusion untergegangen. Im übrigen habe der Wert der von ihm und seiner Ehefrau erbrachten Gegenleistungen
den Grundstückswert überschritten. Eine Bereicherung sei bei ihm nicht verblieben.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 7.809,11 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die
Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Wegen der Säumnis des Beklagten in der Revisionsverhandlung ist antragsgemäß aufgrund einseitiger Verhandlung durch Versäumnisurteil,
jedoch nach Sachprüfung, zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81). Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Anspruch aus §
528
BGB um ein höchstpersönliches und daher nicht ohne weiteres vererbliches Recht. Dem Schenker stehe es frei, ob er das Geschenk
zur Deckung seines angemessenen Unterhalts zurückfordern oder ob er sich einschränken und es dem Beschenkten belassen wolle.
Im letzteren Fall bestehe kein Grund, dem Erben des Schenkers ein Rückforderungsrecht zuzubilligen. Habe der Schenker oder
ein anderer Berechtigter an seiner Stelle, etwa der Sozialhilfeträger nach einer Überleitung gemäß § 90
BSHG, jedoch den Rückforderungsanspruch noch zu Lebzeiten des Schenkers geltend gemacht, sei er wie jeder andere vermögensrechtliche
Anspruch vererblich. Denn dem Beschenkten dürfe eine Verzögerung seiner Pflichten über den Tod des Schenkers hinaus nicht
zugute kommen. Im vorliegenden Fall sei der Anspruch aus §
528
BGB indessen vor dem Tod des Schenkers weder von ihm selbst noch vom Kläger geltend gemacht worden. Daher gehe die Überleitung
vom 15. Dezember 1992 ins Leere.
2. Das Weiterbestehen des Rückforderungsanspruchs aus §
528
BGB nach dem Tod des Schenkers aufgrund von §
1922 Abs.
1
BGB ist insbesondere für den hier gegebenen Fall streitig, daß der Schenker Sozialhilfe erhalten hat, sein Rückforderungsanspruch
aber zu seinen Lebzeiten nicht übergeleitet worden ist. Gegen eine Vererblichkeit haben sich u.a. ausgesprochen die Oberlandesgerichte
Düsseldorf (FamRZ 1984, 887), Stuttgart (BWNotZ 1985, 70), Celle (Nds. Rpfl. 1993, 11) und Frankfurt (NJW 1994, 1805); für Vererblichkeit sind u.a. eingetreten das Oberlandesgericht Karlsruhe (FamRZ 1994, 1319) und das Landgericht Karlsruhe (NJW 1994, 137). Nach Auffassung des Senats ist der Anspruch aus §
528
BGB jedenfalls als vererblich anzusehen, soweit es um die Erstattung von Sozialhilfe geht.
a) Geklärt ist, daß der Anspruch aus §
528
BGB auch nach dem Tod des Schenkers verfolgt werden kann, wenn er vor seinem Tod auf einen Träger der Sozialhilfe übergeleitet
worden oder wirksam abgetreten ist (BGHZ 96, 380, 382; Senat, Urteil vom 9. November 1994 - IV ZR 66/94 - NJW 1995, 323 unter I 5 = ZEV 1995, 35 m. Anm. Kollhosser). Ferner kann der Erbe den Anspruch aus §
528
BGB weiterverfolgen, wenn er noch vom Schenker geltend gemacht worden und ein Dritter für den Unterhalt des Schenkers bis zu
seinem Tod in Vorlage getreten ist (BGHZ 123, 264 ff. = ZEV 1994, 49f. m. Anm. Kollhosser). Wenn dagegen niemand für den Unterhalt eines verarmten Schenkers eingetreten ist
und dieser den Rückforderungsanspruch auch nicht geltend gemacht hat, spricht viel dafür, daß der Erbe nicht aus §
528
BGB gegen den Beschenkten vorgehen kann (Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts 3. Aufl. § 5 III 3 b S. 77; MK/Leipold,
BGB 2. Aufl. §
1922 RdNr. 18).
b) Hat der Schenker fremde Hilfe in Anspruch genommen, hat er sich gerade nicht im Interesse des Beschenkten eingeschränkt
und mit einem unangemessen geringen Unterhalt zufriedengegeben. Das kann nicht ohne Einfluß auf die Vererblichkeit des Anspruchs
aus §
528
BGB bleiben. Konnte sich der Schenker angesichts seiner Pflegebedürftigkeit nicht einschränken, um dem Beschenkten das Geschenk
nicht zu schmälern, und mußte er Sozialhilfe in Anspruch nehmen, gilt das ebenso.
Hinzu kommt im Falle der Inanspruchnahme von Sozialhilfe, daß der Rückforderungsanspruch aus §
528
BGB in Höhe der empfangenen Leistungen auch gegen den Willen des Schenkers übergeleitet werden kann. Darauf weist die Revision
mit Recht hin. § 90
BSHG dient der Durchsetzung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1
BSHG). Er bietet dem Träger der Sozialhilfe ein rechtliches Instrumentarium, um durch Eintritt in die Gläubigerposition den vom
Gesetz gewollten Vorrang der Verpflichtungen anderer, die dem Hilfeempfänger die erforderliche Hilfe hätten gewähren können,
nachträglich wiederherzustellen. Die Überleitungsermächtigung zielt also ihrem Zweck nach auf die Herstellung derjenigen Haushaltslage
beim Sozialhilfeträger, die bestünde, wenn der Anspruch des Hilfeempfängers schon früher erfüllt worden wäre (BVerwG NJW 1990,
3288). Diese Rechtslage wird nicht etwa erst durch die Überleitungsanzeige geschaffen, sondern besteht materiell-rechtlich von
vornherein, sobald Sozialhilfe geleistet wird. Die Überleitungsanzeige als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt (BVerwG
NJW 1992, 3312) konkretisiert und individualisiert diese Erstattungspflicht lediglich, was auch nach dem Tod des Hilfeempfängers noch möglich
ist (BVerwG NJW 1990, 3288). Das verschenkte Vermögen ist damit unabhängig vom Willen des Schenkers in den Grenzen der Haftung aus §
528
BGB dem Träger der Sozialhilfe gegenüber materiell-rechtlich mit der Pflicht belastet, die erbrachten Sozialhilfeleistungen zu
erstatten. Daher kann die Haftung des Beschenkten aus §
528
BGB jedenfalls in Höhe der Sozialhilfeleistungen nicht davon abhängen, ob der Schenker noch lebt oder der Anspruch vor seinem
Tod übergeleitet oder geltend gemacht worden ist.
Gleichwohl kann der Zeitpunkt der Überleitungsanzeige Bedeutung erlangen etwa im Hinblick auf den Entreicherungseinwand des
gutgläubig Beschenkten gemäß §
818 Abs.
3
BGB. So wird das berechtigte Vertrauen auf den Bestand der Schenkung geschützt.
3. Damit stellt sich im vorliegenden Fall die weitere Frage, ob der - durch den Tod des Schenkers nicht erloschene - Rückforderungsanspruch
etwa deshalb untergegangen sein könnte, weil der gemäß §
528
BGB haftende Beklagte zugleich (Mit-)Erbe des Schenkers geworden ist, Forderung und Schuld also in einer Person zusammenfallen
(Konfusion). Diese Frage ist zu verneinen, soweit nach dem Tod des Schenkers Rechte des Trägers der Sozialhilfe an dem verschenkten
Vermögen fortbestehen. Deshalb kommt es hier nicht darauf an, ob die Erbengemeinschaft des Beklagten mit seiner Ehefrau im
Zeitpunkt des Zugangs der Überleitungsanzeige noch nicht auseinandergesetzt war und eine Konfusion etwa aus diesem Gesichtspunkt
außer Betracht zu bleiben hätte.
a) Die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person führt zwar in der Regel zum Erlöschen der Forderung (BGHZ 48,
214, 218; Urteil vom 11. Dezember 1981 - V ZR 220/80 - NJW 1982, 2381 unter II 1 b). Diese Rechtsfolge ist aber weder gesetzlich vorgeschrieben noch logisch zwingend; vielmehr ist vom Fortbestehen
der Forderung auszugehen, wo dies nach der Interessenlage etwa mit Rücksicht auf Rechte Dritter an der Forderung geboten erscheint
(BGH, Urteil vom 30. April 1980 - V ZR 56/79 - NJW 1981, 447 unter II 2 a.E.; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate 2. Aufl., § 19, 3 S. 418 ff.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts
14. Aufl., § 19 I S. 270; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 15. Bearb. § 76 S. 304; Heck, Grundriß des Schuldrechts
§ 64 S. 193). Das Bürgerliche Gesetzbuch fingiert in einigen dieser Fälle das Bestehen der Forderung (vgl. §§
1976,
1991 Abs.
2,
2143, 2175, 2377
BGB). Diese Regelungstechnik rechtfertigt indessen nicht den Gegenschluß, ohne eine derartige Fiktion sei die Forderung unter
allen Umständen untergegangen.
b) So ist auch im vorliegenden Fall von der Fortdauer der materiell-rechtlichen Erstattungspflicht des Beschenkten gegenüber
dem Träger der Sozialhilfe auszugehen, auch wenn der Beschenkte Erbe des an sich anspruchsberechtigten Schenkers geworden
ist. Dieser hätte auf den Anspruch aus §
528
BGB aber nicht mehr zum Nachteil des Sozialhilfeträgers verzichten können (MK/Kollhosser,
BGB 2. Aufl. §
528 RdNr. 7;
BGB-RGRK/Mezger, 12. Aufl. §
528 RdNr. 6). Die Erbfolge des aus §
528
BGB haftenden Beschenkten in die Rechtsstellung des Schenkers kann daher dem Träger der Sozialhilfe im Ergebnis ebensowenig schaden
wie die Konfusion etwa bei einem Pfandrecht an einer Forderung (zu letzterem vgl. MK/Heinrichs,
BGB 3. Aufl. vor §
362 RdNr. 4).
4. Das Berufungsgericht wird daher die weiteren Voraussetzungen des übergeleiteten Anspruchs prüfen müssen, vor allem ob es
sich bei dem Vertrag vom 12. Oktober 1983 um eine gemischte Schenkung gehandelt hat.