Tatbestand:
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis
31. Januar 2013.
Die 1959 geborene Klägerin bezog auch im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Bereits mit Schreiben vom 12. März 2012 hatte sie dem Beklagten erklärt, ihr 1987 geborener Sohn wohne
gemeinsam mit ihr in einer Wohnung, gehöre indes nicht zur Bedarfsgemeinschaft, da er keine Leistungen von dem Beklagten beziehe
und einer geregelten Arbeit nachgehe. Von ihm erhalte sie eine Miete in Höhe von monatlich 320,- Euro. Mit Schreiben vom 10.
September 2012 erklärte sie dem Beklagten, ihr Sohn sei zum 1. September 2012 ausgezogen. Seitdem habe sie einen neuen Untermieter,
von dem sie monatlich 350,- Euro Miete erhalte. Dieser erhalte keine Sozialleistungen; man lebe in einer "Hausgemeinschaft".
Die Wohnung der Klägerin war rund 115 m² groß. Die monatliche Nettokaltmiete belief sich auf 588,26 Euro. Daneben waren monatlich
eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 161,- Euro und eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 93,- Euro zu zahlen.
Anlässlich ihrer Antragstellung für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 erklärte sie, vom 26. November
2012 bis 1. Januar 2013 als Kunsthandwerkerin auf dem Weihnachtsmarkt selbständig tätig zu sein.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013
vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 628,63 Euro, wovon 374,- Euro auf die Regelleistung und 254,63 Euro auf KdU entfielen. Einkommen aus
selbständiger Tätigkeit rechnete der Beklagte nicht an. Der Betrag für die KdU ermittelte sich wie folgt: Der Beklagte ging
von der vollen Nettokaltmiete von 588,26 Euro aus, von der er die Untermiete von 350,- Euro abzog. Des Weiteren berücksichtigte
er Betriebskosten in Höhe von 178,- Euro und Heizkosten in Höhe von 93,- Euro. Den Gesamtbetrag von 509,26 Euro teilte er
durch 2, weil er annahm, auch der Sohn der Klägerin lebe weiterhin in derselben Wohnung.
Gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2012 legte die Klägerin hinsichtlich der Höhe der bewilligten KdU Widerspruch ein. Sie
begehrte KdU in Höhe von monatlich 542,26 Euro. Denn die Bruttokaltmiete betrage 749,26 Euro monatlich (588,26 Euro zuzüglich
161,- Euro). Hinzu kämen Heizkosten in Höhe von monatlich 93,- Euro. In der Untermiete von 350,- Euro seien Stromkosten enthalten.
Die Stromkosten der Klägerin beliefen sich auf 101,- Euro, der Mietanteil betrage daher (nur) 300,- Euro.
Auf Anforderung des Beklagten übermittelte die Klägerin eine Anmeldebestätigung des Bezirksamts C vom 4. Januar 2013, mit
der mit Einzugsdatum 1. September 2012 der Einzug des Sohnes in eine neue Wohnung bescheinigt wurde. Daneben überreichte sie
einen Untermietvertrag mit Herrn A K.
Mit Schreiben an den Beklagten vom 5. Februar 2013 erklärte die Klägerin, ihr Untermieter sei zum 1. Februar 2013 ausgezogen;
sie werde sich umgehend um einen neuen Untermieter bemühen. Am 13. Februar 2013 ging bei dem Beklagten ein Schreiben des Vermieters
der Klägerin, adressiert an sie und einen Herrn D, ein, ausweislich dessen die Nettokaltmiete zum 1. März 2013 um monatlich
56,34 Euro auf monatlich 644,60 Euro (Bruttokaltmiete 805,60 Euro) erhöht wurde.
Der Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 1. März 2013 für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 bis 31. März 2013 teilweise
ab, als er der Klägerin weiter vorläufig - neben um 8,- Euro monatlich höheren Regelleistungen - KdU nunmehr in Höhe von monatlich
492,26 Euro bewilligte. Dieser Betrag ergab sich aus der monatlichen Bruttokaltmiete von 749,26 Euro abzüglich 350,- Euro
Untermiete zuzüglich der Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 93,- Euro. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin
mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2013 zurück und verfügte, es würden die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen
Aufwendungen der Klägerin auf Antrag zu vier Zehntel erstattet. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Untermiete sei
in vollem Umfang zu berücksichtigen, weil ein Nachweis über einen darin enthaltenen Energiekostenanteil nicht erbracht worden
sei. Der Auszug des Sohnes der Klägerin könne erst mit dem Ausstellungsdatum der Anmeldung anerkannt werden.
Am 8. April 2013 hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2012 in der Fassung des Bescheides vom 1. März 2013 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2013 Klage erhoben. Anträge und Begründungen würden folgen. Ihrer Klageschrift
fügte sie die angefochtenen Bescheide in Kopie bei.
Mit Bescheid vom 8. April 2013 hat der Beklagte der Klägerin weiter vorläufig KdU für Februar 2013 in Höhe von 842,26 Euro
und für März 2013 in Höhe von 898,60 Euro bewilligt. Grund hierfür waren der Wegfall der Untermiete einerseits und die Erhöhung
der Miete andererseits.
Die anwaltlich vertretene Klägerin beantragte für Klageantrag und -begründung vier Mal eine Fristverlängerung, dies zuletzt
bis zum 7. Oktober 2013.
Das Sozialgericht hat der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23. Oktober 2013 ein gerichtliches Schreiben vom 16. Oktober
2013 folgenden Inhalts zugestellt:
Die Klage entspreche nicht den Anforderungen des §
92 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Anschließend hat das Sozialgericht den vollständigen Gesetzeswortlaut des §
92 SGG wiedergegeben und erklärt, es fehle an der Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens. Insoweit reiche die Bezeichnung
der angefochtenen Bescheide nicht aus. Notwendig sei die Bezeichnung der begehrten Leistung, die so weit wie möglich zu konkretisieren
sei. Bediene sich der Kläger anwaltlicher Hilfe, sei hinsichtlich der Möglichkeit der Konkretisierung ein strengerer Maßstab
anzulegen. Hier sei nicht erkennbar, welche Leistungen, das heißt welcher Art und in welcher Höhe, für welchen Zeitraum begehrt
würden. Eine Klagebegründung sei trotz Ankündigung und vielfacher Fristverlängerung nicht eingereicht worden. Das Sozialgericht
hat der Prozessbevollmächtigten eine Frist von einem Monat ab Zugang dieser Aufforderung gesetzt, um entsprechend der vorstehenden
Aufforderung die formalen Voraussetzungen für die Klage nach §
92 Abs.
1 Satz 1
SGG zu erfüllen. Die Frist habe nach §
92 Abs.
2 Satz 2
SGG ausschließende Wirkung, so dass eine spätere Nachholung des Vorbringens ohne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht
berücksichtigt werde. Die Klage sei dann unzulässig. Die Verfügung vom 16. Oktober 2013, mit dem die Übersendung vorgenannten
Schreibens verfügt worden ist, hat der zuständige Kammervorsitzende des Sozialgerichts mit vollem Namen unterschrieben. Die
Abschrift des gerichtlichen Schreibens vom 16. Oktober 2013 ist wie folgt unterschrieben: "mit freundlichen Grüßen gez. M
Richter Beglaubigt P Justizbeschäftigte."
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich innerhalb der Monatsfrist nicht bei dem Sozialgericht gemeldet. Mit ihr am
5. Dezember 2013 zugestellten Schreiben des Gerichts vom 29. November 2013 ist sie über die Absicht des Sozialgerichts in
Kenntnis gesetzt worden, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Klage sei unzulässig.
Am 10. Dezember 2013 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin darum gebeten, die aufgrund von Krankheit eingetretenen Verzögerungen
zu entschuldigen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit dem wegen "Erkrankung" in Vertretung von Rechtsanwalt
R unterzeichneten Schreiben hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Klageantrag gestellt und die Klage begründet.
Beigefügt gewesen sind dem Schreiben drei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hinsichtlich der Prozessbevollmächtigten der
Klägerin, wovon die erste auf den 27. September 2013 datiert, sowie eine Bestätigung des Sohnes der Klägerin über seinen Auszug
(schon) am 1. September 2012.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 hat das Sozialgericht seine Absicht, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, bekräftigt.
Krankheit schließe ein Verschulden nur aus, wenn der Betroffene so schwer erkrankt sei, dass er selbst nicht handeln und auch
niemanden beauftragen könne. Dies sei weder dargetan noch ersichtlich.
Durch Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2014 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klage sei mangels
Bezeichnung des Klagegegenstandes innerhalb der nach §
92 Abs.
2 Satz 2
SGG gesetzten Ausschlussfrist unzulässig. Die Leistungen seien hier nicht hinreichend konkretisiert worden. Zwar lasse sich aus
den beigefügten Bescheiden der Leistungszeitraum, nicht aber die Leistungshöhe entnehmen. Die Klage sei nach §
92 Abs.
2 Satz 2
SGG unzulässig, ohne dass dem Gericht insoweit ein Ermessen zukomme. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §
92 Abs.
2 Satz 3
SGG i. V. m. §
67 SGG scheide hier aus. Krankheit der Prozessbevollmächtigten könne eine Wiedereinsetzung nur rechtfertigen, wenn die Erkrankung
so schwer sei, dass die Prozessbevollmächtigte selbst nicht handeln und auch keinen anderen beauftragen konnte. Dafür sei
hier nichts ersichtlich, zumal die Prozessbevollmächtigte der Klägerin offenbar im Stande gewesen sei, einen anderen Rechtsanwalt
mit der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages zu beauftragen. Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei
dieser zuzurechnen.
Gegen den ihr am 16. Januar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte am 17. Februar
2014 Berufung eingelegt. Anträge und Begründungen würden folgen. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nach mehrmaligen
Erinnerungen am 13. November 2014 erklärt, "in Kürze" die Berufung begründen zu wollen. Am 30. März 2015 hat sie erklärt,
"dass sich die Übersendung des Schriftsatzes wegen eines technischen Defektes und der dadurch erforderlichen Wiederherstellung
um einige Tage verzögern" werde. Ein Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Berufungsantrag und -begründung
ist bei dem Senat am 15. Februar 2016 eingegangen.
Durch Beschluss des Senats vom 29. Juli 2015 hat der Senat die Berufung gemäß §
153 Abs.
5 SGG dem Berichterstatter übertragen.
Die Klägerin hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, die Frist sei mit dem gerichtlichen Schreiben vom 16. Oktober 2013 nicht
rechtmäßig gesetzt worden, weil die mit Ausschlussfrist gesetzte Aufforderung durch den Kammervorsitzenden zu unterschreiben
sei. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei indes nur eine beglaubigte Abschrift übersandt worden. Zudem hätte das Sozialgericht
zur Auslegung des Klagebegehrens die Verwaltungsakte heranziehen müssen. Der streitige Sachverhalt habe sich auch aus dem
Widerspruchsbescheid des Beklagten ergeben. Schließlich sei die Abweisung der Klage als unzulässig nicht zwingend.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. Januar 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin
unter Abänderung des Bescheids vom 30. Oktober 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 1. März 2013 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 5. März 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung der Klägerin in Höhe von 542,26 Euro für
den Zeitraum Oktober 2012 bis Januar 2013 zu bewilligen,
hilfsweise,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. Januar 2014 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten
Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid ist zutreffend. Die Klage ist unzulässig.
Zwar ist bei der Auslegung des §
92 SGG auch das sich aus Artikel
19 Abs.
4 des
Grundgesetzes und aus Artikel
15 Abs.
4 der Verfassung von Berlin ergebende Gebot effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen (vgl. hierzu die Urteile des Landessozialgerichts
[LSG] Berlin-Brandenburg vom 16. April 2015 - L 11 SB 244/14 - und vom 25. Juni 2015 - L 11 VU 15/15 - beide bei juris). Die Anforderungen an die hinreichende Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens dürfen nicht überspannt
werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist es insoweit, dass der Kläger sein Begehren angibt, also zum Beispiel den
Verwaltungsakt bezeichnet, den das Gericht aufheben oder zu dem das Gericht verurteilen soll, die Feststellung, die das Gericht
treffen soll, oder die Leistung, die begehrt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
92, Rn. 8 m. w. N.). Die zwingenden Anforderungen des §
92 Abs.
1 Satz 1
SGG zum Klagebegehren können schon dann erfüllt sein, wenn der Sachverhalt, über den das Gericht entscheiden soll, angegeben
oder wenigstens umrissen ist, da die Regelung zum "bestimmten Antrag" nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist (Bayerisches
LSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - L 8 SO 75/11 - juris; Kühl in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Auflage 2014, §
92, Rn. 3). Im Regelfall, der Klage gegen eine Verwaltungsentscheidung, reicht es hierbei aus, dass der Kläger die angegriffene
Entscheidung so bezeichnet, dass das Gericht sie - und damit auch den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens - ermitteln
kann.