Stromschlag als Arbeitsunfall
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Beweismaßstab
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung eines Arbeitsunfalles und damit verbunden die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.
Der Kläger ist Witwer der 2009 verstorbenen A A (Versicherte). Die 1952 geborene Versicherte war als Verkäuferin in der Filiale
der Sp M AG im Einkaufszentrum W in B beschäftigt.
In Ausübung ihrer Beschäftigung wischte die Versicherte am 02. Februar 2009 im Verkaufsbereich des Ladenlokals mit einem feuchten
Tuch ein Regal ab. In dem Regal stand ein 17 Zoll LCD-Fernsehgerät zum Abspielen von Werbefilmen. Während der von der Klägerin
verrichteten Reinigungsarbeiten hörte eine Kollegin einen Aufschrei der Versicherten. Die Versicherte gab gegenüber der Kollegin
anschließend an, einen Stromschlag erlitten zu haben. Auf Anraten der Kollegin ließ sich die Klägerin mit dem Auto in das
Klinikum B bringen, wo sie um 13.26 Uhr eintraf und vom Durchgangsarzt (D-Arzt) Dr. R untersucht wurde.
In dem am 02. Februar 2009 von Dr. R erstellten Durchgangsarztbericht (DAB) ist zum Unfallhergang festgehalten: "Die Patientin
wischte das Regal unter einem Fernsehgerät ab und erhielt dabei plötzlich einen Stromschlag." Weiterhin wird als Befund aufgeführt:
"fragliche Strommarke li. Handfläche. Keine Austrittsmarke, keine weiteren Verletzungen." Als Erstdiagnose gab Dr. R an "T75.4
G Schlag durch elektrischen Strom ICD10". Bei den im Unterpunkt 9 des DAB erfragten vom Unfall unabhängigen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen, die für die Beurteilung des Arbeitsunfalls von Bedeutung sein können, gab er "keine" an.
In der Unfallanzeige der Sp M AG vom 06. Februar 2009 wird zum Unfallhergang berichtet "Frau A räumte ein Regal in der Filiale
ein. Sie wischte den Einlegeboden ab, auf dem der Fernseher steht, mit einem Tuch ab und sie bekam einen Stromschlag."
Auf Veranlassung des D-Arztes befand sich die Versicherte vom 02. bis zum 09. Februar 2009 in der Klinik für Innere Medizin
des Klinikums B in stationärer Behandlung. Im Entlassungsbericht des Klinikums vom 09. Februar 2009 werden als Diagnosen mitgeteilt:
"-Stromschlag
- leicht bis mittelgradig eingeschränkte LV-Pumpfunktion
- Ausschluss koronare Herzkrankheit
- asymptomatische paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie".
Zum Unfallhergang heißt es im Entlassungsbericht: "Die Patientin hatte um 12.30 Uhr beim Einräumen eines Regals dieses mit
einem feuchten Tuch abgewischt und beim Abwischen des Fernsehers einen Stromschlag erlitten und wäre hierbei am Fernseher
"festgeklebt"." Im Ergebnis der durchgeführten EKG-, Herzkatheter- und Laboruntersuchungen teilte das Klinikum mit: "Die Ursache
der eingeschränkten LV-Pumpfunktion bleibt noch unklar. Möglich ist ein Zustand nach Myokarditis. Eine hypertensive Genese
scheint bei völlig normalen bis niedrigen Blutdruckwerten unwahrscheinlich. Wir beginnen mit einer ACE-Hemmer- und Betablockertherapie,
welche die Patienten trotz niedrigem Blutdruck gut toleriert ...."
Am 16. Februar 2009 nahm die Versicherte nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit ihre Beschäftigung wieder auf.
Am 26. Februar 2009 wurde die Versicherte tot in ihrem Bett liegend in ihrem Haus aufgefunden. Wegen der Einzelheiten der
Auffindenssituation wird auf die beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Potsdam (Az. 486 UJs 4855/09) Bezug genommen.
Auf Anordnung des Amtsgerichtes Potsdam führte das Brandenburgische Landesinstitut für Rechtsmedizin am 03. März 2009 eine
Obduktion der Versicherten durch. Im Sektionsgutachten vom 23. Juni 2009 heißt es zur Todesursache u. a.:
"Unter Berücksichtigung des mitgeteilten Sektionsergebnisses muss als Todesursache mit einiger Wahrscheinlichkeit ein plötzlicher
Herztod bei rezidivierendem Myokardinfarkt angenommen werden. Diese Ausnahme wird durch das Vorliegen diffuser Vernarbungen,
insbesondere im Bereich des linken Herzventrikels untermauert. Ob diese zahlreichen Narbenbildungen ausschließlich Folgen
des 24 Tage ante finem stattgehabten Stromunfalls sind, ist zweifelhaft. Da bei der Patientin vor dem Unfall keine kardiale
Symptomatik auffällig war, lässt sich postmortal rein morphologisch weder zum zeitlichen Rahmen des Zustandekommens der Narbenbildung
noch der beschriebenen asymptomatische Rhythmusstörungen eine klare Aussage treffen. Inwiefern diese klinisch asymptomatischen
Rhythmusstörungen als Ursache für den plötzlichen Herztod angesehen werden können, ist ebenfalls nur zu diskutieren. Von klinischer
Seite wird der funktionelle Befund einer verminderten linksventrikulären Ejektionsfraktion dem Stromunfall ursächlich zugeordnet.
Im Obduktionsprotokoll finden sich deutliche Hinweise auf eine akute Linksherzinsuffizienz. Aufgrund der morphologischen Veränderungen
am Herzmuskel, aber auch unter Bezugnahme auf die angegebene Literatur ist ein Zusammenhang zwischen dem Elektrounfall und
dem Todeseintritt zwar nicht mit Sicherheit festzustellen. Der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem nachgewiesenen
Stromfluss und der akuten klinischen Symptomatik lässt jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen kausalen Zusammenhang
zwischen dem Stromunfall und dem Tod schließen. Die morphologisch festgestellte Herzschädigung war - soweit bekannt - bis
zu diesem Zeitpunkt symptomlos, so dass, auch unter Berücksichtigung der Schwere, eine zufällige Verschlechterung des Gesundheitszustandes
ohne Stromeinwirkung zum Unfallzeitpunkt eher unwahrscheinlich ist. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Stromunfall und
Todeseintritt lässt sich (auch unter Berücksichtigung der Literatur) nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
herstellen. Die zeitliche Korrelation zwischen Stromfluss und der nachfolgenden akuten klinischen Symptomatik lässt jedoch
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Stromunfall und dem Todeseintritt schließen.
Die vorstehende Herzerkrankung dürfte den Todeseintritt wesentlich begünstigt haben."
Die Laboruntersuchung ergab keinen Hinweis auf eine Beeinflussung durch Betäubungsmittel. Es waren geringe Konzentrationen
eines Betablockers nachweisbar, jedoch keine Spuren des ebenfalls verordneten ACE-Hemmers und anderer Wirkstoffe. Der Toponinwert
war nicht erhöht.
Die Arbeitgeberin der Versicherten veranlasste die technische Untersuchung des LCD-Monitors durch den Hersteller. Ausweislich
des am 23. Februar 2009 bei der Arbeitgeberin eingegangenen Berichts der VCR Display Systems GmbH seien bei der technischen
Prüfung des LCD-Monitors am 16. Februar 2009 keine Unterbrechung der Masseleitung, keine spannungsführenden Leitungen mit
Schluss am Gehäuse, kein Kurzschluss und kein Kriechstrom festgestellt worden.
Das brandenburgische Landesamt für Arbeitsschutz führte seinerseits eine Untersuchung des Vorfalls durch. Im Unfallbericht
vom 11. Mai 2009 gelangte es unter Bezugnahme auf den Bericht der VCR Display Systems GmbH über die technische Prüfung des
LCD- Fernsehgerätes und das Protokoll über eine Sicherheitsbegehung der Filiale der Sp M AG durch die Firma E AMed+ASi GmbH
am 18. März 2009 zu der abschließenden Einschätzung, dass keine Ursache für einen Stromschlag zu ermitteln sei.
In der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft findet sich unter dem 29. Juni 2009 der Vermerk "nach dem Gutachten der Rechtsmedizin
lässt sich ein Kausalzusammenhang zwischen Stromschlag und Eintritt des Todes nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
feststellen. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhanges zwischen Stromfluss und der nachfolgend akuten klinischen Symptomatik
besteht jedoch die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs. Als Todesursache wird festgestellt: Wahrscheinlich
Stromschlag bei vorbestehender Herzschädigung. Strafrechtlich reicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhanges
jedoch für einen hinreichenden Tatverdacht, d.h. die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung einer für die Sicherheit im Spielzeugladen
verantwortlichen Person, nicht aus, zumal zwischen Stromschlag und Todeseintritt mehr als drei Wochen lagen."
Die Staatsanwaltschaft Potsdam stellte das Ermittlungsverfahren am 29. September 2009 gemäß §
170 Strafprozessordnung (
StPO) mit der Begründung ein, dass an dem Fernsehgerät keine technischen Mängel gefunden worden seien und daher Zweifel an der
Todesursache Stromschlag und dadurch verursachten Herzrhythmusstörungen nicht auszuräumen seien. Ein Fremdverschulden sei
nicht feststellbar.
Die Beklagte holte im Rahmen ihrer Ermittlungen zum Vorliegen eines Arbeitsunfalles ein Vorerkrankungsverzeichnis der Versicherten
von der Deutschen Angestellten-Krankenkasse ein, aus dem sich - bis zum streitbefangenen Vorfall - keine Erkrankungen des
Herzens ergeben.
In der von der Beklagten veranlassten ergänzenden Stellungnahme des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin vom
02. Dezember 2009 wird ausgeführt: "Bei Frau A. wurde eine Herzschädigung in Form von feinen Myokardinfarkten festgestellt.
Ob und in welchem Umfang diese mikroskopischen Narben schon vor dem Unfall bestanden oder erst aus diesem resultieren kann
nicht differenziert werden. Aus den vorliegenden Krankenunterlagen der Hausärztin Frau Dr. W sind vor dem 9.2.2009 keinerlei
Anhaltspunkte für eine eingeschränkte oder auffällige Herzfunktion ersichtlich. Nach dem Stromschlag wurden Veränderungen
im EKG und im Ultraschall festgestellt. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhanges und der fehlenden klinischen Vorbefunde
ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es durch den Stromdurchfluss zu einer richtungsweisenden Verschlechterung
der Vorschädigung kam, die drei Wochen nach dem Ereignis zum plötzlichen Herztod führte. D. h. nach derzeitigem Kenntnisstand
stellt der Stromschlag eine wesentliche Teilursache dar. Die vorbestehende Herzschädigung dürfte den Todeseintritt wesentlich
begünstigt haben. Die beschriebenen kleinen Myokardnarben wurden im Wesentlichen im Bereich des Reizleitungssystems und der
linken Herzkammermuskulatur festgestellt. Durch einen für das Herz-Kreislaufsystem relevanten Stromdurchfluss kommt es in
den meisten Fällen zu Herzrhythmusstörungen, die sich, sofern der Geschädigte nicht im Kammerflimmern akut verstirbt, meist
rückbilden. In einem Teil der Fälle sind aber auch anderweitige Verläufe möglich, insbesondere wenn in diesem sensiblen Bereich
bereits Schädigungen vorliegen."
Darüber hinaus holte die Beklagte eine arbeitsmedizinisch-wissenschaftliche Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin,
Sozialmedizin und Umweltmedizin Dr. Z (Fachbereich Arbeitsmedizin und Berufskrankheiten, Fachbereichsleiter) bei der Berufsgenossenschaft
Energie, Textil, Medienerzeugnisse vom 06. April 2010 ein. In dieser gelangte der Arbeitsmediziner zu der Einschätzung, dass
bereits keinerlei Berührung einer spannungsführenden Stromquelle sowie eine Körperdurchströmung mit einer Ladung belegt sei,
die irgendwelche gesundheitlichen Folgeschäden hätte nach sich ziehen können. Selbst wenn man aber eine Körperdurchströmung
unterstellen wolle, könnten keine lebensgefährdenden Reizbildungs- oder Reizleitungsstörungen des Herzens angenommen werden.
Eine drei Wochen nach dem unterstellten schädigenden Ereignis eingetretene Herzschädigung in diesem Sinne sei anhand der vorliegenden
Literaturdaten selbst bei Unterstellung einer besonderen Empfindlichkeit aufgrund von Vorschädigungen im Bereich des Reizleitungssystems,
die in Form multipler kleiner Vernarbungen nachgewiesen seien, unwahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 27. April 2010 lehnte die Beklagte - gestützt auf die Stellungnahme von Dr. Z - die Gewährung von Entschädigungsleistungen,
insbesondere Heilbehandlung, sowie von Hinterbliebenenleistungen, insbesondere Sterbegeld und Witwenrente, aufgrund des Ereignisses
vom 02. Februar 2009 ab, da kein Arbeitsunfall vorliege. Eine elektroenergetische Körperdurchströmung der Versicherten habe
bereits nicht nachgewiesen werden können. Zudem sei es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen völlig unwahrscheinlich, dass
etwa drei Wochen nach einer eventuell stattgefundenen Körperdurchströmung erneut Herzrhythmusstörungen mit tödlichem Ausgang
aufträten, die im Zusammenhang mit einer Körperdurchströmung stehen würden.
Den Widerspruch des Klägers, in dem er sich auf das Sektionsgutachten des Landesinstitutes für Rechtsmedizin bezog, wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2010 unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen im angefochtenen
Bescheid zurück.
Mit seiner am 22. Juni 2010 zum Sozialgericht Potsdam (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt.
Das SG hat ein im Zivilprozess (Landgericht Potsdam, Az: 2 O 33/10) des Klägers gegen die private Unfallversicherung der Versicherten eingeholtes Sachverständigengutachten des Kardiologen
Prof. Dr. F (Deutsches Herzzentrum B) vom 20. September 2009 zum Rechtsstreit beigezogen. Ausgehend von der zu Grunde gelegten
Annahme, dass die Versicherte am 02. Februar 2009 einen Stromschlag mit Überschreiten der so genannten Los-lass-Schwelle ("mit
den Händen am Fernseher festgeklebt") erlitten habe, hat Professor Dr. F in seinem Gutachten zusammenfassend eingeschätzt:
"... In Zusammenschau aller vorliegenden Befunde und unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Literatur muss von einem
kausalen Zusammenhang zwischen Stromunfall und plötzlichem Todeseintritt ausgegangen werden. Entsprechend des Unfallhergangs
und der initialen klinischen Befunde bestand eine kritische Körperdurchströmung oberhalb 25 - 50 mA. Bei vermutlich niedrigem
Hautwiderstand aufgrund von Hautbefeuchtung während des Putzvorgangs, muss sogar von wesentlich höheren Stromstärken ausgegangen
werden. Bei merklichem "Festkleben" am Elektrogerät lag darüber hinaus sicherlich eine verhältnismäßig lange Durchströmungsdauer
vor. Betrachtet man das Stromstärke-/Zeit-Wirkungsdiagramm für Wechselstrom zwischen 15 und 100 Hz, so kann insgesamt von
einem Stromunfall mit deutlich erhöhtem gesundheitlichen Gefährdungspotenzial (AC-3, AC-4) ausgegangen werden. Hierbei spielen
nicht nur akute lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen zum Unfallzeitpunkt eine Rolle, sondern auch zeitlich verzögert auftretende
elektrische und funktionelle Störungen des Herzens. Neben der zeitlichen Korrelation zwischen Elektrotrauma und Todeseintritt
untermauert der pathologische Nachweis von unterschiedlich verteilten myokardialen Narben im Bereich des Reizleitungssystems
des Herzens die Schlussfolgerung eines kausalen Zusammenhangs."
Das SG hatvon der VCR Display Systems GmbH den vollständigen einseitigen Prüfbericht zur Untersuchung des Gerätes LCD 17" CF vom
16. Februar 2009 beigezogen und im Rahmen der Beweisaufnahme ein durch Dipl.-Ing. G (Fachgebietsleiter Elektrotechnik TÜV
Rheinland, Industrie Service GmbH) erstelltes elektrotechnisches Sachverständigengutachten vom 20. März 3013 eingeholt.
Mit Urteil vom 23. August 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Es liege kein Arbeitsunfall vor. Das Gericht habe sich nicht die erforderliche Überzeugung davon bilden
können, dass es bei dem Ereignis vom 02. Februar 2009 überhaupt zu einer Einwirkung von elektrischem Strom durch eine Spannungsquelle
als äußere Einwirkung im Sinne eines Arbeitsunfalles gekommen sei. Nach dem Sachverständigengutachten von Dipl.-Ing. G sei
es völlig offen, ob die Versicherte einer gesundheitsgefährdenden Stromeinwirkung ausgesetzt gewesen sei, da sich eine Spannungsquelle
unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Angaben hierzu nicht habe ermitteln lassen. Auch das Prüfprotokoll des Landesamtes
für Arbeitsschutz sowie die technische Überprüfung des LCD-Fernsehgerätes habe keinen technischen Fehler, welcher die Möglichkeit
eines Stromflusses wahrscheinlich machen könne, nachgewiesen. Auch die zeitnah nach dem Unfall festgestellten Veränderungen
am Herzen der Klägerin seien nicht zwingend auf eine äußere Einwirkung durch Stromfluss am 02. Februar 2009 zurückzuführen.
Für die im Sektionsbericht des Brandenburgischen Landesinstitutes für Rechtsmedizin beschriebenen Myokardnarben seien auch
andere Ursachen denkbar, wie Dr. Z schlüssig anhand der wissenschaftlichen Literatur dargestellt habe. Nichts anderes ergebe
sich aus dem beigezogenen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F, der ausgeführt habe, dass die bei der Versicherten während
der Obduktion festgestellten Befunde zwar durchaus Folgen eines Stromflusses seien könnten, sich hingegen damit - im Umkehrschluss
- kein sicherer Nachweis einer gesundheitsgefährdenden Stromeinwirkung durch eine Spannungsquelle auf die Versicherte führen
lasse. Selbst wenn man der Auffassung der Kammer nicht folgen und den Nachweis einer äußeren Stromeinwirkung als geführt ansehen
wollte, würde es jedoch an der haftungsausfüllenden Kausalität fehlen. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Veränderungen
am Herzen der Versicherten auf eine (hypothetische) Stromeinwirkung zurückzuführen seien, wie Dr. Z überzeugend ausgeführt
habe. Auch aus dem Sektionsgutachten und dem Gutachten von Prof. Dr. F ergebe sich nichts anderes, da hierin allein aus der
zeitlichen Nähe zwischen dem Vorfall und der Feststellung der Herzveränderungen auf einen Ursachenzusammenhang geschlossen
werde, was für die Annahme einer Kausalität nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht hinreichend sei.
Gegen das ihm am 10. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2013 Berufung eingelegt. Das Urteil beruhe
auf der falschen Annahme, dass der LCD- Monitor keinerlei Funktionsdefizite aufgewiesen habe. Dem Kläger sei nunmehr durch
zwei bereits zum damaligen Zeitpunkt im Betrieb der Arbeitgeberin der Versicherten tätige Mitarbeiterinnenmitgeteilt worden,
dass eine Überprüfung der BG-Elektro bzw. durch die Firma Elektro B GmbH unmittelbar nach dem Unfallgeschehen ergeben habe,
dass das in den Geschäftsräumen zur Präsentation der Ware verbaute Schwerlastregal selbst stromführend gewesen sei und zu
dem beschriebenen Stromschlag bei der Versicherten geführt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Potsdam vom 23. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2010 aufzuheben, festzustellen, dass das Ereignis vom 02. Februar 2009 (Stromschlag)
ein Arbeitsunfall war und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Sterbegeld sowie Witwerrente dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Potsdam zum Aktenzeichen 486 UJs 4855/09 beigezogen, die die Zeugin
F E, G S (Elektromeister) und H S nachträglich im Rahmen der Wiederaufnahme der Ermittlungen vernommen hat. Staatsanwalt M
teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26. November 2014 mit, dass Elektromeister S bestätigt habe, dass sein Mitarbeiter, der
Zeuge S am 10. März 2009 bei der Untersuchung des Regals Kriechstrom aufgrund einer Kabelquetschung festgestellt und den Schaden
vor Ort behoben habe. Während auf den lackierten Teilen des Regals selbst kaum Strom gewesen sei, hätte auf den überall am
Regal verbauten unlackierten Stahlschrauben ein 230-Volt-Strom angelegen. Mit Schreiben vom 12. März 2009 habe die Firma Elektro
B der Firma Sp M das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt. Daraufhin habe die Firma Sp M ihre Mitarbeiterveranlasst, Schweigepflichterklärungen
zu unterzeichnen. Eine Anklage der in Betracht kommenden Straftaten scheitere an der zwischenzeitlich - spätestens Ende März
2014 - eingetretenen Verjährung).
Darüber hinaus hat der Senat die Patientenunterlagen der Versicherten von deren Hausärztin, Dr. W, sowie des Klinikums B im
Original beigezogen.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Senat das von Prof. Dr. A (Facharzt für Kardiologie und Notfallmedizin, Herzrhythmusstörungen)
nach Aktenlage am 10. August 2015 erstellte Gutachten sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 23. September 2015 eingeholt.
Der Sachverständige hat zusammenfassend festgestellt, dass es einige Hinweise dafür gebe, dass der plötzliche Tod der Versicherten
durch anatomische Veränderungen im Herzmuskel bedingt sein könnte, die wiederum durch einen Stromunfall aufgetreten sein könnten.
Der zeitliche Abstand zwischen dem Stromunfall und dem Ereignis einerseits, sowie die Tatsache, dass die in der Sektion beschriebenen
pathologischen anatomischen Veränderungen im Herzen auch andere Ursachen (Arteriosklerose mit kleineren Infarkten) haben könnten,
würden aus den Hinweisen aber keine "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" werden lassen. Die Schlussfolgerungen
des Gutachters Prof. F könne er daher nicht teilen. Auch stimme er nicht zu, soweit die Gerichtsmediziner aus der zeitlichen
Korrelation zwischen Stromfluss und der akuten klinischen Symptomatik mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen kausalen
Zusammenhang zwischen Stromunfall und dem Todeseintritt geschlossen hätten. Hingegen stimme er der Schlussfolgerung von Dr.
Z zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
Potsdam zum Aktenzeichen 486 UJs 4855/09, die Akte des Landgerichtes Potsdam zum Aktenzeichen 2 O 33/10 und die Patientenakte der Versicherten aus dem Klinikum B verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen
Rechten.
Der Kläger hat Anspruch auf Sterbegeld und Witwerrente dem Grunde nach.
Nach §
63 Abs.
1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf die in Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Vorschrift aufgezählten Leistungen (u. a. Sterbegeld - Nr.
1, Hinterbliebenenrente - Nr. 3), wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach §
7 Abs.
1 SGB VII neben Berufskrankheiten auch Arbeitsunfälle.
Bei dem Ereignis vom 02. Februar 2009 handelt es sich um einen Arbeitsunfall i.S.v. §
8 Abs.
1 SGB VII, bei welchem die Versicherte eine asymptomatische paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (nicht schwergradige Herzrhytmusstörung),
eine leicht- bis mäßiggradig eingeschränkte LV-Pumpfunktion in Form einer verminderten linksventrikulären Ejektionsfraktion
(akute Linksherzinsuffizienz) sowie eine unspezifische Erregungsrückbildungsstörungen, die im stationären Verlauf rückläufig
war, als Gesundheitserstschaden davon trug, wie sich aus dem Entlassungsbericht der Klinik für Innere Medizin des Klinikums
B vom 09. Februar 2009 ergibt.
Nach §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) sind. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S. 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall
erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer
bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes
Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden
oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die
Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises,
also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis
der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (etwa Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, zitiert nach juris Rn. 16 f.).
Nach diesen Grundsätzen ist der Senat zunächst davon überzeugt (§
128 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -), dass die Versicherte am 02. Februar 2009 einen Stromunfall im Sinne eines Arbeitsunfalles i. S. des §
8 Abs.
1 SGB VII erlitten hat, bei dem es nicht an dem erforderlichen inneren bzw. sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten beruflichen
Tätigkeit der Versicherten und der unfallbringenden Verrichtung gefehlt hat. Zwar wurde dieser maßgebliche tatsächliche Ausgangspunkt
der rechtlichen Bewertung sowohl im Verwaltungs- als auch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren noch anders beurteilt. Jedoch
ist aufgrund der - nach der Vernehmung der Zeugen E, S und S im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren -staatsanwaltlich dokumentierten
veränderten Sachlage davon auszugehen, dass die Versicherte bei ihrer Beschäftigung in der Filiale der Sp M AG im Einkaufszentrum
W in B am 02. Februar 2009 im Verkaufsbereich des Ladenlokals mit einem feuchten Tuch ein Regal abwischte, bei welchem an
den in Vielzahl verbauten unlackierten Verbindungsstahlschrauben eine Stromspannung von 230 V Wechselstrom mit der in Deutschland
üblichen Frequenz von 50 Hz anlag. Hierbei erlitt die Versicherte einen Stromschlag. Da die Versicherte dieses Regal mit einem
feuchten Putztuch reinigte, verfügte sie, wie der Senat den grundsätzlichen Ausführungen von Prof. Dr. F in seinem Gutachten
vom 20. September 2010, welches aus dem Zivilverfahren beigezogen und nach §
411a ZPO, §
202 SGG im Rahmen des Urkundsbeweises hier verwertbar ist, entnimmt, über einen geringen Hautwiderstand, der eine Körperdurchströmung
begünstigt und die Gefährlichkeit eines Leiterkontaktes erhöht hat. Die Stromstärke, der die Versicherte ausgesetzt war, kann
nur schätzungsweise rekapituliert werden. Die sog. "Loslassgrenze" wird ab etwa 15mA überschritten (s. Gutachten Prof. Dr.
F, Seite 5). Legt man dabei zu Grunde, dass die Versicherte am Fernseher - wohl mit den Händen - "festgeklebt", sich aber
selbst "befreit" hat (vgl. Entlassungsbericht des Klinikums B vom 09. Februar 2009) und vergleicht dies mit der im Gutachten
von Prof. Dr. F wiedergegebenen Wirkungstabelle für Körperströme (s. auch Zschiesche, Stromausfälle am Arbeitsplatz, Arbeitsmedizin
Sozialmedizin Umwelt Medizin 2010), so kann vermutet werden, dass die Versicherte bei einem Wechselstrom von 50 Hz einer Stromstärke
von mehr als 15 mA bis zu 25 mA ausgesetzt war.
Untermauert wird dies durch den Umstand, dass die Kolleginnen in der Filiale einen lauten Aufschrei der Versicherten gehört
haben (u.a. Zeugin E), die ihrerseits gegenüber einer herbeigeeilten Kollegin und dem am selben Tage aufgesuchten D-Arzt Dr.
R angab, einen Stromschlag erlitten und - so die detailliertere Schilderung der Versicherten im Klinikum B - am Fernsehgerät
"festgeklebt" zu haben. Aus den vorliegenden Unterlagen geht kein Anhaltspunkt hervor, dass die Versicherte Hilfe benötigte,
um vom Fernsehgerät loszukommen.
Der Senat geht weiterhin im Rahmen umfassender und freier Überzeugungsbildung i. S. v. §
128 Abs.
1 Satz 1 des
SGG davon aus, dass die Versicherte durch den Stromunfall einen Gesundheits-Erstschaden erlitten hat. Der Senat folgt den überzeugenden,
da schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Prof. Dr. Fund dem Brandenburgischen Landesinstitut für Rechtsmedizin,
soweit sie im Ergebnis einschätzen, dass die am 02. Februar 2009 im Klinikum B bei der Versicherten festgestellten Diagnosen
Folgen des Stromschlags waren.
Im Klinikum B wurden nach dem Stromschlag noch am 02. Februar 2009 folgende Diagnosen erhoben:
- leicht- bis mäßiggradig eingeschränkte LV-Pumpfunktion in Form einer verminderten linksventrikulären Ejektionsfraktion (akute
Linksherzinsuffizienz),
- asymptomatische paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (asymptomatische Rhythmusstörung in Form einer Sinustachykardie)
aber keine höhergradigen Herzrhythmusstörungen und
- unspezifische Erregungsrückbildungsstörungen, die im stationären Verlauf rückläufig waren.
Mittels Herzkatheteruntersuchung wurde eine koronare Herzerkrankung der Versicherten ausgeschlossen. Auch waren bis zu diesem
Zeitpunkt des Unfalls durch die Versicherte keine Herzbeschwerden oder Anzeichen von Leistungsschwäche berichtet und auch
sonst keine kardialen Dekompensationszeichen ärztlich festgestellt und dokumentiert worden, wie sich insbesondere aus der
gutachterlichen Auswertung der Patientenunterlagen der Versicherten bei ihrer Hausärztin Frau Dr. W sowie den sonstigen ärztlichen
Unterlagen ergeben hat. Das Brandenburgische Landesinstitut für Rechtsmedizin hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom
02. Dezember 2009 insoweit zutreffend auch darauf verwiesen, dass sich aus den Krankenunterlagen vor dem Stromunfall keine
Einschränkungen der Herzfunktion erkennen lassen. Eine entsprechende Untersuchung im März 2005 habe regelrechte Befunde einschließlich
reguläre Blutdruckwerte ergeben. Soweit das Landesinstitut auch darauf verweist, dass es aufgrund einer im September 2006
einmalig eingetragenen Hypotonie nicht gerechtfertigt sei, auf eine mögliche stumme Herzinsuffizienz zu schließen, erscheint
dies dem Senat nachvollziehbar, zumal im Dezember 2006 wiederum normaler Blutdruck dokumentiert worden sei. Zwar könne Hypotonie
als Symptom einer kardialen Grunderkrankung auftreten, in den meisten Fällen handele es sich jedoch um eine Erscheinung von
fraglichem Krankheitswert. Im Fall der Versicherten seien aus den Krankenunterlagen keine Angaben über Leistungsminderung
oder körperliche Beeinträchtigungen ersichtlich, die die Annahme einer eingeschränkten kardialen Pumpfunktion verifizieren
würden.
Der Senat geht im Weiteren davon aus, dass der am 26. Februar 2009 eingetretene Tod der Versicherten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
im Wesentlichen (auch) auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Der Senat schließt sich den schlüssigen Ausführungen von
Prof. Dr. F und den Feststellungen des Sektionsgutachtens des Brandenburgischen Landesinstitutes für Rechtsmedizin vom 23.
Juni 2009 im Ergebnis an.
Der Senat legt - unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. F- zugrunde, dass die gesundheitliche Gefährdung aufgrund
Stromdurchflusses im Wesentlichen durch die Höhe des empfangenen Körperstroms und die Dauer der Körperdurchströmung charakterisiert
ist. Die Wirkungen des elektrischen Stroms im Organismus sind von der International Elektrotechnical Commission (IEC), die
als Normungsgremium fungiert, gut untersucht worden und werden in der Regel in Abhängigkeit von Dauer und Höhe der Körperdurchströmung
angegeben (vergl. Grafiken S. 8 des o. g. Gutachtens). Auf diesen Ursache-Wirkungszusammenhang wurde auch von Dr. Zschiesche
verwiesen. Nach dieser Grafik (a.a.O.) ist bei einem Körperstrom von 15 bis zu 25 mA je nach Durchströmungsdauer von einem
Einwirkungsbereich nach AC-2 (bis 500 ms Durchströmungsdauer bei 20 mA) bzw. schon vom Einwirkungsbereich AC-3 auszugehen,
wenn der Körperstrom geringfügig mehr als 20 mA betragen haben sollte. Als physiologische Wirkungen der Körperdurchströmungen
im Bereich AC-2 werden die Wahrnehmung des Stromdurchflusses und unwillkürliche Muskelkontraktionen als möglich angegeben,
sonst hingegen jedoch keine schädlichen physiologischen Wirkungen. Im Bereich AC-3 hingegen sind "starke unwillkürliche Muskelkontraktionen,
Atemprobleme, reversible Störungen der Herzfunktion, Immobilisierung (Kontrakturen) möglich, im Allgemeinen kein organischer
Schaden" als physiologische Wirkungen bekannt.
Nach den wenigen bekannten Parametern des hiesigen Sachverhaltes kann die Einwirkung im Grenzbereich zwischen AC-2 und AC-3
gelegen haben. Unklar bleibt, wie lange die Versicherte mit welcher Stromstärke dem Stromdurchfluss ausgesetzt war. Bei einem
Körperstrom von 15-25 mA bei 50 Hz Wechselstrom wird die Loslassschwelle als meist überschritten angesehen, mit entsprechend
verhältnismäßig langer Durchströmungsdauer. Als mögliche Wirkungen werden leichte Behinderung der Atmung und leichte Beeinflussung
des Kreislaufs beschrieben. Hingegen wird bei einer Stromstärke von mehr als 25 mA die Unmöglichkeit des Loslassen - wie hier
bei der Versicherten als "Festkleben" eingetreten - beschrieben, sowie weiterhin eine Behinderung der Atmung, Tachykardie,
Arrhythmien, Hypertonie, beginnende Gefahr von Arrhythmien und Kammerflimmern.
Weiterhin geht der Senat davon aus, dass bei der Sektion am 03. März 2009 eine deutliche Erweiterung der Herzhöhlen mit stärkster
Erweiterung der linken Herzkammer festgestellt wurde, wobei die Herzmuskulatur insbesondere links etwas schlaff und die Herzkammerwand
ausgedünnt erschien. Histologisch fanden sich in allen untersuchten Anteilen des linken Herzventrikels und der Papillarmuskeln
links Myokardfibrosen bzw. perivaskuläre Myokardnarben in unterschiedlich dichter Lage. Hinweise für frische bzw. perakute
Ischämiezeichen oder Einblutungen waren nicht festzustellen, so dass ein akuter Myokardinfarkt als Todesursache ausgeschlossen
werden konnte, jedoch angesichts der diffus verteilten Myokardfibrosen im Bereich der linken Herzkammer, bei Ausschluss übriger
Todesursachen im Sektionsgutachten vom 23. Juni 2009 und leerer kardialer Anamnese, mit Prof. Dr. F von einem plötzlichen
Herztod der Versicherten ausgegangen werden kann. Insoweit spricht das Fehlen erhöhter kardialer Troponinwerte bei der Sektion
- wie sie nach einem akuten Myokardinfarkt nachweisbar sind - nicht gegen einen Kausalzusammenhang.
Übereinstimmend gehen die medizinischen Stellungnahmen davon aus, dass sich nicht zweifelsfrei belegen lässt, wie die dokumentierten
Myokardnarben entstanden sind, insbesondere ob und inwieweit sie Unfallfolge sind oder schon zuvor bestanden. Da die kardiale
Anamnese der Versicherten leer war - wie dargelegt und von Prof. Dr. F zur Begründung eines Kausalzusammenhangs angeführt
- spricht dies und das Zusammentreffen des Stromunfalls mit "deutlich erhöhtem gesundheitlichen Gefährdungspotential", so
Prof. Dr. F, für eine wesentliche Mitverursachung des Todes durch den Unfall. Die Mediziner haben übereinstimmend dargelegt,
dass ein Stromdurchfluss zweierlei bewirken kann, zum einen Herzrhythmusstörungen, zum anderen eine direkte Nekrose des Herzmuskels
(Myokard), wobei sich diffus verteilte diskrete Kontraktions-Nekrosen bilden, dieses Erscheinungsbild ähnelt dem eines Myokardinfarktes.
Dieses Bild entsprach dem bei der Obduktion ermittelten Befund.
Diese - unter Berücksichtigung sämtlicher in den Akten befindlicher ärztlicher Kausaleinschätzungen - nicht auszuschließende
Unwägbarkeit geht jedoch nicht zu Lasten des klägerischen Anspruches. Denn bei der Beurteilung der Kausalität wäre die Heranziehung
des jeglichen Zweifel ausschließenden Vollbeweises durch den Senat verfehlt und rechtsfehlerhaft. Ausreichend für die Annahme
des dargelegten Kausalzusammenhangs ist vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, die ihrerseits lediglich ein Überwiegen
der für den Kausalzusammenhang sprechenden Gründe ausreichen lässt, ohne die dagegen sprechenden gänzlich auszuschließen.
Prof. Dr. A legt insoweit zutreffend dar, dass der plötzliche Tod der Versicherten durch anatomische Veränderungen im Herzmuskel
bedingt sein könnte, die wiederum durch einen Stromunfall aufgetreten sein könnten. Allerdings sprächen der zeitliche Abstand
zwischen dem Stromunfall und dem Tod einerseits sowie die Tatsache, dass die in der Sektion beschriebenen pathologisch anatomischen
Veränderungen im Herzen auch eine andere Ursache (Arteriosklerose mit kleineren Infarkten) haben könnten, andererseits gegen
eine "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit". Damit verkennt der Sachverständige den Beweismaßstab, da eine an Sicherheit
grenzende Wahrscheinlichkeit gerade nicht gefordert ist. Soweit er der Schlussfolgerung von Prof. Dr. F, der aufgrund der
zeitlichen Korrelation zwischen dem Stromfluss und der nachfolgend akuten klinischen Symptomatik mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Stromunfall und Todeseintritt geschlossen hatte, nicht zustimmt, vermag der Senat
dem nicht zu folgen.
Selbst wenn der Senat - mit dem Sektionsgutachten - davon ausgehen würde, dass die erstmals bei der Sektion festgestellte
morphologische Herzschädigung in Form der Myokardfibrosen Zeichen eines bis zum Stromunfall symptomlos verlaufenden rezidivierenden
Myokardinfarktes der Versicherten gewesen ist, würde dies die Annahme des Kausalzusammenhangs nicht hindern. Denn auch unter
diesen Umständen ließe der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem nachgewiesenen Stromfluss und der akuten klinischen
Symptomatik mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Stromunfall und dem Tod der
Versicherten schließen. Mit anderen Worten: Eine zufällige Verschlechterung der vermeintlich vorbestehenden Herzerkrankung
der Versicherten, welche bis zum Stromunfall symptomlos war, erscheint - auch unter Berücksichtigung der Schwere der vermeintlichen
Herzerkrankung - ohne Stromunfall unwahrscheinlich, wobei nicht nur die akuten Herzrhythmusstörungen zum Unfallzeitpunkt eine
Rolle spielen, sondern auch zeitlich verzögert auftretende elektrische und funktionelle Störungen im Zusammentreffen mit den
pathologisch nachgewiesenen unterschiedlich verteilten Myokardnarben im Bereich des Reizleitungssystems des Herzens. Selbst
wenn die vermeintliche Herzerkrankung den Todeseintritt wesentlich begünstigt haben sollte, so lässt sich aber der Stromunfall
als wesentliche Mitursache für den Tod zu eben diesem Zeitpunkt nicht wegdenken. Demgegenüber greifen auch die von Dr. Z in
seiner für die Beklagte erstellten arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Stellungnahme vom 06. April 2010 gegen die Annahme
eines Kausalzusammenhangs zwischen dem angeschuldigten Ereignis und dem Tod der Versicherten erhobenen Einwände nicht durch,
welche zuvörderst auf der - letztlich wie gezeigt nicht haltbaren - Annahme gründen, dass es bereits nicht zu einer elektrischen
Körperdurchströmung gekommen sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG vorliegt.