Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Bescheid der Beklagten vom 03.11.2017, mit der sie dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.08.2017 wegen mangelnder Mitwirkung versagte.
Der Kläger stand seit Mai 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Er selbst ist der Ansicht, dass er aus gesundheitlichen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Er leide unter
einer Störung in seinem Schlaf-Wach-Rhythmus, so dass es ihm unmöglich sei, regelmäßig zu festen Zeiten Maßnahmen zu besuchen
bzw. eine Arbeitsstelle anzutreten. Seit Ende 2014 bemüht sich die Beklagte daher, die Erwerbsfähigkeit des Klägers ärztlich
feststellen zu lassen. Zunächst lud die Beklagte den Kläger mehrfach zu einer Begutachtung durch den ärztlichen Dienst der
Agentur für Arbeit ein. Der Kläger verweigerte diese Untersuchung jedoch, da er diesen Arzt nicht für unabhängig erachtete.
Auch auf sämtliche Folgeeinladungen, die das Ziel der Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit verfolgten, reagierte er nur mit
Widersprüchen und Klagen, die stets dieselbe Begründung hatten. Mit keiner seiner Klagen war der Kläger erfolgreich. Im Verlauf
des Jahres 2015 wies die Beklagte ihm auch zwei Mal durch einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt
eine Eingliederungsmaßnahme zu, die zum Ziel hatte, sein gesundheitliches Restleistungsvermögen herauszuarbeiten. In allen
Schreiben an den Kläger bot die Beklagte das persönliche Gespräch zur Klärung aller weiteren Fragen an und erläuterte ihm
auch schriftlich ausführlich, welche Schritte zur Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit notwendig seien. Schließlich bot die
Beklagte dem Kläger - entgegen ihrer rechtlichen Verpflichtung - sogar an, selbst einen Arzt zu benennen, der die notwendigen
Untersuchungen durchführen solle. Auch dies verweigerte der Kläger. Die einzigen bei der Beklagten vorliegenden ärztlichen
Unterlagen über den Kläger datieren aus dem Jahr 2006. Der Kläger selbst gab an, seitdem nicht mehr in ärztlicher Behandlung
zu sein.
Mit Bewilligungsbescheid vom 21.01.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger zuletzt Leistungen auch für die Zeit vom 01.08.2016
bis zum 31.01.2017 in Höhe von monatlich insgesamt 923,68 EUR.
Mit Schreiben vom 04.05.2016 forderte die Beklagte den Kläger erneut auf, sich am 02.06.2016 um 10 Uhr beim ärztlichen Dienst
vorzustellen und vorab einen ausgefüllten Gesundheitsfragebogen und eine Schweigepflichtentbindungserklärung einzureichen.
Der Kläger kam der Aufforderung zur Vorstellung beim ärztlichen Dienst nicht nach. Stattdessen legte er unter dem 19.05.2016
Widerspruch gegen das Aufforderungsschreiben ein. Diesen begründete er insbesondere damit, dass er selbst bei seiner ursprünglichen
Antragstellung im Mai 2005 dargelegt habe, dass er dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe und an einer Vermittlung
nicht interessiert sei. Durch die Annahme dieses Leistungsantrages und die fortlaufende Leistungsgewährung habe die Beklagte
diese Bedingung akzeptiert, so dass für ihn keine weiteren Mitwirkungspflichten bestünden. Ferner fehle die genaue Benennung
des Arztes und die Mitteilung der genauen Fragestellung an diesen. Die Beklagte solle ein Gutachten nach Aktenlage erstellen.
Am 20.05.2016 reichte der Kläger die angeforderten Unterlagen ein. Die Beklagte prüfte daraufhin, ob eine Überleitung in das
SGB XII auch ohne persönliche Vorsprache möglich sein könnte (vgl. Vermerk vom 23.05.2016). Der sozialmedizinische Gutachter der
Agentur für Arbeit Dr. F prüfte die vom Kläger eingereichten Unterlagen. In seiner gutachterlichen Stellungnahmen vom 23.06.2016
stellte dieser fest, dass eine Einschätzung der vorliegenden leistungsrelevanten Funktionsstörungen anhand der Unterlagen
(von 2006 und 2008) alleine nicht erfolgen könne, da sich der Kläger seit 2006 nicht mehr in ärztlicher Behandlung befinde.
Eine aktuelle Untersuchung sei daher zwingend erforderlich. Auf die Einzelheiten der gutachterlichen Stellungnahme wird verwiesen.
Mit weiterem Schreiben vom 02.06.2016 forderte die Beklagte den Kläger zu einem neuen Untersuchungstermin am 21.06.2016 auf.
Auch gegen dieses Schreiben legte der Kläger mit Schreiben vom 15.06.2016 Widerspruch ein und erschien nicht zum Untersuchungstermin.
Daraufhin entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.07.2016 die Leistungen vollständig für den Zeitraum vom 01.08.2016
bis zum 31.01.2017. Dabei stützte sie sich auf eine Verletzung der Mitwirkungspflichten nach §
66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) durch den Kläger. Ein gegen den Bescheid vom 18.07.2016 durch den Kläger angestrengtes Widerspruchsverfahren blieb ebenso
erfolglos wie ein nachfolgendes Gerichtsverfahren (S 41 AS 4287/16; L 2 AS 2152/17).
Am 02.01.2017 reichte der Kläger bei der Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag ein. Die Beklagte forderte ihn mit Schreiben
vom 13.01.2017 zur Mitwirkung durch Vorstellung beim ärztlichen Dienst am 13.02.2017 zwecks Klärung seiner Erwerbsfähigkeit
auf. Am 30.01.2017 beantragte der Kläger bei dem erkennenden Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 41 AS 450/17 ER). Zu dem Termin beim ärztlichen Dienst am 13.02.2017 erschien der Kläger ebenso wenig wie zu einem Untersuchungstermin,
den das erkennende Gericht für den Kläger bei Herrn Dr. L, SMD N, im Zuge des Eilverfahrens ermöglicht hatte. Das Eilverfahren
blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos (L 2 AS 598/17 B ER). Daraufhin versagte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15.02.2017 die beantragten Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.01.2017 wegen seines Nichterscheinens zum Termin beim ärztlichen Dienst vollständig. Ein nachfolgendes Widerspruchsverfahren
bleib erfolglos, ebenso ein Gerichtsverfahren (S 41 AS 3363/17; L 12 AS 596/18).
Nachdem der Kläger am 16.08.2017 einen neuen Weiterbewilligungsantrag gestellt hatte, forderte ihn die Beklagte mit Schreiben
vom 08.09.2017 erneut zur Mitwirkung dergestalt auf, einen Termin beim ärztlichen Dienst am 20.09.2017 um 11 Uhr zwecks Feststellung
seiner Erwerbsfähigkeit wahrzunehmen. Auch zu diesem Termin erschien der Kläger nicht. Daraufhin erlies die Beklagte am 03.11.2017
den angefochtenen Bescheid, mit dem sie ihm die begehrten Leistungen ab dem 01.08.2017 ganz versagte. Mit Schreiben vom 27.11.2017
erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2017 als unbegründet zurückwies. Am 04.01.2018
erhob der Kläger Klage vor dem erkennenden Gericht.
Der Kläger verweist in seiner Klage auf seine Widerspruchsbegründung vom 27.11.2017. Darin führt er aus, aus "Gewissensgründen"
sei er willentlich erwerbsunfähig und stehe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Er leide unter einem desynchronen Schlaf-Wach-Rhythmus.
Die von der Beklagten geplante ärztliche Untersuchung sei unverhältnismäßig. Bevor er untersucht werden könne, müsse ein bestimmtes
Prozedere zwingend eingehalten werden, wobei ihm als erstes der Regelsatz zu gewähren sei. Im Anschluss daran habe die Beklagte
einen Arzt für die Begutachtung zu benennen, zu dem er dann u.a. durch die Zusendung eines Fragebogens Kontakt zur Herstellung
vertrauensbildende Maßnahmen aufnehmen werde. Er werde dann entscheiden, ob er den Arzt als ethisch vertrauenswürdig ansehe.
Dann könne ein Verfahren gem. § 44a SGB II stattfinden.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2017 aufzuheben und ihm ab dem 01.08.2017
Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zuzüglich Zinsen zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 19.07.2018 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie als Leistungsklage,
gerichtet auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, erhoben sei. Denn die Beteiligten stritten über einen Versagungsbescheid der Beklagten gegenüber dem Kläger. Im Falle der
Versagung nach §
66 SGB I entscheide die Behörde nicht über den Leistungsanspruch als solchen. Gegen einen solchen Versagensbescheid sei nur die Anfechtungsklage
eröffnet. Die gegen den Versagungsbescheid vom 03.11.2017 erhobene Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 SGG) sei zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Versagungsbescheid der Beklagten vom 03.11.2017 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2017 sei rechtmäßig und verletze den Kläger daher nicht in seinen Rechten, §
54 Abs.
1, Abs.
2 SGG. Die Beklagte habe dem Kläger zu Recht die begehrten Leistungen nach §
66 SGB I versagt. Denn nach §
61 SGB I solle jeder, der Sozialleistungen beantrage oder erhalte, auf Verlangen des Leistungsträgers zur mündlichen Erörterung des
Antrages oder zur Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistung notwendiger Maßnahmen persönlich erscheinen. Nach
§
62 SGB I solle sich jeder, der Sozialleistungen beantrage oder erhalte, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen
oder psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich
seien. Der Kläger sei der Einladung der Beklagten vom 08.09.2017 zu dem Untersuchungstermin beim ärztlichen Dienst am 20.09.2017
zur Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit nicht gefolgt. Ein Grund im Sinne des §
65 SGB I, aus dem die Untersuchung für den Kläger unzumutbar sein könnte, läge nicht vor. Den Befürchtungen des Klägers, dass der
begutachtende Arzt nicht unabhängig sein könnte, werde durch die üblichen Rechtschutzmöglichkeiten gegen die aus der Untersuchung
folgenden Entscheidungen der Beklagte ausreichend Rechnung getragen. Entgegen der Ansicht des Klägers war und sei die Beklagte
auch nicht verpflichtet, das von ihm vorgegebene Prozedere zur Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit einzuhalten. Dies sei
gesetzlich nicht vorgesehen. Der von dem Kläger behauptete desynchrone Schlaf-Wach-Rhythmus sei durch nichts belegt und könne
schon aus diesem Grund keinen wichtigen Grund im Sinne des §
65 Abs.
1 Nr.
2 SGB I darstellen. Das Prozedere sei dem Kläger aus der Vergangenheit hinlänglich bekannt (vgl. in aller Deutlichkeit betreffend
den Kläger auch LSG NRW Beschluss vom 12.09.2017, L 6 AS 889/17 B ER). Auf die Einzelheiten wird Bezug genommen.
Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung stehe gemäß §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I im Ermessen der Behörde. Der Leistungsträger könne die beantragte Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise
versagen oder entziehen. Das Gericht dürfe gemäß §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG Ermessensentscheidungen nur auf Ermessensfehler hin überprüfen. Ermessensfehler könne das Sozialgericht nicht erkennen. Die
Beklagte habe ihre umfangreichen Bemühungen um eine Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in dem Bescheid vom 03.11.2017
ausführlich dargelegt. Sie habe sich auch bemüht, diese anhand der Aktenlage feststellen zu lassen, was jedoch nicht möglich
gewesen sei. Auch hierauf gehe sie in dem Bescheid vom 03.11.2017 ein. Ohne die Mitwirkung des Klägers sei eine Feststellung
seiner Erwerbsfähigkeit nicht möglich. Auch wenn es vorliegend grundsätzlich denkbar erscheint, dass der Kläger unter einer
erheblichen psychischen Erkrankung leide und es auch möglich erscheine, dass die Verweigerung der Mitwirkungshandlungen auf
der psychischen Erkrankung des Klägers beruhe, sei dies ohne eine Untersuchung des Klägers durch einen Arzt nicht zu klären.
Es gehe bei der Frage, ob der Kläger Leistungen der Sozialhilfe oder Leistungen nach dem SGB II erhalte, nicht nur darum, von welchem Träger die Leistungen zu zahlen seien, sondern es gehe um die Vergabe öffentlicher
Mittel aus Steuergeldern, die nach dem SGB II mit ganz anderen Pflichten verbunden sei, als nach dem SGB XII. Im Sinne einer Gleichbehandlung mit anderen Hilfebedürftigen sei die Beklagte verpflichtet, alle ihr von Gesetzes wegen
zustehenden Möglichkeiten auszuschöpfen und den Kläger zu allen ihm möglichen Mitwirkungshandlungen anzuhalten. Dies gelte
gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Kläger meine, dem Arbeitsmarkt aufgrund eines "Gewissensentscheids" nicht
zur Verfügung zu stehen, da dies auf eine mögliche erhebliche psychische Erkrankung hindeute. Aus diesem Grund sei das Handeln
der Beklagten auch nicht rechtsmissbräuchlich, sondern dringend angezeigt. Auf die Einzelheiten der Begründung wird Bezug
genommen.
Gegen das dem Kläger am 27.07.2018 zugestellte Urteil hat er am 22.08.2018 unter Wiederholung seines Vortrages in erster Instanz
Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil auf seine Richtigkeit zu überprüfen und ggf. eine Korrektur vorzunehmen durch Zurückweisung an das Sozialgericht
oder der Klage stattzugeben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Mit Schreiben vom 05.09.2018 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er eine Entscheidung durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beabsichtigt. Der Senat habe dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts nichts hinzuzufügen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte
des Beklagten Bezug genommen.