Anträge auf Rentengewährung und -höherbemessung
Behauptete Blindheit
Mitwirkungspflicht des Anspruchsberechtigten
Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit
1. § 5 ZMV verpflichtet berechtigte Personen, bei der Wahrnehmung ihres Anspruchs auf Zugänglichmachung im Rahmen ihrer individuellen
Fähigkeiten und ihrer technischen Möglichkeiten mitzuwirken.
2. Sie sollen die verpflichtete Stelle insbesondere nicht nur unverzüglich über ihre Blindheit oder Sehbehinderung in Kenntnis
setzen, sondern auch mitteilen, in welcher Form ihnen die Dokumente zugänglich gemacht werden können.
3. Kommt ein Kläger dieser Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, kann auch aus diesem Grund ein Verfahrensmangel, auf dem die
Entscheidung des LSG beruhen könnte, nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
Gründe:
I
Der Kläger verfolgt verschiedene Anträge auf Rentengewährung und -höherbemessung, mit denen er im Antrags-, Klage- und Berufungsverfahren
erfolglos geblieben ist. Das Landessozialgericht (LSG) hat sich insbesondere nicht an einer Entscheidung in der Sache gehindert
gesehen, weil es dem Kläger Schriftstücke wie auch die Ladung zum Termin nicht in der von §
191a Abs
1 Gerichtsverfassungsgesetz iVm § 3 der Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen
Verfahren (ZMV) vorgeschriebenen Form zur Kenntnis gebracht hat. Denn nach Überzeugung des Gerichts war der Kläger weder blind
noch in der Weise sehbehindert, dass er die ihm in üblicher schriftlicher Form zur Kenntnis gebrachten gerichtlichen Mitteilungen
nicht habe in angemessener Weise zur Kenntnis nehmen können. In einem Beschluss vom 3.11.2011 (L 11 SB 147/11 B ER) habe das LSG Niedersachsen-Bremen nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger jedenfalls bis zum 6.2.2010 weder blind
noch etwa in dem Maße sehbehindert gewesen sei, wie das LSG Berlin-Brandenburg dies bei seiner Entscheidung vom 22.10.2009
bereits für die Zeit seit August 2007 angenommen habe. Wenn der Kläger das Bestehen von Blindheit gleichwohl seit Mai 2009
gegenüber dem Versorgungsamt Hannover behauptet habe, habe er damit in der Vergangenheit unrichtige Angaben zu seinem Sehvermögen
gemacht, sodass seinen aktuellen Behauptungen kein Glauben zu schenken sei. Dies gelte insbesondere mit Rücksicht darauf,
dass er sich in der Zeit nach Februar 2010 gutachterlichen Untersuchungen über sein Sehvermögen zu entziehen versucht habe.
Auch aus sonstigen Umständen - der Kläger habe kurzfristig auf die Ladung sowie auf die folgenden Mitteilungen des Gerichts
reagiert - ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger etwa in der Wahrnehmung des Inhalts gerichtlicher Schreiben
beeinträchtigt sein könnte.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat er Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
(PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwältin G., K., beantragt. Er rügt im Wesentlichen, ihm seien Entscheidungen nicht in einer
Form zugänglich gemacht worden, die es ihm als Blinden ermöglichten, deren Inhalt wahrzunehmen.
II
1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Nach §
73a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) iVm §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht
mutwillig erscheint. Das ist hier nicht der Fall. Denn die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg, weil Revisionszulassungsgründe iS des §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht vorliegen.
Nach §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung
des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr
3). Das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht erkennbar. Dass das LSG von höchstrichterlicher
Rechtsprechung iS der Nr 2 abgewichen sein könnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich.
Aber auch ein Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), auf dem das Urteil des LSG beruhen könnte, lässt sich nicht erkennen. Insbesondere ist das LSG zu Recht davon ausgegangen,
dass der Kläger auch nach Februar 2010 weder blind noch in einer Weise sehbehindert war oder ist, dass er in der Wahrnehmung
des Inhalts gerichtlicher Schreiben beeinträchtigt sein könnte. Zwar hat das LSG - soweit ersichtlich - den Beschluss des
LSG Niedersachsen-Bremen vom 3.11.2011 (L 11 SB 147/11 B ER) nicht in das Verfahren eingeführt, sodass jedenfalls nicht ohne Beiziehung der Akten nachvollziehbar ist, dass der
Kläger hiernach jedenfalls bis zum 6.2.2010 weder blind noch in dem Maße sehbehindert gewesen sein soll, wie dies das LSG
Berlin-Brandenburg seiner Entscheidung vom 22.10.2009 bereits für die Zeit ab August 2007 zugrunde gelegt hat. Aus dem zitierten
Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.10.2009, der sich in den Akten des LSG befindet, ergibt sich jedoch (vgl S 43, 44
des Urteils), dass Angaben des Dr. L. aus dem Jahr 2007 und von Juni 2009 den Vortrag des Klägers widerlegen, er sei "blind".
Denn dies setze einen Visus von höchstens 0,02 auf dem am besten sehenden Auge oder vergleichbare Beeinträchtigungen des Sehvermögens
voraus. Dem Kläger sei es jedoch noch am 12.6.2009 möglich gewesen, sich in der Praxis des Dr. L. vorzustellen. Dieser hat
zudem beim Kläger ausweislich einer in den Akten des LSG befindlichen Bescheinigung vom 6.3.2009 (Bd 1 S 81) anlässlich einer
Untersuchung vom selben Tag einen Visus beidseits von 0,4 festgestellt.
Angesichts dieser Tatsachen ist das LSG ohne Verfahrensfehler davon ausgegangen, dass der Kläger jeweils noch in der Lage
war, auf Mitteilungen des Gerichts angemessen zu reagieren. Dass die jetzt erneut vorgelegte - auch schon in den Akten des
LSG vorhandene - Kopie des Bescheids des Versorgungsamts Hannover vom 20.10.2010 das Merkmal "Bl" für Blindheit ausweist (festgestellt
am 1.9.2009), führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal der Kläger auch jetzt - auf Anschreiben des Berichterstatters - in
der Lage war, auf gerichtliche Mitteilungen in erbetener Weise zu reagieren.
Hinzu kommt, dass der Kläger - selbst bei Annahme einer an Blindheit grenzenden Sehbehinderung - trotz entsprechender Aufforderung
nie mitgeteilt hat, in welcher Form ihm die Dokumente zugänglich gemacht werden sollten. § 5 ZMV verpflichtet berechtigte
Personen aber, bei der Wahrnehmung ihres Anspruchs auf Zugänglichmachung im Rahmen ihrer individuellen Fähigkeiten und ihrer
technischen Möglichkeiten mitzuwirken. Sie sollen die verpflichtete Stelle insbesondere nicht nur unverzüglich über ihre Blindheit
oder Sehbehinderung in Kenntnis setzen, sondern auch mitteilen, in welcher Form ihnen die Dokumente zugänglich gemacht werden
können. Da der Kläger dieser Mitwirkungsobliegenheit nie nachgekommen ist, kann auch aus diesem Grund ein Verfahrensmangel,
auf dem die Entscheidung des LSG beruhen könnte, nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
Da dem Kläger mangels Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde PKH zu versagen war, hat er auch keinen Anspruch auf Beiordnung
von Rechtsanwältin G. (§
121 ZPO).
2. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) eingelegt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.