Rentenrechtliche Anrechnung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten
Vor 1992 geborene Zwillinge
Annähernd gleichwertige Berücksichtigung der Kindererziehung in der Beamtenversorgung
Gründe:
Mit Urteil vom 13.3.2019 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch der Klägerin auf Vormerkung der Zeit vom 1.5.1988 bis
30.4.1990 als Kindererziehungszeit und der Zeit vom 2.4.1988 bis 1.4.1998 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung
ihrer am 2.4.1988 geborenen Zwillinge C. und L. verneint. Die Klägerin sei von der Anrechnung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten
nach §
56 Abs
4 Nr
3 SGB VI in der seit dem 1.7.2014 geltenden Fassung ausgeschlossen, weil sie eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften
erworben habe, die gemäß Halbs 2 der Vorschrift als annähernd gleichwertig mit der Versorgung nach dem
SGB VI gelte. Unerheblich sei, dass die Kindererziehung bei der Berechnung des Ruhegehalts der Klägerin zeitlich und finanziell
nicht annähernd in dem selben Umfang wie in der gesetzlichen Rentenversicherung Berücksichtigung finde.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und eine Verletzung ihrer Rechte durch die angefochtene Entscheidung.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Die Klägerin wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder
Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl §
162 SGG) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).
Doch selbst wenn man die Beschwerdebegründung dahin verstehen würde, dass die Klägerin die Fragen aufwirft, ob §
56 Abs
4 Nr
3 Halbs 2
SGB VI auch auf Mehrlingsgeburten anwendbar ist, weil das zweite Kind im Beamtenrecht versorgungsrechtlich unberücksichtigt bleibt,
und ob §
56 Abs
4 Nr
3 Halbs 2
SGB VI bei Bejahung dieser Frage gegen Art
3 Abs
1 GG verstößt, wäre die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.
Die Klägerin hat jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Fragenbereiche nicht schlüssig aufgezeigt.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus
dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann
anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine
oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde
als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine höchstrichterliche
Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher
Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (Krasney/Udsching/Groth, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).
Hieran fehlt es. Die Klägerin setzt sich insbesondere nicht ausreichend mit dem Urteil des 13. Senats des BSG vom 10.10.2018 (B 13 R 20/16 R - Juris, auch zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2600 § 56 Nr 9) auseinander. Nach dieser Entscheidung
schließt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften - auch im Fall einer Zwillingsgeburt - die Berücksichtigung
von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder in der gesetzlichen Rentenversicherung aus, ohne dass es auf die annähernd
gleichwertige Berücksichtigung der Kindererziehung in der Beamtenversorgung im Einzelfall ankommt. Eine Verletzung von Art
3 Abs
1 GG durch die Regelung des §
56 Abs 4 Nr
3 Halbs 2
SGB VI hat der 13. Senat des BSG unter Heranziehung der Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Grundrechtsnorm verneint (aaO, Juris RdNr 28 ff).
Soweit die Klägerin darauf hinweist, dem Urteil vom 10.10.2018 (aaO) liege ein mit ihrem Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt
zugrunde, weil die dortige Klägerin "nur" die versorgungsrechtliche Mindestversorgung beziehe, während sie die tatsächlich
erdiente Versorgung erhalte und überdies vertrauensschutzbegründende rentenrechtliche Vorleistungen in Gestalt von freiwilligen
Beiträgen erbracht habe, legt sie nicht dar, dass diese Gesichtspunkte für die Auslegung des §
56 Abs
4 Nr
3 Halbs 2
SGB VI nach dem vorgenannten Urteil entscheidungsrelevant sind.
Ebenso wenig vermögen die weiteren Ausführungen der Klägerin, die Entscheidung sei in der Sache inkonsequent und damit letztlich
nicht richtig, die erneute Klärungsbedürftigkeit des angesprochenen Fragenbereichs zu rechtfertigen. Zwar kann trotz vorhandener
höchstrichterlicher Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehen. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsprechung in
nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden
(vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19), was im Rahmen der Beschwerdebegründung darzulegen ist (BSG Beschluss vom 17.9.2013 - B 1 KR 63/13 B - Juris RdNr 6 mwN). Hierzu trägt die Klägerin nichts vor. Dass sie das Urteil des 13. Senats vom 10.10.2018 (aaO) für nicht
zutreffend hält, reicht allein zur Begründung der erneuten Klärungsbedürftigkeit nicht aus.
Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Frage eines Verfassungsverstoßes aufgeworfen, muss der Beschwerdeführer unter Auswertung
der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der gerügten Verfassungsnorm und den ihr zugrunde liegenden Prinzipien und Grundsätzen in substantieller Argumentation
darlegen, woraus sich in konkretem Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Entsprechende substantielle Ausführungen enthält
die Beschwerdebegründung nicht.
Mit ihrem übrigen Vorbringen rügt die Klägerin die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung in der Sache. Hierauf kann
jedoch nach den in §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG abschließend aufgeführten Revisionszulassungsgründen eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 Abs
1 und 4
SGG.