Feststellung einer Auffangversicherungspflicht
Beitragsbelastung Selbstständiger mit geringem Arbeitseinkommen
Verfassungskonformität
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde und dem "Antrag auf vorläufige Aussetzung der Vollziehung" zugrunde liegenden Rechtsstreit
wendet sich der Kläger gegen die Feststellung seiner Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
13a SGB V (sog Auffangversicherungspflicht), insbesondere aber gegen die Höhe der festgesetzten Beiträge zur gesetzlichen Kranken-
und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit 20.4 bis 5.6.2011 sowie 30.7.2011 bis 15.1.2012.
1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen LSG vom 15.10.2014 ist in
entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 20.1.2015 (ergänzt durch Schriftsatz vom 29.1.2015) allein auf den
Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt,
genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung,
insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger formuliert in seiner Beschwerdebegründung die Frage,
"ob es mit dem
Grundgesetz insbesondere mit Art.
3 GG vereinbar ist, dass ein geringverdienender pflichtversicherter Selbständiger rund das Dreifache an Krankenkassenbeiträgen
eines nichtselbständig Beschäftigten mit vergleichbarem Einkommen zu zahlen hat."
Hierzu erläutert der Kläger, er mache im Zusammenhang mit der von der Beklagten vorgenommen Beitragsfestsetzung eine Verletzung
höherrangigen Rechts geltend, indem durch die ungleiche Behandlung von Selbstständigen und Unselbstständigen eine Rechtsungleichhandlung
entstehe. Insoweit habe er während seiner Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 S 1 Nr
13 SGB V aus einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 356,33 Euro aufgrund selbstständiger Tätigkeit monatliche Beiträge von 218,46
Euro bzw 224,44 Euro zu tragen gehabt. Für einen Beschäftigten mit einem vergleichbaren Einkommen in der zunächst vorgetragenen
Höhe von monatlich 535 Euro (Schriftsatz vom 20.1.2015) seien dagegen im selben Zeitraum lediglich Beiträge in Höhe von 69,49
Euro, 68,02 Euro bzw 68,53 Euro zu zahlen gewesen. Das tatsächliche Monatseinkommen von 356,33 Euro liege sogar unter der
Geringfügigkeitsgrenze des §
8 Abs
3 SGB IV. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen Art
3 GG und §
240 Abs 1 S 2
SGB V, wonach bei der Beitragsbelastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des (freiwilligen) Mitglieds zu berücksichtigen
sei. Die Ungleichbehandlung ließe sich insbesondere für die Gruppe der nach §
5 Abs
1 S 1 Nr
13 SGB V Versicherungspflichtigen auch nicht dadurch rechtfertigen, dass die Personengruppe der Beschäftigten wesentlich ungleich
sei. Die rechtliche Stellung habe keinen Einfluss auf Art und Umfang von Erkrankungen und Unfällen. Wegen der Versicherungspflicht
nach §
5 Abs
1 S 1 Nr
13 SGB V sei die Rechtsprechung von BVerfG und BSG zur gerechtfertigten Ungleichbehandlung pflichtversicherter und freiwillig versicherter Mitglieder nicht möglich.
Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen
Norm aufgeworfen und den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat
er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht dargelegt.
Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit wäre es - wie oben bereits erörtert - notwendig gewesen, unter Einbeziehung der einschlägigen
Literatur und Rechtsprechung im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.
Der Kläger geht in seiner Beschwerdebegründung schon nicht auf die insbesondere vom BVerfG zur Prüfung eines vermeintlichen
Verstoßes gegen Art
3 Abs
1 GG entwickelte Dogmatik ein. Auch mit der Literatur hierzu, wie auch zu §
5 Abs
1 S 1 Nr
13 SGB V oder §
240 SGB V, beschäftigt er sich - anders als erforderlich - nicht einmal ansatzweise. Soweit er behauptet, die Entscheidungen des BSG vom 26.5.2004 (B 12 P 6/03 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 1) und des BVerfG vom 22.5.2001 (1 BvL 4/96 - BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39) könnten für die Beantwortung der von ihm formulierten Frage nicht herangezogen werden, da diese
freiwillig Versicherte und nicht nach §
5 Abs
1 S 1 Nr
13 SGB V versicherungspflichtige Personen beträfen, hätte er über diese Behauptung hinaus im Einzelnen den Inhalt der genannten Entscheidungen
darstellen und herausarbeiten müssen, warum sich die Frage nicht auf Grundlage der dort aufgestellten Rechtssätze beantworten
lässt. Insoweit gilt, dass eine Rechtsfrage auch dann als höchstrichterlich geklärt angesehen werden muss, wenn das Revisionsgericht
sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift jedoch schon höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben. Insbesondere hätte der Kläger Anlass gehabt, sich mit dem Beschluss des BVerfG vom 22.5.2001 auch insoweit
auseinanderzusetzen, als dieses Gericht gerade auch zur wirtschaftlichen Situation Selbstständiger mit geringem Arbeitseinkommen
Stellung genommen hat (BVerfGE 103, 392, 402 f = SozR 3-2500 § 240 Nr 39 S 196 f). Anlass zu einer genaueren Auseinandersetzung mit der genannten Rechtsprechung
hätte insbesondere deshalb bestanden, weil das BVerfG ua ausgeführt hat, dass der Gesetzgeber die Beitragsbelastung hauptberuflich
Selbstständiger mit geringem Arbeitseinkommen von Verfassungs wegen nicht - etwa mit dem Ziel der wirtschaftlichen Ermöglichung
einer freiwilligen Mitgliedschaft dieser Personengruppe - durch eine Härteklausel habe abmildern müssen. Es hat dies (auch)
damit begründet, dass der Gesetzgeber Personen, die zur Aufbringung von Mindestbeiträgen auf der Grundlage des §
240 Abs
4 S 2 Halbs 2
SGB V nicht in der Lage seien, auf das subsidiäre System staatlicher Fürsorgeleistungen habe verweisen dürfen. Diesbezüglich hätte
der Kläger herausarbeiten müssen, warum dies nicht auch für die Gruppe der auffangversicherungspflichtigen Selbstständigen
mit geringem Einkommen gelten sollte, die beitragsrechtlich wie freiwillig Versicherte behandelt werden.
Soweit sich der Kläger auf sein unter der Geringfügigkeitsgrenze des §
8 Abs
3 SGB IV liegendes Arbeitseinkommen beruft und sinngemäß auch eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Gruppe der nach §
7 SGB V in der Krankenversicherung Versicherungsfreien geltend macht, berücksichtigt er zudem nicht, dass auch diese Personengruppe
unter den weiteren Voraussetzungen des §
5 Abs
1 S 1 Nr
13 SGB V versicherungspflichtig ist, soweit sie keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hat. Auch die Beitragspflichten
dieser Personengruppe folgen dann den Regelungen für freiwillig Krankenversicherte (§
227 iVm §
240 SGB V).
Auf die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage geht der Kläger überhaupt nicht ein, was bereits für sich genommen zur Unzulässigkeit
der Grundsatzrüge führt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
2. Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Entsprechend
dem darin zum Ausdruck kommenden Begehren (§
123 SGG) ist der vom Kläger formulierte Antrag, "die sofortige Vollziehung der Bescheide vom 20.7.2011, 23.11.2011, 7.12.2011 und
15.3.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 vorläufig auszusetzen", als Antrag nach §
86b Abs
1 S 1 Nr
3 SGG auszulegen. Danach kann das Gericht der Hauptsache - im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
durch ein LSG das BSG (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
86b RdNr 11) - auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage - wie im Fall des Klägers - keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Hierüber ist aufgrund einer Abwägung des Vollzugsinteresse
und des Interesses des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden (vgl BSG SozR 4-1500 § 86a Nr 2 RdNr 11; Keller, aaO, RdNr 12 und 12e bis 12j mwN). Dabei ist vor allem zu würdigen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes bestehen und ob ein ausreichendes öffentliches Interesse für eine Vollziehung vor
dessen Bestandskraft vorliegt (BSG aaO). Hat das Rechtsmittel, das die Zuständigkeit des Gerichts zur Entscheidung über den Antrag begründet, keine Aussicht
auf Erfolg, so ist der Antrag abzulehnen (vgl Keller, aaO, RdNr 12f mwN). Dies ist vorliegend der Fall, denn die Nichtzulassungsbeschwerde
des Klägers ist - wie oben unter 1. dargelegt - bereits unzulässig.
Die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz erfolgt ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter (§
12 Abs
1 S 2, §
33 Abs
1 S 2, §
40 S 1
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.