Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe:
I
Der Kläger ist mit seinem Begehren, über den 2.12.2011 hinaus Krankengeld (Krg) zu erhalten, in den Vorinstanzen erfolglos
geblieben. Das LSG hat hierzu ausgeführt, für den Zeitraum ab 3.12.2011 bestehe kein Anspruch auf Krg, weil die Beklagte nach
entsprechender Prüfung des Sachverhalts unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen
und Auswertung insbesondere des Sozialmedizinischen Gutachtens vom 23.11.2011 zutreffend festgestellt habe, dass seit 3.12.2011
wieder Arbeitsfähigkeit für eine Tätigkeit als Transportgeräteführer/Lagerist bestanden habe. Zur Begründung bezieht es sich
in erster Linie auf die für zutreffend erachteten Ausführungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides sowie auf die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit durch das SG. Eine davon abweichende Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sei auch unter Berücksichtigung des im Berufungsverfahren eingeholten
Sachverständigengutachtens und der Beweisaufnahme insgesamt nicht zu rechtfertigen. Der Kläger habe den Beweis der anspruchsbegründenden
Tatsache seiner Arbeitsunfähigkeit (AU) zur Überzeugung des Senats nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu
führen vermocht. Vielmehr schließe sich der Senat der Einschätzung des Sachverständigen des im Berufungsverfahren eingeholten
Sachverständigengutachtens an, wonach eine zweifelsfreie Feststellung der AU über den 2.12.2011 hinaus nicht getroffen werden
könne. Die fehlende Feststellbarkeit von AU sei letztlich dem insoweit beweispflichtigen Kläger zuzurechnen (Urteil des LSG
vom 30.5.2018).
Mit der Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger keinen der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe formgerecht dargetan hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1, Abs
2 iVm §
169 Abs
2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung
des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht
werden (Nr 3).
Der Kläger beruft sich weder ausdrücklich auf einen solchen Zulassungsgrund noch können seinen Ausführungen hinreichende Darlegungen
iS von §
160a Abs
2 S 3
SGG zum Vorliegen eines solchen Grundes entnommen werden. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann
nicht zur Zulassung der Revision führen (allg Meinung, vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich aus den Ausführungen der Beschwerdebegründung nicht. Grundsätzliche
Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der
Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer
muss anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen
sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder
Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl
zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie enthält schon keine ausdrücklich formulierte
Rechtsfrage zur Auslegung oder Anwendung von Bundesrecht (§
162 SGG). Soweit den Ausführungen sinngemäß die Frage entnommen werden kann, ob die ärztliche Feststellung der AU für die Krankenkasse
eine Bindungswirkung oder die Vermutung entfaltet, dass AU vorliege, ist auch diesbezüglich die grundsätzliche Bedeutung nicht
hinreichend dargelegt.
Schon die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage lässt sich den Ausführungen nicht entnehmen. Von einer bereits ausreichenden
Klärung der Rechtsfrage ist in der Regel auszugehen, wenn die Frage schon höchstrichterlich entschieden ist (vgl Leitherer
in Meyer-Ladewig ua,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160 RdNr 8 mwN). Der Kläger bezieht sich zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zunächst auf einen Aufsatz von Krasney
(NZS 2015, 601), in dem Kritik an der Rechtsprechung des BSG geübt werde. Der Kläger zitiert hieraus aber schon selbst, dass das BSG seinen Standpunkt unter nahezu einhelliger Zustimmung im Schrifttum mehrfach begründet habe. Damit ist nicht dargelegt, dass
die Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht (hinreichend) entschieden sei. Zwar kann eine Rechtsfrage trotz Vorliegens einer
höchstrichterlichen Entscheidung weiter klärungsbedürftig bleiben oder erneut klärungsbedürftig werden, wenn der Entscheidung
in nicht geringem Umfang widersprochen wird und nicht abwegige Einwendungen gegen sie erhoben werden (vgl hierzu Leitherer,
aaO, RdNr 8b mwN). Nur vereinzelt vertretene abweichende Meinungen begründen demgegenüber grundsätzlich keinen Klärungsbedarf
(vgl hierzu auch BGH Beschluss vom 8.2.2010 - II ZR 54/09 - NJW-RR 2010, 1047). Mit der Aufführung eines einzelnen kritischen Aufsatzes wird daher die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht hinreichend
dargelegt.
Darüber hinaus beantwortet der zitierte Aufsatz die aufgeworfene Rechtsfrage nach der Bindungswirkung der ärztlichen Feststellung
oder einer Vermutungsregelung für das tatsächliche Vorliegen der vom Arzt festgestellten AU nicht in einer für das vorliegende
Verfahren entscheidungserheblichen Weise, sodass auch die Entscheidungserheblichkeit dieser Ausführungen nicht hinreichend
dargelegt ist. Das vom Kläger aufgeführte wörtliche Zitat aus dem Aufsatz macht deutlich, dass es dem Autor lediglich um einen
Vertrauensschutz aufgrund der ärztlichen Feststellung der AU geht. Einleitend weist der Autor darauf hin, dass in dem Aufsatz
lediglich der Frage nachgegangen wird, wie zu entscheiden sein solle, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass der
Arzt zu Unrecht AU angenommen habe und im Ergebnis ist festgehalten, dass der Versicherte davon ausgehen dürfe, dass ein Anspruch
auf Krg solange bestehe, bis die Krankenkasse ihm zumindest ernsthafte Anhaltspunkte für eine unzureichende ärztliche Feststellung
zur Kenntnis bringe. Diese Frage ist jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich, da die Beklagte dem Kläger die aus ihrer
Sicht unzutreffende ärztliche Feststellung der AU bereits in dem angefochtenen Bescheid vom 28.11.2011 zur Kenntnis gebracht
und die Arbeitsfähigkeit des Klägers nur für die Zukunft (ab 3.12.2011) festgestellt hat. Diesbezüglich wird auch in dem vom
Kläger aufgeführten Aufsatz ausdrücklich ausgeführt, dass die Krankenkasse bei ihrer Entscheidung über das Vorliegen der AU
nicht an die ärztliche Feststellung gebunden sei. Die Regelung in §
275 Abs
1 Nr
3 Buchst b
SGB V, nach der die Krankenkasse bei Zweifeln über die Feststellung der AU eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einholen müsse,
wäre sinnlos, wenn die Krankenkasse danach bei ihrer Entscheidung an die ärztliche Feststellung der AU gebunden wäre (vgl
Krasney, NZS 2015, 601, 604).
Die grundsätzliche Bedeutung wird auch durch die Hinweise auf Entscheidungen des EuGH nicht hinreichend dargelegt. Soweit
der Kläger auf die Rechtssache Rindone (Urteil des EuGH vom 12.3.1987 - C-22/86 - EuGHE 1987, 1339 = SozR 6055 Art 18 Nr 1) Bezug nimmt, zitiert er lediglich aus dem ersten Teil des ersten Leitsatzes. Danach ist Art 18 Abs 1 - 4 der EWGV Nr 574/72 dahin auszulegen, dass der zuständige Träger in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des
Wohnorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der AU gebunden ist. Der Leitsatz geht aber
wie folgt weiter: "sofern er nicht von der in Absatz 5 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, den Betroffenen durch einen
Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen." Eine Bindung der Beklagten an die von dem behandelnden Arzt des Klägers erstellte
AU-Bescheinigung lässt sich daraus insgesamt nicht entnehmen. Gleiches gilt bezüglich der weiteren in der Beschwerdebegründung
aufgeführten Entscheidungen des EuGH (Paletta I und Paletta II) und des BAG. Ohne weitere Darlegungen kann auch daraus keine
für den Kläger günstige Rechtsauffassung abgeleitet werden. Schließlich hat das LSG in den Urteilsgründen zahlreiche Umstände
aufgeführt, die es zu ernsthaften Zweifel an der festgestellten AU des Klägers in der Zeit ab 3.12.2011 veranlasst haben.
2. Mit seinen Ausführungen hat der Kläger auch nicht den Zulassungsgrund der Divergenz hinreichend dargelegt. Der Kläger hat
schon keine Entscheidung eines der in §
160 Abs
2 Nr
2 SGG genannten Gerichte (des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG) aufgeführt, von der die angefochtene Berufungsentscheidung abweichen könnte.
3. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel geltend gemacht. Soweit er abschließend seine Auffassung darlegt, es liege
eine falsche Beweiswürdigung vor, ist darauf hinzuweisen, dass nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des §
128 Abs
1 S 1
SGG gestützt werden kann. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens
gewonnenen Überzeugung.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.