Leistungsausschluss durch den Bezug von Altersrente
Tatbestand
Streitig ist die Umwandlung der für den Monat Februar 2018 bislang darlehensweise gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
(Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in einen Zuschuss.
Der 1954 geborene Kläger bezog vom Beklagten bis einschließlich Januar 2018 Alg II (Bescheid vom 27.11.2017). Mit Bescheid
vom 12.01.2018 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) dem Kläger ab 01.12.2017 eine Altersrente für langjährig Versicherte.
Für die Zeit ab Februar 2018 erfolge eine laufende monatliche Zahlung zum Monatsende. Am 23.01.2018 beantragte der Kläger
Alg II für Februar 2018. Er sei völlig mittellos und die Rente werde erst "nachschüssig" ausgezahlt. Mit Bescheid vom 24.01.2018
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2018 bewilligte der Beklagte darauf darlehensweise Leistungen für Februar
2018 iHv 909,17 €. Bei der Entscheidung über die Bewilligung des Darlehens sei vom Ermessen Gebrauch gemacht und die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse seien gebührend berücksichtigt worden.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Leistungen für Februar 2018 seien ohne Rückzahlungspflicht zu gewähren. Zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung
habe noch nicht sicher festgestanden, ob und welche Rentenzuflüsse im Februar 2018 eingehen würden. Diese seien alleine maßgeblich.
Insoweit seien ihm am 02.02.2018 60,00 € als Nachzahlung und am 28.02.2018 eine Rentenzahlung für Februar 2018 iHv 893,40
€ zugeflossen. Es werde auf einen Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15.01.2016 Bezug genommen. Mit Urteil vom 15.01.2019
hat das SG die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf den Bezug der Altersrente ab Februar 2018 unterliege der Kläger einem Leistungsausschluss.
Im Monat Februar 2018 seien Rentenzahlungen erbracht worden. Sofern durch die Zahlung am Monatsende eine Notlage entstehe,
müsse sich der Kläger an die Rentenversicherung zwecks einer Vorschussleistung wenden und diese ggf mittels einstweiligen
Rechtsschutzes durchsetzen. Ein Anspruch auf Zahlung eines Darlehens habe deshalb bereits nicht bestanden. Ein Erstattungsanspruch
der Rentenversicherung bestehe ab dem Monat der ersten Rentenzahlung nicht. Der Beklagte sei daher ab Februar 2018 nicht mehr
für die Leistungserbringung an den Kläger zuständig gewesen. Die Berufung gegen das Urteil sei nicht zulässig.
Im Rahmen der gegen das Urteil des SG beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger ausgeführt, die Zahlung der gesetzlichen
Rente erfolge regelmäßig nicht ab Monatsbeginn, sondern erst am Ende des jeweiligen Rentenbezugsmonats. Der tatsächliche Bedarf
bestehe aber bereits am Monatsanfang bzw. über den gesamten Monat. Die Rückzahlung einer Darlehensschuld wegen der Gewährung
von Alg II für diesen Monat als Darlehen sei nicht zumutbar. Das zurückgezahlte Geld fehle dann wieder bei der Deckung eines
angemessenen Bedarfs. Eine Belastung in dieser Weise für die Rentner habe der Gesetzgeber nicht gewollt. Es handle sich um
ein Massenphänomen. Mit Beschluss vom 02.04.2019 hat der Senat das Urteil des SG abgeändert und die Berufung für zulässig erklärt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.01.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die mit Bescheid vom 24.01.2018
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2018 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss
zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung (§§
143,
145 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 24.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
12.06.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Umwandlung der ihm
für Februar 2018 darlehensweise bewilligten Leistungen in einen Zuschuss.
Streitgegenstand ist zunächst der Bescheid vom 24.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2018, mit dem
der Beklagte darlehensweise Alg II für Februar 2018 bewilligt hat. Das Begehren des Klägers richtet sich auf die Änderung
des Rechtsgrundes der Zahlung - Zuschuss statt Darlehen -, das er im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
(§§
54 Abs.
1,
56 SGG) zulässigerweise geltend macht (vgl BSG, Urteil vom 12.10.2016 - B 4 AS 4/16 R - juris - mwN).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf zuschussweise Leistungen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind, und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Allerdings sind Personen, die eine Rente wegen Alters beziehen, von
Leistungen ausgeschlossen (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 SGB II). Im Hinblick auf den Bezug der Altersrente ab Februar 2018 hat der Kläger damit keinen Anspruch mehr auf Alg II. Der Leistungsausschluss
liegt in der typisierenden Annahme begründet, dass Bezieher von Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze schon aus
dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden müssen (vgl BSG, Urteil vom 07.12.2017 - B 14 AS 7/17 R - juris). Hieraus folgt in der Konsequenz, dass zwar ein tatsächlicher Bezug der Rente für den Ausschluss vorausgesetzt
wird, aber dieser für den Monat der Auszahlung unabhängig vom konkreten Zahlungstag greift, da es letztlich um die fehlende
Eingliederungsbedürftigkeit geht. Im Übrigen gilt auch bei der Einkommensanrechnung das Monatsprinzip, selbst wenn ein Zufluss
erst am Monatsende erfolgt (vgl zur Anrechnung von Einkommen: BSG, Urteil vom 07.12.2017 - B 14 AS 8/17 R; Urteil vom 30.03.2017 - B 14 AS 18/16 R - beide zitiert nach juris).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die hier auftretende Regelungsfolge vom Gesetzgeber nicht unbeabsichtigt oder übersehen
worden. So ist in der Begründung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BT-Drs 17/3404 S. 93) im Rahmen der Regelung des Leistungsausschlusses bei Erreichen der Altersgrenze (§ 7a SGB II) festgehalten, dass bis zur ersten Zahlung der Rente der Einsatz vorhandenen Altersvorsorgevermögens zumutbar sei und Leistungen
für diese Zeit nicht vorgesehen seien, da es sonst zu Doppelleistungen kommen würde; soweit im Einzelfall der Bedarf bis zur
ersten Rentenzahlung nicht gedeckt werden könne, käme ein Darlehen nach § 38 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Betracht. Demnach war sich der Gesetzgeber bewusst, dass es bis zum Eingang der ersten Rentenzahlung am Monatsende zu
einer Bedarfslücke kommen kann und diese allenfalls - sofern kein anderweitiges Vermögen vorhanden ist - mit darlehensweise
zu gewährenden Leistungen zu decken wäre. Schwierigkeiten, die im Hinblick auf eine geringe Rentenhöhe hinsichtlich der Rückzahlung
des Darlehens auftreten könnten, kann durch eine entsprechende Rückzahlungsvereinbarung begegnet werden. So soll nach § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB II über die Rückzahlung des ausstehenden Betrags eine Vereinbarung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse
der Darlehensnehmer getroffen werden. Sollte die Einziehung des Anspruchs nach Lage des Einzelfalles unbillig sein, käme zudem
die Prüfung eines Erlasses in Betracht (§ 44 SGB II), der aber - schon mangels einer Entscheidung des Beklagten über einen entsprechenden Antrag des Klägers - vorliegend nicht
Streitgegenstand ist.
Der Beklagte ist auch nicht deshalb zur zuschussweisen Weiterzahlung des Alg II an den Kläger verpflichtet, weil ihm ein Erstattungsanspruch
gegen den Rentenversicherungsträger zustehen würde. Ein solcher Erstattungsanspruch nach § 40a Satz 1 SGB II iVm § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) steht ihm aber nicht zu (aA offenbar Schumacher in Oestreicher/Decker, SGB II/SGB XII, Stand 03/2019, § 7 SGB II Rn 29c). Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von §
103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte,
soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis
erlangt hat (§ 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dabei ist nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen
Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Mit der Zahlung der Altersrente am Ende des Monats Februar
2018 hat der Rentenversicherungsträger aber die Rentenzahlung gerade rechtzeitig erfüllt, denn laufende Geldleistungen nach
dem
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) mit Ausnahme des Übergangsgeldes werden am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt
sind (§
118 Abs.
1 Satz 1
SGB VI). Es fehlt daher an dem in § 104 Abs. 1 SGB X vorausgesetzten Verhältnis der Vorrangigkeit-Nachrangigkeit (vgl dazu BSG, Urteil vom 25.01.1994 - 7 RAr 42/93; BayLSG, Urteil vom 30.03.2017 - L 19 R 940/15; beide zitiert nach juris). Zudem waren dem Kläger die Rentenleistungen ab Februar 2018 auch bereits mit Bescheid des Rentenversicherungsträgers
vom 12.01.2018, also bereits vor dem maßgeblichen Leistungszeitraum und dem Darlehensbescheid des Beklagten bewilligt worden.
So geht auch der Verweis auf die Entscheidung des SG Berlin (Beschluss vom 15.01.2016 - S 149 AS 119/16 ER) fehl. Dort hatte der Jobcenter eine Leistungsbewilligung auch für Monate aufgehoben, in denen noch keine Rentenzahlung
erfolgte bzw zu erwarten war. Demzufolge handelte es sich um eine andere Fallgestaltung und darüber hinaus um ein Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der Rentenversicherungs- oder der Sozialhilfeträger war nicht beizuladen, da es alleine um die Umwandlung des vom Beklagten
bereits gewährten Darlehens für Februar 2018 in einen Zuschuss geht.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Umwandlung des darlehensweise geleisteten Alg II in einen Zuschuss. Die Berufung
war folglich zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.